Suchergebnisse für ‘wortspiel’

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Kein Glück im Wortspiel

Bei “Bild” waren sie so stolz auf ihr Wortspiel, dass sie es gleich zwei Mal bringen mussten:

Jack Black spielt Black Jack. Der US-Schauspieler Jack Black (42, "School Of Rock") nimmt hier an einem Charity-Glücksspiel teil — und schenkt uns damit dieses Wortspiel: "Jack Black spielt Black Jack."

Wir wollen die Euphorie nur ungern bremsen, aber das “Charity-Glücksspiel”, an dem Jack Black da teilgenommen hat, war ein PokerTurnier.

Mit Dank an Carapinha und H.K.

Die “Bild”-Wortspiele von Cannes

Die Internationalen Filmfestspiele von Cannes sind seit Sonntag vorbei. Und während die Goldene Palme für den besten Film an “The Tree of Life” verliehen wurde, sind wir von BILDblog der Meinung, dass “Bild” und Bild.de mindestens einen Preis in der Sonderkategorie “Konsequentester Einsatz ein und desselben abgedroschenen Wortspiels” verdient hätten:

11.5.2011:

Cannes ich mir das denn leisten?

12.5.2011:

64. Filmfestspiele eröffnet Nur Cannes kann sooo strahlen

13.5.2011:

Cannes kann sehr schlauchen.

14.5.2011:

Filmfestspiele in Cannes bei Arthur Cohn So schön kann Cannes feiern!

17.5.2011:

Filmfestspiele in Cannes Jane Fonda Cannes immer noch!

18.5.2011:

Das Filmfest wird sexy Endlich kann Cannes auch nackt!

19.5.2011:

Die glamouröse AmfAR-Charity Gala am Donnerstagabend im Hotel du Cap Eden Roc in Antibes. Wer cannes, der kommt!

21.5.2011:

Tiefe Dekolletés, kurze Röcke und viel Glitzer. Nichts dagegen einzuwenden! Doch wer cannes und wer sollte lieber nicht?

Womöglich handelt es sich um eines der langlebigsten Wortspiele in der Redaktion überhaupt:

2010:

DIE STARS BEI DEN 63. FILMFESTSPIELEN Was in Cannes alles passieren kann ... ZUR ERÖFFNUNG DER 63. FILMFESTSPIELE KAM DELON NICHT ALLEIN UND OLIVER STONE SOFF FÜR ZWEI

BILD BERICHTET VOM FILMFESTIVAL Paris Hilton Cannes nicht lassen!

WOODY ALLEN UND DER SEX Wer Cannes, der kann

2009:

Kann es Schöneres als Cannes geben?

FILMFESTSPIELE Kino Cannes so toll sein

FILMFESTSPIELE 2009 Cannes sein, dass es hier kriselt? POPCORN-DINNER & CHAMPAGNER AUS DEM PLASTIKBECHER

PARIS HILTON UND DOUG REINHARDT Paris Cannes nicht lassen

2007:

Cann es sein, dass in Cannes die Zeit stehen bleibt?

Nicht nur in Cannes lautet die Antwort auf die letzte Frage offensichtlich: “Ja”.

“Faktisches Arbeitsverbot”?, Elons Waschbecken, “Hildbusters”

1. Klage gegen WDR Journalist wirft dem Sender “faktisches Arbeitsverbot” vor
(ksta.de, Annika Joeres & Anne Burgmer)
Der WDR-Redakteur Jürgen Döschner wirft dem eigenen Sender ein “faktisches Arbeitsverbot” vor: Wegen seiner kritischen Berichterstattung über die Kohleindustrie und anderen Klimathemen werde er geflissentlich ignoriert. Trotz eines Jahresgehalts von rund 100.000 Euro arbeite er nur noch höchstens fünf Stunden im Monat. Der “Kölner Stadt-Anzeiger” und “Correctiv” sind dem Fall in einer gemeinsamen Recherche nachgegangen.

2. Elon Musk übernimmt Twitter und feuert Spitzenkräfte
(spiegel.de)
Nun ist es offenbar soweit. Nach monatelangem Hin und Her und einigen überraschenden Wendungen hat Elon Musk anscheinend den Kauf des Kurznachrichtendienstes Twitter vollzogen. Kamerawirksam betrat Musk das Gebäude des Unternehmens mit einem Waschbecken (“sink”) in den Händen und twitterte dazu launig: “Entering Twitter HQ – let that sink in!” Außerdem steht in seiner Twitter-Bio nun “Chief Twit”. Bisherige Führungskräfte seien unmittelbar nach der Musk-Übernahme entlassen und aus dem Gebäude eskortiert worden (für eine Erklärung von Musks Wortspielen siehe hier).

3. Hildmann aufgespürt: “Wir wussten, wo er Gassi geht – dann haben wir uns auf die Lauer gelegt”
(rnd.de, Maximilian König)
Nach dem Bericht des “Stern” über das Versagen der Berliner Generalstaatsanwaltschaft in der Causa Attila Hildmann spürte ein Team aus Hobbydetektiven (“Hildbusters”) und Journalisten den ehemaligen Koch und wirren Rechts-Influencer in seinem Versteck in der Türkei auf. Im “RND”-Interview erzählt “Hildbuster” Alexander Brehm, wie er und seine Hobbyrechercheure Hildmann dank eines Geräuschs finden konnten.

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4. Wie Polizeimeldungen Unfälle verharmlosen – ein Beispiel aus Berlin-Mahlsdorf
(tagesspiegel.de, Johanna Treblin)
Anhand eines aktuellen Beispiels (ein siebenjähriges Mädchen wurde auf einem Zebrastreifen angefahren) kritisiert Johanna Treblin Polizeimeldungen über Verkehrsunfälle, bei denen man sich frage, ob die Polizei Partei für die Autofahrer und Autofahrerinnen ergreife. “Tagesspiegel”-Redakteur Stefan Jacobs hatte sich bereits 2020 mit dem Thema auseinandergesetzt. Viele Polizeimeldungen zu Unfällen klängen, “als wären sie aus der Perspektive des verständnisvollen Beifahrers geschrieben, der den Fahrern bescheinigte, trotz perfekter Reaktion keine Chance gegen die Unaufmerksamkeit der Fußgänger zu haben – die wegen ihrer schweren Verletzungen ohnehin selten befragt werden konnten”.

5. Marketing und Meinungsmache: das war Mateschitz als Medienmogul
(medienwoche.ch, Herwig G. Höller)
Der kürzlich verstorbene Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz war Brausevermarkter und Medienmogul zugleich. Ob die thailändischen Mehrheitsbesitzer der Marke Red Bull Mateschitz’ Medien weiter finanzieren, sei jedoch ungewiss: “Für Spekulationen, dass der verstorbene Multimilliardär in Form von Stiftungen für seine Steckenpferde vorgesorgt haben könnte, gibt es bislang keine Belege.”

6. Hat sich Mark Zuckerberg verzockt?
(tagesschau.de, Nils Dampz)
Nils Dampz aus dem ARD-Studio Los Angeles berichtet vom Fortgang des “Metaversums”, einer digitalen Zukunftsidee des Facebook-Gründers Mark Zuckerberg. Wirtschaftlich sei es derzeit nicht gut um Facebooks Mutterkonzern bestellt. Der Umsatz von Meta sei zum zweiten Mal hintereinander gesunken, bei den Investoren breite sich Nervosität aus.

Plage mit der Chatkontrolle, Charmeoffensive, Botticellis “Venus”

1. EU-Kommissarin verteidigt Chatkontrolle mit unsinnigem Vergleich
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
Die EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat gestern dem zuständigen Ausschuss des Europaparlaments den umstrittenen Gesetzentwurf zur Chatkontrolle vorgestellt. Die Fachleute sind entsetzt ob des Vorhabens und der Argumentation. Markus Reuter hat einige Stimmen zusammengetragen.
Gucktipp: Wer nur wenig Zeit hat, kann sich auch das knapp einminütige Fazit des Bürgerrechtlers, Digitalexperten und Europaabgeordneten der Piratenpartei Patrick Breyer ansehen (twitter.com).

2. “Wir benötigen eine Bullshit-Resilienz”
(journalist.de, Stephan Weichert)
In der neuen Ausgabe von “Mein Blick auf den Journalismus” plädiert Medienwissenschaftler Stephan Weichert für einen “digitalen Minimalismus”: “Ich glaube, dass die Zeit reif ist für eine Medien-Inventur, ein radikales Umdenken. In unser ganzheitliches Resilienzparadigma passt ein Journalismus, der den digitalen Minimalismus vorlebt. Dem es gelingt, die Nutzenden gerade in der Krise zu Gestaltern zu machen, der aber selbst nicht zum Gestalter wird.”

3. Just eine Journalistenzeitung empfiehlt Karrieren als PR-Profi
(infosperber.ch, Urs P. Gasche)
Urs P. Gasche berichtet über eine Veranstaltung, die von der Fachzeitschrift “Schweizer Journalist:in” als “wichtigstes Event für den PR-Nachwuchs” empfohlen wird: das “PR Report Camp” in Berlin, organisiert vom Oberauer-Verlag. Gasche wollte wissen, was der Chefredakteur der Fachzeitschrift, die ebenfalls zum Oberauer-Verlag gehört, darüber denkt, dass sich ein Blatt für Journalistinnen und Journalisten für ein Event der PR-Branche starkmacht. Dieser habe eingeräumt, dass “die Kommunikationsabteilungen in den vergangenen Jahren aufgestockt haben, während in den Medienhäusern die Zahl der Journalistinnen und Journalisten zurückgeht”.

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4. Charmeoffensive bei den “Tagesthemen”
(tagesspiegel.de, Markus Ehrenberg)
Neuerdings duzen sich Moderatorin und Nachrichtensprecher im “Tagesthemen”-Studio. Markus Ehrenberg ist lediglich der Abschied zu schnöde (“Tschüß!”) und so spöttelt er: “Wir schlagen einen gemeinsamer Plausch im On vor: ‘Du, Constantin, Was machst du jetzt? Wollen wir noch zusammen einen Absacker trinken?'”

5. Ein Großmeister der Wortspiele
(sueddeutsche.de, Max Fellmann)
“Das SZ-Magazin hat einen Teil seiner Seele verloren. Unser Freund und Kollege, das Rätselgenie Curt Schneider, ist gestorben. Es ist ein unfassbarer Verlust.” So beginnt der Nachruf auf Curt Schneider, der sich seit mehr als 32 Jahren Woche für Woche neue Rätsel für die Magazin-Leser und -Leserinnen ausdacht hat.

6. Botticellis “Venus”: Uffizien klagen gegen Jean-Paul Gaultier
(br.de, Peter Jungblut)
Die Nutzung von Aufnahmen, die abfotografierte Gemälde zeigen, wirft immer wieder neue juristische Probleme auf, selbst wenn die Gemälde als “gemeinfrei” (also urheberrechtsfrei) gelten. Ein interessanter Rechtsstreit entwickelt sich gerade zwischen den Uffizien, dem berühmten Museum in Florenz, und dem französischen Star-Designer Jean Paul Gaultier. Dieser hatte Hosen, Pullis und Kleider mit Motiven aus dem berühmten Renaissance-Gemälde “Geburt der Venus” bedruckt und wird vom Museum dafür nun zur Kasse gebeten.

Bringt Julian Reichelt die Familien der TV-Köche in Gefahr?

Screenshot Bild.de - Deutschlands Topf-Verdiener - Wie viel unsere TV-Köche absahnen

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Bei dieser wortspielreichen Geschichte von “Bild” und Bild.de müssten bei Chefredakteur Julian Reichelt eigentlich alle Alarmglocken läuten. Denn nach dessen Logik bringt die öffentliche Schätzung des Gehalts einer Person ja deren Familie in Gefahr — zumindest sieht es Reichelt so, wenn es um ihn selbst geht. Bekanntermaßen wollte er nicht, dass sein Einkommen geschätzt wird, als das Medienmagazin “kress pro” zu Gehältern von Chefredakteuren recherchierte.

Allerdings scheint Julian Reichelt nur bei sich selbst so strikt sein zu wollen, auf jeden Fall nicht bei Fernsehköchen. Und so sind laut der Reicheltschen Logik nun Tim Mälzers, Frank Rosins und Jamie Olivers Familien in Gefahr.

Ein Glück, dass die “Bild”-Medien nur bei den dreien in der Lage waren, Gehalt beziehungsweise Vermögen zu recherchieren. Alle anderen Zahlen, die die Redaktion nennt, sind lediglich vage Schätzungen von Gagen. Die Familien der restlichen Fernsehköche, die sich “reich gekocht” haben, wie “Bild” schreibt, können also erstmal aufatmen.

Wen Julian Reichelt nach Julian-Reichelt-Logik sonst noch in Gefahr gebracht haben könnte:

Mit Dank an Tony und @8menschlich für die Hinweise!

Die Radwegkosten neu erfinden

Da kann die Haselmaus noch so süß gucken — in “Bild” gab’s am vergangenen Freitag mal wieder was zum Blutdruckerhöhen:

Ausriss Bild-Zeitung - Radweg kostet zehn Millionen Euro pro Kilometer

Seit 13 Jahren wird er gebaut, fertig ist er noch lange nicht. Aber vor allem ist der neue Radweg am Rhein, der Lorchhausen und Rüdesheim (Hessen) verbinden soll, der wohl teuerste Radweg aller Zeiten: 10 Mio. Euro pro Kilometer!

11,3 Kilometer soll dieser Radweg an der Bundesstraße 42 lang sein, wenn er einmal fertig ist, und laut “Bild” 115 Millionen Euro kosten. Daraus errechnet die Redaktion die durchschnittlichen Kosten pro Kilometer, die sie auch schon auf der Titelseite nennt:

Ausriss Bild-Titelseite - Zehn Millionen Euro pro Kilometer - Regierung baut teuersten Radweg aller Zeiten

Aber ob nun auf Seite 1, in der Überschrift im Blatt oder im Artikel: Die Aussage stimmt so nicht. Denn die Gesamtkosten von 115 Millionen Euro beziehen sich auch auf den Bau des Rad- und Fußwegs, aber nicht nur. Das steht auch gewissermaßen im “Bild”-Text:

Laut Hessischem Verkehrsministerium entstehen die Kosten “nicht allein durch den Radweg, sondern durch die Gesamtmaßnahme.”

Allerdings endete die zitierte Aussage eines Sprechers des hessischen Verkehrsministeriums, die dieser den “Bild”-Autoren per E-Mail geschickt hatte, gar nicht mit einem Punkt hinter “Gesamtmaßnahme” — sie geht noch weiter, wie uns dieser Sprecher auf Nachfrage mitteilte. Er habe der “Bild”-Redaktion geschrieben:

Die Kosten entstehen nicht allein durch den Radweg, sondern durch die Gesamtmaßnahme: Sie umfasst die Verbreiterung der Bundesstraße, die bessere Kurvenführung und den Radweg.

In den 115 Millionen Euro stecken also auch Kosten für den Ausbau und die Erneuerung der Bundesstraße, die gar nicht von den Radfahrern und Fußgängern genutzt wird, sondern von Autofahrern. So steht es auch in einer Pressemitteilung des Ministeriums zur Fertigstellung des zweiten von insgesamt drei Bauabschnitten auf der Strecke.

Dennoch haben es die vermeintlichen Kosten von 10 Millionen Euro pro Kilometer Radweg auch in den Kommentar des stellvertretenden “Bild”-Chefredakteurs Mario Barth Timo Lokoschat geschafft. Zwischen ein paar schlechten Wortspielen (“Rad ab!”, “Dieser Fall macht RADLOS.”) und viel Polemik (“Ist er [der Radweg] mit Blattgold beschichtet? Gibt es kostenlosen Pannenservice für die nächsten 100 Jahre? Stehen links und rechts Kellner und reichen mit Champagner gefüllte Trinkflaschen und Kaviarhäppchen?”) schreibt Lokoschat:

Viele Deutsche träumen von der MILLION. Was könnte man mit so viel Geld alles machen?

Die Bundesregierung hat eine Idee: 100 Meter Radweg bauen! […]

Pro Kilometer kostet das Projekt unfassbare zehn Millionen Euro. Der wohl teuerste Radweg aller Zeiten.

Dabei handele es sich doch um “einen normalen Radweg”, so Lokoschat, was ebenfalls maximal irreführend ist. Normal sei, dass der Fuß- und Radweg die Standardbreite von 2,5 Metern habe, sagt uns der Sprecher des hessischen Verkehrsministeriums: “Alles andere ist nicht normal.” Das beschrieb er auch in der bereits erwähnten Mail an die “Bild”-Autoren:

Die ausgesprochen schwierigen Verhältnisse — die Enge des Tals, das Nebeneinander von Straße und Bahnlinie, die Notwendigkeit des Hochwasserschutzes, der Schutz des UNESCO-Welterbes — machen den Straßenbau in diesem Abschnitt ungemein aufwendig und lassen keine billigere Lösung zu. Man hätte dann schon auf das Vorhaben verzichten müssen, aber um den Preis der Verkehrssicherheit, denn die Trennung von Auto- und Fahrradverkehr auf der zweispurigen B42 und die Verbreiterung der Fahrbahn bedeuten einen enormen Gewinn.

Hinzu komme, dass aufgrund der besonderen örtlichen Situation auf mehreren Kilometern eine sogenannte Kragarmkonstruktion, also eine Art Galerie, für den Fuß- und Radweg errichtet werden musste, was bei “einem normalen Radweg” natürlich auch nicht der Fall ist.

“Bild” hat dann auch noch beim Bund der Steuerzahler nachgefragt, was der denn von dem Bau und den Kosten halte, schließlich sei das ja alles “bitter für den Steuerzahler”.

Der Bund der Steuerzahler hält den Bau des Radwegs “an der touristisch attraktiven Straße” für “sinnvoll”.

Ein Sprecher zu BILD: “Natürlich entstehen dort enorme Kosten, doch wir kennen derzeit keine Alternative, wie Steuergelder gespart werden können.”

Das zeigt vermutlich am besten, wie absurd die “Bild”-Berichterstattung und der Kommentar von Timo Lokoschat sind: Selbst der Bund der Steuerzahler, der immer alles skandalös findet, kann keinen Skandal erkennen.

Mit Dank an Andreas G., Sebastian L., happy und @OlafStorbeck für die Hinweise!

“taz” vs. Bayer, Erklärungsversuch, Die Spende an den Internet-Troll

1. taz zwingt Bayer in die Knie
(taz.de, Jost Maurin)
Als der Chemiekonzern Bayer der “taz” eine satirische Titelseite zum Pestizid Glyphosat verbieten lassen will, kehrt die Zeitung den Spieß um und kontert mit einer sogenannten “negativen Feststellungsklage”. Das Ziel: Die offizielle Feststellung, dass die Zeitung die Titelseite verbreiten und der Konzern nicht das Gegenteil verlangen darf. Nachdem die “taz” die Klage vorgelegt hatte, gab der Chemieriese auf und verpflichtete sich, nicht gegen die Berichterstattung vorzugehen. “taz”-Justiziar Eisenberg kommentiert: “Die Kosten hat die Beklagte zu tragen. Sie ist zu feige, um sich dem Verfahren zu stellen. Die Beklagte wollte eine kritische Berichterstattung mit Drohungen unterbinden und hat jetzt Sorge, daß diese Drohung ins Leere geht. Allein deshalb will sie den Prozeß nicht. Sie kneift.”

2. Wie kann es sein, dass Claas Relotius 2018 zum vierten Mal mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet wurde? – Ein Erklärungsversuch
(reporter-forum.de, PDF)
Das “Reporter-Forum” hat Claas Relotius viermal mit dem Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet. In einer Stellungnahme versuchen Jurymitglieder zu erklären, welche Argumente für und welche Argumente gegen Relotius’ letzte Auszeichnung sprachen, wie die ganze Debatte zu beurteilen sei, und was man aus dem Fall lernen könne.
Der Journalist Wolfgang Michal kommentiert auf Twitter: “Das eigentlich Besorgniserregende ist, dass Journalistenjurys Verkitschung nicht erkennen. Die meisten Geschichten waren aus zweiter Hand. Abgestaubt aus Esquire, LA Times, NYT, Mother Jones u. preisgekrönten Dokumentarfilmen. Man findet sie beim ersten googeln.”

3. Rannenberg und Friends
(peterbreuer.me)
Werbetexter und Kreativ-Genie Peter Breuer ist für seine feinsinnigen Tweets und seinen kultivierten Humor auf Twitter bekannt (wer ihm noch nicht auf Twitter folgt: hier nachholen). Von ihm stammen unzählige geistreiche Sprüche, Wortspiele und Bildwitze, die von anderen dreist geklaut und wirtschaftlich ausgebeutet werden. Jüngstes Beispiel: Sein Satz “Brettspiel für eine Person? Bügeln.”, der vom Hamburger Postkartenverlag “Rannenberg und Friends” vermarktet werde. Breuer hat sich an die Chefin des Unternehmens gewandt und ist dort auf wenig Einsicht gestoßen: “Ich ekle mich vor dieser Frau, aber selbst das Börsenblatt des Deutschen Buchhandels gibt ihr die Gelegenheit, sich mit ihrem zauberhaften “Non-Book-Sortiment” als Rettung des stationären Buchhandels zu gerieren. Dabei sind ihr Autoren scheißegal, solange die Kohle stimmt.”

4. “Es geht um die Leser in ihrer Rolle als Verbraucher”
(message-online.com)
Die Journalismus-Zeitschrift “Message” hat sich mit den Wirtschaftsjournalisten Jens Bergmann (“brand eins”) und Jan-Henrik Petermann (dpa) über das neue Selbstverständnis ihres Berufszweigs unterhalten. Es geht um die Funktionen von Wirtschaftsjournalismus, den Umgang mit den riesigen PR-Apparaten großer Unternehmen und um die Frage, wie man trotz oft fehlender Auskunftspflichten an Interna kommen kann.

5. Amazon lässt Mitarbeiter fürs Image twittern
(br.de, Manuel Mehlhorn)
Der Versandhändler Amazon sieht sich immer wieder Kritik ausgesetzt, zum Beispiel wegen der Arbeitsbedingungen oder der beharrlichen Weigerung, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nach Versandhandelstarif zu bezahlen. Wer auf Twitter kritische Worte gegenüber Amazons Geschäftsgebaren äußert, wird unter Umständen “Anne”, “Andrea”, “Rico” und “Andreas” kennenlernen. Die sogenannten Amazon-Botschafter versuchen das in dieser Hinsicht schlechte Image des Versandriesen mit allerlei positiv klingenden Worten zu polieren.

6. Schauspieler spendet für seinen Internet-Troll
(spiegel.de)
Patton Oswalt ist ein US-amerikanischer Komiker und Schauspieler und vielen Zuschauern aus der Serie “King of Queens” bekannt. Als Oswalt auf Twitter angerüpelt wurde, spendete er seinem Angreifer laut “Washington Post” 2.000 Dollar und rief dazu auf, es ihm nachzutun. Der Schauspieler hatte sich die Timeline des Pöbelnden angeschaut und festgestellt, dass dieser große gesundheitliche Probleme habe. “Da wäre ich auch sauer”, so Oswalt. Mittlerweile ist das Spendenkonto des Erkrankten auf über 40.000 US-Dollar angewachsen.

Die miesen Mobber von “Bild”

Mariah Carey soll sich den Magen verkleinert haben lassen. Das berichtet Bild.de und beruft sich dabei auf einen Artikel des “Promi-Portals ‘Page Six'”, das sich wiederum auf eine “anonyme Quelle” beruft:

Screenshot Bild.de - Mariah Carey - Magen verkleinert - wegen miesem Mobbing

Ja, zugegeben, wir haben auch schon mal eine bessere Quellenlage gesehen. Doch ob es nun stimmt oder nicht, dass die Sängerin sich “bereits vor einem Monat” von einem “Star-Chirurgen aus Bevery Hills” “Teile ihres Magens” operativ entfernen lassen hat, ist gar nicht so wichtig. Interessant ist der angebliche Grund, den Bild.de nennt:

Der Grund demnach: das explodierende Gewicht von Mariah Carey — und fiese Online-Kommentare von bösen Mobbern!

Nein! Da machen sich Leute im Internet lustig über das Gewicht von Mariah Carey? Denken sich blöde Wortspiele zu ihrer Figur aus? Schau an!

Wir wissen sogar, wo manche dieser “bösen Mobber” sitzen und ihre “fiesen Online-Kommentare” verfassen: im Axel-Springer-Hochhaus.

“Bild” im Juli 2017:

Ausriss Bild-Zeitung - Carey im Glitzer-Fummel - Echt SPECK-takulär, Mariah!

Außen prall, darunter streich(el)fähig.

Pop-Presswurst Mariah Carey (47, “Butterfly”) treibt die Zahl überzeugter Vegetarier mit ihren ewig einschneidenden Bühnenoutfits dramatisch in die Höhe.

Fleischeslust wecken ihre hautfarben bestrumpften XL-Kurven im XS-Fummel nämlich NICHT!

Bild.de im Juli 2016:

Screenshot Bild.de - Mariah Carey urlaubt auf Capri - Die Pop-Diva im Neoprall-Anzug

Carey klettert von einer Millionen-Dollar-Jacht und lässt sich von ihrem Gefolge helfen, wie es sich für eine Pop-Prinzessin gehört. Dabei trägt sie einen hautengen Neopren-Anzug, der ihre prallen Kurven zusammenquetscht — der dazugehörige Reißverschluss hat allerdings schon aufgegeben und bleibt auf Bauchnabel-Höhe hängen.

Bild.de im April 2015:

Screenshot Bild.de - Fiese Glitzer-Pelle - Mariah Carey trägt in Las Vegas dick auf

Bild.de im November 2014:

Screenshot Bild.de - Zehn um zehn - Zehn knackige Presswurst-Outfits von Mariah Carey

In China war es gerade wieder so weit: für ein Konzert zwängte sich Mariah Carey (44) in einen Ultra-Mini und bewies einmal mehr, dass sie die prominenteste Presswurst der Welt ist.

Bild.de im Oktober 2010:

Screenshot Bild.de - Sängerin XXL - Mariah Carey: Die fetten Jahre sind nicht vorbei

Wurde Mariah Carey (40) aufgepumpt? Oder ist sie tatsächlich schwanger? Sicher ist: Die fetten Jahre sind nicht vorbei, wie das Foto oben beweist!

Mit Dank an Moritz D. für den Hinweis!

Alpen-Breitbart?, Staatsfunk-Framing, Medialer AfD-Kater

1. “Breitbart” aus den Alpen?
(sueddeutsche.de, Peter Münch)
Der österreichische Ochsengalle-Brause-Hersteller (“Red Bull”) und Milliardär Dietrich Mateschitz hat sein lange erwartetes Internet-Portal “Addendum” gestartet. Dahinter steht ein auf 40 Mitarbeiter angewachsenes Team, das vom ehemaligen Chefredakteur der konservativen Tageszeitung “Die Presse” und “Servus TV”-Moderator Michael Fleischhacker geleitet wird. Eine Bewertung der Seite, die im Vorfeld als “Alpen-Breitbart” bespöttelt wurde, lasse der Anfang noch nicht zu, so Peter Münch auf “sz.de”. Zumindest die Schwerpunkte sind klar: Es geht derzeit vor allem um die Themen Asyl, Asyl und Asyl.

2. “Über Taten berichten – nicht über Worte”
(spiegel.de, Francesco Giammarco)
Der “Spiegel” hat mit Henriette Löwisch, Leiterin der Deutschen Journalistenschule in München, über das schwierige Spannungsfeld der AfD-Berichterstattung gesprochen. Löwisch plädiert für mehr Nüchternheit und findet für die Taktik der AfD einen biblischen Vergleich: “Sie selbst stilisieren sich zum David. Wenn sie den Goliath so piesacken können, dass er vor Wut und Entsetzen aufheult und sich empört, dann sind sie in den Augen ihrer Anhänger die Helden, egal wie abscheulich ihre Sprüche objektiv sind. Und je länger sie das auskosten können, von Talkshow zu Schlagzeile zu Talkshow, desto besser. So funktioniert Populismus.”
Weiterer Lesetipp: Jürn Kruse in der “taz” mit Medienschelte nach AfD-Erfolg: Frustabbau-Tradition

3. „Staatsfunk“ – ein organisierter Etikettenschwindel per Framing
(udostiehl.wordpress.com)
Denken Sie beim Begriff “Staatsfunk” an Nordkorea, erscheinen Ihnen Bilder von AfD-Politikern und Pegida-Demonstranten oder hören Sie die Stimme von Zeitungsverlegerchef Mathias Döpfner? Udo Stiehl schreibt über die gefährliche Umetikettierung des Begriffs, wie man sie auch beim Ausdruck “Staatspresse” erleben kann. Stiehl rät dazu, derartige Begriffe zu meiden und hat einen Tipp für all diejenigen, denen die sachliche Formulierung “öffentlich-rechtlicher Rundfunk” zu lang ist: “Mit „ÖR“ sind es nur noch zwei Zeichen. Das reicht im Zweifel auch schon, um solchen Begriffskaperungen keinen Vorschub mehr zu leisten.”

4. Der Aufstieg der AfD – Sind die Medien schuld?
(wdr.de, Georg Restle)
Sind die Medien am Aufstieg der AfD Schuld wie in den vergangenen Tagen diskutiert wird? Ein seltsames Schwarzer-Peter-Spiel sei es, das da vor allem von Politikern und Politikerinnen der ehemals Großen Koalition gespielt werde, findet Georg Restle: “Wer so argumentiert irrt mehrfach: Erstens gibt es DIE Medien nicht. Zweitens lässt sich die Dynamik rechts-nationalistischer Bewegungen und Parteien weltweit beobachten, völlig unabhängig von der jeweiligen Medienlandschaft. Und drittens verbietet sich ein solches Argument, jedenfalls soweit es die Unterschlagung einer gesellschaftlichen Realität nahelegt.”

5. bigFM: Die LFK, die Wahrheit und der Unterschied zwischen Information und Unterhaltung
(fair-radio.net, Mario Köhne)
Das Radio-Watchblog “Fair Radio” deckte vor einigen Wochen einen Schwindel des privaten Radiosenders “bigFM” auf. Der Sender hatte mit einer frei erfundenen Story eine neue Nachrichtenfrau vorgestellt. “Fair Radio” hatte daraufhin Beschwerde bei der Landesmedienanstalt eingereicht. Diese sieht jedoch keinen Grund für Konsequenzen: „Zwar kann man kritisieren, dass bigFM nicht innerhalb der Sendung auflöste, dass es sich um eine Aktion zur Einführung der neuen Nachrichtensprecherin handelt und damit spielt, dass einige Hörer nicht erkennen, dass es sich um eine gestellte/fingierte Aktion handelt, dies stellt allerdings keinen medienrechtlichen Verstoß dar.“

6. Die Salamander-auf-Moos-Koalition
(uebermedien.de, Mats Schönauer & Yannick von Eisenhart Rothe)
Früher bezeichneten Journalisten eine schwarz-grün-gelbe Koalition als “Schwampel”, mittlerweile hat sich der Begriff “Jamaika-Koalition” durchgesetzt. Auch, weil man damit viele Wortspiele und lustige Bildmontagen machen kann. Mats Schönauer und Yannick von Eisenhart Rothe zeigen auf “Übermedien”, welche Blüten der Jamaika-Wahnsinn hervorbringt.

“BILD weiß”: Aubameyang wechselt sicher nicht doch nach China

Dieser ganze “AUBA-WAHNSINN” (um das bild’sche Wortspiel verstehen zu können, muss man das “AUBA” als “Oba” lesen) begann am 16. Mai dieses Jahres. Da meldeten “Bild” und Bild.de, dass eine Delegation des chinesischen Fußball-Klubs Tianjin Quanjian mit einem “Mega-Angebot” nach Dortmund gekommen sei, um BVB-Stürmer Pierre-Emerick Aubameyang zu verpflichten:

Ausriss Bild-Zeitung - Auba-Wahnsinn! China bietet 30 Mio Gehalt. Netto!
Ausriss Bild.de - Franzosen berichten von Mega-Angebot für BVB-Star - Chinese wollen Auba 50 Mio Euro zahlen pro Jahr!

Etwa einen Monat später, am 15. Juni, war mit dem “AUBA-WAHNSINN” aber auch schon wieder Schluss. Angeblich hätten die Chinesen kein Interesse mehr an “Auba”:

Ausriss Bild.de - Jetzt ziehen auch die Chinesen zurück - Nächste Absage für Aubameyang

Aus und vorbei. Also für knappe zwei Wochen, denn am 28. Juni stand laut “Sport Bild” doch plötzlich felsenfest fest: Pierre-Emerick Aubameyang wechselt zu Tianjin Quanjian in die chinesische Super League:

Ausriss sportbild.de - Nach Sport Bild-Informationen - Aubameyang doch nach China

Die Bild.de-Mitarbeiter übernahmen diese 100-Prozent-Nummer natürlich am selben Tag von ihren “Sport Bild”-Kollegen, versahen sie aber mit einem Fragezeichen:

Ausriss Bild.de - Sport Bild berichtet - Aubameyang doch nach China?

Das mit dem Fragezeichen war keine schlechte Idee. Denn ganz so sicher war das alles dann wohl doch nicht. Am 4. Juli berichtete Bild.de, dass “sich die Wechsel-Optionen mit (…) Tianjin Quanjian (China) zerschlagen” hätten:

Ausriss Bild.de - Transfer-Stau - Auba laufen die China-Millionen weg!

Besonders weit sind diese “China-Millionen” beim Weglaufen aber nicht gekommen. Denn nur einen Tag später stand bei Bild.de:

Ausriss Bild.de - Tianjin will den BVB-Star jetzt doch wieder - Neue 60-Mio-Attacke auf Auba

Es tat sich dann ein paar Tage nichts beim “AUBA-WAHNSINN”, das Ende der Transferperiode in China rückte immer näher. Und deswegen schrieb Bild.de am 13. Juli um 12:40 Uhr:

Ausriss Bild.de - China-Wechsel von Aubameyang unwahrscheinlich

Am späten Abend desselben Tages, um 23:28 Uhr, hatten die Wechsel-Verwechsler von Bild.de dann aber doch noch mal größere Hoffnung, dass sich was tut:

Ausriss Bild.de - Über 30 Mio netto pro Jahr! Auba heute doch Blitz-Wechsel nach China?

Am nächsten Tag schloss das Transferfenster in China dann aber doch ohne einen vorherigen Wechsel von Pierre-Emerick Aubameyang zu Tianjin Quanjian. Keine Chance mehr, das mussten auch die “Bild”-Spekulanten einsehen:

Ausriss Bild.de - Transferfenster dicht - Aubas China-Traum geplatzt!

Doch so leicht geben sie sich bei “Bild” nicht geschlagen. Nach einer Woche Ruhe im Fall Aubameyang hatte die Redaktion es “EXKLUSIV”:

Ausriss Bild.de - Exklusiv - Dortmund-Superstar wechselt - Aubameyang ab Januar in China
Ausriss Bild-Zeitung - Bild weiß - Aubameyang ab Januar in China

Noch am späten Abend des 21. Juli, als der Artikel bei Bild.de bereits erschienen war, die “Bild”-Zeitung aber noch nicht, schrieb der BVB bei Twitter:

Von solch läppischen Details lassen sich “Bild”-Mitarbeiter aber keine Geschichte kaputtmachen. Am 22. Juli schrieben sie in einem Text über ein Testspiel der Dortmunder:

Es ist Spiel eins nach dem neuerlichen Wechsel-Wirbel um Pierre-Emerick Aubameyang (28). BILD berichtete exklusiv über seinen Wechsel im Winter nach China. Nach der Bundesliga-Hinrunde wird sich der Gabuner Tianjin Quanjian anschließen. Der BVB kassiert für ihn die geforderten 70 Mio Euro.

Mit diesen Transfers nach China ist es aber auch knifflig!

Mit Dank an Sven und Max für die Hinweise!

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