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Grenzen des Boulevard, Putzige Polizeitaktik, Seitenwechslerin

1. Die Grenzen des Boulevard: Über das Leben und Sterben von Kasia Lenhardt
(rnd.de, Imre Grimm)
Die 25-jährige Kasia Lenhardt war Model, Influencerin und Mutter. Am Dienstagabend fand die Polizei ihren leblosen Körper in einer Wohnung in Berlin. Die genauen Hintergründe ihres Todes sind noch unklar. Klar ist jedoch, dass sie seit Wochen im Zentrum einer Boulevard-Schlammschlacht stand. Imre Grimm kommentiert: “Dieser Tod hat eine Vorgeschichte, und sie verrät viel über die Mechanismen eines Teils der modernen Medienwelt, die ihr Heil darin sieht, Menschen bedenkenlos als Gossip-Objekte und Glamour-Rohstoff auszubeuten, erst recht, wenn diese von sich aus nach Aufmerksamkeit streben. Die Unschuldsbeteuerungen klingen dabei immer gleich: Ist doch nicht unser Problem. Die profitieren doch davon!”
Weiterer Lesehinweis: Jedes Detail ein Text: “Das Model Kasia Lenhardt ist gestorben. Der Umgang mit ihr sagt viel über frauenfeindliche Narrative in Boulevard- und sozialen Medien.” (taz.de, Carolina Schwarz)

2. LobbyControl befürchtet “Schieflage in der Digitalpolitik”
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 4:19 Minuten)
Julia Reuss, bisher Büroleiterin von Digitalstaatsministerin Dorothee Bär und Lebensgefährtin von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, wechselt als Lobbyistin zu Facebook. Ulrich Müller von der Initiative LobbyControl findet das problematisch: “Für Facebook ist das Interessante daran, dass sie eine Lobbyistin gewinnen, die gut vernetzt ist, die das politische Geschäft kennt und die dann dabei helfen soll, die Facebook-Interessen stark in die Politik hineinzutragen. Und das ist eben das Problem: Weil wir so viele große Themen vor der Nase haben und es wichtig ist, dass diese zukünftige digitale Regulierung nicht einseitig von den großen Unternehmen wie Facebook bestimmt wird.”

3. Aus Freude am Rassismus
(uebermedien.de, Hendrik Wieduwilt)
In der “Neuen Zeitschrift für Arbeitsrecht” des renommierten Beck-Verlags erschien ein Beitrag des Juristen Rüdiger Zuck, in dem dieser “mit rassistischen Ausdrücken um sich wirft, als wäre es braunes Konfetti”, schreibt Hendrik Wieduwilt. Er hat den Fall aufgearbeitet: “Dieser Zuck-Text und die redaktionelle Entscheidung, ihn zu drucken, ist eine Schande für den Verlag und das Juristenmilieu. Juristen sollten sich fragen: Will man in diesem Zusammenhang eigentlich wirklich noch auftauchen? Andere Verlage haben schließlich auch schöne Zeitschriften.”

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4. Ausländerkriminalität: Medien und Polizei verzerren das Bild
(youtube.com, Zapp, Svea Eckert & Lea Eichhorn, Video: 11:04 Minuten)
Journalisten und Journalistinnen von NDR und BR haben die Berichterstattung über Kriminalität unter die Lupe genommen. Sie haben dazu zahlreiche Polizeipressemitteilungen ausgewertet, die vielen Redaktionen als Grundlage ihrer Berichte dienen. Ein Ergebnis: In der Berichterstattung über Kriminalität würden ausländische Nationalitäten deutlich öfter genannt als deutsche. Svea Eckert und Lea Eichhorn haben mit Chefredakteuren und dem Presserat über die Problematik gesprochen.

5. Wie US-Polizisten mit Uploadfiltern Livestreams verhindern wollten
(netzpolitik.org, Markus Reuter)
In den USA hätten laut Markus Reuter Bürgerinnen und Bürger bis auf sehr wenige Ausnahmen das Recht, Polizistinnen und Polizisten bei der Arbeit zu filmen. In Kalifornien haben sich manche der Gefilmten auf eine geradezu putzige Weise dagegen gewehrt: Sie haben im Moment der Filmaufnahme ihr Handy gezückt und urheberrechtlich geschützte Musik abgespielt – offenbar in der Hoffnung, dass die Musikerkennung und die Uploadfilter von Instagram anspringen und eine Veröffentlichung unterbinden.

6. Mehr freie “Zeit”
(sueddeutsche.de)
Die “Zeit”-Verlagsgruppe kündigt eine schöne Aktion an: Schülerinnen und Schülern können ab sofort ein kostenloses digitales “Zeit”-Abo bis zum Ende des Schuljahres bekommen. Nach sechs Monaten, zu Beginn der Sommerferien, laufe das Abo automatisch aus, ohne dass eine Kündigung nötig sei. Mit dem Angebot wolle der Verlag vor allem Schülerinnen und Schüler der Jahrgänge 10 bis 13 ansprechen.

Otto-Brenner-Preis, Audiovisuelles Erbe bei ARD-Retro, Hassbilder

1. Informationen zu den Preisträgern 2020
(otto-brenner-preis.de)
Die Otto-Brenner-Stiftung ist die Wissenschaftsstiftung der Gewerkschaft IG Metall. Namensgeber Otto Brenner war lange Jahre Vorsitzender der Gewerkschaft. Einmal im Jahr verleiht die Stiftung den renommierten Otto-Brenner-Preis an Journalistinnen und Journalisten und vergibt Recherche-Stipendien. Den ersten Preis erhielt diesmal Gregor Haschnik für seinen Beitrag “Wie starb Jan H.?” in der “Frankfurter Rundschau”. Der zweite Preis ging an Christian Schwägerl und Joachim Budde von den “RiffReportern” für “Streeck, Laschet, StoryMachine: Schnelle Daten, pünktlich geliefert”. Und den dritten Preis erhielt “Spiegel”-Redakteurin Cornelia Schmergal für ihren Artikel “Ausgeliefert”.

2. Daniel Hornuff: “Hass ist eine Technik der Kommunikation”
(philomag.de, Nils Markwardt)
Der Kulturwissenschaftler Daniel Hornuff beschäftigt sich in seinem neuen Buch mit Hassbildern. Bei Hass-Postings dächten die meisten Menschen vor allem an die transportierten Texte. Eine große Rolle komme jedoch auch den übermittelten Bildern zu. Im “Philosophie Magazin” spricht Hornuff über die Entwicklung von historisch bekannten Hetzbildern zu den heutigen Hassbildern. Er beantwortet dabei auch die Frage, warum viele Bilder beziehungsweise Bildmontagen laienhaft und zusammengeschustert wirken: “Eine allzu perfekte Ausgestaltung dieser Bild-Text-Tafeln würde schnell als eine subtile autoritäre Geste wahrgenommen werden. Nach dem Motto: Was soll ich da jetzt noch mitmachen? Diese Ästhetik des Zusammengeschusterten kommuniziert hingegen: Man kann ein Teil davon werden.”

3. Studie zu Vielfalt in Serien
(taz.de, Carolina Schwarz)
Eine Studie der Universität Rostock hat sich mit “Geschlechterdarstellungen und Diversität in Streaming- und SVOD-Angeboten” beschäftigt (PDF). Carolina Schwarz fasst das Ergebnis zusammen: “Streamingangebote sind zwar diverser als lineares Fernsehen, aber auch hier bestehen noch große Lücken. Beispielsweise bei der Repräsentation von nicht-binären und trans Personen.”

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4. ZDF: Petra Gerster gendert jetzt
(genderleicht.de, Christine Olderdissen)
Das Webportal “Genderleicht” richtet sich an Medienschaffende aus allen Bereichen und will zeigen, “wie sich mit einfachen Methoden die Qualität der Berichterstattung steigern lässt”. Endlich sei das Gendern auch in den Fernsehnachrichten angekommen: “ZDF-Anchorwoman Petra Gerster hat es in die heute-Sendung um 19 Uhr eingeführt. Wenn sie gendert, macht sie es eher elegant als provokant. Mal ein Sternchen hier, ein Partizip da. Dann wieder eine Beidnennung oder ein Relativsatz: Die heute-Nachrichtenmoderatorin nutzt das ganze Repertoire gendergerechten Schreibens, und damit genau das, was wir in den Schreibtipps von Genderleicht empfehlen.” Im Interview verrät Petra Gerster, wie sie beim gendergerechten Texten der Nachrichten vorgeht.

5. Da isser … der neue Bericht zur Lage der Bibliotheken 2020/2021
(blog.bibliothekarisch.de, Dörte Böhner)
Der Deutsche Bibliotheksverband hat seinen Bericht zur Lage der Bibliotheken veröffentlicht (PDF). Dörte Böhner bündelt in ihrer Aufzählung die aus ihrer Sicht wichtigsten Forderungen des Verbands. Naturgemäß geht es dabei vor allem um die Themen Förderung, Unterstützung und Würdigung.

6. ARD Retro startet am 27. Oktober 2020 in der ARD Mediathek
(ard.de)
Der von der UNESCO ausgerufene Welttag des audiovisuellen Erbes am 27. Oktober soll die Bedeutung audiovisueller Dokumente herausstellen: “Dieses Erbe zu erhalten und sicherzustellen, dass es für die Öffentlichkeit und künftige Generationen zugänglich bleibt, ist ein wesentliches Ziel für alle Institutionen wie auch für die Öffentlichkeit im Allgemeinen.” Zu diesem Anlass wollen die ARD-Sender und das Deutsche Rundfunkarchiv Tausende zeitgeschichtlich relevante Videos frei zugänglich in die ARD-Mediathek stellen. Der Fokus liege dabei auf Fernsehproduktionen aus der Zeit vor 1966. Geplant sei auch ein “Retro Spezial DDR” mit Einblicken in die Nachrichten- und Magazin-Beiträge des DDR-Fernsehens.

Steingarts “Spiegel”-Beef, Teure Auskunft, Bezahltdenken 711

1. Gabor Steingart vs. Der Spiegel vs. Die Transparenz
(indiskretionehrensache.de, Thomas Knüwer)
Der “Spiegel” berichtete unlängst (nur mit Abo lesbar) über das Medien-Start-up seines früheren Angestellten Gabor Steingart und nannte dabei einige Kritikpunkte. Steingart, der zusammen mit dem Springer-Konzern ein Redaktionsschiff in Berlin betreibt, bezeichnet den Text als “eine Mischung aus Erfindungen, Gerüchten und Falschaussagen”. Thomas Knüwer hat sich die Antwort Steingarts genau durchgelesen und bewertet. Eine lohnende Lektüre für alle, die sich für das System Steingart interessieren. Außerdem wartet am Schluss eine hübsche Pointe mit Parmesan.

2. Die Erfolgsgeschichte eines Verlegers
(deutschlandfunk.de, Brigitte Baetz, Audio: 5:11 Minuten)
Der Verleger Dirk Ippen herrscht auch im Alter von 80 Jahren über ein Konglomerat aus lokalen Tageszeitungen und deren Online-Auftritten, aus Radiostationen und zahlreichen Anzeigenblättern. Zuletzt hatte die Ippen-Gruppe durch die Übernahme von “Buzzfeed Deutschland” von sich Reden gemacht. Der Deutschlandfunk zeichnet den Weg der kaufmännisch getriebenen Verleger-Persönlichkeit nach, die sich keine Illusionen über die (wenig rosige) Zukunft der gedruckten Presse mache.

3. Bundesverwaltungsgericht: Gebührenerhebung nicht rechtswidrig
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Das Informationsfreiheitsgesetz gewährt jeder Person einen voraussetzungslosen Rechtsanspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen von Bundesbehörden. Nun hat das Bundesverwaltungsgericht eine Entscheidung gefällt, die von der Transparenzinitiative “FragDenStaat” als “Richtungswechsel” bezeichnet wird. Demnach dürfen Behörden bei Bürger-Anfragen einen Teil ihres Aufwands in Rechnung stellen. Im vorliegenden Fall habe die Behörde erlaubterweise für eine Auskunft 235 Euro berechnet. “FragDenStaat” kann die Entscheidung des obersten Gerichts nicht nachvollziehen: “Das Urteil bekräftigt unsere Forderung nach einem bundesweiten Transparenzgesetz und einer Abschaffung von Gebühren für Auskünfte. Bürger:innen sollten nicht erneut für Informationen zahlen müssen, die mit Steuergeldern finanziert wurden.”

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4. Krise der Anzeigenblätter
(taz.de, Alexander Graf)
Anzeigenblätter verstehen sich als Teil der Presselandschaft. Dieses Selbstverständnis hat eine besondere Relevanz, wenn es um die geplante Presseförderung für die “digitale Transformation” geht: Der Staat will in den nächsten Jahren insgesamt 220 Millionen Euro an Verlage ausschütten, einen Teil davon wollen die Anzeigenblätter für sich beanspruchen. Doch sind diese tatsächlich ein Teil der Presse? Alexander Graf bejaht die Frage. Deutsche Gerichte würden den Pressebegriff sehr weit auslegen: “Für die Leser*innen wiederum scheint der journalistische Qualitätsbegriff ebenfalls sehr viel facettenreicher zu sein, als es so manche Edelfeder in den Büros der renommierten Verlage aus Hamburg oder Berlin gerne hätte. Immer wieder werden die Anzeigenblätter in Umfragen als verlässliche, glaubwürdige und häufig genutzte Quelle für lokale Nachrichten bezeichnet.”

5. dju zur Räumung der Liebigstraße 34: Massive Einschränkungen der Pressefreiheit durch die Polizei
(dju.verdi.de, Renate Gensch)
Im Zusammenhang mit der Räumung der Liebigstraße 34 in Berlin erhebt die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union schwere Vorwürfe gegen die Polizei: “Bei den Protesten wurden etwa 20 Journalist/inn/en geschubst, geschlagen, eingeschüchtert und ihnen gedroht, Speichermedien oder Kamera zu beschlagnahmen. Besonders eklatant ist die über 40 Stunden andauernde Einrichtung der Roten Zone im näheren Umfeld der Liebig34, in der faktisch die Bürgerrechte und Pressefreiheit ausgesetzt waren.” Wie die “Süddeutsche Zeitung” berichtet, weist die Polizei die Vorwürfe zurück: “Die Pressefreiheit war gewährleistet. Für Dutzende Journalisten war ein extra gesicherter Bereich in Sichtweite des Hauses eingerichtet, in dem sie sich frei bewegen konnten”.

6. Bußgeld gegen Regionalsender
(sueddeutsche.de, Aurelie von Blazekovic)
Die Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK) sieht es als erwiesen an, dass der private Fernsehsender L-TV Sendezeit an die Corona-Leugner-Initiative “Querdenken 711” verkauft hat. Wegen des Verbots von politischer Werbung hat die Anstalt ein Bußgeld in Höhe von insgesamt 65.000 Euro gegen den Sender festgesetzt. Die LFK schreibt dazu in einer Pressemitteilung: “Aufgabe der Rundfunkveranstalter ist es, journalistisch-redaktionell zu berichten und dabei auch über abweichende, unbequeme Meinungen zu informieren und das Geschehen einzuordnen. Davon zu unterscheiden ist, wenn gegen Bezahlung Sendezeit zur Verfügung gestellt und damit eine reine Werbefläche für die politische Position einzelner gesellschaftlicher Gruppierungen geschaffen wird.” Nach Informationen der “Süddeutschen Zeitung” wolle der Geschäftsführer des Senders den Bescheid akzeptieren.

Über den Versuch, falsche Behauptungen über “Querdenken” korrigieren zu lassen

Ein Gastbeitrag von Jakob Buhre, freier Autor unter anderem bei “der Freitag” und Betreiber von “Planet Interview”

Haben die Initiatoren von “Querdenken” ein Recht darauf, dass man über sie korrekt berichtet?

“Absolut. Das finde ich extrem wichtig”, sagte mir dazu kürzlich David Schraven von “Correctiv”. Die Frage ist natürlich rhetorisch und man möchte meinen, die Antwort darauf sei selbstverständlich. Doch dem ist nicht ganz so. Das zumindest habe ich gelernt, als ich in den vergangenen vier Wochen “Spiegel”, “Zeit Online” und auch tagesschau.de hinterhergelaufen bin, um die Redaktionen auf ein falsches Narrativ in ihrer Berichterstattung aufmerksam zu machen.

Konkret geht es um folgende Behauptung: Die Initiative “Querdenken 711”, die hinter zahlreichen Protesten gegen die Corona-Maßnahmen der Regierung steckt, habe sich vor und während der Berliner Demonstration vom 29. August nicht von gewalttätigen beziehungsweise rechtsextremem Demonstranten distanziert.

Wer ein bisschen recherchiert, findet relativ schnell zahlreiche Distanzierungen, die der “Querdenken”-Initiator Michael Ballweg vor und während betreffender Demo ausgesprochen hat. Sie finden sich in verschiedenen Medienberichten, in einem Interview, das Welt.de, RBB und ZDF am 28. August mit ihm geführt haben, und in Ballwegs Reden, zum Beispiel am 9. Mai, am 31. Mai oder am 1. August. Am 29. August sagte Ballweg öffentlich: “Rechtsradikales, linksradikales, rechtsextremes, linksextremes, faschistisches, menschenverachtendes Gedankengut hat in unserer Bewegung keinen Platz”.

Die “Spiegel”-Redaktion interessiert das offenbar nicht. In einem Video vom 31. August heißt es: “Der Veranstalter distanziert sich im Nachhinein”, und mit Bezug auf den 29. August formuliert eine Redakteurin: “Es gab keine wirkliche Distanzierung von Rechtsextremem oder rechtsextremem Gedankengut”. Ich weise die Autorin mehrmals per Mail auf die zahlreichen Distanzierungen Ballwegs hin, die sie unterschlagen hat. Da eine Reaktion ausbleibt, versuche ich es bei der Pressestelle des “Spiegel”. Und siehe da: Der “Projektleiter Kommunikation” bestätigt mir den Eingang meiner Mail. Das war’s aber auch schon. Als ich ein paar Tage später telefonisch nachhake, teilt mir der Pressesprecher mit: “Sie bekommen dazu von uns keinen Kommentar.”

“Zeit Online” hat das falsche Narrativ mit einer anderen Formulierung bedient: “Vor der Demonstration hatte es seitens des Vereins keine klare Distanzierung von gewaltbereiten Gruppen gegeben.” Dass dies nicht zutrifft, konnte man selbst bei “Zeit Online” nachlesen, wo Ballweg am 28. August so zitiert wurde: “Diejenigen, die zu Gewalt aufrufen, gehören nicht zu uns.” Am 5. September beginne ich, “Zeit Online” auf diesen Widerspruch in der Berichterstattung hinzuweisen. Doch weder Pressestelle noch Redaktion reagieren. Nach zwei Wochen teilt mir eine Redakteurin am Telefon mit, dass im Falle eines Fehlers “Zeit Online” gar nicht die Möglichkeit hätte, ihn zu korrigieren, weil der Artikel Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP enthält. Ich kontaktiere die Agenturen, die mir beide mitteilen, dass sie den falschen Satz nie versendet haben. Ich schreibe zum dritten Mal an den Chefredakteur von “Zeit Online” – und tatsächlich wird daraufhin die falsche Berichterstattung transparent korrigiert. Der Vize-Chefredakteur bedankt sich anschließend für meine Beharrlichkeit. Gern geschehen.

Nichts genutzt hat diese Beharrlichkeit dagegen im Fall von tagesschau.de. Doch zuvor eine Zwischenbemerkung: Dass das Aussprechen einer Distanzierung noch nichts über ihre Glaubwürdigkeit sagt, ist eine Binse. Und dass viele Journalistinnen und Journalisten Michael Ballweg für nicht glaubwürdig halten, muss ich hier vermutlich nicht erwähnen. Doch entweder zu berichten: “es gab eine Distanzierung, die nicht glaubwürdig ist”, oder zu berichten: “es hat keine Distanzierung gegeben”, ist ein Unterschied und kein so geringer.

Im ersten Fall kann die Leserschaft noch selbst entscheiden, ob sie die Distanzierung für glaubwürdig hält. Im zweiten Fall ist das a) unmöglich und b) wird noch etwas Anderes unterschlagen: Die Reaktion der Demonstrierenden. Jedes Mal, wenn Ballweg sich auf der Bühne von Faschismus und Extremisten distanziert hat, kam großer Applaus auf. Mir ist nicht ein Bericht der öffentlich-rechtlichen Medien bekannt, wo das dokumentiert wurde.

Womit wir bei ARD-aktuell beziehungsweise tagesschau.de wären. Dort schreibt eine Redakteurin am 30. August in einem Kommentar, “es gab im Vorfeld und auch während der Demonstration keine öffentliche Distanzierung”, um dann mit diesem Vorwurf fortzufahren:

Dass sich der oberste “Querdenker”, Michael Ballweg, heute von dem rechtsextremen Aufmarsch und der Gewalt vor dem Reichstag öffentlich distanziert, kommt nicht nur zu spät, sondern ist auch reichlich wohlfeil. Warum wurden die Nazis nicht schon während oder vor der Demo zu unerwünschten Personen erklärt?

Diese Darstellung ist falsch und zudem seltsam. Denn es war nicht irgendein anderer Sender, gegenüber dem sich Michael Ballweg am 28. August von der angekündigten Demonstration am Reichstag distanziert hat, sondern die ARD. Auf die Frage einer RBB-Journalistin nach Distanzierung sagte Ballweg:

Unsere Versammlung ist auf der Straße des 17. Juni, wir haben mit diesen Gruppen [am Reichstag] nichts zu tun, und die sind bei uns letztendlich nicht willkommen.

Im selben Interview sagte Ballweg auch das hier: “Natürlich distanzieren wir uns von allen, die antidemokratisch sind, egal ob sie rechtsextrem oder linksextrem sind.” Welt.de hat das am 28. August veröffentlicht. Die Tatsachenbehauptung im Kommentar bei tagesschau.de ist also nicht nur falsch, sie widerspricht auch dem Material des eigenen Hauses.

Weil ich es mir mit diesem Vorwurf an tagesschau.de nicht leicht mache, habe ich zusätzlich zwei Experten um ihre Einschätzung gebeten. Heiko Hilker betreibt das Dresdner Institut für Medien, Bildung und Beratung und ist Mitglied im MDR-Rundfunkrat sowie im Medienbeirat von RTL. Er sagt:

Fakten bilden die Grundlage für die Meinungsäußerung. Sind in einem Kommentar Fakten, und sei es auch nur ein einziger, falsch, bietet man eine unnötige Angriffsfläche sowie einen Grund, sich mit der Position nicht auseinandersetzen zu müssen. Leider ist das hier der Fall.

Imre Grimm ist Redakteur beim “RedaktionsNetzwerk Deutschland”. Sein Blick auf den Fall:

Auch in einem Kommentar müssen die Fakten stimmen. In diesem speziellen Fall sieht es so aus, als habe sich die Initiative “Querdenken” tatsächlich nicht erst nach der Demo von rechtsextremem Gedankengut und radikalen Mitmarschierern distanziert. Möglicherweise hat sie dies nicht beherzt und konsequent genug getan. In dieser Absolutheit aber ist die Darstellung von tagesschau.de nicht korrekt. Gerade bei einem so komplexen Thema ist Präzision wichtig, um keine Angriffsfläche zu bieten.

Ich habe mich ab dem 3. September bei tagesschau.de an verschiedene Stellen gewandt: an die Redaktion, die Pressestelle des NDR, den “Faktenfinder” und schließlich den Rundfunkrat. Erstmal passierte nichts (außer dass sich eine renommierte NDR-Journalistin bei mir darüber beschwerte, dass ich ihr eine E-Mail schickte). Nach vier Wochen schließlich bekam ich eine Antwort (PDF) von der tagesschau.de-Chefredakteurin. Leider scheint sie den betreffenden Text nicht gelesen (oder nicht verstanden) zu haben. Sie schreibt: “In dem Kommentar vom 30. August vertritt die Autorin die Meinung, dass die verbale Distanzierung Ballwegs von Rechtsextremisten unglaubwürdig wirkt.” Ähm, nein. Die Autorin negiert die Distanzierung, und das Wort “unglaubwürdig” kommt in dem Kommentar nicht vor. Am Ende der E-Mail dann aber tatsächlich eine Art Eingeständnis: “Dennoch hätte die Autorin in der Rückschau eine so ausschließliche Formulierung nicht noch einmal verwendet.” Der Kommentar steht heute unverändert bei tagesschau.de online.

Zusammengefasst: Bei tagesschau.de wird nachweislich eine falsche Tatsache behauptet, eine Korrektur findet nicht statt, und wenn ein Leser auf den Fehler hinweist, teilt man diesem nach einem Monat mit, dass man die falsche Formulierung “nicht noch einmal verwendet”.

Als Journalist und Gebührenzahler muss ich sagen: Unter Fehlerkultur verstehe ich etwas Anderes.

Nachtrag, 11. Oktober: Die Redaktion von tagesschau.de hat auf diesen Beitrag reagiert. Am Ende des hier kritisierten Kommentars steht inzwischen:

Anmerkung der Redaktion: Wir sind darauf hingewiesen worden, dass Michael Ballweg sich am 28. August in einem Interview von Rechtsextremen distanziert hatte. Dennoch bleibt die Autorin bei ihrer Meinung, dass die Abgrenzung Ballwegs von rechten Demonstranten taktisch motiviert war. Daher haben wir das Wort “glaubwürdig” in einem Satz ergänzt.

Tatsächlich heißt es an der entsprechenden Stelle nun:

Warum wurden die Nazis nicht schon glaubwürdig während oder vor der Demo zu unerwünschten Personen erklärt?

Die nachweislich falsche Behauptung “es gab im Vorfeld und auch während der Demonstration keine öffentliche Distanzierung” befindet sich hingegen unverändert in dem Kommentar.

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Burdas Gegenverdarstellung, EuGH-Urteil, Gegen Rechtsextremismus

1. “Mit diesem Urteil ist es nicht vorbei”
(zeit.de, Lenz Jacobsen)
Ein türkisches Gericht hat den “Welt”-Journalisten Deniz Yücel in Abwesenheit zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Yücel hatte wegen seiner journalistischen Arbeit bereits 2017 in der Türkei in Haft gesessen und konnte nach einem Jahr endlich nach Deutschland ausreisen. “Zeit Online” hat mit ihm über das Gerichtsurteil, das türkische Rechtssystem und die vielen anderen politisch motivierten Gerichtsprozesse in der Türkei gesprochen.
Weiterer Lesehinweis: Anlässlich des gegen ihn ergangenen Hafturteils schreibt Yücel in der “Welt”: “Mich schmerzt es, dass dieses großartige Land unter diesem autoritären, islamistisch-nationalistischen, vor allem aber kriminellen Regime leidet. Ich bin frei; Hunderte Journalisten und andere aus politischen Gründen Inhaftierte sind es nicht. Und Millionen in diesem Freiluftgefängnis Tayyipistan sind es auch nicht.”

2. Streit um Gegendarstellung – Burda verliert erneut vor Gericht
(badische-zeitung.de, Hubert Röderer)
Der Burda-Verlag und die dort erscheinende “Freizeit Revue” haben die Gerichte zweimal in derselben Sache beschäftigt. Beide Male ging sie zu Ungunsten von Burda aus: In Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Schlagersängerin Helene Fischer war die “Freizeit”-Postille zum Abdruck einer Gegendarstellung gezwungen worden. Doch damit war die Angelegenheit nicht vom Tisch, denn Burda hatte die Gegendarstellung mit einem Zusatz versehen. Nun müsse die “Freizeit Revue” ein weiteres Mal gegendarstellen oder beim Oberlandesgericht Rechtsmittel einlegen.

3. Diese irreführenden Cookiebanner habe ich auch echt satt.
(twitter.com, Caspar M. Mierau)
Websitebetreiber müssen sich bei ihren Nutzerinnen und Nutzern das Einverständnis für Cookies holen beziehungsweise sie über deren Einsatz informieren. Viele Seiten, darunter auch renommierte Medienseiten, verwenden dazu Dialogfenster, bei denen man fast Täuschungsabsicht unterstellen könnte. Caspar M. Mierau zeigt dazu auf Twitter ein Beispielbild: “Diese irreführenden Cookiebanner habe ich auch echt satt. Vorauswahl: essenzielle Banner. Großer grüner Knopf darunter aktiviert aber alle. Man muss statt dessen den grauen darunter benutzen. Gezielte Irreführung durch UX-Antipattern. Dieser hier ist von @DIEZEIT.”

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4. EuGH kippt Privacy Shield
(taz.de, Christian Rath)
Der Europäische Gerichtshof hat in seiner jüngsten Entscheidung das EU-US-Datenschutz-Abkommen Privacy Shield gekippt. Auf dieser Grundlage dürften Unternehmen wie Facebook nun keine Daten mehr in die USA transferieren, so der rechtspolitische “taz”-Experte Christian Rath. In seinem Artikel ordnet Rath das Urteil ein, das es ohne die Klage des österreichischen Datenschutz-Aktivisten Max Schrems nicht gegeben hätte.

5. Es kann keine ideologiefreien Filme geben – Im Gespräch mit Wolfgang M. Schmitt
(diefreiheitsliebe.de, Julius Jamal)
Wolfgang M. Schmitt ist ein Filmkritiker, dessen Besprechungen sowohl in althergebrachten Medien als auch auf seinem Youtube-Kanal “Filmanalyse” erscheinen. Im Interview erzählt Schmitt von seiner Funktion als Ideologiekritiker und spricht über Mainstreamproduktionen, Law and Order, Diversität und den Kampfplatz Youtube.

6. Wie Online-Plattformen gegen Rechtsextremismus vorgehen
(deutschlandfunk.de, Isabelle Klein)
Von “Deplatforming” ist die Rede, wenn Social-Media-Netzwerke bestimmten Personen oder Gruppen die Plattform entziehen, also deren Konten, Profile oder Kanäle sperren beziehungsweise löschen. In der letzten Zeit passierte dies vor allem bei rechtsextremen Accounts wie denen der “Identitären Bewegung”. Isabelle Klein ist für den Deutschlandfunk der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen die Sperr-Strategie im Kampf gegen Rechtsextremismus hat.

Unbekannter Pionier, “Coolibri” vor dem Aus, Google und die Verleger

1. “Sind die Bilder erst einmal im Netz, ist alles zu spät”
(zeit.de, Lisa Hegemann)
(Triggerwarnung: Kindesmissbrauch) Familienrechtler Rudolf von Bracken vertritt seit mehr als drei Jahrzehnten Betroffene von Kindesmissbrauch vor Gericht. Im Gespräch mit “Zeit Online” erklärt er, wie Betroffene Missbrauchsabbildungen aus dem Internet bekommen (gar nicht), warum es für die Bekämpfung von dokumentiertem Kindesmissbrauch keine Vorratsdatenspeicherung braucht, und warum er sowohl auf den Staat als auch auf die Gesellschaft wütend ist: “Weil der Missbrauch unter den schlafenden Augen des Staates passiert. Weil die Gesellschaft all das weiß oder zumindest ahnt. Aber sie guckt einfach weg, und das schon immer.”

2. Paywall: “Tagesspiegel” führt neues Bezahlangebot ein
(dwdl.de, Alexander Krei)
Unter dem Namen “Tagesspiegel Plus” führt der “Tagesspiegel” ein kostenpflichtiges Angebot für ausgewählte Inhalte ein. Das neue Abo koste 9,99 Euro im Monat und werde vom “Tagesspiegel”-Geschäftsführer in feinstem Marketingsprech gepriesen: “Nachdem wir die ‘Leser Experience’ konsequent optimiert haben, runden wir gemäß unserer subscription first strategy mit ‘Tagesspiegel Plus’ unser Digitalabo-Angebot ab”.

3. Ruhrpott-Magazin “Coolibri” vor dem Aus
(uebermedien.de, Boris Rosenkranz)
37 Jahre nach der ersten Ausgabe droht dem Ruhrpott-Magazin “Coolibri” das wirtschaftliche Aus. Gedruckte Stadtmagazine hätten es bereits vor der Corona-Krise schwer am Markt gehabt. Doch nun könnten die wegbrechenden Anzeigenerlöse die unheilvolle Entwicklung beim Veranstaltungsmagazin mit Sitz in Dortmund beschleunigt haben.

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4. Google will News, und umgekehrt
(taz.de, Steffen Grimberg)
Die Zeitungsverleger liegen seit Jahren mit Google im Clinch. Der Suchmaschinenriese würde ihre Inhalte ausbeuten und das Anzeigengeschäft kaputt machen. Eine Folge des Wehklagens war das Leistungsschutzrecht, das sich für die Verlage jedoch aus verschiedenen Gründen nicht ausgezahlt hat. Nun gebe es überraschend Anzeichen für eine Kooperation zwischen den verfeindeten Parteien.

5. Auf der Suche nach mehr als Brosamen
(sueddeutsche.de, Claus Hulverscheidt)
Die renommierte “New York Times” steigt bei Apples Journalismus-Flatrate-Angebot Apple News aus. Claus Hulverscheidt kommentiert: “Der US-Finanzsender CNBC etwa berichtete vor einiger Zeit, viele Medien erlösten über das in Deutschland nicht erhältliche Apple-News-Angebot gerade einmal wenige Zehntausend Dollar im Monat. Für ein Unternehmen wie die New York Times, das im Jahr einen Umsatz von 1,8 Milliarden Dollar erwirtschaftet, ist das kaum der Rede wert. Überlegt man zudem, dass die Zusammenarbeit mit Apple zwar die Reichweite erhöht, zugleich aber die Vermarktung der eigenen, bezahlpflichtigen App erschwert, erscheint die Entscheidung des Blattes nachvollziehbar.”

6. Ein unbekannter Pionier aus Leipzig
(deutschlandfunk.de, Michael Borgers, Audio: 5:20 Minuten)
Kaum jemand kann etwas mit dem Namen Timotheus Ritzsch anfangen, dabei hat der Mann vor genau 370 Jahren die Tageszeitung erfunden. Der Deutschlandfunk erinnert an den Verleger und hat mit dem Medienwissenschaftler Uwe Krüger sowie mit Stephanie Jakobs vom Buch- und Schriftmuseum über die Bedeutung des Mediums Tageszeitung gesprochen.

Drei Wörter reichen, Mitten-Mantra & Hufeisen-Theorie, Gastbeiträge

1. Leistungsschutzrecht: Verleger wollen maximal drei Wörter lizenzfrei zulassen
(heise.de, Stefan Krempl)
Es gibt mal wieder Neuigkeiten von der unsäglichen Posse um das Leistungsschutzrecht. Die Verlegerverbände pochen darauf, dass “regelmäßig nicht mehr als drei Wörter” lizenzfrei bleiben dürften. Stefan Krempl erklärt das unwürdige Gerangel um Snippets, Miniatur-Vorschaubilder und Kleinstvideos.
Weiterer Lesetipp: Die Analyse von Friedhelm Greis: Drei Wörter sollen … (golem.de).

2. Das Mantra von der Mitte
(sueddeutsche.de, Gustav Seibt)
Gustav Seibt räumt mit der in letzter Zeit so häufig bemühten Hufeisen-Theorie auf, die immer wieder Gegenstand von politischer Diskussion und Berichterstattung ist: “Das Hufeisen ist in der politischen Metaphorik eines der Sprachbilder, die das Denken mit einem Schein von Anschaulichkeit festlegen und in die Irre führen können.” Seibt erklärt die historischen Ursprünge des Sprachbilds und zeigt, wo die Gefahren liegen: “Derzeit drohen Hufeisenbild und Mitte-Begrifflichkeit zu veritablen Scheuklappen zu werden, die eine präzise Beschreibung politischer Optionen verhindern.”

3. Politik-PR oder Debattenkultur?
(deutschlandfunk.de, Christopher Ophoven)
Für Politikerinnen und Politiker kann es sehr attraktiv sein, ihre Botschaft per Gastbeitrag über ein renommiertes Medium in die Welt zu senden. Schwierig wird es, wenn die kritische Einordnung durch die Redaktion fehlt. Der Deutschlandfunk hat sich bei verschiedenen Redaktionen und Experten umgehört, wie mit derlei Beiträgen umgegangen wird beziehungsweise wie man idealerweise mit ihnen umgehen müsse.

4. Readly-Jahres-Report: 37 Millionen gelesene Magazine in Deutschland, Top-Titel: “Auto Bild” & “selbst ist der Mann”
(meedia.de, Jens Schröder)
Der E-Paper-Anbieter und Flatrate-Kiosk-Betreiber Readly hat seinen Jahresreport veröffentlicht. Jens Schröder verrät auf “Meedia”, welche Magazine in Deutschland laut Betreiberangaben am meisten gelesen wurden.

5. Das wird man ja wohl noch fragen dürfen
(freitag.de, Benjamin Knödler)
“Balsam in einer erregten Öffentlichkeit” seien die Interviews der ZDF-Moderatorin Marietta Slomka, findet Benjamin Knödler im “Freitag”: “Nicht nur, dass am Ende der Gespräche Antworten stehen, hinter die die Befragten nicht mehr zurückkönnen. Das Ganze geschieht überdies, ohne das Rad der Empörung rhetorisch weiterzudrehen — und sorgt zugleich dafür, dass das Empörende, dass der Skandal nicht so schnell vergessen wird. Es ist ein Signal an die Mächtigen: ‘Ihr, die ihr mit euren Entscheidungen viel Einfluss habt, ihr werdet dafür zur Rechenschaft gezogen.'”

6. Der hammerstolze Neo-SWR
(kontextwochenzeitung.de, Josef-Otto Freudenreich)
Der Südwestrundfunk hat mit Kai Gniffke einen neuen Intendanten, und der wolle den Sender zum digitalen Pionier umbauen und ein neues, junges Publikum erschließen. Was wird dann mit dem Großteil der Kundschaft, fragt Josef-Otto Freudenreich und spöttelt: “Was sollen sich die über 60-Jährigen, die den Großteil der Kundschaft ausmachen, denken, wenn Hannes und der Bürgermeister keinen Schnaps mehr trinken dürfen? Wenn Gaby Hauptmann (62), die Kurzzeit-Talkmeisterin vom Bodensee, Knall auf Fall aus dem Programm gekippt wird? Die Bestsellerautorin (“Suche impotenten Mann fürs Leben”) mit dem Spaßmacher Christoph Sonntag im Gespräch — das ist doch Kundenbindung pur.”

G20-Urteil, Appell ans ZDF, Zum Abschuss freigegeben

1. G20-Aufarbeitung: Urteil gibt Journalisten recht
(ndr.de, Caroline Schmidt)
Das Berliner Verwaltungsgericht hat zwei Journalisten Recht gegeben, denen 2017 beim G20-Gipfel in Hamburg plötzlich die Presseakkreditierung entzogen worden war. Der Verwaltungsakt sei rechtswidrig gewesen, es habe keine Voraussetzung für einen Widerruf der Akkreditierungen vorgelegen. Caroline Schmidt hat den bedenklichen Verstoß gegen die Pressefreiheit in einem Beitrag für das Medienmagazin “Zapp” zusammengefasst.
Weiterer Lesehinweis: Die geheimnisvolle Festnahme: “Die Bundesregierung entzog »nd«-Redakteur Simon Poelchau die G20-Akkreditierung — auf falscher Grundlage” (neues-deutschland.de, Sebastian Bähr).

2. Pressemitteilung: Deutsche Bildungslandschaft fordert Umdenken beim ZDF
(wikimedia.de)
Öffentlich-rechtliche Bildungssendungen und -inhalte sollten länger als fünf Jahre im Netz bleiben. Dies fordern die Bildungsgewerkschaft GEW, der Deutsche Bibliotheksverband und Wikimedia Deutschland in einem gemeinsamen offenen Brief an das ZDF (PDF): “Die Wissenschaft und freie Wissenssammlungen wie Wikipedia setzen auf Belege, die dauerhaft online sind. Bibliotheken bieten kostenfreien Zugang zu Wissen und Informationen. Ihre Nutzerinnen und Nutzer erwarten, dass Inhaltsangebote in Bibliotheken auf Dauer und nicht zeitlich begrenzt zur Verfügung stehen.“

3. Auf Twitter zum Abschuss freigegeben
(dw.com, Ines Eisele)
Ines Eisele greift für die Deutsche Welle die Causa des “Welt”-Kolumnisten Don Alphonso auf, dem unter anderem vorgeworfen wird, seine Follower gezielt gegen Andersdenkende aufzuwiegeln. Dabei kommt auch Matthias Quent zu Wort, der Direktor des Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft: “Dinge, die vorher eindeutig rechtsradikalen Akteuren wie etwa der Identitären Bewegung zuzuordnen waren und eher im Verborgenen passiert sind, sind heute viel stärker mit einer rechtskonservativen Öffentlichkeit verzahnt. Es gibt die Tendenz, dass jemand, der öffentlich renommiert ist, vorangeht, unerwünschte Personen im Grunde markiert und zum Abschuss freigibt, und sich dann Rechtsradikale darauf stürzen.”
Dazu ein Hörtipp: Im Magazin “Fazit” von Deutschlandfunk Kultur erläutert der Autor und Filmemacher Mario Sixtus, wie der Hass aus dem Internet orchestriert wird (Audio: 8:26 Minuten).

4. Ein junger Mann aus einer Stadt am Niederrhein hat uns geschrieben …
(twitter.com/RainerLeurs)
Rainer Leurs, Redaktionsleiter des Onlineangebots der “Rheinischen Post”, berichtet auf Twitter von einem besorgniserregenden Fall: Ein junger Mann habe um Entfernung seines Namens aus einem harmlosen Artikel gebeten: “Dadurch, dass mein Name auf Ihrer Website erschienen ist, bekomme ich ständig Hass-Botschaften und persönlich angreifende Nachrichten von Rechtsradikalen wie Pegida und AfD”.

5. Glaubwürdigkeit deutscher Medien ist leicht gesunken
(dwdl.de, Alexander Krei)
Der WDR hat bei Infratest dimap eine repräsentative Studie zur Glaubwürdigkeit deutscher Medien in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Nur 61 Prozent der Befragten würden die Informationen in deutschen Medien für glaubwürdig halten. Interessant sind die regionalen Unterschiede: Im Westen Deutschlands sind es 64 Prozent, im Osten nur 48 Prozent. In den ostdeutschen Bundesländern würden rund 50 Prozent der Befragten davon ausgehen, dass es Vorgaben von Staat und Regierung gibt.

6. Twitter verwarnt Johnsons Konservative
(spiegel.de)
Am Dienstag kam es in Großbritannien zum großen TV-Showdown zwischen Premier Boris Johnson und Labour-Chef Jeremy Corbyn. Dies erschien der Pressestelle der britischen Regierungspartei eine gute Gelegenheit, ihren Twitter-Account “CCHQPress” umzubenennen und ihn vorübergehend wie eine neutrale und unabhängige Faktenchecker-Seite aussehen zu lassen. Twitter sanktionierte den Verstoß gegen die Regeln nicht, die eigentlich eine Irreführung von Menschen verbieten. Jeder weitere Verstoß werde jedoch “entschlossene Korrekturmaßnahmen zur Folge haben”.

Twitters Taktik, Frontstadt Cottbus, Kriegsreporter

1. Sechs Monate Twittersperre
(tomhillenbrand.de)
Es muss sich sehr frustrierend anfühlen: Der Autor Tom Hillenbrand wird von Twitter zu Unrecht gesperrt, bekommt vor einem deutschen Gericht Recht, erfährt aber trotzdem keine Gerechtigkeit. Das sich hinter seiner Dubliner Firmenadresse verschanzende Sozialen Netzwerk nehme die Einstweilige Verfügung aus Deutschland einfach nicht zur Kenntnis. Twittersperren-Opfer Hillenbrand kommentiert: “Meiner Ansicht nach ist der Gesetzgeber gefordert. Wenn eine Social-Media-Plattform hierzulande Kunden und Geschäft hat, müsste sie eine in Deutschland ansässige Dependance haben, die Korrespondenz entgegennimmt. Bei Fällen, die das NetzDG betreffen, ist das offenbar vorgeschrieben, bei Accountsperren wie meiner hingegen nicht.”

2. Der rbb und Cottbus
(ardaudiothek.de, Sebastian Schöbel, Audio: 25 Minuten)
In bestimmten Cottbusser Kreisen zählen die Reporterinnen und Reporter des rbb zum erklärten Feindbild. Dies äußert sich zum Beispiel bei flüchtlingsfeindlichen Demos, beim Ärger mit rechtsextremen Fußballfans oder beim Berichten über den Rückzug aus der Braunkohle. In der aktuellen Folge des Podcasts “Die erzählte Recherche” geht es um die schwierige Situation der regionalen Berichterstattung und die Frage: “Was passiert, wenn sich eine Stadt gegen einen Rundfunksender wendet?”

3. “Ich würde mich über AfD-Anhänger freuen”
(tagesspiegel.de, Thomas Gehringer)
Thomas Gehringer hat sich für den “Tagesspiegel” mit WDR-Talker Jürgen Domian unterhalten, der heute sein TV-Comeback feiert (WDR, 23:30 Uhr). Domian hat in den vergangenen beiden Jahrzehnten mehr als 20.000 Telefongespräche geführt und dabei unter anderem gelernt, dass Menschen “erschreckend abgründig sein können. Das habe ich vorher nicht so gesehen. Auf der anderen Seite habe ich gelernt, wie großartig Menschen sein können. Mutig, tapfer, Vorbilder für andere.”

4. Nein, “Zeit-Online”-Autor Christian Bangel forderte keinen “gezielten Völkermord durch Migration”
(correctiv.org, Till Eckert)
Hat “Zeit Online”-Autor Christian Bangel tatsächlich in einem Artikel den “Genozid am deutschen Volk” gefordert, wie die Website “Anonymous News” und ein ehemaliger Katzenkrimi-Autor, der schon mal wegen Volksverhetzung verurteilt wurde, behaupten? Natürlich nicht! “Correctiv”-Faktenchecker Till Eckert hat die Sache trotzdem noch mal aufgedröselt, zitiert die entsprechenden Passagen, erklärt die von beiden Seiten verwendeten Begriffe und zeigt, warum die Behauptung einfach nur falsch ist.

5. Kriegsreporter – Mythos und Wirklichkeit eines Berufsbildes
(de.ejo-online.eu, Martin Gerner)
Um den Beruf des Kriegsreporters beziehungsweise der Kriegsreporterin ranken sich vielerlei Mythen, doch die Wirklichkeit sieht oft anders aus. Martin Gerner erzählt, wie sich Kriegsberichterstattung tatsächlich abspielt. Dazu gehören auch die lokalen Reporter und Reporterinnen, die oftmals die schwere und gefährliche Vorarbeit übernehmen, deren Einsatz jedoch nicht angemessen gewürdigt werde: “Meinem Freund und Kollegen, dem afghanischen Fotojournalisten Massoud Hossaini, habe ich jahrelang nahegelegt, bei seiner renommierten Nachrichtenagentur auf gleichen Versicherungsschutz zu pochen. Er zögerte. Immer wieder. Erst als er den Pulitzer-Preis in den Händen hielt, traute er sich: “Jetzt werden sie mich wohl nicht vor die Tür setzen, wenn ich danach frage.””

6. Sind Memes nun illegal oder nicht?
(twitter.com/docupy, Video: 1:43 Minuten)
Ist das Anfertigen und Posten einer Mem-Bildtafel mit urheberrechtlich geschütztem Material legal oder illegal? Diese Frage hat der Youtuber Rezo Mitgliedern des Bundestages quer durch das Parteienspektrum gestellt. Es gab zwar Antworten, aber echte Sachkompetenz kann man wohl nur einer der Befragten attestieren …

Verdrehte Reuters-Studie, Topf Secret, Rundfunkrat Markwort

1. Linke Programme für ein linkes Publikum? Was die Reuters-Studie wirklich zeigt
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Hat eine große Studie eines renommierten Instituts tatsächlich herausgefunden, dass ARD und ZDF fast nur noch für ein linkes Publikum senden? Dies wird jedenfalls von rechtskonservativen bis rechtsextremen Kreisen behauptet und als Beleg die aktuelle Reuters-Studie angeführt. Medienjournalist Stefan Niggemeier ist der Sache nachgegangen.

2. Altherrenverein war gestern
(magazin.zenith.me, Moritz Behrendt)
Jahrzehntelang bestimmten altgediente Haudegen und Platzhirsche wie Peter Scholl-Latour und Gerhard Konzelmann, wie wir den Nahen Osten sahen und über ihn dachten. Doch die beiden Starreporter und Bestsellerautoren waren mindestens in der Fachwelt umstritten. Konzelmann galt zudem als “Allahs Plagiator”. Wie ist es derzeit um den Journalismus aus Nahost bestellt? Moritz Behrendt, Mitgründer und Mitherausgeber von “zenith – Zeitschrift für den Orient”, erzählt vom derzeitigen Stand der Nahost-Berichterstattung.

3. Der Gegner im eigenen Bett?
(deutschlandfunk.de, Michael Watzke, Audio: 4:44 Minuten)
Helmut Markwort sitzt im Rundfunkrat des Bayerischen Rundfunks. Das ist insofern pikant, als Markwort zugleich Miteigentümer mehrerer Konkurrenzsender ist und sich das Vorliegen eines handfesten Interessenkonflikts aufdrängt. Ein Interessenkonflikt, von dem Markwort natürlich nichts wissen will und dabei das bayerische Justizministerium auf seiner Seite weiß. Nun kann wohl nur eine Gesetzesänderung helfen. Die kann jedoch lediglich Zukünftiges regeln. Markwort wird also seinen Platz im Rundfunkrat trotz seines wirtschaftlichen Engagements bei der Konkurrenz behalten.

4. Berliner Bezirke sabotieren “Topf Secret”: Interne Dokumente offenbaren Streit zwischen Bezirken und Landesregierung
(fragdenstaat.de, Arne Semsrott)
Das Projekt “Topf Secret” setzt sich dafür ein, dass die Berliner Bezirke die Hygiene-Kontrollergebnisse zu Lebensmittelbetrieben der Stadt herausgeben müssen. Über eine Online-Plattform beziehungsweise App können Verbraucherinnen und Verbraucher dazu einen Antrag stellen. Eine Möglichkeit, von der insgesamt mehr als 30.000 mal Gebrauch gemacht wurde (in Berlin rund 3.000 mal), allein es nützt nichts: “Die Berliner Bezirksämter sabotieren die Online-Plattform “Topf Secret” und widersetzen sich damit wiederholten Empfehlungen der Landesregierung.” Nun sind interne Dokumente aufgetaucht, die einen Streit zwischen Bezirken und Landesregierung nahelegen.

5. Geheimdienst muss transparenter werden
(tagesspiegel.de, Fatina Keilani)
Das Bundesverwaltungsgericht hat entscheiden, dass der Bundesnachrichtendienst Auskunft über seine Hintergrundgespräche mit Journalistinnen und Journalisten erteilen muss. Dem Urteil vorausgegangen ist die Klage eines “Tagesspiegel”-Redakteurs. Das Gericht stellt unter anderem fest: “Dadurch, dass dem Kläger mitgeteilt wird, welche Medienvertreter jeweils eingeladen waren und an welchen Gesprächen der Präsident des BND teilgenommen hat, werden keine für eine Gefährdung der Aufgabenerfüllung des BND relevanten zusätzlichen Informationen verbreitet.”

6. Fußball-Fake: Wenn das Studio zum Stadion wird
(fair-radio.net, Mario Köhne)
Beim Radiosender Life Radio Tirol kommt tolle Fußballstimmung auf, als die Moderatorin scheinbar live ins Fußballstadion in Graz zu ihrem Reporterkollegen schaltet. Doch der steht nicht im Stadion zwischen Tausenden von Fans, sondern ihr gegenüber im Studio. Herausgekommen ist der Fake, weil der Sender die Studiocam mitlaufen ließ, und die Bilder auf Youtube landeten.

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