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“Bild” macht, was “Bild” laut “Bild” nicht machen darf

Am Samstagabend meldete die “Bild”-Redaktion per Push-Nachricht die angebliche Schwangerschaft einer prominenten deutschen Frau: “Erstes Kind mit 43!” Im dazugehörigen Bild.de-Artikel findet sich auch diese Passage:

Doch wenn sie wie jetzt das Glück unter ihrem Herzen trägt, können auch sie und ihr Lebensgefährte, ein erfolgreicher Musiker, dessen Namen BILD nicht nennen darf, die Freude wohl nicht für sich behalten.

In der “Bild am Sonntag” fand sich gestern zum selben Thema eine ganz ähnliche Formulierung: “… dessen Namen BamS nicht nennen darf …”.

So viel Zurückhaltung und Selbstreflexion ist bei den “Bild”-Medien überraschend. Und nicht von langer Dauer. Gestern Abend ganz oben auf der Bild.de-Startseite:

Screenshot Bild.de - Schwanger mit 43 - Er ist der Vater
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns)

Im Artikel wird dann tatsächlich der Name des angeblichen Vaters genannt (“so erfährt BILD exklusiv”). Auch die “Bild”-Zeitung nennt in ihrer heutigen Ausgabe den Namen.

Es scheint sich für die Redaktion gelohnt zu haben, das zu machen, was sie laut eigener Aussage gar nicht machen darf. Der Beitrag hinter der “Bild-plus”-Paywall führte gestern Abend die erfolgreichsten Artikel des Bezahlangebots an:

Screenshot Bild.de - Übersicht über die Top Bild-plus-Artikel - ganz oben der Artikel mit der Überschrift Er ist der Vater

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Ohne Profi-Säule, gegen das “E-Auto”

Zusammengefasst geht die Geschichte so: Ein Mann entscheidet sich, warum auch immer, für ein Auto, das überhaupt nicht zu seinen Bedürfnissen, seinem Fahrverhalten und der ihn umgebenden Infrastruktur passt. Und bei “Bild” ist das “E-Auto” schuld.

Leipzigs Handwerkskammer-Chef teilte vergangenen Mittwoch groß in der Leipzig-Ausgabe der “Bild”-Zeitung mit:

Ausriss Bild-Zeitung - Wir werden keine Freunde mehr - Handwerkskammer-Chef verflucht sein E-Auto

Und auch laut Bild.de nur Ärger mit dem “E-Auto”:

Screenshot Bild.de - Nach drei Jahren Ladeärger gibt er auf und fährt wieder Diesel - Handwerkskammer-Chef verflucht sein E-Auto

Der Wille war da und ganz viel Geduld!

Leipzigs Handwerkskammer-Chef Volker Lux (54) gibt nach drei Jahren Elektromobilität auf und fährt wieder einen klassischen Diesel.

Die erste Überraschung kommt in Absatz drei. Denn wer nach dem Lesen der “E-Auto”-Überschriften annahm, es geht um ein rein batterieelektrisches Auto, erfährt dort, dass es sich stattdessen um einen Plug-in-Hybrid handelt:

Lux schaffte sich einen Dienstwagen an, den er auch privat nutzen darf, einen BMW X3 Hybrid.

Bei “Bild” wird daraus in der Überschrift ein “E-Auto”, auch wenn die Autokenner-Kollegen der “Autobild” offenbar klar zwischen E-Auto und Plug-in-Hybrid unterscheiden.

Jedenfalls war dieses Auto für den Handwerkskammer-Chef zum Verfluchen:

Der Wagen kann 30 Kilometer elektrisch fahren und hat zusätzlich einen 40-Liter-Tank. Genau da begann der Alltagsärger. Lux: “Zum Termin nach Berlin und zurückfahren funktionierte nicht, ohne zu tanken. …

Pardon, da müssen wir eben unterbrechen.

Man könnte jetzt sagen: Klar, nachher ist man immer schlauer! Aber bei der Autowahl kann man sich ja ganz gut schon vorher schlau machen und zum Beispiel schauen, ob der Tank (oder beim E-Auto: die Batterie) groß genug ist, um mit einer Füllung eine häufig gefahrene Strecke zu schaffen.

Und zur konkreten Strecke: Von der Leipziger Handwerkskammer bis zum Brandenburger Tor in Berlin sind es 180 Kilometer. Hin und zurück also 360 Kilometer. Lassen wir den elektrischen Fortbewegungsteil des Wagens bei der Rechnung mal außenvor: Um 40 Liter auf 360 Kilometern zu verfeuern, muss man rund 11,1 Liter auf 100 Kilometern verbrauchen. Im Test des ADAC (PDF) liegt der Verbrauch des Wagens deutlich unter diesem Wert:

Fährt man im Hybridmodus weiter, ergibt sich ein Benzinverbrauch von durchschnittlich 8,4 l Super pro 100 km. Dabei liegt der Benzin-Konsum innerorts bei 7,8 l, auf der Landstraße bei 7,6 l und auf der Autobahn bei 10,0 l/100 km.

Bei “Auto Motor Sport” wird der Durchschnittsverbrauch etwas höher angegeben:

Auf der Eco-Runde verbrauchte der BMW 6,7 Liter, während er sich auf der Pendler-Strecke 9,2 Liter genehmigte. Wurde der BMW sportlich bewegt, stieg der Verbrauch auf 11,5 Liter. Der Durchschnittsverbrauch hybridisch beträgt 9,2 Liter.

Mit dem Verbrauch der “sportlichen” Fahrweise läge man etwas über den von uns errechneten 11,1 Litern auf 100 Kilometern, die es bräuchte, um den 40-Liter-Tank auf der Strecke Leipzig-Berlin-Leipzig leer zu fahren. Wenn man unbedingt diese 360 Kilometer fahren und dabei auf keinen Fall tanken möchte, sollte man vielleicht einfach eine Fahrweise wählen, die zur Reichweite des gewählten Autos passt.

Aber letztlich scheint das alles völlig irrelevant zu sein. Denn die Angabe des Handwerkskammer-Chefs in “Bild” zum Tankvolumen dürfte schlicht nicht stimmen. Während er von einem “40-Liter-Tank” spricht, findet man anderswo, zum Beispiel bei “Autobild”, die Angabe, dass der BMW X3 Hybrid einen 50-Liter-Tank hat. Wir haben auch noch mal bei BMW nachgefragt. Der Konzernsprecher, der für die X3-Reihe zuständig ist, antwortete uns, dass ihm “nix anderes bekannt” sei als ein Tankinhalt von 50 Litern.

Und bei einem 50-Liter-Tank müsste man schon 13,9 Liter auf 100 Kilometern verbrauchen, um auf der Tour Leipzig-Berlin-Leipzig den Tank leer zu fahren.

Nun aber wieder zurück zum Zitat des Handwerkskammer-Chefs in “Bild”:

Lux: “Zum Termin nach Berlin und zurückfahren funktionierte nicht, ohne zu tanken. Um für den Stadtverkehr 30 Kilometer in die Batterie zu bekommen, musste ich bei uns in der Tiefgarage der Handwerkskammer mehr als vier Stunden laden.”

Vier Stunden laden für 30 Kilometer? Das klingt nach einer ganzen Menge Zeit für nicht so wahnsinnig viel Reichweite. Und dafür gibt es auch einen Grund. Die ganze Dämlichkeit dieser “Bild”-Geschichte materialisiert sich in diesem Foto:

Ausriss Bild-Zeitung - Zu sehen ist ein Foto der Ladeeinrichtung in der Tiefgarage der Handwerkskammer - Dazu die Bildunterschrift Der Handwerkskammer-Chef in der Tiefgarage. Die Ladesäule ist ungeeignet.

“Die Ladesäule ist ungeeignet”. Dem Mann, der sein “E-Auto” verflucht, steht also gar nicht die adäquate Infrastruktur zur Verfügung. Das schreibt auch “Bild”:

Die Kammer hat die Plätze in der Tiefgarage nur gemietet und hat keine Profi-Säule. “Das funktioniert gut für unsere kleinen E-Flitzer, die über Nacht stehen bleiben können. Aber nicht für mich, der ständig und unplanbar unterwegs ist.”

Die mangelhafte Lade-Infrastruktur ist ein absolut relevantes Thema bei der Debatte um die E-Mobilität in Deutschland. Aber sein “E-Auto” an sich zu “verfluchen”, weil der eigene Laden es nicht schafft, einen ordentlichen Ladepunkt zu installieren, und dadurch das Laden so lange dauert?

Die “Bild”-Redaktion spendiert einem für sowas gern eine große Schlagzeile.

Mit Dank an @stab_mixer für den Hinweis!

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“Bild” erklärt Deutschland zum “Strombettler”

Jedes Kind kennt die Geschichte (und das Lied) von St. Martin, dem römischen Soldaten, der in einer kalten Winternacht auf einen “armen Mann” traf, der nur “Lumpen” anhatte und fror. Martin gab ihm einen Teil seines stattlichen Mantels ab, damit der “Bettler” es wenigstens ein bisschen wärmer hatte.

In der Logik der “Bild”-Redaktion hätte der arme Mann noch einen Sack mit wärmender Kleidung dabei gehabt, die er aber nicht anzieht, und dem Heiligen Martin noch was von den Lumpen abgegeben, denn ein “Bettler” ist bei “Bild” irgendwie was anderes.

Deutschland hat im ersten Halbjahr 2023 mehr Strom importiert als früher. Insgesamt hat es in diesen sechs Monaten aber immer noch mehr Strom exportiert als es importiert hat.

Oder, wie “Bild” es nennt:

Screenshot Bild.de - Neuer Bericht zeigt - Deutschland wird zum Strombettler

Deutschland rutscht innerhalb von sechs Monaten rapide ab: Lag der Netto-Stromexport in der zweiten Jahreshälfte 2022 noch bei 9,2 TWh, sind es jetzt gerade einmal 0,6 TWh. Vom Strom-Exporteur zum Strom-Bettler!

Auch in der “Bild”-Bundesausgabe sind “wir” nun “Strombettler” – ein Begriff, der suggeriert, dass Deutschland sich nicht mehr ausreichend selbst mit Strom versorgen kann:

Ausriss Bild-Zeitung - Wir werden vom Stromexporteur zum Strombettler

Richtig müsste es heißen: “Wir” sind im ersten Halbjahr 2023 immer noch Stromexporteur, aber mit einem geringeren Exportüberschuss als im Halbjahr zuvor.

Die “Bild”-Redaktion beruft sich in ihrem Artikel von Anfang August auf eine Veröffentlichung von EnAppSys, einem Portal, das Daten und Analysen über den europäischen Energiemarkt für Geschäftskunden bereitstellt:

Grund für den deutschen Absturz laut der “EnAppSys”-Experten: das Kernkraftwerk-Aus!

“Diese Stilllegungen bedeuteten, dass Deutschland in Zeiten geringer erneuerbarer Stromerzeugung zusätzlichen Strom aus anderen Ländern beziehen musste”, so Experte Jean-Paul Harreman.

Wir haben mit Jean-Paul Harreman von EnAppSys Kontakt aufgenommen – und der widerspricht der Darstellung von “Bild” entschieden.

Das fängt schon damit an, dass es einigermaßen unwissenschaftlich ist, eine zweite Jahreshälfte mit einer ersten zu vergleichen: Harremann sagt, dass es eine klare Saisonalität bei den Import- und Exportmustern gebe.

Und auch die Gründe für die gesteigerten Importe liegen nicht etwa darin, dass Deutschland nicht in der Lage wäre, sich selbst mit Energie zu versorgen: Es ist nur tatsächlich billiger, Strom aus dem Ausland zu importieren, als die Leistung der eigenen Kohle- oder Gas-Kraftwerke, die alle mit verminderter Leistung liefen, hochzufahren. Genau für diesen Zweck sei der europäische Binnenmarkt für Strom geschaffen worden, sagt Harremann. (Man stelle sich umgekehrt mal vor, was “Bild” schreiben würde, wenn die Bundesrepublik ohne Grund teureren Strom produzieren würde, anstatt ihn zu importieren!)

Laut Jean-Paul Harremann liegt einer der Gründe, dass Deutschland mehr importiert als im Vorjahr, darin, dass Frankreich nach einer langen Zeit wieder in der Lage sei, Strom zu niedrigen Preisen zu exportieren. Im vergangenen Jahr war nämlich zeitweise die Hälfte der französischen Atomkraftwerke abgeschaltet – entweder wegen gravierender Mängel und Schäden oder weil wegen des heißen Sommers nicht ausreichend Kühlwasser zur Verfügung stand. Jetzt laufen die französischen AKW wieder.

Nun kann man es natürlich seltsam finden, in Deutschland alle Atomkraftwerke abzuschalten, aber weiter Atomstrom aus Frankreich zu importieren. Dafür muss man sich allerdings vom Gebiet der reinen Physik auf das der Politik begeben – und dort findet man einen von einer schwarz-gelben Bundesregierung im Jahr 2011 beschlossenen Atom-Ausstieg. Als nach dem russischen Angriff auf die Ukraine im vergangenen Jahr die Energiepreise anstiegen und eine Laufzeitverlängerung deutscher Atomkraftwerke diskutiert wurde, erklärten die deutschen AKW-Betreiber, dass diese technisch und genehmigungsrechtlich schwer möglich sei.

Man kann also unterschiedlicher Meinung sein, ob Atomkraft ein sicherer oder – langfristig gerechnet – preiswerter Energieträger ist. Aber dass die deutschen Atomkraftwerke nicht weiterlaufen konnten, ist etwas, was im Januar 2022 sogar noch Christian Lindner wusste. (Die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung hatte übrigens erst im Oktober 2010 eine Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke beschlossen, die sie im Frühjahr 2011 wieder zurücknahm, weswegen die AKW-Betreiber vom deutschen Staat jetzt 2,4 Milliarden Euro Entschädigung bekommen, die “wir” letztlich alle bezahlen müssen, aber das nur am Rande.)

Unabhängig von der politischen Dimension importiert Deutschland überhaupt nur einen sehr geringen Teil seines Stroms aus Frankreich. Sehr viel mehr kommt aus Dänemark, der Schweiz, den Niederlanden und Norwegen – alles Länder mit hohen Anteilen erneuerbarer Energien. Und es ist nicht nur günstiger, diesen Strom zu importieren, es ist auch umweltschonender, als die heimischen Braun- und Steinkohlekraftwerke hochzufahren.

Deutschland muss also nicht um Strom “betteln”, wie “Bild” behauptet, sondern es kauft – um im Bild zu bleiben – Öko-Strom im Sonderangebot beim Discounter in der Nachbarschaft ein, um nicht in den Kohlenkeller zu müssen.

Entsprechend ist Jean-Paul Harreman von EnAppSys mit der Wortwahl im “Bild”-Beitrag “überhaupt nicht einverstanden”, wie er uns verriet:

Es ist eine Tatsache, dass Deutschland nach der Abschaltung der Kernkraftwerke mehr Strom von seinen Nachbarn importierte, aber die damit verbundenen Auswirkungen auf die Energiesicherheit sind maßlos übertrieben. Selbst wenn die Grenzen geschlossen würden, was nicht möglich ist, hätte Deutschland überschüssige Erzeugungskapazitäten zum Zuschalten. Dass die Importe gestiegen sind, ist die logische Folge einer wirtschaftlichen Optimierung.

Besonders unglücklich ist Harremann mit seiner Rolle als Kronzeuge in dem “Bild”-Artikel: Zum einen sei es in der Pressemitteilung von EnAppSys nur am Rande um Deutschland gegangen und hauptsächlich um den Wiederanstieg französischer Stromexporte, nachdem dort wieder mehr Atomkraftwerke im Betrieb sind (Mängel und Trockenheit, wir erinnern uns). Sein Zitat “Diese Stilllegungen bedeuteten, dass Deutschland in Zeiten geringer erneuerbarer Stromerzeugung zusätzlichen Strom aus anderen Ländern beziehen musste” sei aus dem Kontext gerissen, sagt Harremann, der sich gewünscht hätte, dass die “Bild”-Redaktion ihn kontaktiert, bevor sie ihn zum Kronzeugen ihrer Geschichte macht.

Nachdem EnAppSys und er persönlich viele kritische Nachfragen erhalten hätten, habe das Unternehmen die Pressemitteilung überarbeitet. Statt …

“Meanwhile, in Germany, the closure of nuclear power plants was the main reason why the energy balance flipped to imports. These closures meant that Germany had to source additional power from other countries in periods of low renewable generation.”

“In Deutschland war die Stilllegung der Kernkraftwerke der Hauptgrund dafür, dass die Energiebilanz in Richtung Importe drehte. Diese Schließungen führten dazu, dass Deutschland in Zeiten geringer erneuerbarer Energieerzeugung zusätzlichen Strom aus anderen Ländern beziehen musste.”

(Übersetzung von uns)

… heißt es dort nun:

“Meanwhile, in Germany, the closure of nuclear power plants was the main reason why the energy balance flipped from export in the first quarter to import in the second quarter. These closures meant that Germany sourced additional power from other countries in periods of low renewable generation, as other markets provided power at lower prices than unused generation assets in Germany.

Note that imports and exports are the result of market coupling among European electricity markets, with cross-border connections limiting the amount of power that can flow from one country to another. The objective is to optimize welfare across the continent. Except for borders that are not automatically coupled, parties acting on day-ahead markets do not actively choose to import or export.”

“In Deutschland war die Stilllegung der Kernkraftwerke der Hauptgrund dafür, dass sich die Energiebilanz vom Export im ersten Quartal zum Import im zweiten Quartal drehte. Diese Schließungen führten dazu, dass Deutschland in Zeiten geringer erneuerbarer Energieerzeugung zusätzlichen Strom aus anderen Ländern bezog, da andere Märkte Strom zu niedrigeren Preisen bereitstellten als ungenutzte Erzeugungsanlagen in Deutschland.

Beachten Sie, dass Importe und Exporte das Ergebnis der Marktkopplung zwischen europäischen Strommärkten sind, wobei grenzüberschreitende Verbindungen die Strommenge begrenzen, die von einem Land in ein anderes fließen kann. Ziel ist es, den Wohlstand auf dem gesamten Kontinent zu optimieren. Mit Ausnahme von Grenzen, die nicht automatisch gekoppelt sind, entscheiden sich die auf Day-Ahead-Märkten agierenden Parteien nicht aktiv für Import oder Export.“

(Übersetzung von uns)

Harreman betont, dass die Formulierung “dass Deutschland […] zusätzlichen Strom aus anderen Ländern beziehen musste” in der ursprünglichen Version der Pressemitteilung unglücklich gewählt war, und “bezog” richtiger gewesen wäre.

Der “Strombettler”-Artikel war Teil einer losen und vermutlich noch nicht beendeten Serie, in der “Bild” immer wieder versucht, den (noch einmal: vor zwölf Jahren von einer schwarz-gelben Bundesregierung beschlossenen und in diesem Jahr umgesetzten) Atom-Ausstieg als kapitalen Fehler der aktuell regierenden Ampel-Koalition zu brandmarken – möglicherweise aus Trotz, weil der von “Bild” herbeigeschriebene Blackout bis heute ausgeblieben ist.

Nur wenige Tage nach dem “Strombettler”-Text fragte “Bild” besorgt:

Muss Deutschland nach dem AKW-Aus jetzt dauerhaft mit Strom aus dem Ausland versorgt werden?

“Jedes Jahr gibt es Phasen, in denen wir Strom aus anderen Ländern einkaufen”, antwortete Bundeskanzler Olaf Scholz (65, SPD) am Donnerstag im Erfurter Bürgerdialog auf die Frage, warum Deutschland die Kernkraft durch Importstrom ersetze.

Klang ganz so, als habe sich durch das AKW-Aus nichts verändert im Vergleich zu den Vorjahren. Doch das Gegenteil ist der Fall: Deutschland importiert so viel Strom wie nie! 5783,4 Gigawattstunden waren es im Juli laut Bundesnetzagentur – Allzeit-Rekord.

Noch NIE hat Deutschland so viel Strom aus dem Ausland eingekauft, Herr Bundeskanzler!

Ja, weil’s halt billiger ist.

Das weiß eigentlich sogar “Bild”:

Auch wenn Import-Strom teurer ist als unser Export-Strom, ist er immer noch günstiger als Kohle oder Gas von hierzulande.

Wir seien auf den Import-Strom aber keineswegs angewiesen, deutete Scholz an: “In der Gesamtbilanz ist die Lage ganz anders.” Es gebe schließlich noch die Braunkohle als Ersatz. Aber Deutschland setze lieber “auf Windstrom aus Dänemark und Atomstrom aus Frankreich”, weil der eben günstiger sei.

Und dann wird die “Bild”-Redaktion nachgerade investigativ:

Funktioniert der europäische Strommarkt wirklich so gut, wie Scholz denkt? BILD fragte nach!

… fand für Zitate aber seltsamerweise nur Personen, die Strom-Importe mindestens kritisch sehen und vor steigenden Strompreisen warnen. Der Bayerische Rundfunk hingegen hat ganz viele Gesprächspartner und -partnerinnen gefunden, die von sinkenden Preisen ausgehen und die aktuelle Umweltbilanz loben:

Screenshot BR.de - Trotz Atomausstieg: Deutschland verbrennt weniger Kohle und Gas

Im Mai, dem Monat nach dem deutschen Atomausstieg, wurde so wenig Steinkohle nach Deutschland importiert wie in keinem Maimonat seit 2004 – mit Ausnahme des Corona-Jahres 2020.

Angesichts so unterschiedlicher Interpretationen der gleichen Fakten kann man schon mal den Überblick verlieren. “Bild” hatte deshalb schon im Juli eine “Riesenverwirrung um den deutschen Strommarkt” ausgerufen – und selbst weiter fleißig dazu beigetragen:

► Alles nicht so wild, sagen die einen. Strom sei im Ausland gerade billiger als in Deutschland, deshalb werde mehr eingekauft.

► Alles ziemlich wild, behaupten die anderen, Deutschland verliere seine Energie-Autonomie, mache sich abhängig.

Mithilfe von Manuel Frondel vom RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung bemüht sich “Bild” tatsächlich um eine gewisse Ausgewogenheit (diese einigermaßen ausgewogene Betrachtung hat die Redaktion aber schön hinter der Bezahlschranke versteckt). Frondel fühlt sich in dem Artikel auch korrekt wiedergegeben, wie er uns auf Anfrage erklärt hat.

ABER (um in der Diktion von “Bild” zu bleiben):

“Bild” schreibt unter anderem: “Seit elf Jahren gibt es Pläne für Stromautobahnen von Nord- nach Süddeutschland, die dieses Problem beheben würden. Aber sie kommen nicht voran.”

Was “Bild” nicht schreibt: Dass diese Stromtrassen in den Süden nicht “vorankommen”, liegt vor allem am Widerstand der CSU – nicht zuletzt in Person des früheren bayerischen Finanzministers und heutigen Ministerpräsidenten Markus Söder. Wer das nicht weiß, kann fast wieder nur annehmen, dass die seit weniger als 21 Monaten regierende Ampel-Koalition an allem schuld ist.

Dafür zitiert “Bild” im Artikel eine INSA-Umfrage, nach der “jeder dritte Deutsche” der Ansicht ist, “dass die Stromversorgung in Deutschland nicht mehr sicher” sei.

Diese Menschen kann Jean-Paul Harreman von EnAppSys beruhigen:

Für dieses Jahr sind alle Gasvorräte ausreichend gefüllt und es stehen auf dem gesamten Kontinent ausreichend Erzeugungskapazitäten aus Gas-, Kohle- und Braunkohlekraftwerken zur Verfügung. Es besteht kein Grund zur Panik. Nur ein sehr langer, sehr kalter Winter könnte echte Probleme bereiten. Diese Probleme wären eher hohe Preise als Stromausfälle.

“Kein Grund zur Panik” – der absolute Horror für die “Bild”-Redaktion.

Dazu auch:

  • Über die Mär von der “Energiesouveränität” und die Rolle von “Bild” in dieser Desinformationskampagne hatte Christian Stöcker im Juli bereits einen aufschlussreichen Artikel beim “Spiegel” veröffentlicht.

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“Bild” erwischt Cathy Hummels schon wieder auf Dating-App

Entweder haben Tanja May, Mitglied der “Bild”-Chefredaktion, und Cathy Hummels, Influencerin und Unternehmerin, beide ein sehr schlechtes Gedächtnis. Oder sie halten die “Bild”-Leserinnen und -Leser für so bescheuert, dass sie kein Problem damit haben, sie ganz offensichtlich zu verarschen.

Vergangenen Mittwoch berichtete May über Hummels bei Bild.de:

Screenshot Bild.de - Cathy Hummels auf Promi-Tinder erwischt! So lief ihr erstes Date - Wer Chancen bei ihr hat - Es handelt sich dabei laut Symbol um einen Bild-plus-Artikel

Einen Tag später schaffte es diese Entdeckung sogar auf die “Bild”-Titelseite …

Ausriss Bild-Titelseite - Cathy Hummels auf Promi-Tinder erwischt - TV-Moderatorin Cathy Hummels (35) sucht im Internet nach einer neuen Liebe

… und groß ins Blatt:

Ausriss Bild-Zeitung - Cathy Hummels bei Promi-Tinder erwischt! Ich habe schon ein paar Männern geschrieben

Was sagt denn Cathy Hummels dazu?

Im exklusiven BILD-Interview gibt die schöne Single-Mama zu, dass sie sich jetzt bei “Raya” tummelt: “Erwischt! Ja, das stimmt. Modernes Dating? Bin ich auch dabei.”

Dass die eine berichtet, jemanden “erwischt” zu haben, und die Erwischte sich “erwischt” fühlt, ist etwas überraschend. Denn vor mehr als acht Monaten, im Dezember 2022, berichtete Bild.de schon einmal über Cathy Hummels und die Dating-App Raya:

“Ich habe die Dating-App Raya ausprobiert”, verrät die Mama eines kleinen Sohnes (Ludwig, 4) jetzt gegenüber BILD.

Die Autorin des Artikels damals: Tanja May.

Es ist schon eine tolle Symbiose: Auf der einen Seite Prominente, die trotz der eigenen Reichweite in den Sozialen Medien offenbar immer noch das Boulevardscheinwerferlicht brauchen. Und auf der anderen eine Klatschredaktion, die mit derartigen Nichtigkeiten Online-Abos und gedruckte Exemplare verkaufen kann – zur Not sogar als aufgewärmtes “Erwischt!”-Märchen.

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Bild  

Jetzt bringen auch noch die Fluten “unseren Urlaub” in Gefahr

In Österreich und Slowenien gab es Ende vergangener Woche nach heftigen Regenfällen schwere Überschwemmungen. Die “Bild”-Redaktion berichtete am Montag im Blatt darüber, unter anderem mit diesem Foto:

Ausriss Bild-Zeitung - Zu sehen ist eine Aufnahme eines Hauses, das von den Wassermassen mitgerissen wurde - dazu die Bildunterschrift: Ein Haus in Prevalje (Slowenien) ist nach einer Flutwelle eingestürzt

Im harmlosesten Fall ist auf dem Bild eine zerstörte Lebensgrundlage einer Person oder einer Familie zu sehen, ein weggeschwemmtes Zuhause. Im schlimmsten Fall gab es dort Tote oder Verletzte. Mindestens sechs Menschen sind in Slowenien im Zusammenhang mit dem Unwetter ums Leben gekommen.

Welche eine Frage zur Situation im Katastrophengebiet ist für die “Bild”-Redaktion wohl von so zentraler Bedeutung, dass sie unbedingt in der Überschrift des Artikels gestellt werden muss?

Ausriss Bild-Zeitung - Zu sehen ist dasselbe Foto wie oben mit der Bildunterschrift und nun zusätzlich die Artikelüberschrift: Ist unser Urlaub in Österreich in Gefahr?

Es ist leider wenig überraschend: Wer sich regelmäßig zuallererst um “unseren Urlaub” sorgt, wenn in südeuropäischen Urlaubsregionen die Wälder brennen, sorgt sich natürlich auch zuallererst um “unseren Urlaub”, wenn in mitteleuropäischen Urlaubsregionen Wassermassen durch die Straßen jagen.

Eine Antwort auf die Frage nach “unserem Urlaub in Österreich” gibt es im “Bild”-Artikel übrigens nicht. Nicht mal das.

  • Lesetipp: In der “Süddeutschen Zeitung” schreibt Cornelius Pollmer sehr lesenswert über die “journalistische Reiseantrittsverunsicherung” in der “Bild”-Berichterstattung:

    Nun lässt sich der Boulevard oft ganz gut aushalten, wenn beim Lesen niemand zu Schaden kommt. Bei Feuern und Fluten allerdings kommen durchaus Menschen zu Schaden und die Frage sei in Gedanken kurz erörtert, wie angemessen es ist, zunächst Wohl und Wehe deutscher Jahresurlauber zu erörtern, wenn irgendwo die Hütte brennt oder eben absäuft.

    Der Text ist allerdings nur mit einem Abo lesbar.

Immer noch gesucht: Fotograf für korrektes Bild

In der gedruckten “Bild” von heute gibt es ein Suchspiel. Die Redaktion hat eine Korrektur versteckt:

Ausriss Bild-Zeitung - Übersicht über die Seite 2 der heutigen Bild-Ausgabe

Nicht gefunden? Da unten, zwischen “Faesers Anti-Clan-Plan” und Scholz’ Provence-Urlaub:

Ausriss Bild-Zeitung - 150000 Euro für Fotograf - Das Umweltministerium von Steffi Lemke (55, Grüne) sucht einen Fotografen. Auftragswert: 150000 Euro. BILD berichtete, dass die Kosten bei einer Verlängerung auf 300000 Euro steigen könnten. Richtig ist: In der Rahmen-Vereinbarung ist das maximale Auftragsvolumen auch bei einer Verlängerung auf 150000 Euro festgesetzt.

Gut, die Redaktion hat das jetzt lieber nicht “Korrektur” genannt oder sonst ein Wort gewählt, das darauf hindeuten könnte, dass in ihrer Berichterstattung irgendwas richtig schiefgelaufen ist. Und auch bei Bild.de nennen sie es lieber “Transparenzhinweis”:

Transparenzhinweis: In der ersten Fassung des Artikels hieß es, dass die Kosten bei einer zweimaligen Verlängerung noch höher ausfallen könnten. In der Rahmenvereinbarung ist festgestellt, dass das maximale Auftragsvolumen auch im Falle einer Verlängerung auf 150 000 Euro festgesetzt ist.

Damit ist immerhin ein Aspekt korrigiert. All die anderen Einseitigkeiten und Auslassungen, über die wir vergangene Woche berichtet haben, thematisiert die “Bild”-Redaktion hingegen nicht. Keine Erklärung, was “maximales Auftragsvolumen” genau bedeutet (dass nämlich nur einzelne Einsätze über Stunden- oder Tagessätze bezahlt werden – es sich also nicht um ein Festgehalt handelt -, und dieses “maximale Auftragsvolumen” von 150.000 Euro überhaupt nicht ausgeschöpft werden muss). Keine genauere Beschreibung, wer alles fotografiert werden soll (nämlich nicht nur Bundesumweltministerin Steffi Lemke, sondern auch die Staatssekretäre und die Parlamentarischen Staatssekretäre des Ministeriums). Und kein Wort in der Korrektur dazu, auf wie viele Jahre sich diese maximale Summe von 150.000 Euro verteilt (nämlich auf maximal vier).

Auch in einem Tweet, den die “Bild”-Redaktion heute ungewöhnlicherweise ebenfalls veröffentlicht hat, fehlen diese Details und Differenzierungen. Praktisch: So können sich all die Halbinformierten (die zugegebenermaßen vielleicht auch gar nicht besser und differenzierter informiert sein wollen) in den Kommentaren unter dem Tweet noch einmal über die Politikerinnen und Politiker ohne “jedes Maß an Anstand” aufregen.

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Gesucht: Fotograf für korrektes Bild

Man muss den Artikel von “Bild”-Autor Dirk Hoeren über Bundesumweltministerin Steffi Lemke einmal komplett lesen, um zu verstehen, wie tendenziös und einseitig und falsch er ist. Am vergangenen Samstag schrieb Hoeren in der “Bild”-Bundesausgabe:

Plant Umweltministerin Steffi Lemke (55) eine Zweit-Karriere – als Fotomodell?

In einer Ausschreibung sucht ihr Ministerium gerade einen Fotografen. Er soll die Grüne auf offiziellen Terminen begleiten – und sie zusätzlich im Rahmen von Porträt-Shootings in Szene setzen.

“Ein oder zweimal jährlich kann ein großes Porträtshooting beauftragt werden”, heißt es in der Ausschreibung. Darin solle die Ministerin “in einem aufwändigeren Aufnahmeprozess fotografisch stärker inszeniert werden”. Die Fotos sollen “in mindestens drei verschiedenen Umgebungen, unterschiedlichen Lichtverhältnissen, mit wechselnder Bekleidung” geschossen werden. “Eine Visagistin/Ein Visagist ist einzuplanen.”

Dauer der Shootings: “vier bis sechs Stunden”.

Den Auftragswert schätzt das Grünen-Ministerium auf 150 000 Euro. Bei zweimaliger Verlängerung um je ein Jahr würden sich die geschätzten Kosten sogar auf 300 000 Euro summieren.

Der Präsident des Bundes der Steuerzahler, Reiner Holznagel (47), sieht den Aufwand kritisch.

“Es ist den Steuerzahlern kaum zu vermitteln, dass sie auch für Visagisten und Hairstylisten von Politikern aufkommen sollen”, sagt Holznagel zu BILD. Im Zweifel müsse dafür “privat bezahlt werden”.

Überschrift:

Ausriss Bild-Zeitung - Umweltministerin sucht einen Fotografen für 150000 Euro!

Fangen wir beim Geld an.

Was die “Bild”-Leserschaft an keiner Stelle erfährt und nach dem Lesen des Artikels auch nicht ahnen kann: Die 150.000 Euro sind kein festgelegtes Honorar, das auf jeden Fall gezahlt wird, egal wieviel der Fotograf oder die Fotografin arbeitet. Es handelt sich stattdessen um das maximale Auftragsvolumen für den vertraglich festgelegten Zeitraum (dazu gleich noch mehr). So steht es auch in der “Rahmenvereinbarung”, die das Ministerium zur Ausschreibung veröffentlicht hat. Wir haben beim Ministerium nachgefragt, wie die letztendliche Höhe des Honorars zustande kommt. Die Antwort:

Die Vergütung erfolgt pro tatsächlichem Einsatz in Abhängigkeit vom Zeitbedarf nach gestuften Stundensätzen bzw. einem Tagessatz.

Was da so pro Jahr zusammenkommt? Auch darauf haben wir eine Antwort bekommen:

Die Brutto-Ausgaben im Jahr 2022 beliefen sich auf rund 9.700 €. Im laufenden Jahr betragen die bisherigen Ausgaben gut 8.800 €.

Also: bezahlt wird pro Einsatz. Und mit den Summen, die in der jüngsten Vergangenheit vom Ministerium pro Jahr ausgegeben wurden, käme man nicht ansatzweise an das maximale Auftragsvolumen von 150.000 Euro ran.

Sowieso wirft Dirk Hoeren im “Bild”-Artikel die Summen völlig durcheinander. Wenn er schreibt: “Den Auftragswert schätzt das Grünen-Ministerium auf 150 000 Euro. Bei zweimaliger Verlängerung um je ein Jahr würden sich die geschätzten Kosten sogar auf 300 000 Euro summieren”, ist das schlicht falsch. Erstens weil eben nicht pauschal, sondern pro Auftrag bezahlt wird, siehe oben. Und zweitens: Aus der bereits erwähnten “Rahmenvereinbarung” wird klar, dass sich der Maximalwert von 150.000 Euro auf den Zweijahresvertrag und die zweimalige Verlängerung um jeweils ein Jahr bezieht:

Das maximale Auftragsvolumen (Höchstwert) beträgt über die Gesamtlaufzeit des Vertrags (inkl. Verlängerungsoptionen) 150.000 € netto.

Es geht also um 150.000 Euro für vier Jahre, rechnerisch 37.500 Euro pro Jahr. Und wie gesagt: Zuletzt wurde diese Summe bei weitem nicht erreicht. Die Verdopplung der Kosten auf 300.000 Euro bei einer möglichen Vertragsverlängerung, die Dirk Hoeren bei “Bild” ins Spiel bringt, hat er sich ausgedacht.

Bei Bild.de steht inzwischen:

Bei zweimaliger Verlängerung um je ein Jahr würden sich die geschätzten Kosten sogar auf das Vielfache summieren.

Das ist aber genauso falsch. Noch einmal: Es bleiben auch bei einer Verlängerung maximal 150.000 Euro.

Was die beauftragte Person für das Honorar leisten soll, wird im “Bild”-Artikel stark einseitig beschrieben. In dem Text geht es fast ausschließlich um “‘ein großes Porträtshooting'” für Steffi Lemke. Nur an einer Stelle wird auch erwähnt, dass der Fotograf oder die Fotografin “die Grüne auf offiziellen Terminen begleiten” soll. Schaut man in die “Leistungsbeschreibung” der Ausschreibung, wird klar: Es geht hauptsächlich (“Grundlegende Anforderungen”) um Terminbegleitung und nur zusätzlich (“Optionale Leistungen”) um Porträtaufnahmen. Bei “Bild” wird dieses Verhältnis komplett umgedreht.

Und nicht nur bei der Frage, was und wie fotografiert werden soll, lässt Dirk Hoeren großzügig die Aspekte weg, die nicht in seine Erzählung passen, sondern auch bei der Frage, wer alles fotografiert werden soll. In der “Leistungsbeschreibung” ist von der “Hausleitung” des Ministeriums die Rede, die bei Terminen begleitet werden soll. Und die umfasst neben Steffi Lemke auch die Staatssekretäre und die Parlamentarischen Staatssekretäre. Bei “Bild” liest es sich hingegen so, als würde das ganze, viele Geld nur für die Bundesministerin draufgehen.

Dieser ganze “Bild”-Spin fand noch weitere Verbreitung, weil andere Redaktionen ihn dankbar abgeschrieben haben: die “Epoch Times” zum Beispiel, “De24Live” oder das Krawallportal “Nius” um den geschassten “Bild”-Chefredakteur Julian Reichelt. Manche Redaktionen haben ihn aber auch noch irrer weitergedreht. Die “Weltwoche” etwa titelt: “‘Für vier bis sechs Stunden’: Grüne Umweltministerin sucht einen Fotografen für 150.000 Euro”, und “Focus Online” schreibt von “150.000-Euro-Portaitshootings”.

Man kann es natürlich völlig daneben finden und darüber diskutieren, dass Bundesministerien Steuergelder für Fotoaufträge ausgeben. Aber dann sollte man in der Diskussion wenigsten fair sein und sich an die Fakten halten.

Nachtrag, 8. August: Die “Bild”-Redaktion hat eine Art Teil-Korrektur veröffentlicht.

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“Bild” verlegt Vergewaltigungen in den Görlitzer Park

Im Görlitzer Park in Berlin soll es eine Gruppenvergewaltigung gegeben haben. Die Ermittlungen dazu laufen, die Polizei hat bisher zwei Verdächtige festgenommen. Die mutmaßliche Tat soll sich bereits im Juni dieses Jahres ereignet haben, öffentlich bekannt wurde sie erst vergangene Woche. Die “Bild”-Redaktion erklärte den Görlitzer Park jedenfalls vor wenigen Tagen zu:

Screenshot Bild.de - Allein dieses Jahr acht Vergewaltigungen! Deutschlands Park der Angst

Dass die Dachzeile “ALLEIN DIESES JAHR ACHT VERGEWALTIGUNGEN!” so nicht stimmt, wird bereits beim Lesen des ersten Absatzes desselben Artikels klar:

Er ist Berlins Horror-Park: Allein acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park.

Also: bisher “acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe” im Görlitzer Park im Jahr 2023 laut “Bild”. Diese Zahl taucht in aktuellen Berichten der Redaktion immer wieder auf:

Allein von Januar bis Ende Juni gab es im Görlitzer Park acht schwere Taten unter dem Stichwort “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”

Laut einer aktuellen Polizeistatistik gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park acht schwere Taten unter dem Stichwort “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”.

Doch auch das ist falsch.

Die Polizeistatistik, die die “Bild”-Redaktion erwähnt, findet man in einer Antwort der Berliner Senatsverwaltung für Inneres und Sport (PDF) auf eine Anfrage der Linken-Politiker Niklas Schrader und Ferat Koçak. Darin geht es um “Neue Entwicklungen am sogenannten kriminalitätsbelasteten Ort ‘Görlitzer Park/Wrangelkiez'”. Tatsächlich findet man in der Statistik die acht Fälle von “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff”, die sich von Januar bis einschließlich 26. Juni ereignet haben sollen. Aber längst nicht alle im Görlitzer Park.

Die Bezeichnung “kriminalitätsbelasteter Ort” (“kbO”) geht auf eine Einordnung der Berliner Polizei zurück, die in der Stadt insgesamt sieben solcher Gebiete als Kriminalitäts-Hotspots sieht. Dort gelten für die Beamten besondere Befugnisse. Sie können beispielsweise verdachtsunabhängige Kontrollen durchführen. Der Name “kbO Görlitzer Park/Wrangelkiez” deutet ja schon an, dass das Gebiet, um das es in der Polizeistatistik geht, nicht nur den Görlitzer Park umfasst. Dieser ist etwa 140.000 Quadratmeter groß; die gesamte von der Polizei Berlin als “kbO Görlitzer Park/Wrangelkiez” deklarierte Fläche umfasst aber mehr als 300.000 Quadratmeter. Wo genau die Grenzen verlaufen, verrät die Berliner Polizei aus taktischen Gründen nicht. Auf jeden Fall gehört aber ein beachtlicher Teil des belebten Wrangelkiezes, in dem es viele Wohnhäuser, Hostels und Firmen gibt, zum “kbO”.

Unter den acht Fällen von “Vergewaltigung/sexuelle Nötigung/sexueller Übergriff” befinden sich laut Polizeistatistik sechs Vergewaltigungen oder versuchte Vergewaltigungen. Dazu hat “taz”-Redakteur Erik Peter bei der Polizei genauer nachgefragt. Mit dem Ergebnis:

Einzig die mutmaßliche Gruppenvergewaltigung aus dem Juni fand tatsächlich im Görlitzer Park statt. Sie ist zudem die einzige der registrierten Vergewaltigungen, die im öffentlichen Raum geschah.

In den fünf anderen Fällen vergewaltigten die mutmaßlichen Täter demnach in Privaträumen im umliegenden Kiez: Laut der Polizei kam es demnach zu einer versuchten Vergewaltigung in einem Gewerbebetrieb, zwei Vergewaltigungen in Hostels sowie zwei Vergewaltigungen in Wohnhäusern. Nähere Auskünfte zu den Ermittlungsständen gab die Polizei mit Verweis auf laufende Ermittlungsverfahren nicht.

Natürlich macht der Ort einer Vergewaltigung diese nicht weniger schrecklich. Aber wenn die “Bild”-Redaktion schreibt: “Allein acht Vergewaltigungen und sexuelle Übergriffe gab es von Januar bis Ende Juni im Görlitzer Park”, ist das grob falsch. Sie heizt damit eine eh schon hitzige Debatte mit falschen Behauptungen weiter an.

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Eine Anti-EU-Kampagne wie eine Flasche leer

Dieses Land hat Angst …

Angst vor [der] Mega-Bierflaschen-Vernichtung in Deutschland!

Denn wenn man “Bild”, dem Deutschen Brauerbund, dem Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels und CDU/CSU glaubt, müssen unsere geliebten deutschen Bierflaschen aus Glas bald alle vernichtet werden. Und alles nur wegen eines maliziösen Plans der EU-Kommission.

Vorgestern berichtete Bild.de:

Screenshot Bild.de - Brauer schlagen Alarm - Müssen wir Milliarden Bierflaschen vernichten?

In der gedruckten “Bild” fand man das Thema sogar auf der Titelseite:

Ausriss Bild-Titelseite - Müssen wir Milliarden Bierflaschen vernichten?

Und heute legt Bild.de noch einmal nach:

Screenshot Bild.de - Milliarden Pullen in Gefahr - Aufstand gegen Bierflaschen-Vernichtung der EU

Es gibt einen Vorschlag der EU-Kommission “für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Verpackungen und Verpackungsabfälle”. Vor zwei Tagen berichteten eben auch die “Bild”-Medien über diese “Pläne der EU-Kommission”, die “in Deutschland dramatische Folgen haben” könnten:

Deutschlands Brauer und Getränkehersteller sind entsetzt.

Die EU plant neue Regeln für Pfandsysteme und Verpackungen. Die unfassbare Folge: Es droht die Vernichtung von MILLIARDEN deutscher Bierflaschen!

Grund: Diese müssten aus dem Verkehr gezogen, mit Präge-Logo und Seriennummer neu hergestellt werden.

Auf drei Quellen stützt sich “Bild”-Redakteur Sebastian Geisler in seinem Beitrag:

1. “Brauerbund-Boss Holger Eichele”, der vom “Irrsinn” spricht, der “verhindert werden” müsse, und behauptet: “Werden die EU-Pläne Wirklichkeit, müssten wir alle Mehrwegflaschen einschmelzen.” 2. “einen Brandbrief” des Deutschen Brauerbunds. Und 3. “Dirk Reinsberg (52), Geschäftsführender Vorstand Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels”, der vor dem “ökologischen und ökonomischen Wahnsinn” warne.

Mit anderen Worten: Der gesamte Artikel basiert auf alarmierenden Aussagen von Vertretern der Getränkelobby. Die EU-Kommission kommt nicht zu Wort.

Heute dann die Fortsetzung mit dem “Aufstand gegen [die] Bierflaschen-Vernichtung der EU”. Dafür hat Sebastian Geisler vor allem Stimmen von Politikerinnen und Politikern eingefangen: “Jetzt gibt es Widerstand aus der Politik.” Wobei es bei der Auswahl der Parteien eine, nun ja, leichte Schlagseite gibt. Es kommen zu Wort:

  • CSU-Generalsekretär Martin Huber: “Aufgrund bürokratischer Vorgaben Milliarden Bierflaschen und Bierkästen zu vernichten, ist eine umweltpolitische Farce.”
  • Sebastian Brehm, Vorsitzender der CSU-Mittelstandsunion: “Brüssel droht unsere regionale Bierkultur zu zerschlagen.”
  • Ulrich Lange, für die CSU im Bundestag: “Die Pläne der EU schlagen dem Bierfass den Boden aus!”
  • Angelika Niebler, für die CSU im EU-Parlament: “Wir haben beantragt, dass unsere bestehenden Mehrwegsysteme von der Neuregelung ausgenommen werden!”
  • Monika Hohlmeier, ebenfalls für die CSU im EU-Parlament: “Das ist ein Kleinbrauereien-Vernichtungsprogramm”.
  • Wolfgang Steiger, Generalsekretär des Wirtschaftsrats der CDU: “Kleinteilige Regelungen aus Brüssel, die vieles gut meinen, aber wenig besser machen, braucht es hier gewiss nicht.”

Fünfmal CSU, einmal CDU. Vertreter anderer Parteien werden nicht zitiert. Dafür aber eine Sprecherin des Bundesumwelt- und Verbraucherschutzministeriums. Und bei deren Aussage können einem erstmals Zweifel an der großen Gefahr für die deutsche Bierflasche kommen:

Entwarnend heißt es: “Die Europäische Kommission hat betont, dass sie nicht beabsichtigt, etablierte Mehrwegsysteme zu gefährden.”

Doch diesen leichten Widerspruch zum Bierflaschen-Armageddon lässt “Bild”-Autor Geisler direkt im nächsten Absatz durch einen alten Bekannten wieder einfangen:

Dirk Reinsberg (52), Geschäftsführender Vorstand Bundesverband des Deutschen Getränkefachgroßhandels, reicht diese Absichtsbekundung nicht aus. Er ist wegen Artikel 10 und 11 des Entwurfs der Kommission in größter Sorge! Darin steht, dass eine neuartige Mehrweg-Kennzeichnung “dauerhaft auf der Verpackung angebracht, aufgedruckt oder eingraviert” werden müsse. Reinsberg entsetzt zu BILD: “Diese Anforderung erfüllen die heute mit Leim angebrachten Etiketten nicht!”

Dieser Absatz ist deswegen interessant, weil dort, ganz am Ende des zweiten Artikels zum Thema, zum ersten Mal konkret benannt wird, was “größte Sorge” auslöst. Schaut man sich “Artikel 10 und 11 des Entwurfs der Kommission” mal an, stößt man auch auf die Passage, die “Bild” zitiert. Sie lautet komplett:

Die in den Absätzen 1 bis 3 genannten Etiketten und der QR-Code oder ein anderer digitaler Datenträger gemäß Absatz 2 werden gut sichtbar, deutlich lesbar und dauerhaft auf der Verpackung angebracht, aufgedruckt oder eingraviert.

Es geht also sehr wohl um Etiketten (mit QR-Code). Diese Information ist im “Bild”-Artikel beim Kürzen des Zitats blöderweise untergegangen. Und diese Etiketten können auf der Verpackung angebracht oder aufgedruckt werden. Sie können auch eingraviert werden, was aber keine Pflicht ist.

Bleibt die Frage, was mit “dauerhaft” gemeint ist: Muss ein Etikett künftig so auf der Mehrwegflasche montiert sein, dass es nie mehr abgehen kann? Oder reichen doch die “heute mit Leim angebrachten Etiketten”, die beispielsweise bei zu viel Feuchtigkeit auch mal abblättern und die laut “Bild”-Artikel nicht reichen? Wir haben bei der EU-Kommission nachgefragt. Eine Sprecherin antwortete uns:

Entscheidend ist, dass die Information von allen Verbraucher:innen gelesen/abgerufen werden können in dem Moment, in dem sie die Verpackung (in diesem Falle eine Flasche) in Händen halten. Löst sich der Hinweis beim Waschvorgang ab, muss er einfach neu aufgebracht werden, bevor die Flasche wieder zurück in den Handel geht. Das erfüllt die Vorgabe “dauerhaft”.

Nachzulesen ist das auch noch mal in einer Pressemitteilung, die die EU-Kommission inzwischen veröffentlicht hat:

Der Kommissions-Vorschlag sieht vor, dass jede Verpackung gekennzeichnet sein muss: Etikett und QR-Code mit der Information, woraus die Verpackung besteht und in welchen Abfallbehälter sie gehört. Diese Information muss dauerhaft angebracht sein. Ablösbare Papier-Etiketten, die im deutschen Flaschenpfandsystem üblich sind, können diese Bedingung erfüllen. Vorausgesetzt, sie sind verfügbar, so lange die Flasche im Umlauf ist. Kommt sie in die Rotation zurück und löst sich das Etikett beim Waschvorgang ab, muss für die weitere Wiederverwendung ein neues angebracht werden. Es ist aber nicht notwendig, die Information in die Flasche einzugravieren. Diese Form der Kennzeichnung ist im Kommissionsvorschlag nur als Option genannt.

Das hat die EU-Kommission übrigens schon vor zwei Tagen – also deutlich vor dem heute erschienenen, zweiten Bild.de-Artikel – in einem Tweet klargestellt.

Das heißt alles also: Abgesehen von ein paar Zusatzinformationen und einem QR-Code auf den geleimten Etiketten dürfte sich für die deutschen Brauer und Getränkehersteller bei den Bierflaschen aus Glas nichts ändern. Es muss nichts “aus dem Verkehr gezogen, mit Präge-Logo und Seriennummer neu hergestellt werden”, wie “Bild” behauptet. Es muss auch nichts eingeschmolzen werden, wie der Brauerbund sagt. Die von der EU veranlasste milliardenfache Bierflaschen-Zerstörung ist ein Fantasiegebilde der “Bild”-Redaktion und ihrer Verbündeten.

Hinzu kommt: Vorausgesetzt, der Vorschlag der EU-Kommission wird angenommen, bleibt noch eine Menge Zeit, bis die Umgestaltung der Etiketten umgesetzt werden müsste. So steht es auch im Vorschlag der EU-Kommission, der “Bild” eigentlich vorzuliegen scheint. Die Sprecherin der EU-Kommission sagte uns dazu:

Der Vorschlag sieht eine Übergangsphase für die Labelling-Vorschriften vor. Wenn also ein Trilog eine Einigkeit der Institutionen gebracht haben wird und die Verordnung in Kraft tritt, beginnt eine Phase von vier Jahren. Das ist aus unserer Sicht eine ausreichende Zeitspanne, um die neuen Vorgaben umzusetzen.

Anstatt der eigenen Leserschaft all das ordentlich und in Ruhe zu erklären, schürt die “Bild”-Redaktion lieber die “Angst vor [der] Mega-Bierflaschen-Vernichtung in Deutschland” und damit die Wut auf die Europäische Union, die uns jetzt auch noch vermeintlich die Bierflasche wegnehmen will.

Mit Dank an Alfonso für den Hinweis!

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“Bild” bringt Geflüchtete in “Luxus-Hotel” unter

Auf ihrer Suche nach Möglichkeiten zur Unterbringung von Geflüchteten plant die Bezirksregierung Münster, ein Hotel in Gladbeck zu mieten und in eine Zentrale Unterbringungseinrichtung (ZUE) umzuwandeln. 620 neue Plätze sollen so entstehen. BILDblog-Leserinnen und -Leser aus Gladbeck erzählen uns, dass in der Stadt über das Vorhaben zwar kontrovers, aber “zum Glück noch einigermaßen sachlich” diskutiert werde. Jedenfalls bislang, denn jetzt schaltet sich “Bild” ein.

Gestern auf der Bild.de-Startseite:

Screenshot Bild.de - Land NRW will Flüchtlinge im Vier-Sterne-Hotel unterbringen

Heute in der “Bild”-Bundesausgabe:

Ausriss Bild-Zeitung - NRW will Flüchtlinge in Luxus-Hotel unterbringen - Vier Sterne und 600000 Euro Miete pro Monat

Und größer in der heutigen Ruhrgebiet-Ausgabe:

Ausriss Bild-Zeitung - Land will Flüchtlinge in Luxus-Hotel unterbringen - Vier Sterne und 600000 Euro Miete pro Monat

Die “Bild”-Redaktion gibt sich große Mühe, das Hotel Van der Valk Gladbeck als Luxus-Unterkunft wirken zu lassen, in der es sich die Geflüchteten dann mit allerlei Annehmlichkeiten gemütlich machen können. Sie betont den “Bettwäsche- und Handtuchwechsel für bis zu 618 Personen”, der für die ZUE geplant sei, sie schreibt vom “Hausmeister und Gärtner”, der zu den “Zusatzdienstleistungen” gehöre, und sie erwähnt die “Hochzeitssuite ‘Blaue Lagune'”, die es im Hotel gibt. In einer Bildunterschrift steht (samt Einzahl/Mehrzahl-Fehler):

Das Zimmer sind mit stilvollen Design-Möbeln eingerichtet

Das dazugehörige Foto zeigt aber nicht etwa die “stilvollen Design-Möbel” eines normalen Einzel- oder Doppelzimmers des Hotels, sondern die der bereits erwähnten Hochzeitssuite.

In einer anderen Bildunterschrift heißt es:

Ausriss Bild-Zeitung - Man gönnt sich ja sonst nichts: Das Doppelzimmer gibt es derzeit ab 79 Euro pro Nacht, die Hochzeitssuite

Die drei Fotos, die die “Bild”-Redaktion dazu abdruckt (und die alle vom Hotelbetreiber stammen), zeigen: 1. die Hochzeitssuite, 2. eine Executive Suite und 3. die Terrasse des Hotels.

Bei all dem Bemühen, das Gladbecker Hotel im Glanz erstrahlen zu lassen, hat “Bild” eine interessante Info leider vergessen: Die Anzahl der Zimmer ist nirgends im Text zu finden. Auf wie viele “Man-gönnt-sich-ja-sonst-nichts”-Luxus-Zimmer sollen sich die 620 Geflüchteten eigentlich verteilen? Die Antwort gibt es auf der Website des Hotels: Momentan seien es 181. Das heißt: Pro Zimmer sollen rein rechnerisch drei bis vier Geflüchtete unterkommen. Das ist in der Hochzeitssuite “Blaue Lagune”, die es der “Bild”-Redaktion so angetan hat, wahrscheinlich kein größeres Problem. In einem herkömmlichen Hotel-Doppelzimmer ist das auf Dauer hingegen schon eher problematisch und hat mit einer Luxus-Unterbringung nicht mehr viel zu tun.

Während die Quantität der Zimmer von “Bild” also gar nicht thematisiert wird, scheint die Darstellung der Qualität der Zimmer – laut “Bild” ja “mit stilvollen Design-Möbeln eingerichtet”, “gut ausgestattet” und mit “4-Sterne-Komfort” – nicht so recht mit den Erfahrungen früherer Hotelgäste übereinzustimmen. Schaut man in die Bewertungen für das Hotel in Gladbeck (wir haben extra einen Zeitraum gewählt, der vor der Bekanntgabe der Pläne der Bezirksregierung Münster liegt, um irgendwie politisch motivierte Rezensionen ausschließen zu können), findet man einige Rezensenten, die mit ihrem Aufenthalt sehr zufrieden gewesen sind. Man findet aber auch zahlreiche Kommentare, die betonen, wie “abgerockt” die Zimmer seien. Möbel seien verschlissen, Teppiche fleckig, Duschen schimmelig:

Die Zimmer sind sehr in die Jahre gekommen und nicht zeitgemäß eingerichtet. Ich habe ein Upgrade auf eine Suite erhalten, diese war schon sehr abgewohnt.

Alles ziemlich alt und abgenutzt

Möbel fielen teilweise auseinander.

Die Möbilierung im Zimmer zeigte Verschleißerscheinungen.

Sehr renovierungsbefürftige Anlage.

komplett veraltet, müßte dringend renoviert und modernisiert werden

Total veraltetet Inventar in den Zimmern. Man kommt sich vor wie 1965.

Renovierung dringend erforderlich.

Raumausstattung sehr veraltet

Im Bad war Schimmel über der Dusche, Steckdosen waren nicht mehr fachgerecht angebracht und das gesamte Mobiliar aus Holz ist mittlerweile abgeplatzt.

Das Hotel ist leider in die Jahre gekommen. Die Zimmer waren eher vom Standard einer Monteur Unterkunft. Der frühere Glanz ist nur noch im Empfang und dem Speisesaal erkennbar.

Zimmer benötigen Renovierung.

Das Hotel war damals vielleicht schön, ist jetzt aber leider komplett ungepflegt, verwohnt

sehr abgewohnt

Teppiche fleckig, Fenster und Türen undicht

Fliesen gibt es auf dem Balkon nicht, dafür aber einen Estrich beton auf dem mal Fliesen waren.

Einrichtungen veraltet

der Zustand der Zimmer inklusive Möbel ist für den Preis nicht tragbar. Alles sehr abgerockt und alt.

Zimmer sind veraltet.

Die Dusche hatte Schimmelsporen an der Decke!

Alles in allem ganz schön in die Jahre gekommen, müsste alles mal dringend erneuert werden.

Auch das klingt nich gerade nach dem Luxus, den “Bild” dem Hotel in Gladbeck gern zuschreiben möchte.

All diese zusätzlichen Informationen scheint die “Bild”-Leserschaft für ihr Urteil aber sowieso nicht zu brauchen. Allein die Kombination aus “Flüchtlinge” und “Vier-Sterne-Hotel”, die die “Bild”-Redaktion ihr hinwirft, scheint zu verfangen. In den Hunderten Kommentaren unter den “Bild”-Posts bei Twitter und Facebook tobt die Wut auf Geflüchtete und auf die Politik. Es geht dabei um die gegen uns und um arm gegen ganz arm:

Für das Gesundheitssystem und Rentner ist kein Geld da, aber die Flüchtlinge wird das Geld nur so rausgeschmissenes.

Während viele Rentner zur Tafel gehen und Leute, die früher zur Mittelschicht gehörten, mittlerweile jeden Cent 2x umdrehen müssen.

Hauptsache, d. Rentner in diesem Land sammeln fleißig Flaschen. Die brauchen nicht mal über einen 3-Tage-Urlaub in einem Luxushotel nachdenken.

Unsere deutschen Mitbürger leben teils auf der Straße und viele Rentner am Existenzminimum!

Wenn hier in der Stadt die Obdachlosenunterkünfte voll sind, müssen Obdachlose, die dort keinen Platz mehr bekommen, unter der Brücke schlafen. Nix Hotel…. aber es sind halt auch Deutsche dabei.

Abartig! Wie wäre es, wenn das 4-Sterne-Hotel für die pflegebedürftigen alten Menschen hergerichtet wird!

Aber Deutsche Rentner finden keinen Platz im Altersheim. Beschämend!!!

Die “Bild”-Redaktion weiß sehr genau, was sie da tut.

Mit Dank an Bernd L. für den Hinweis!

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