Archiv für April 27th, 2016

Nazi-Skandal Reloaded

Vor knapp acht Jahren erschütterte ein Skandal die “Junge Union” — und die „Bild“-Zeitung.

Mitten im Machtkampf der CDU platzt jetzt eine weitere Bombe! Mindestens drei CDU-Mitglieder sollen in einen Hakenkreuz-Skandal verwickelt sein. Jetzt tauchte ein geheimes Videoband bei der CDU-Zentrale im Abgeordnetenhaus auf. (…)

Der Film zeigt die CDU-Mitglieder während einer Fahrt vor zwei Jahren: Sie haben ihre Oberkörper mit Hakenkreuzen beschmiert, schreien wüste Nazi-Parolen!

Das mit den beschmierten Oberkörpern ist, wie wir schon damals festgestellt haben, völliger Quatsch. „Bild“ hatte das Video vor der Veröffentlichung des Artikels gar nicht gesehen.

Dummen Nazi-Mist gibt es in dem Video, das 2005 auf einer Reise der “Schüler Union” in Riga entstanden ist, aber tatsächlich: Es zeigt mehrere junge, sichtlich alkoholisierte Männer, die sich zum Zeitvertreib wie in einer Talk-Show Fragen stellen. Irgendwann hält einer der Anwesenden kurz einen Sticker mit Hakenkreuz-Motiv vors Objektiv, den er an einem Rigaer Souvenirstand erworben hat; ein anderer findet es sichtlich lustig, mit rechten Parolen wie der Bekämpfung „des jüdischen Bolschewismus“ zu provozieren.

2008 wurde das Video dann der Berliner CDU zugespielt, kurz darauf berichteten „Bild“ und andere Medien (etwa der „Tagesspiegel“), es gab große Aufregung — und Konsequenzen: Die beteiligten Nachwuchspolitiker legten ihre Ämter nieder, traten aus der Partei aus, einer erstattete Selbstanzeige und bekam eine zweijährige Ämtersperre. Ihre politische Karriere war vorerst hinüber, vom öffentlichen Ansehen ganz zu schweigen.

Damit war das Thema erledigt, die Politiker hatten ihre Strafe bekommen.

Und wenn Sie sich fragen, warum wir heute, elf Jahre nach der Entstehung des Videos und acht Jahre nach der Berichterstattung darüber, plötzlich wieder damit ankommen — nun ja:

Das ist die „B.Z.“ von heute. Der Skandal ist der von damals.

Von mit Hakenkreuzen beschmierten Oberkörpern ist immerhin nichts mehr zu lesen, denn diesmal haben die Springer-Leute sich das Video sogar angeschaut, bevor sie darüber geschrieben haben, was im Grunde auch die einzige Neuigkeit ist.

Aber weil die beteiligten JU-Mitglieder inzwischen wieder in der Partei aktiv sind, haut die „B.Z.“ ihnen den Skandal einfach noch mal um die Ohren.

Das Blatt erwähnt zwar, dass die Sache elf Jahre her ist (die Männer kommen auch alle zu Wort und erklären, dass sie diesen „sehr, sehr dummen Fehler“ immer noch “zutiefst bereuen”), doch es klingt alles so, als käme die Sache erst jetzt an die Öffentlichkeit:

Sie sind in jungen Jahren schon weit gekommen: (…). Jetzt holt die drei Freunde mit CDU-Parteibuch die Vergangenheit des Jahres 2005 ein: ein Video von einer Reise der Schüler-Union nach Riga.

Jetzt ist ein Video aufgetaucht, das drei Unions-Fraktionäre bei einer Partei-Reise 2005 nach Riga zeigt: Hakenkreuze, Nazi-Parolen, Hass.

Das Video, das der B.Z. exklusiv vorliegt, kennen bislang nur führende CDU-Funktionäre.

Schwupps — Skandal wieder da.


(“Focus Online”)


(“Huffington Post”)


(berliner-zeitung.de)


(stern.de)


(news.de)


(mz-web.de)


(oe24.at)

Auch die “Bild”-Zeitung berichtet wieder:

Dass sie schon vor acht Jahren darüber geschrieben hat und damals noch von beschmierten Oberkörpern die Rede war, erwähnt die Redaktion — Überraschung: nicht.

Mit Dank an Matthias M.

Journalismuswandel, Welt-Wandel, Gesetzeswandel

1. Vor Gericht stehen die Whistleblower
(tagesschau.de, Holger Romann)
Bis zu zehn Jahren Haft drohen den beiden Whistleblowern und dem Journalist, der die dubiosen Praktiken der Steueroase Luxemburg aufgedeckt hat, mit denen Großkonzerne sich um die Zahlung von Steuern drücken. Um Milliarden von Steuern… Statt grundlegende Reformen einzuleiten und endlich die Schlupflöcher im eigenen System zu schließen, macht man nun ausgerechnet jenen den Prozess, die den als “LuxLeaks” bekanntgewordenen Skandal damals ans Licht brachten.

2. Journalismus 2020 – was wird sich ändern?
(de.ejo-online.eu, Tina Bettels-Schwabbauer)
Die „Deutsche Gesellschaft Qualitätsjournalismus“ hat einige Branchenexperten gefragt, wie sie sich den Journalismus des Jahres 2020 vorstellen würden. Oft taucht der alleskönnende Universaljournalist auf, der auf sämtliche Plattformen zu Haus, mit allen Techniken vertraut ist. Und den die ebenfalls befragte Silke Burmester als „omnipotenten Großkotzbrocken, der alles wuppt und alles kann” bezeichnet: “…wir müssen so tun, als hätten wir elf andere Berufe auch noch gelernt. Den der Kamerafrau. Den der Cutterin. Der Toningenieurin. Der Fotografin. Der Grafikerin. Der Programmiererin. Der Webdesignerin. Der Moderatorin. Der Marketing-Expertin. Den der Social-Media-Managerin. Und den der Betriebswirtin – schließlich sollen ja auch die Zahlen stimmen.“

3. Allgemeine Verunsicherung
(taz.de, Jürn Kruse)
Die “Welt” will 50 Stellen abbauen. Die Firmenspitze setzt auf Einzelgespräche und Abfindungsangebote, doch bisher sind nach Informationen der “Taz” nur wenige Mitarbeiter darauf eingegangen. Laut einer Mail des Betriebsrats seien erst Aufhebungsverträge im Umfang von zehn Vollzeitstellen unterschrieben worden. Wenn sich nicht genügend “Freiwillige” finden, soll angeblich ein Sozialplan greifen und betriebsbedingt gekündigt werden.

4. Maas entschärft Pläne für Gerichts-TV
(faz.net)
Nach Protesten von Richterseite hat Bundesjustizminister Heiko Maas die Pläne zur direkten Film- und Tonübertragung aus Gerichtssälen entschärft. Die Richter hatten eine Youtube-isierung des Rechtswesens inklusive Video-Pranger befürchtet. Der neue Entwurf sieht nun laut “FAZ” vor, dass Urteilsverkündungen von Bundesgerichten im Fernsehen direkt übertragen werden dürfen – aber nur, wenn der Vorsitzende Richter einverstanden sei.

5. Wir sind dann mal so frei
(ndr.de, Daniel Schmidthäussler)
Etwa 18.000 sogenannte feste Freie arbeiten derzeit regelmäßig bei ARD, ZDF und Deutschlandradio. Nun fand in Berlin erstmals der zweitägige ARD-Freienkongress statt. Der Zusammenschluss von Interessenvertretungen für Freie in der ARD fordert in einer Resolution mehr Respekt und Rechte für Freie und “Schluss mit der Zwei-Klassen-Gesellschaft!”

6. Entsorgt (13): Flop 15 – Die seltsamsten Magazin-Cover des Frühjahrs
(kioskforscher.wordpress.com, Markus Böhm)
Eine Galerie des Grauens ist es, die Blogger und Journalist Markus Böhm da aus 15 seltsamen und teilweise verstörenden Magazin-Covern zusammengestellt hat.