Archiv für Februar 5th, 2015

Bild  

Lynchmob, bitte hier entlang!

Am vergangenen Wochenende ist in Fürth ein 28-jähriger Mann an einer U-Bahnstation niedergestochen worden. Er erlag noch am Tatort seinen schweren Verletzungen.

Die Polizei nahm wenig später drei Verdächtige fest, zwei sind inzwischen wieder auf freiem Fuß, einer sitzt wegen Verdachts auf Totschlag in U-Haft.

Sowohl die Behörden als auch die Medien haben seither keinerlei persönliche Informationen über den Verdächtigen veröffentlicht (von seinem Alter abgesehen), das ist üblich in solchen Fällen, so schreibt es auch der Pressekodex vor, und das hat, wie sich an diesem Fall sehr deutlich zeigt, auch einen guten Grund: Einige Leute malen sich seit Tagen aus, wie sie sich an dem Täter rächen werden, und sie warten gebannt darauf, zu erfahren, wer es ist.

Auf Facebook kündigte am Dienstag jemand an, er gehe

demnächst mal wieder WILD jagen! der hunger ist groß. …noch jemand…? […] Er wird auf alle Fälle gesucht und gefunden werden…Ob er will, oder nicht…dann wird das Karma über ihn entscheiden…..

52 Personen gefällt das.

Andere schrieben:

Ich hoffe das jemand weiß wer er ist und ihn kenn , und in einer dunklen Ecke ihm die Sterne zeigen !! Dreckspack !

jeder wird sein Peinigers Namen kennen da hilft es nicht viel das die Medien den Namen geheim halten!

Irgenjemand wird es rausfinden, irgendjemand wird Fotos veröffentlichen, irgendjemand wird damit prahlen die Täter zu kennen.

Ich hoff die Namen kommen raus ……dann gnade gott!!!!!! da kommt jede hilfe zu spät !! […] man wird sie finden nur eine frage der zeit und dann sind die Bastarde mal allein wir vernichten euch so babarisch wie ihr […] ermordet habt vielleicht kommen wir auch mit totschlag davon hass kommt da hoch!!!! ich hoffe die namen findet jemand raus wir sind alle dabei !

Wenige Stunden später erfüllte sich ihre Hoffnung tatsächlich: Sie bekamen den Vornamen, den abgekürzten Nachnamen und ein Foto des mutmaßlichen Täters, sie erfuhren sogar, in welchem Stadtteil er aufgewachsen ist, welchen Beruf sein Bruder gerade lernt und in welchem Stadtteil er aktuell wohnt.

Stand nämlich alles gestern in der “Bild”-Zeitung:

Jemand postete den Artikel sogleich bei Facebook und schrieb kommentarlos die Namen und persönlichen Informationen des Verdächtigen und dessen Bruder (der in der Tatnacht dabeigewesen sein soll) dazu, als wolle er sagen: Da sind die Infos, jetzt können wir loslegen.

Und sie legten los.

Ja da haben wir doch den Namen

Die täter werden gefunden und dann gnade gott die sollen sich nicht mehr sicher fühlen egal wo die sind.. die jagd hat schon längst begonnen ihr verdammten drecksschweine!!!!!!!!!!!

jeder soll mit dem Finger auf sie zeigen und darüber reden! Sie sollen schlaflose Nächte haben, schweißgebadet aufwachen und über Selbstmord nachdenken!! Die Welt besteht nur noch aus HASS-KAMPF und RACHE!!!

Kurz darauf fanden sie — anhand der Infos aus dem „Bild“-Artikel — auch noch heraus, wie der Verdächtige mit Nachnamen heißt, in welcher Straße er wohnte und auf welche Schule sein Bruder geht.

Totgeprügelt werden ihr von hunderten dann vergessen wir uns an euch so elendig werdet ihr verrecken und an euren blut sollt ihr ersticken oh ich hätte da nen schönen plan aber da sind euch viele schon ganz nah auf der spur

Die Jagd ist eröffnet. Dank freundlicher Unterstützung von „Bild“.

Mit Dank an Stephan.

Siehe auch: Monster erschaffen (Archiv)

Sigmar Gabriel, James Robertson, Fox News

1. “Das deutsche Europa im Spiegel”
(merkur-blog.de, Danilo Scholz)
Danilo Scholz liest den “Spiegel” – auf Englisch. “Klar, es gibt eine Leserschaft und die ist deutsch. Aber ich finde es hochgradig verstörend, mit welcher Selbstverständlichkeit mancher Leitartikel über die Dummheit der Argumente und die Provinzialität der geistigen Welt der Pegida-Demonstranten herzog, obwohl Journalisten sich doch selbst oft genug mit teutonischen Verengungen zufriedengeben. Mehr Welt reinlassen: Diese Forderung sollte immer reflexiv sein, sie richtet sich an das eigene Ich.”

2. “‘Es gibt ein Recht darauf, deutschnational zu sein'”
(stern.de)
Vizekanzler Sigmar Gabriel wirft Berliner Politikern und Journalisten vor, “sie hätten ‘manchmal ein leicht gestörtes Verhältnis zur Realität in Deutschland’. Die Welt, in der sie sich bewegten, sei ‘nicht die Welt, die die meisten Menschen erleben’.”

3. “Blogger-Relations: Gebt euch Mühe, verdammt!”
(basicthinking.de, Tobias Gillen)
Tobias Gillen erlebt immer wieder, als “verlängerter Arm der Marketingabteilung” wahrgenommen zu werden. “Fakt ist: Von 1.000 E-Mails, die wir in diese Richtung mit Themen erhalten, landen fünf im Ordner ‘Schauen wir uns mal an’ – und ein Thema schafft es dann vielleicht tatsächlich mal kritisch beleuchtet auf die Seite.”

4. “Hallo Frau Freitag”
(watson.ch, Kafi Freitag)
Kafi Freitag gibt Auskunft auf die Frage, wie man als Blogger ein Einkommen erzielt und schreibt über deren Beziehung zu den Journalisten: “Blogger sind unbeliebt, weil sie den etablierten Journalisten Konkurrenz machen. Blogger sind unbeliebt, weil sie keinen doofen Chef vor sich haben und tun und lassen können, was sie wollen und dadurch viel mutiger acten, als um ihre Stelle zitternde Journis.”

5. “Fox News site embeds unedited Isis video showing brutal murder of Jordanian pilot”
(theguardian.com, Nicky Woolf, englisch)
Als einzige US-Medienorganisation veröffentlicht die Website von “Fox News” ein ISIS-Video, das den jordanischen Pilot Muadh al-Kasasbeh zeigt, wie er, in einem Käfig eingesperrt, angezündet und verbrannt wird.

6. “Heart and sole: Detroiter walks 21 miles in work commute”
(freep.com, Bill Laitner, englisch)
Der 56-jährige James Robertson bewältigt jeden Tag einen Arbeitsweg von zwei Mal 37 Kilometern – und muss dafür 34 Kilometer zu Fuss gehen. Siehe dazu auch “Help James Robertson Get a Car” (gofundme.com, englisch).