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Bild.de-sinformation

Bild.de-sinformation -- So unzuverlässig ist Deutschlands beliebtestes Nachrichten-Portal
VON C. L. ARISSA UND S. PYRI

Berlin — Können Sie sich vorstellen, dass jemand tagein tagaus in einer Nachrichten-Redaktion lauter fehlerhafte Artikel schreibt und die dann auch noch so gedruckt werden?

wikipedia wikifehlia "wiki-fehlia"Blödsinn, klar! Im Internet geht das — zum Beispiel beim Online-Ableger von Europas größter Tageszeitung, Bild.de (www.bild.t-online.de, mehr als 38 Millionen Visits im Monat).

Verrückte Fans der Aufweichung des Trennungsgebots von Redaktion und Reklame (“Schleichwerbung”) gaben auf Bild.de wiederholt werbliche Texte als Artikel aus und kennzeichneten sie nicht als Anzeige …

Was ist Bild.de?

Die multimediale Erweiterung der Tageszeitung “Bild”. Es gibt eine Redaktion, keine Journalisten. Jeder kann Texte für Bild.de schreiben oder Artikel von anderen bearbeiten. Rund 40.000 ehrenamtliche Bild.de-Aufpasser kontrollieren die Artikel und korrigieren den gröbsten Unfug. BILDblog.de testete, wie lange die Fehlerbeseitigung dauert: von 13 Minuten (Michael Schumachers silberner Privat-Ferrari war “rot”) bis gar nicht (“Dr. Seltsam versucht im satirische Film von Stanley Kubrick, auf eigene Faust einen Atomkrieg mit der Sowjetunion auszulösen”).

Warum ist es gefährlich, sich auf Bild.de zu verlassen?

Niemand weiß, wer hinter den Artikeln steckt — ob Experte, Laie oder Spaßvogel. Immer wieder schreiben Internet-Vagabunden mit erfundenen Identitäten absichtlich Fehler in Einträge.

Der amerikanische Digital-Visionär Jaron Lanier (46) sagte dem “Spiegel”: “Das Schlimmste ist der Glaube an die sogenannte Weisheit der Massen, die im Internet ihre Vollendung finde. Die Wahrheit hingegen bekommen sie nur mit Verantwortlichkeit. Genau deswegen schlage ich ja jetzt Krach.”

Haben Sie auch was gefunden? BILDblog sucht die kleinen und großen Bild.de-Fehler: [email protected]
 
Nachtrag, 20.45 Uhr.
Fast hätten wir’s vergessen: Natürlich sucht BILDblog auch die kleinen und großen Fehler in der gedruckten “Bild”. Schließlich steht Deutschlands beliebteste Tageszeitung Deutschlands beliebtestem Nachrichten-Portal in nichts nach.

“Bild” als WIKIPEDIAblog (1)

“Bild”-Autor Sven Kuschel (“Lesbe (taubstumm) sticht Lesbe (taubstumm) nieder”, “Waldmensch metzelt Spaziergänger nieder”), schreibt heute über “Wikifehlia”:

Dieter Thomas Heck in Internet-Lexikon beleidigt

“Wikifehlia” habe “sein erstes Promi-Opfer”, heißt es eingangs. Zwar ist Heck keineswegs das erste “Promi-Opfer”, aber was da über Heck im Internet-Lexikon stand, ist wirklich eindrucksvoll. “Bild” schreibt:

So heißt es bei “Wikipedia” in Hecks Lebenslauf, er habe “nach einem Bombenangriff drei Tage lang onanierend unter einer Kellertreppe” gelegen: “Wegen dieses Traumas begann er nach seiner Rettung zu stottern.”

Weiter heißt es: “Heck nahm Gesangsunterricht, um seine Impotenz loszuwerden” — und es wird sogar behauptet, Heck habe “vor dem Krieg als Verkaufsleiter einer Kondomfirma gearbeitet”!

Immerhin steht im Text auch:

Die Schmutz-Einträge wurden mittlerweile gelöscht.

Bemerkenswerterweise steht im “Bild”-Text aber nicht, wann die “Schmutz-Einträge” überhaupt gemacht wurden. Dabei lässt sich das bei Wikipedia gut nachvollziehen: Die von “Bild” zitierten Passagen wurden nämlich am 13. November mittags von einem anonymen Nutzer abgeändert. (Derselbe Nutzer hat übrigens am Morgen des 13. November auch die Einträge zu Bata Illic und zu Karl Moik vandalisiert, was allerdings binnen einer Minute bemerkt und rückgängig gemacht wurde.)

Zur Erinnerung: Am selben Tag hatte “Bild” ihre Leser aufgefordert, Fehler im Online-Lexikon Wikipedia zu finden und zu melden.

Mit Dank an die zahlreichen Hinweisgeber.

“Welt” wirft “Bild” potentiellen Rufmord vor

Auch die “Welt” berichtet heute über “das offene Lexikon Wikipedia, das wegen seiner Anfälligkeit für Manipulationen von einem Boulevardblatt ‘Wikifehlia’ genannt wird” (wir berichteten). Ohne das “Boulevardblatt” — das ja bekanntermaßen wie die “Welt” im Springer-Konzern erscheint — beim Namen zu nennen, heißt es:

In dieser Woche haben sich auf den deutschen Seiten der Wiki-Gemeinde Textpassagen gehäuft, die mehr darstellen als sachliche Fehlinformationen, sondern zudem auf die Verunglimpfung von Prominenten zielen. (…) So pubertär lebensgeschichtliche Klitterungen wie diese auch anmuten mögen, so sehr sind sie dazu angetan, den Tatbestand eines Rufmordes zu erfüllen. Nicht etwa nur der verleumdeten Person, sondern auch des Online-Nachschlagewerks, das sich derzeit müht, sein anarchisches Image abzustreifen. Die Mühsal dürfte nicht geringer werden. (…) Kein Schelm, wer an kalkulierte Koinzidenz dabei denkt, dass besagte Zeitung, die Wikipedia als ‘Wikifehlia’ schmäht, kurz vor den biographischen Attentaten dazu aufgerufen hatte, in dem Forum nach Falschinformationen zu fahnden und diese zu melden. Auch dies ist potentieller Rufmord.”

Mit Dank an Mathias S. für den Hinweis.

“Bild” als WIKIPEDIAblog (2)

Schlimm, was für ein Unsinn in der Wikipedia steht. Findet “Bild”:

Immer mehr Fehler, Fehler, Fehler! (…)

Nach den BILD-Enthüllungen über das weltweit größte Internet-Lexikon Wikipedia (…) taucht immer neuer Unfug auf.

Neuer Unfug, soso. Dann gehen wir die Sachen mal schnell durch:

Von “Bild” entdeckter Unfug Wikipedia-Realität
“Thomas Anders (…) soll 1983 eine Single mit dem Titel ‘Hoden sind was Wertvolles’ veröffentlicht haben.” Diese Unterstellung überlebte am 9. November 2006 eine Minute lang im Wikipedia-Eintrag zu Thomas Anders.
“Günther Jauch (50) bekommt den Beinamen “Osama” und soll mit dem Eisernen Kreuz und dem WWF-Gürtel ausgezeichnet worden sein.” Beide Scherze stammen vom 13. November 2005 und blieben weniger als eine halbe Stunde lang unkorrigiert.
“Neue Wortschöpfung: Laut Wikipedia war Stefan Raab (40) ‘Messlattendiener’.” Das Wortspiel überlebte am 19. Januar 2006 nicht einmal eine Minute.
“Dieter Bohlen (52) soll die Schwerbehindertenschule besucht haben, sich dort seinen ersten Vibrator gekauft haben. Mit 14 Jahren sei Bohlen in die NPD eingetreten.” Am 16. Februar 2006 änderte ein Witzbold Bohlens Eintrag entsprechend. Es dauerte keine Minute, bis seine Verunglimpfungen entdeckt und rückgängig gemacht wurden.
“Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (65) plane angeblich die Eroberung der Welt.” Am 1. Dezember 2005 wurde Stoibers Eintrag entsprechend verunstaltet — für weniger als eine Minute.
“Die ‘Tokio Hotel’-Zwillinge Bill und Tom Kaulitz (17) werden im Internet-Lexikon als schwul bezeichnet, hätten angeblich schon seit ihrer Kindheit Sex miteinander.” Zuletzt stand das am 13. März 2006 im entsprechenden Wikipedia-Eintrag, und zwar eine Minute lang.
“Ferdinand Julius Hidermann soll der uneheliche Sohn von Johann Wolfgang von Goethe sein. Die Person hat nie existiert!” Der Mann heißt nicht Hidermann, wie “Bild” schreibt, sondern Hidemann. Und seit 12. September 2004 ist der entsprechende Eintrag als Witz (“Lexikon-Ente” bzw. “Nihil-Artikel” gekennzeichnet).
“Bill Gates (51) bekam den Adelstitel William Henry James III verliehen und Teufelshörner in sein Foto montiert.” Bill Gates heißt eigentlich William Henry Gates III.; von einem “William Henry James” haben wir keine Spur in der deutschen Wikipedia gefunden. Die Teufelshorngeschichte scheint sich auf die englische Wikipedia zu beziehen.

 
Ja: Schlimm, was für ein Unsinn in der “Wiki-Fehlia” steht.

Also: Stand. So manchmal. Vor Monaten. Oder Jahren. Für Minuten. Oder Sekunden.

Aber wo Sie suchen müssen, um Unfug zu finden, der nicht korrigiert wird, sondern monatelang und bis heute falsch im Internet herumsteht, müssen wir Ihnen ja nicht sagen.

Völlig zu Recht stellt “Bild” übrigens fest, dass die “Leuchtschnabelbeutelschabe” “zwar nicht in der Tierwelt, dafür aber bei Wikipedia” existiere. Der entsprechende Wikipedia-Eintrag ist ein Witz, wie man bereits seit über zwei Jahren der zugehörigen Diskussionseite entnehmen kann. Es soll sich um das Wikipedia-Gegenstück zur fiktiven Steinlaus von Loriot handeln, die es u.a. bis in das medizinische Nachschlagewerk Pschyrembel schaffte (pdf).

Bild.de falscher als “Wiki-Fehlia”

In einen aktuellen Artikel über die “von Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee geforderte Verdoppelung der Bußgelder” hat Bild.de auch einen “Mehr zum Thema: Alle Infos zum Klimawandel”-Kasten eingebaut, der sich zunächst mit der Frage befasst:

“Was ist CO2 und woher kommt es?”

Erstaunlicherweise gleicht die Bild.de-Antwort in großen Teilen einem entsprechenden Eintrag im Online-Lexikon Wikipedia, das von “Bild” und Bild.de unlängst mehrere Tage “Wiki-Fehlia” genannt und als “unzuverlässig” dargestellt wurde. Genauer gesagt, weicht die Bild.de-Erklärung nur an einer einzigen Stelle vom Wikipedia-Text ab. Aber sehen Sie selbst:

Bild.de Wikipedia
Kohlenstoffdioxid (CO2) ist eine chemische Verbindung von Kohlenstoff und Wasserstoff. Es ist ein natürlicher Bestandteil der Luft (Anteil: etwa 0,04 Prozent). CO2 entsteht beim Verbrennen von kohlenstoffhaltigen Substanzen unter ausreichendem Sauerstoff, aber auch im Organismus von Lebewesen als Produkt der Zellatmung. Kohlenstoffdioxid (…) ist eine chemische Verbindung aus Kohlenstoff und Sauerstoff (…). Es ist mit einer Konzentration von ca. 0,04 % (…) ein natürlicher Bestandteil der Luft und entsteht sowohl bei der vollständigen Verbrennung von kohlenstoffhaltigen Substanzen unter ausreichendem Sauerstoff als auch im Organismus von Lebewesen als Kuppelprodukt der Zellatmung.
Technisch gewinnt man Kohlendioxid durch Verbrennen von Koks mit überschüssiger Luft oder als Nebenprodukt beim Kalkbrennen. Kohlendioxid kommt in Feuerlöschern und Klimaanlagen zum Einsatz. (…) Technisch gewinnt man Kohlendioxid durch Verbrennen von Koks mit überschüssiger Luft oder als Nebenprodukt beim Kalkbrennen (…). Kohlendioxid kommt auch in Feuerlöschern zum Einsatz (…) In zunehmendem Maße kommt Kohlendioxid (…) in Klimaanlagen zum Einsatz. (…)

(Hervorhebungen von uns.)

Mit Dank auch an Ralf S, Alexander F. und Jörg N.

Nachtrag, 6.12.2006. Auch ‘ne Lösung: Bild.de hat den “Mehr zum Thema”-Kasten im Artikel durch ein “Auto-Bild”-Video von der “Essen Motor Show 2006” ersetzt, den “Mehr zum Thema”-Kasten selbst aber so belassen, wie er ist.