
Über Brandts Foto hat die “Bild”-Zeitung ihren Werbeslogan geschrieben, wonach jede Wahrheit einen Mutigen brauche, der sie ausspricht.
Es ist nicht ganz klar, was genau “Bild” in diesem Zusammenhang als “Wahrheit”* bezeichnet. Einfacher ist es, zu beschreiben, wie sie darauf kommt, von “Mut” zu reden.
Der damalige “Bild”-Chefredakteur Peter Boenisch schrieb in seiner “Bild am Sonntag”-Kolumne am Sonntag nach dem Kniefall:
Brandt soll auf die “Bild”-Kritik, man knie “nur vor Gott”, im kleinen Kreis mit der Frage reagiert habe:
“Woher wissen diese Schweine, vor wem ich gekniet bin?”
*) Der Kniefall gilt als wichtigstes Symbol für die neue Ostpolitik Willy Brandts, zu deren schärfsten Kritikern die “Bild”-Zeitung und der Axel-Springer-Verlag gehörten. Am Tag nach dem Kniefall Brandts und der Unterzeichnung des Warschauer Vertrages zitierte “Bild” ausführlich aus einem Artikel, den Verleger Axel Springer in der “Welt” geschrieben hatte. Er nannte das Abkommen darin “die vertragliche Preisgabe eines Viertels des zerteilten Deutschland”:
Zehn Millionen Landsleute erfuhren und erfahren den Schmerz des Verlustes ihrer Heimat. Eine Entscheidung, die einem Friedensvertrag vorbehalten bleiben sollte, wird ohne jeden Zwang vorweg gefällt. Eine kommunistische Regierung wird von einer aus freien Wahlen hervorgegangenen deutschen Regierung ermächtigt, ein Stück Deutschland zu annektieren.
(…) was der Kanzler und seine Freunde für Morgenröte halten, ist die Farbe des Fahnentuches sowjetischer Imperialgewalt, die ganz Europa bedroht.
Wer dabei glücklich ist, riskiert nicht nur eigenes Unglück.

