Heute nehmen wir mal “Bild” in Schutz

Wie oft trifft es dieses arme Boulevardblatt: Kaum ist ein Artikel erschienen, wird “Bild” vorgeworfen, er sei von vorne bis hinten falsch — oder von hinten bis vorne. Und wem glaubt man dann? “Bild” etwa? Eher nicht — und das mit gutem Grund. Das Problem dabei: Natürlich lassen sich auch berechtigte Vorurteile ausnutzen …

Aber beginnen wir einfach wie so oft:

Vergangenen Samstag berichtete “Bild” auf ihrer Seite 2 groß über eine Aktion vor dem Reichstag, bei der 4.500 Ärzte-Kittel an die “längste Garderobe der Welt” gehängt wurden:

"Falsche Ärzte demonstrieren gegen Gesundheits-Reform

“Bild” schrieb:

Unglaublich aber wahr: Der zentrale Ärzteverband [die Kassenärztlich Bundesvereinigung KBV] ließ vor dem Berliner Reichstag “Miet-Demonstranten” gegen die Gesundheitsreform protestieren.

Daraufhin sah sich die KBV noch am selben Tag genötigt, eine Pressemitteilung herauszugeben, in der es schon in der Überschrift über den “Bild”-Artikel heißt:

Bericht ist von hinten bis vorne falsch

KBV-Vorstand Andreas Köhler in der Pressemitteilung:

“Die KBV hat nie zu einer Demonstration vor dem Reichstag aufgerufen bzw. nie davon gesprochen, eine solche gegen die Gesundheitsreform durchzuführen. (…) Rund 170 Personen haben die 400 Meter lange Garderobe aufgebaut und auf ihren Schultern getragen. Diese Mitarbeiter wurden von einem externen Dienstleister zum Aufbau der Garderobe engagiert. (…) Die KBV hat — dies betone ich nochmals — keine Demonstration durchgeführt, sondern den Abschluss einer PR-Kampagne. (…) Die Redaktion der BILD hätte sich nur die Mühe machen müssen, die Pressemitteilungen bzw. Internetinformationen zu lesen. Die KBV wird sich presserechtliche Schritte gegen die unwahre Berichterstattung der BILD vorbehalten.”
(Hervorhebung von uns.)

Wir fassen zusammen:

  • “Bild” behauptet, die KBV habe eine Demonstration veranstaltet und dafür “Miet-Demonstranten” angeheuert. Und das wäre sicherlich nicht im Sinne der Versammlungsfreiheit. Schließlich soll sich auf Demonstrationen ja der Wille des demonstrierenden Teils der Bevölkerung artikulieren und nicht der Wille desjenigen, der die “Demonstranten” bezahlt.
  • Die KBV behauptet, sie habe gar keine Demonstration veranstaltet, sondern lediglich eine PR-Aktion. Dafür habe sie eben rund 170 Leute anheuern lassen und bezahlt. Für eine Werbeveranstaltung ein völlig normaler Vorgang.

Und wer hat Unrecht? Mal wieder die “Bild”-Zeitung?

Nein, diesmal nicht. Die KBV erweckt in ihrer Pressemitteilung einen falschen Eindruck. Denn die Aktion war bei der Versammlungsbehörde wie eine Demonstration angemeldet worden und nach den Regeln für “Versammlungen und Aufzüge” wie eine “politische Kundgebung” genehmigt, so ein Sprecher der Versammlungsbehörde zu uns.

Mag sein, dass sich die KBV nun im Nachhinein darauf herausreden will, dass die “Garderobe” bloß Teil einer PR-Kampagne gewesen und also solche angekündigt worden sei. Aber: Eine politische Kundgebung vor dem Reichstag wird leichter genehmigt als eine PR-Aktion (wofür übrigens die Versammlungsbehörde gar nicht zuständig wäre). Und eine PR-Aktion ist mit höheren Kosten (Straßensperrungen, sonstige Polizeieinsätze, Sondernutzungsgebühren) verbunden.

Und mal ehrlich: Was aussieht wie eine Demonstration und angemeldet ist wie eine Demonstration, darf auch beurteilt werden wie eine Demonstration — ob nun von “Bild” oder von sonst irgendeinem Medium.

Dass der aktuelle “Spiegel” am Montag ebenfalls und ähnlich kritisch wie “Bild” über die Kittel-Aktion berichtet hatte, ist der KBV jedoch keine Pressemitteilung oder Androhung rechtlicher Schritte wert. Ein Sprecher: “Das hielten wir nicht für sinnvoll.”

Immerhin: Die Versammlungsbehörde macht sich nun Gedanken darüber, ob die KBV-“Garderobe” als “kommerzielle Veranstaltung” zu werten ist und entstandene Kosten eventuell zu erstatten sind, wie uns ein Sprecher sagt.

Und so haben “Bild”-Bericht und KBV-Mitteilung dann doch ihr Gutes.

Mit Dank an Dennis B. für den letztlich sachdienlichen Hinweis.