Posts Tagged ‘Statistik’

Kurz korrigiert (504)

Die Sache ist zwar jetzt schon ein paar Tage her, aber weil dieser Fehler immer wieder gerne gemacht wird, wollen wir noch kurz darauf eingehen.

Und zwar hat die “Tagesschau” am Sonntag über den Weltklimarat berichtet, der fordert, die Treibhausgasemissionen bis 2050 um 40 Prozent zu reduzieren (Mediathek, ab 7:30).

Illustriert hat die “Tagesschau” das mit folgender Grafik:

Um auf das 2050-Rechteck zu kommen, hat die Redaktion beide Seiten des großen Rechtecks einfach auf 60 Prozent gestaucht. Das ist aber falsch, denn damit weist das kleinere Rechteck nur 0,6 x 0,6 = 36 Prozent des Flächeninhalts des großen Rechtecks auf. Eigentlich müssten es aber 60 Prozent sein.

Richtig sähe es also ungefähr so aus:

Oder die “Tagesschau” hätte das kleine Rechteck genauso breit machen müssen wie das große:

Mit Dank an Sören C.

Bild  

114 Prozent aller Statistiken falsch interpretiert

Wenn in einer Umfrage 70 Prozent der befragten Ärzte angeben, dass sich Patienten häufig unnötig behandeln lassen, welche Schlussfolgerung kann man daraus nicht ziehen?

Die richtige falsche Antwort finden Sie heute groß unten auf der Seite 1 der “Bild”-Zeitung:

70 % aller Arzt-Besuche unnötig

Nachtrag, 11:10 Uhr. In späteren Druck-Ausgaben ist die Überschrift geändert. Nun heißt es bloß: “Zu viele Arzt-Besuche unnötig”.

Mit Dank an Micky!

Singlecharts falsch berechnet

Wenn ich einen Kiosk habe und an einem Abend ebenso viele einzelne Bierflaschen wie Sixpacks verkauft habe, waren dann 50% aller verkauften Bierflaschen einzeln? Nö, denn auf jede einzelne Flasche kamen ja sechs gemeinsame Flaschen, der Anteil der einzelnen Flaschen an den insgesamt Verkauften beträgt also nur ein Siebtel.

Und damit raus aus unserer kleinen Beispielwelt, hinein in die graue Wirklichkeit mit ihren Statistiken:

Fast jeder zweite Sachse lebt allein

so vermeldet es heute die “Sächsische Zeitung” auf ihrer Titelseite.

Sachsen “versingelt”. Hier leben immer mehr Menschen allein. Fast jeder zweite der 4,2 Millionen Einwohner wohnt – statistisch betrachtet – allein in seinen vier Wänden.

Was dieses “statistisch betrachtet” bedeuten soll, ist einigermaßen schleierhaft, denn betrachtet man die Statistiken des Statistischen Jahrbuchs 2010 (PDF), auf die sich der Artikel beruft, stellt man fest, dass von den 4,2 Millionen Einwohnern Sachsens 944.900 in einem Einpersonen-Haushalt leben — also gerade mal 22,5 Prozent.

Aber sehen wir uns die Zahlen doch einmal genau an:

42,6 Prozent aller Haushalte sind Single-Haushalte. In ihnen lebt naheliegenderweise je eine Person, insgesamt 944.900. Die 808.200 Zwei-Personen-Haushalte machen zwar nur 36,5 Prozent aus, aber in ihnen leben – 808.200 mal zwei – mehr als 1,6 Millionen Menschen.

Wenn man das nicht selbst ausrechnen mag, kann man einfach auf Tabelle 10 in der Statistik zurückgreifen:

Entsprechend sind auch diese angeblichen Single-Quoten alle Unfug:

Die regionale “Single-Hochburg” ist laut Statistischem Jahrbuch die Stadt Leipzig. Hier leben rund 55 Prozent der Einwohner allein; dicht gefolgt von Dresden (50 Prozent) und Chemnitz (47 Prozent). Danach folgen die Kreise Mittelsachsen, Sächsische Schweiz-Osterzgebirge und Zwickau mit knapp 40 Prozent “Single”-Anteil.

Mit Dank an Michael K.

Eine Stunde nachgedacht

Die Deutschen, genauer: “wir” Deutschen, arbeiten zu wenig, findet Olaf Gersemann, Ressortleiter Wirtschaft, Finanzen und Immobilien bei der “Welt”-Gruppe. Und ihm geht es da vor allem um die Arbeit an sich, nicht um deren Entlohnung:

Gewiss, viele Menschen arbeiten viel, auch in Deutschland. Vor allem aber ist die Arbeit ungerecht verteilt. Denn gerade Mindestlöhne und andere vermeintliche sozialstaatliche Wohltaten schließen einen skandalös großen Teil der potenziellen Erwerbsbevölkerung vom Arbeitsleben aus – während der Rest in vielen Fällen umso härter ranmuss.

Er rechnet uns das gerne mal vor:

Arbeiten wir aber nun, insgesamt betrachtet, viel oder wenig? Einer quasiamtlichen Schätzung zufolge dürften in diesem Jahr 55.953.000.000 Stunden Erwerbsarbeit absolviert werden. (…)

Aber dennoch ist in jenen knapp 56 Millionen Stunden das Gros der Zeit enthalten, die wir zur Erwirtschaftung unseres materiellen Wohlstands aufbringen. 55.953.000 Stunden im Jahr, das heißt: Pro Kopf der Bevölkerung werden in Deutschland etwa 690 Stunden offizielle Erwerbsarbeit geleistet. Das sind weniger als eine Stunde und 54 Minuten pro Tag. Selbst wenn man zu der offiziellen Erwerbsarbeit 50 Prozent aufschlägt, um die inoffizielle zu berücksichtigen, landen wir bei weniger als drei Stunden.

Halt, Moment, Stop!

Haben Sie’s bemerkt? Gersemann hat binnen eines Absatzes aus den 56 Milliarden Stunden “56 Millionen” gemacht und drei Nullen gestrichen.

Bei seiner Berechnung hat er allerdings wieder auf den höheren Wert zurückgegriffen — und diesen der Einfachheit halber durch grob 82 Millionen geteilt, denn so viele Einwohner hat Deutschland ja, wenn man alle Kleinkinder und Greise mitzählt. Diesen Wert noch durch 365 und – zack! – ist man bei einem Wert von unter zwei Stunden, die jeder Deutsche jeden Tag arbeitet.

Die Deutschen müssen mehr arbeiten. Viel mehr — Durchschnittlich nur drei Stunden Arbeit pro Tag und Kopf reichen nicht aus: Deutschland ist keine Felseninsel, sondern eine Volkswirtschaft.

In Wahrheit arbeiten in Deutschland knapp 40 Millionen Menschen und das an rund 215 Tagen im Jahr.

Die “quasiamtliche Schätzung” stammt immerhin vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Deren Bericht (PDF, Seite 11) kann man auch entnehmen, dass das die Jahresarbeitszeit einer Vollzeitkraft in diesem Jahr vermutlich 1.645,4 Stunden betragen wird. Pro Arbeitstag bleiben also mehr als siebeneinhalb Stunden.

Oder wie schon Loriot feststellte:

Die Lebensjahre sämtlicher deutscher Kleinkinder betragen zusammengerechnet etwa 4 Millionen Jahre. Das ist einfach zu alt!

Mit Dank an Fabian G. und Uwe Sch.

Nachtrag, 10. August: “Welt Online” hat aus den falschen “56 Millionen” richtige “56 Milliarden” gemacht. Am Rest seiner Rechnung scheint Olaf Gersemann festzuhalten.

Ein Beerendienst

Es ist ja nicht so, dass die Umfrage der “Hamburger Morgenpost” von irgendeiner Relevanz wäre, aber irgendwie kann das mit den Balken trotzdem nicht so ganz stimmen:

Haben Sie dieses Jahr schon Erdbeeren gegessen?

Mit Dank an Stefan S.

AFP, Die Welt, Spiegel  etc.

Gewaltige Unterschiede

Beschimpft, bedroht, geschlagen” titelt die “Welt” am 27. Mai und meint damit die Situation von Polizisten in Deutschland und nicht etwa die von ihr und anderen Medien (z.B. AFP, Bild.de, tagesschau.de, “DW-World”, “RP Online”, “Spiegel”) so sträflich vernachlässigte journalistische Sorgfaltspflicht bei diesem Thema.

In allen dazu erschienenen Artikeln wird unkritisch weiterverbreitet, Gewalttaten gegen Polizisten hätten zwischen 2005 und 2009 um 60,1 Prozent zugenommen. Diese Zahl stammt ursprünglich aus einer Studie des kriminologischen Foschungsinstitut Niedersachen (KFN), die im Auftrag von Landesinnenminister Uwe Schünemann (CDU) durchgeführt wurde. Dass diese Studie aus politischen Gründen mit heißer Nadel gestrickt wurde, kann man auf Seite 35 nachlesen:

Die knappe Zeit, die zwischen dem Abschluss der Datenerhebung (28.3.2010) und der IMK (Innenministerkonferenz, Anm. BILDblog) (27./28.5.2010) zur Verfügung stand, reichte nur aus, diese ersten sieben Thesen zu erarbeiten und dazu einen Kurzbericht zu verfassen. (Seite 35, KFN-Studie)

Das erfuhr neben einer ganzen Reihe anderer interessanter Aspekte allerdings nur, wer sich den 37-seitigen Zwischenbericht Nr. 1 tatsächlich vollständig zu Gemüte führte und nicht etwa oben genannten vierseitigen Kurzbericht als Ausgangspunkt seiner Berichterstattung nahm. Nun raten Sie mal, woran sich die Medienberichte über Gewalt gegen Polizisten orientieren – kleiner Tipp: Es ist nicht die 37-seitige Langfassung.

Kurzzusammenfassungen enthalten bekanntermaßen deutlich weniger Informationen und auch nur die, die den Verfassern besonders wichtig sind. Auch bei der oben genannten Studie werden nur in der Langfassung gravierende Mängel bei der Datenerhebung deutlich, die die Macher der Studie größtenteils auch selbst einräumen:

1. Nur zehn von 16 Bundesländern beteiligten sich an der Befragung. Nicht dabei waren Bayern, Sachsen, Baden-Württemberg, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Hessen, die nach Einwohnern rund zwei Drittel der deutschen Bevölkerung ausmachen, ebensowenig nahm die Bundespolizei teil.

2. Da die Teilnehmer der Studie zu Vorfällen aus den Jahren 2005 bis 2009 befragt wurden, besteht die Gefahr, dass die Ergebnisse durch sogenannte Erinnerungseffekte verfälscht wurden. Selbst die Verfasser der Studie gehen davon aus (S. 25f.), dass der tatsächliche Anstieg der Gewalttaten gegen Polizisten deutlich geringer ausfällt. Hinzu kommt:

Es ist nicht auszuschließen, dass Beamte, die in den ersten drei Monaten des Jahres 2010 Opfer einer schweren Gewalttat geworden sind, diesen Vorfall teilweise dem Jahr 2009 zugeordnet haben. (Seite 26, KFN-Bericht)

Und:

Die starken Zunahmen (…) in den letzten Jahren könnten in Teilen auch darin begründet sein, dass ein Teil der in der Untersuchung mitwirkenden Beamten aufgrund von Arbeitsbelastung und Zeitknappheit auf eine vollständige Auflistung aller Übergriffe verzichtet hat, um sich nur auf den zeitlich am kürzesten zurückliegenden Übergriff zu konzentrieren. (Seite 26, KFN-Bericht)

In der ausführlichen Version der Studie wurden aus dem Anstieg von 60,1 Prozent noch diejenigen jungen Teilnehmer herausgerechnet, die erst so kurz im Polizeidienst waren, dass ihnen z.B. 2005 noch gar nichts zustoßen konnte, da sie zu diesem Zeitpunkt noch in der Ausbildung waren. Dies reduziert den Anstieg auf 56,5 Prozent (S. 27, KFN-Bericht). Im Kurzbericht und damit auch in sämtlichen Medien wird lediglich die Zahl 60,1 Prozent genannt.

3. Die Teilnehmer der Studie registrierten sich freiwillig online. Sie bilden also zum einen keinen repräsentativen Querschnitt aller Polizeibeamten, zum anderen besteht die Möglichkeit, dass überdurchschnittlich viele Polizisten teilnahmen, die bereits selbst ein Opfer von Gewalt wurden und deshalb besonders an den Inhalten der Studie interessiert waren.

4. Auch die Verfasser der Studie selbst trauen ihren Zahlen nicht und halten es für wahrscheinlich, dass die realen Zahlen deutlich niedriger liegen:

Insgesamt betrachtet gelangen wir auf der Basis der hier dargestellten Ergebnisse zu der Einschätzung, dass es in den zehn an der Untersuchung beteiligten Bundesländern zwischen 2005 und 2009 zu einem deutlichen Anstieg der Gewalt gegen Polizeibeamte gekommen ist, dessen Ausmaß wir auf 30 bis 50 Prozent einschätzen. (Seite 28, KFN-Bericht)

Man beachte: Diese Zahlen, die deutlich niedriger sind als die in den 7 Thesen genannten und von den Medien verbreiteten 60,1 Prozent, sind nur geschätzt – und zwar ohne jede mathematische Grundlage, also Pi mal Daumen.

In den oben genannten Publikationen und in vielen weiteren Artikeln wird keine dieser Ungenauigkeiten und Einschränkungen auch nur erwähnt. Stattdessen – und das unterscheidet die Berichterstatter von einem Sack Papageien – brachten es einige Journalisten sogar noch fertig, eigene Fehler einzubauen.

Die Nachrichtenagentur AFP behauptet beispielsweise:

Die häufigsten Situationen, in denen Polizisten Opfer von Gewalt würden, seien Streitfälle in Familien, Einsätze bei Ruhestörungen und bei linken Demonstrationen.

Diese Aussage ist schlicht und ergreifend falsch. In der Studie wird zwar konstatiert, dass der Anstieg bei diesen Einsätzen am stärksten ausfällt (S. 29) – das macht diese Situationen aber keineswegs zu den häufigsten (siehe S. 26).

Der größte Bock wurde allerdings im eingangs erwähnten Artikel der “Welt” geschossen. Da behauptet der Autor einfach mal:

Der Studie zufolge gehen fast drei Viertel der schwer verletzten Polizisten auf das Konto linksextremer Demonstranten.

Krankt schon die Studie an der scheinbar pauschal vorgenommenen Einordnung von Demonstranten in links oder rechts (Seite 19), ist die Behauptung in der “Welt” schlicht falsch. In der Studie (S. 18) steht klar und deutlich, dass 8,4 Prozent aller Polizisten, die wegen einer Verletzung mindestens sieben Tage dienstunfähig waren (gilt als “schwere Verletzung”), bei Demonstrationen verletzt wurden. Davon wiederum wurden 73,3 Prozent von linken Demonstranten verletzt. Linke Demonstranten verursachten also nicht “fast drei Viertel”, sondern gerade einmal 6,2 Prozent (drei Viertel von 8,4) der schweren Verletzungen bei Polizisten.

Da braucht man sich nicht zu wundern, wie es laut KFN überhaupt zur Durchführung der Studie kam:

1. Ausgangslage für die Planung des Projekts.

Aus mehreren Bundesländern berichten Vertreter von Polizeigewerkschaften davon, dass die Gewalt gegen Polizeibeamte in den letzten Jahren deutlich zugenommen habe und eine wachsende Zahl von Beamten im Dienst erheblich verletzt worden sei. (…) Für die These der Polizeigewerkschaften sprechen allerdings Berichte aus der Praxis, wie sie beispielsweise die Welt am Sonntag vom 22. März 2009 wiedergegeben hat.

Ein Artikel der “Welt” ist einer der Gründe für das KFN, eine Studie über Polizeigewalt zu erstellen, über die die “Welt” (und andere) rechtzeitig vor der Innenministerkonferenz dann wieder undifferenziert berichten kann. So schließt sich der Kreis.

Mit Dank an Jörg S.

Bild.de rechnet sich einen Bruch

Was viele nicht wissen: BILDblog wird auch in der Schule eingesetzt. Es gibt Mathelehrer, die in ihrem Unterricht zum Beispiel auf unseren Eintrag “Machen Tortendiagramme eigentlich dick?” zurückgreifen, der im Kern auf der schönen “Bild”-Formulierung vom August 2007 beruhte:

Denn mittlerweile ist jedes sechste Kind in Deutschland zu dick! Mitte der 90er-Jahre war es nur jedes dritte.

Dass BILDblog auch “Bild”-intern zur Fortbildung eingesetzt wird, ist dagegen eher unwahrscheinlich. Oder wie Bild.de heute schreibt:

Eingeschlafene Autofahrer verursachen im Schnitt jeden vierten tödlichen Verkehrsunfall. Bei Lkw-Fahrern sind übermüdete Lenker sogar an jedem sechsten schweren Unfall schuld.

Mit Dank an Ludwig H.!

6 vor 9

Für dumm verkauft
(zeit.de, Jochen Paulus)
“Ein Stuttgarter Institut macht seit Jahrzehnten Schlagzeilen mit pseudowissenschaftlichen Studien. Den Auftraggebern ist das egal.”

MDR-Online: für immer offline?
(mamiblog.de/presseclubblog)
Seit Tagen schon ist das Internetangebot des MDR nicht mehr erreichbar: “Eine vertrauliche hausinterne Mitteilung zeigt, wie dramatisch die Situation tatsächlich ist. Es habe sich ein Bauteil der Datenbank für immer verabschiedet, heißt es da – das konnte inzwischen ersetzt werden. Aber: Es sei sehr schwierig gewesen, einen Techniker zu finden, der sich mit der uralten Technik auskenne, so die interne Mitteilung sinngemäß.”

“Beschiss ist an der Tagesordnung”
(taz.de, Klaus Raab)
Sandra Müller von Fair Radio im Interview: “Es wird viel vorgegaukelt. Geräusche werden unter einen Beitrag gelegt, damit es wirkt, als sei er vor Ort entstanden. Oder eine Live-Situation wird gefakt: Eine Hörerin ruft an und wird vorgeblich vom “Morning-Show”-Moderator interviewt. Dabei hat sie nie mit ihm gesprochen. Sie hat das Interview hinter den Kulissen mit jemand anderem geführt, der Moderator stellt nur noch die Fragen, wie ein Schauspieler.”

Der Journalismus in Deutschland steht vor einem gewaltigen Umbruch
(don.antville.org, Don Dahlmann)
“Je weniger Journalisten in einer Redaktion arbeiten, desto weniger Zeit haben sie, sich um Dinge wie Recherche zu kümmern. Schon jetzt werden viele dpa Meldungen einfach ungeprüft mit reingenommen, merkt ja eh keiner, und PR-Firmen fällt es immer leichter komplette Texte in Zeitungen zu hieven. Es redet keiner offen darüber, aber hier und da werden Anzeigen auch mal gerne als Druckmittel für eine etwas freundlichere Berichterstattung genutzt.”

Ein gutes Zeichen
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Johannes Waechter)
“Schlecht, dass es niemand mehr benutzt. Eine Ehrenrettung für den Strichpunkt.”

Ein Journalist ist einer, der nachher alles vorher gewusst hat
(medien-news.blog.de, Ernst Probst)
Leseprobe aus einem neuen Taschenbuch mit offenbar vielen Zitaten, zum Beispiel diesem: “Das Problem sind nicht die kritischen Journalisten, sondern die netten.”

Mehr Schulden für alle!

Nein, das Lesen und Verstehen von Statistiken gehört wirklich nicht zu den Stärken von “Bild”. Wobei manchmal schon einfaches Textverständnis ausreichen würde, um Titelschlagzeilen wie die heutige zu verhindern:

"37 000 Euro pro Kopf: Immer mehr Deutsche in der Schuldenfalle!"

Das “pro Kopf” muss sich wohl auf die etwas diffuse Angabe “immer mehr Deutsche” beziehen. Und insofern kann man die Schlagzeile eigentlich nur so verstehen, wie das offenbar der “Bild”-Mitarbeiter getan hat, der in eine Fotounterzeile auf Seite 2 schrieb*:

Das sind 37 000 Euro in Geldscheinen -- so viel Schulden haben Verbraucher im Schnitt

Tatsächlich hat das Statistische Bundesamt, auf das “Bild” sich beruft, untersucht, wie hoch “Personen, die im Jahre 2006 von einer Schuldnerberatungsstelle betreut wurden” verschuldet waren. Deshalb heißt es in einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamts auch schon in der Überschrift:

Überschuldete Personen haben im Schnitt 37 000 Euro Schulden

*) Etwas näher an der Wahrheit ist übrigens der Text unter der irreführenden Titelschlagzeile. Da heißt es immerhin: “Laut Statistischem Bundesamt steckt jeder Schuldner im Schnitt mit 37 000 Euro in der Kreide.”

Mit Dank für den sachdienlichen Hinweis an Stefan S. und Andreas H.

“Schieß doch!”

“Bild”-Reporter Christian Kitsch überrascht heute mit einer interessanten Statistik. Die Erstliga-Fußballer des VfL Bochum nämlich kommen derzeit bloß auf durchschnittlich 44,37 Prozent Ballbesitz pro Spiel. Und weil man sich darunter ja nun nix vorstellen kann und jetzt auch irgendwie gar nicht so richtig weiß, wie gut oder schlecht das im Verhältnis zu anderen Mannschaften ist, steht da netterweise auch:

"Zum Vergleich: Der durchschnittliche Ballbesitz in der Liga liegt bei ziemlich genau 50 Prozent."

Glückwunsch! Der durchschnittliche Ballbesitz in der Liga liegt tatsächlich bei “ziemlich genau 50 Prozent”. War bestimmt keine leichte Aufgabe für Statistikfachmann Kitsch das auszurechnen.

Daraufhin haben wir uns die Mühe gemacht und schnell mal alle Spiele der laufenden und der letzten Bundesliga-Saison ganz genau angeschaut — und kommen zu noch viel überraschenderen Ergebnissen: Sogar in jedem einzelnen Spiel liegt der durchschnittliche Ballbesitz beider Mannschaften bei ziemlich genau 50 Prozent.

Und jetzt gucken wir mal, ob das beim Handball genauso ist …

Mit Dank an Stephan B., Johannes W., Marcel G. und Mark P. für den sachdienlichen Hinweis.

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