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Lobschummelei bei Bild.de

Bei Bild.de platzen sie gerade fast vor Stolz:

Günter Wallraff hat dem “SZ Magazin” für die aktuelle Ausgabe ein großes Interview gegeben (kostenpflichtig). Darin erzählt der Investigativjournalist nicht nur, dass er geplant hatte, sich für einen ehemaligen US-Soldaten als “IS”-Geisel eintauschen zu lassen, sondern auch über sein Verhältnis zur “Bild”-Zeitung.

Er habe neulich per Zufall “den Artikel eines jungen Kollegen entdeckt”, der ihm gefallen habe, sagt Wallraff im Laufe des Gesprächs. Es geht um einen Text von “Bild”-Reporter Daniel Cremer, der unter falschem Namen an einem sogenannten “Entschwulungskurs” in den USA teilgenommen und darüber berichtet hat.

Wallraffs Aussage zitiert Bild.de so:

Jubel in der Redaktion:

Großes Lob von Günter Wallraff (73) — für BILD!

Das Problem dabei: Bild.de hat einen nicht ganz unwesentlichen Teil von Wallraffs Aussage weggelassen (von uns gefettet):

Der hätte eine reißerische Kolportage daraus machen können, aber seine Reportage war einfühlsam und überzeugend, und er hat die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen respektiert, was ansonsten ja nicht gerade Bild-typisch ist. Diese Selbsterfahrung hätte genauso in der Zeit oder der Süddeutschen erscheinen können. Ich bin immer wieder froh, wenn ich in meiner Grundhaltung irritiert werde.

Auch vor und nach dieser Stelle singt “Bild”-Kritiker Wallraff kein Loblied auf das Boulevardblatt. Mit freundlicher Genehmigung des “SZ Magazins” zitieren wir hier (ganz ohne Kürzungen) die Passagen, in denen sich Günter Wallraff über die “Bild”-Zeitung äußerst:

Sie klingen andererseits immer wieder so versöhnlich. Gibt es jetzt bald Frieden mit dem Springer-Verlag?
Nachdem ich die Bild-Zeitung mit einem gemeingefährlichen Triebtäter verglichen hatte, rief mich deren Chefredakteur Kai Diekmann an und rechtfertigte sich, dass Bild nicht mehr so sei wie damals, als ich den Aufmacher veröffentlichte. Ich hatte den Eindruck, der will etwas ändern. Vielleicht ist aus dem Boulevard-Heroin inzwischen Methadon geworden. Früher war das Blatt ja mit Hetze gegen Ausländer, Linke und Minderheiten jeder Art durchtränkt. Seitdem gab es gab Wellenbewegungen, gelegentlich waren da Chefredakteure, die etwas weniger sensationsgierig, politisch etwas weniger rechts ausgerichtet waren. Dann produzierte Bild etwas weniger Hass, etwas weniger Frauenverachtung, etwas weniger Minderheitenhetze und dergleichen. Die Bild ist heute vorsichtiger geworden, das liegt sicher auch am Zeitgeist, der vulgären Sexismus oder dumpfen Rassismus nicht besonders mag.

Wie finden Sie die Berichterstattung der Bild-Zeitung über Griechenland?
Das war systematische Hetze mit Schlagzeilen wie: “Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen und die Akropolis gleich mit!” Ich kaufe die Bild ja nicht, aber in Zügen oder Restaurants liegt sie manchmal rum. Da habe ich neulich zu meiner Überraschung den Artikel eines jungen Kollegen entdeckt. Der Autor bekennt sich als schwul und hat sich in den USA undercover in eine dieser obskuren Selbsthilfegruppen begeben, die Homosexualität “heilen” wollen.

Jetzt beschäftigt sogar die Bild-Zeitung Wallraff-Schüler?
Der hätte eine reißerische Kolportage daraus machen können, aber seine Reportage war einfühlsam und überzeugend, und er hat die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen respektiert, was ansonsten ja nicht gerade Bild-typisch ist. Diese Selbsterfahrung hätte genauso in der Zeit oder der Süddeutschen erscheinen können. Ich bin immer wieder froh, wenn ich in meiner Grundhaltung irritiert werde. Ich brauche Irritationen.

Die Wandlungsfähigkeit des Bild-Chefs Kai Diekmann dürfte Ihnen doch gefallen. Der tritt mal mit, mal ohne Bart auf, mal im Anzug und mal im Kapuzenpulli.
Die Auflage von Bild ist den letzten Jahren gewaltig eingebrochen. Vielleicht ist seine äußerliche Verwandlung ja Ausdruck für den Versuch einer Neuorientierung. Ich habe Bild schon vor einiger Zeit zum Ansporn attestiert: Es gibt sehr wohl eine Sorte von Triebtätern, die noch therapierbar ist. Das müssen sie aber erst unter Beweis stellen.

Nachtrag, 20.23 Uhr: Bild.de gibt das Zitat jetzt doch vollständig wieder und schreibt unter dem Artikel:

*Das Zitat wurde nachträglich ergänzt, nachdem es in einer vorherigen Version nicht vollständig wiedergegeben war.

Als mit Akif Pirinçci noch gut Currywurst essen war

Die Medien diskutieren momentan, wie Akif Pirinçci seine grässliche KZ-Aussage (“Aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.”) am Montagabend bei der “Pegida”-Kundgebung genau meinte. Dass seine Rede in Dresden furchtbar war, darauf können sie sich hingegen einigen. Auch “Bild” und Bild.de:

Das sei eine “Hetzrede des irren Autors” gewesen. Sowieso falle Pirinçci schon seit 2012 “durch rechte Äußerungen in Blogs auf.” Und seine Bücher erst:

Im März 2014 hetzt er in seinem Buch “Deutschland von Sinnen” gegen Frauen, Schwule und Zuwanderer (“Manuscriptum”-Verlag).

Nanu? Damals, “im März 2014”, fanden die “Bild”-Medien Pirinçcis “Deutschland von Sinnen” eigentlich noch ganz spannend:

Von Hetze ist im Currywurstbudenbericht von “Bild am Sonntag”-Reporterin Anja Hardenberg keine Rede. Das Buch sei “schonungslos”, von einem geschrieben, “der politisch völlig unkorrekt ist.”

Ein paar Tage später legte Hardenberg bei einem zweiten Treffen mit Pirinçci noch einmal nach:

Pirinçci — laut Teaser möglicherweise ein Genie — liebe den “kalkulierte[n] Tabubruch”:

Wer ist dieser Pirinçci, der mal eben die politische Korrektheit schreddert?

Antwort:

Pirinçci, in dessen Krimis das Blut in Strömen fließt, ist eigentlich ein sympathisches Weichei.

Und:

Der Mann, der sich so wortmächtig über deutsches Schubladendenken und kulturelle Arroganz ereifert, ist ein verkappter Romantiker.

Während Akif Pirinçci aus heutiger “Bild”-Sicht in “Deutschland von Sinnen” “gegen Frauen, Schwule und Zuwanderer” “hetzt”, hieß es vor eineinhalb Jahren über das “Pöbel-Buch” noch:

Darin ledert er gegen Frauenquote, Homosexuelle, Öko-Fundamentalisten und anmaßende Zuwanderer.

“BamS” und Bild.de fanden das Abledern damals anscheinend so interessant, dass sie nicht nur werbewirksam Preis und Verlag des Buches nannten, sondern ihren Lesern auch noch eine Leseprobe spendierten:

Kurz darauf durfte Akif Pirinçci in “Bild am Sonntag” und auf Bild.de sogar als Gastautor über einen Deutschlandauftritt des türkischen Präsidenten Erdoğan schreiben:

Ein Hetzer als “Bild”-Autor. Unvorstellbar.

Siehe auch:

TTIP-Berichte, Lachen über Gewalt, Kritiker-Dinner beim “Spiegel”

1. War da was?
(cicero.de, Petra Sorge)
Zwischen 150.000 und 250.000 Menschen demonstrierten am Wochenende gegen TTIP, es könnte die meistbesuchte Protestkundgebung seit den Demonstrationen gegen den Irakkrieg gewesen sein. Für die Medien war das allerdings kaum ein Thema, selbst der “Tagesspiegel” als Berliner Regionalzeitung begnügte sich mit einem “mit dpa-Material” angereicherten Stimmungsbild im Wirtschaftsteil. Erst die gegen Sigmar Gabriel gerichtete Guillotine griffen Kommentatoren auf und stellten “den Protest gegen den Freihandel deswegen pauschal in die rechte Ecke”, kritisiert Petra Sorge. Dabei hätten sich die Veranstalter der Demonstration “eindeutig und sogar auf der Bühne von US-Feinden, der AfD und von rechten Gruppierungen” distanziert. Es sei falsch, wenn Journalisten den Protest gegen TTIP “nun braun anfärben statt neutral abzubilden, wenn sie sich der ernsthaften Debatte über das Handelsabkommens verweigern”.

2. Vorratsdatenspeicherung gefährdet Journalismus
(ndr.de, Carolin Ebner, Video, 3:43 Minuten)
Gestern ist der Entwurf erfolgreich durch den Rechtsausschuss gekommen, morgen ist er Thema im Parlament — das Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung wird aller Voraussicht nach kommen. “Zapp” erklärt, wie das “Anti-Whistleblower-Gesetz” Journalisten, Hinweisgeber, Blogger und Aktivisten in puncto Datenhehlerei in Schwierigkeiten bringen könnte.

3. “Lachen” über Gewalt gegen Schwulen: Presserat kritisiert bild.de
(queer.de, dk)
Der Presserat hat einen “Hinweis” gegen Bild.de ausgesprochen, weil unter einem Artikel über den Angriff auf einen schwulen Politiker das Moodtagging eingeschaltet war. Es schade dem Ansehen der Presse, so der Presserat, “wenn ein Medium bei einem Beitrag, der sich mit einer Gewalttat gegen einen Menschen beschäftigt, den Usern die Möglichkeit eröffnet, den Artikel mit einer Emotion wie ‘Lachen’ zu bewerten”.

4. Kritiker zu Gast beim Spiegel
(heise.de, Katrin McClean)
Ein “Spiegel”-Redakteur hat neulich mehrere Leser, die ihm kritische Mails geschrieben hatten, zum Dinner eingeladen. Unter den Auserwählten war auch Katrin McClean, die das Treffen im “Spiegel”-Haus für eine ganz bestimmte Mission nutzen wollte: Herauszufinden, warum das Magazin so sanft über die USA, aber so kritisch über Russland berichte. In ihrem Artikel lässt sie den Abend voller Tumulte, George W. Bush und Wein Revue passieren.

5. „Jugendportale“
(kraftfuttermischwerk.de, Ronny)
Die Debatte um Jugendportale wie “Bento”, “Ze.tt” und all die anderen zieht sich nun schon eine ganze Weile. Völlig unsinnig, meint Ronny vom “Kraftfuttermischwerk”, denn: “Die Jugendlichen, über die ihr immer schreibt, geben einen Scheiß auf all diese Jugendangebote! Sie haben mittlerweile ihr eigenes Netz gebaut, was großartig ist. Von dem wir halb und darüberhinausalten allerdings keine Ahnung mehr haben.”

6. Nach Bento und Ze.tt – Fünf Portale die wir unbedingt brauchen
(kotzendes-einhorn.de, Daniel)

Claire Danes, Tatort, Heftig.co

1. “Author of That Horrible Snowden Article Has Even Worse CNN Interview”
(gawker.com, Adam Weinstein, mit Video, 4:02 Minuten, englisch)
Ein Interview mit Tom Harper, einem der Autoren der aus namenlos bleibenden Regierungskreisen stammenden Story in der “Sunday Times” über einen angeblichen Zugriff von Russland und China auf die Snowden-Leaks: “So, to summarize: We have no proof that there was any harm, except what the British government has said; there’s no way to back up what they’ve said; if you want to know what’s going on in the intelligence world, well… you’ve gotta have a leak like Snowden’s.” Siehe dazu auch “Britischer Medienbericht: Dubioser Angriff auf Edward Snowden” (spiegel.de, Christian Stöcker) und “Snowden files ‘read by Russia and China’: five questions for UK government” (theguardian.com, Ewen MacAskill, englisch).

2. “Claire Danes will Schmerzensgeld von der ‘Bild'”
(tagesspiegel.de, Sonja Álvarez)
Schauspielerin Claire Danes fühlt sich in Berlin von “Bild” verfolgt. Sie verlangt Unterlassungserklärungen und fordert Schmerzensgeld.

3. “Montagmorgen-Diarrhöe: Deutsche Medien leiden unter akuter Tatorteritis”
(zeitgeisterjagd.de, Matthias Heitmann)
Matthias Heitmann beschäftigt sich mit den zahlreichen “Tatort”-Begleitmedien: “Nahezu keine deutsche Tageszeitung meint heute, dass ihre Website ohne eine eigene ‘Tatort-Kolumne’ auskommen könne – und zwar nicht nur eine feuilletonistische, sondern eine harte und investigative.”

4. “Erstmals live: Heftig.co-Gründer erzählt, wie sie das Portal groß gemacht haben”
(onlinemarketingrockstars.de, Martin Gardt)
Peter Schilling von Heftig.co “auf der Rockstars-Bühne”: “‘Wir haben keine Jour­na­lis­ten und das war von Anfang an ziem­lich gut. Online-Redakteure funk­tio­nie­ren für uns oft nicht, die haben oft eine bestimmte Art zu schrei­ben, einen fest­ge­leg­ten Blick­win­kel. Wir gehen viel daten­ge­trie­be­ner an die The­men’, sagt Schil­ling. Die inten­si­ven Tests von Bil­dern und Über­schrif­ten sind eines der Mar­ken­zei­chen von Heftig.co, hier zäh­len Klicks und keine sprach­li­chen Bon­bons. Mit Copyright-Problemen habe das Por­tal bis­her keine Pro­bleme gehabt. Die Arbeits­weise ähnele ja auch der klas­si­scher Medien: Geschich­ten erken­nen, auf­neh­men, anpas­sen und ver­öf­fent­li­chen.”

5. “Schwule in den Schlagzeilen”
(de.ejo-online.eu, Yulia Grineva)
Wie deutsche und wie russische Medien über Homosexualität berichten.

6. “Merkels E-Mail und andere angebliche Hacks”
(blog.alvar-freude.de)

Gemüse, Jürgen Domian, Monitor

1. “Es ist etwas faul mit den Medien dieses Landes”
(derstandard.at, Helge Fahrnberger)
Helge Fahrnberger schreibt über Medien in Österreich: “In Zeiten, in denen die direkte Demokratie ausgebaut werden soll, frage ich mich: Wie kann das funktionieren? Wie soll die Bevölkerung eine Entscheidung treffen, wenn Massenmedien die Öffentlichkeit nicht informieren, sondern vorsätzlich manipulieren, und die, die das nicht tun, dazu schweigen? Wer kontrolliert die vierte Gewalt, wenn sie das nicht selbst tut?”

2. “Stefanie Heinzmann – Inzestopfer oder einfach nur dumm?”
(dearswisspeople.com)
Der Artikel “Stefanie Heinzmann: Liebt sie ihren Bruder?” (nzz.ch, Claudia Schumacher): “Dieser Beitrag ist wirklich die billigste Form von Boulevardjournalismus und einer solchen Publikation nicht würdig.”

3. “Kraut- und Rübenreporter”
(ackerbaupankow.blogspot.de)
Der Artikel “Von der Schwierigkeit, legal gutes Gemüse zu finden” (krautreporter.de, Theresa Bäuerlein): “Man bekommt in den Supermärkten inzwischen sehr schmackhafte Cocktailtomaten, die es auch mit meinen Gartentomaten aufnehmen können. Nur die Fleischtomaten sind weitgehend Ausfälle (das kann aber kaum an EU-Normen liegen, da man z.B. in Frankreich auch schöne Fleischtomaten auf dem Markt kriegt). Hier hätte ich es spannend gefunden, wenn man bei Einkäufern von Großmärkten recherchiert und nicht nur einen Gemüsehändler nebenan gefragt hätte. Wahrscheinlich hätte man dann ein paar spannende Dinge erfahren, genauso wie man sicher schlauer geworden wäre, wenn man mit ein paar Leuten, die im großen Stil Tomaten anbauen, über den Markt gesprochen hätte.”

4. “Platter Versuch, einen Mythos zu demaskieren”
(deutschlandradiokultur.de, Alexander Kohlmann)
Alexander Kohlmann schaut sich das Theaterstück “Wir sind Günter Wallraff!” im Schauspiel Hannover an: “Indem die Autoren von den Missständen bei ‘Bild’ bis zur Ausbeutung der Arbeiter im 19. Jahrhundert alles über einem Kamm scheren, bagatellisieren sie in Wahrheit die Auswüchse, denen Wallraff mit Schauspiel begegnete. Es ist gerade diese Form der Verweigerung jeglicher Differenzierung, die wesentlich restaurativer daherkommt, als die angeprangerte Mitarbeit Wallraff innerhalb der marktwirtschaftlichen Gesellschaftsordnung.”

5. “Das WDR-Politmagazin ‘Monitor’ besteht 50 Jahre”
(medienkorrespondenz.de, Reinhard Lüke)
Das TV-Magazin “Monitor” wird 50 Jahre alt und konnte das Durchschnittsalter seiner Zuschauer kürzlich von 64 auf 62 Jahre senken. Redaktionsleiter und Moderator Georg Restle: “Sobald wir bei den Marktanteilen mal unter die Zehn-Prozent-Marke geraten, wird von der Medienkritik immer wieder die Daseinsberechtigung der Magazine in Frage gestellt.”

6. “‘Von Natur aus ein Einzelgänger'”
(taz.de, Christine Stöckel)
Ein Interview mit Jürgen Domian: “Ich hatte immer zwei Leitsätze: Es darf nicht pornografisch sein und es darf nie um die bloße Sensation gehen. So kam es, dass ich in der Sendung ein fast viertelstündiges Interview zum Thema ‘Fisten’ geführt habe. Der Anrufer war schwul und von Beruf Arzt. Eine perfekte Mischung.”

Wirtschaftsprognosen, Sauna, Pegida

1. “BILD-Zeitung stellt Aussage von Omid Nouripour falsch dar”
(radioeins.de, Lorenz Maroldt, Audio, 4:22 Minuten)
Der Chefredakteur des “Tagesspiegel”, Lorenz Maroldt, kommentiert die “Bild”-Story “Politiker fordern: Christen sollen im Weihnachts-Gottesdienst muslimische Lieder singen” (BILDblog berichtete).

2. “Vom Nutzen des Nichtwissens”
(fuw.ch, Mark Dittli)
Mark Dittli befasst sich rückblickend auf 2014 mit der Zwecklosigkeit von Wirtschaftsprognosen: “Keine Bank hat die Halbierung des Ölpreises vorhergesehen. Im Frühjahr war es unter Ökonomen weitgehend Konsens, dass sich die Wirtschaft in Europa erholen wird. Das Gegenteil geschah. Zu Beginn des Jahres lautete die allgemein akzeptierte Meinung, dass die Zinsen amerikanischer Staatsanleihen steigen, weil die US-Notenbank ihre Geldpolitik drosselt. Doch die Zinsen sanken.”

3. “Alter Wein in neuer E-Reading-Studie: LCD-Lesen hält wach”
(lesen.net, Johannes Haupt)
Eine Studie der Harvard Medical School unter 12 Probanden – und die Berichte darüber in den Medien.

4. “Journalistin recherchiert in ‘Schwulensauna’ und ruft dann die Polizei”
(tagesspiegel.de, Mohamed Amjahid)
Für ihre Doku-Serie “Schwule und Aids in Ägypten” filmt Mona Iraqi eine Polizeirazzia in einer Sauna in Kairo mit dem Handy: “In ihrer Sendung gibt sie zu, dass sie die Polizei verständigt habe: ‘Diese Praktiken sind gefährlich für unsere Gesellschaft und ich habe die Aufgabe, Ägypten vor der Ausbreitung von Aids zu schützen’, erklärt sich Iraqi in ihrer Sendung.”

5. “An Epidemic of False Video Footage Swamped Big News Stories in 2014”
(pbs.org, Madeleine Bair, englisch)
Madeleine Bair befasst sich mit gefälschten Videos: “We will never be able to stop pranksters, activists, propagandists, or ‘filmmakers’ from misleading the public with fake or falsely contextualized images. Our only defense is better tools and practices — by filmers, uploaders, viewers, and tech companies — to verify that what we see is real.”

6. “Irritation durch Irritierte”
(deutschlandfunk.de, Stephan Detjen)
Stephan Detjen schreibt, man müsse die öffentlichen Zusammenkünfte des Bündnisses Pegida “als Irritation durch Irritierte” verstehen: “Die angemessene Reaktion darauf dürfte nicht allein in Verurteilung und Ausgrenzung bestehen. Vielmehr wäre es ebenso nötig, zu prüfen, wo in der Medienöffentlichkeit jene blinden Flecken liegen, in deren Wahrnehmungsschatten gefährliche Gegenöffentlichkeiten entstehen.” Siehe dazu auch “Pegida und Meinungsfreiheit: Dummheit ist keine Schande” (faz.net, Friederike Haupt).

Sebastian Vettel, Nightcrawler, Roma

1. “Falscher Wechsel bei Twitter”
(deutschlandfunk.de)
Auf Grundlage eines Tweets wird fälschlicherweise ein Wechsel von Sebastian Vettel zu Ferrari vermeldet: “Die dpa und viele der Medien, die ihre Meldungen nutzen, ließen sich das ‘L’ für ein ‘I’ vormachen und verbreiteten die Nachricht.”

2. “Schreibblockade? 14 Journalisten erklären, was sie dagegen tun”
(journalist.de)
14 Journalisten erläutern, was sie tun, wenn sie etwas schreiben müssten und ihnen nichts einfällt.

3. “Wenn der Leser zum Tier wird”
(tagesschau.de, Bettina Less)
Bettina Less befasst sich mit Aggressivität im Netz: “So schlecht wie im anonymen Raum eines Internetforums benehmen sich Menschen selten. Unvorstellbar, dass man etwa auf der Straße zu einem unbekannten Passanten geht und Dinge sagt wie: ‘Sind Sie einer von den intoleranten Schwulen, die die Öffentlichkeit mit ihren privaten Präferenzen langweilen? (…) Machen Sie das absichtlich oder reicht der Intellekt vielleicht nicht aus?'”

4. “Die ‘schockierende’ Studie, von der Journalisten nichts wissen wollen”
(tagesanzeiger.ch, Felix Schindler)
Eine Studie ergibt eine einseitige Berichterstattung der Schweizer Medien über Roma: “Die einseitige Berichterstattung habe für die in der Schweiz lebenden Roma Folgen, sagte Laederich gestern. Selbst er werde gefragt, ob er Lesen und Schreiben könne, wenn er erwähne, dass er Rom sei, sagte der Träger eines Doktortitels.”

5. “Moral und Berufsethos sind nicht mehr nötig”
(heise.de/tp, Rüdiger Suchsland)
Rüdiger Suchsland stellt den Kinofilm Nightcrawler vor: “Zumindest in diesem Film gilt jedenfalls, dass nur ein amoralischer Reporter maximalen Erfolg haben kann. Damit wird “Nightcrawler” zu einer scharfen Bestandsaufnahme moderner Medienmechanismen. Denn es dauert nicht lang, da ist klar, dass Louis bereit ist, für den Erfolg alle Grenzen zu überschreiten.”

6. “Wir sind hier, um zu berichten”
(sueddeutsche.de, Christine Brinck)
Christine Brinck, Ehefrau von Josef Joffe, schreibt über das Buch “Die Frau des Journalisten” von Ilse Kienzle, Ehefrau von Ulrich Kienzle.

Emergent, Eikonal, Islamischer Staat

1. “Gerüchte-Check: Emergent enthüllt falsche Informationen im Internet”
(t3n.de, Jörn Brien)
Jörn Brien stellt Emergent vor: “Die Website-Betreiber suchen nach aktuell hochgehandelten Gerüchten, sie tragen sie gemeinsam mit den verschiedenen Quellen in eine Datenbank ein. Dann wird unterschieden, welche Websites die Story als wahr beschreiben, welche das Gerücht als falsch entlarven und welche die Geschichte einfach übernommen haben.”

2. “Unnötiger Stress mit Google”
(nzz.ch, Rainer Stadler)
Mit Verwunderung registriert Rainer Stadler “die etatistischen Verrenkungen, mit denen Deutschland den globalen Vorstoss der digitalen Kapitalisten aus dem kalifornischen Silicon Valley parieren will”: “Die deutschen Verlage verdrehen ein Win-win-Geschäft in ein Lose-lose-Geschäft.”

3. “Im rechtsfreien Raum”
(internet-law.de, Thomas Stadler)
Thomas Stadler schreibt über Recherchen zum Projekt “Eikonal”: “Die Berichterstattung der SZ belegt also, dass beim BND ein organisierter und systematischer Rechtsbruch stattfindet und dies mit Genehmigung der Bundesregierung und teilweiser Billigung des Parlaments. Der BND bewegt sich faktisch im rechtsfreien Raum und schreckt auch vor einem offensichtlichen Rechts- und Verfassungsbruch nicht zurück.”

4. “Ratgeber: Behörden zur Auskunft zwingen”
(correctiv.org, Daniel Drepper)
Eine kostenlose Broschüre “mit den wichtigsten Tipps zu den Auskunftsrechten in Deutschland”.

5. “‘Ich glaub, das steht irgendwo im Koran'”
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Frederik Obermaier und Marie Delhaes)
Ein Interview mit Erhan A. aus Kempten, einem Anhänger der Organisation Islamischer Staat: “Wir haben uns Nachrichten angeschaut, ARD und ZDF und so, aber uns war schnell klar: Da wird nur Scheiße berichtet. Da haben wir uns dann im Internet Videos angeguckt. (…) Ich würde sogar meine Familie töten, wenn sie sich gegen den Islamischen Staat stellt.”

6. “Kunstaktion stellt Schwule bloß”
(berliner-zeitung.de, Patrick Schirmer Sastre)
Ein Kunstprojekt eines Berliner Theaters zeigt über eine Dating-App geführte Gespräche auf einer LED-Wand. “Cornelius Puschke vom Projektteam des Veranstalters erklärte am Freitag, man habe mit heftigen Reaktionen gerechnet. ‘Wir haben gehofft, dass es niemanden verletzt, was wir auf der LED-Wand zeigen. Inzwischen haben wir festgestellt, dass es das doch tut.'”

Die “Selbstkritik” der “Bild am Sonntag”

Heute hat die “Bild am Sonntag” auf zwei Doppelseiten Reaktionen zum Hass-Kommentar von Nicolaus Fest abgedruckt. Chefredakteurin Marion Horn schreibt dazu:

am vergangenen Sonntag haben wir an dieser Stelle einen kritischen Kommentar gedruckt. (…) Noch nie bekamen wir so viele Leserbriefe. Bestürzte, wütende, zustimmende. Heute drucken wir eine Auswahl, die die Reaktionen ausgewogen abbilden soll.

Sie bedauert erneut, dass der “Eindruck entstanden” sei, dass sich die “BamS” gegen den Islam stelle. “Das ist nicht so!”

Wir – und dabei spreche ich für die gesamte Redaktion von BILD am SONNTAG – achten und respektieren jede Religion.

Wenn das auch für Nicolaus Fest gilt — wieso hat er sich dann nicht einfach selbst entschuldigt? Sein Kommentar hat schließlich nicht bloß den “Eindruck” erweckt, islamfeindlich zu sein, er war es. Ganz einfach.

Stattdessen versucht es jetzt die Chefredakteurin mit einer nachträglichen Verklärung “Einordnung”:

Es ist schlecht, wenn man einen Kommentar hinterher einordnen muss. Ich versuche es trotzdem: Dem Autor ging es darum, Verbrechen zu kritisieren, die im Namen des Islam begangen werden, zum Beispiel gegen Frauen und Schwule. Und er plädiert dafür, dies beim Thema Einwanderung und Asyl zu berücksichtigen.

Es dürfte schwierig werden, eine noch harmlosere Interpretation von Fests Worten zu finden.

Und was natürlich nicht fehlen darf: Meinungsfreiheit!

Diese Meinung muss man nicht teilen. Es findet aus gutem Grund kein Gewissens-Check am Zoll statt!

Aber in unserem Verlag ist es möglich, unterschiedliche Meinungen zu haben. Deshalb habe ich mich als Chefredakteurin für den Abdruck entschieden. Wohl eine Fehleinschätzung, denn wir haben mit diesem Kommentar viele Menschen verletzt.

Das kann man wohl sagen.

Mittlerweile bin ich dankbar für die heftigen Reaktionen, die wir ausgelöst haben. In der Öffentlichkeit, in Politik, Verlag, in unserer Redaktion, in unseren Familien. Lange ist über dieses wichtige Thema nicht mehr so offen und kontrovers diskutiert worden.

Vielleicht sorgt unser Kommentar am Ende dafür, dass Missverständnisse ausgeräumt werden und wir lernen, eine offene Debattenkultur zu entwickeln. Das muss unsere demokratische Gesellschaft aushalten, das muss BILD am SONNTAG aushalten.

Wenn wir das alles richtig verstehen, ist die “Bild am Sonntag” nicht islamfeindlich, aber für den islamfeindlichen Kommentar will sich trotzdem niemand entschuldigen, weil erstens Meinungsfreiheit und zweitens wollte er damit ja auch eigentlich etwas ganz anderes sagen, als er gesagt hat. Und im Grunde sollten wir Nicolaus Fest auch dankbar sein, weil dieses “wichtige Thema” seinetwegen so “kontrovers” diskutiert wird. Na schönen Dank.

Maybritt Illner, Rassismus, Kopp-Verlag

1. “Peinliche Kaffeesatzleserei bei Illner”
(berliner-zeitung.de, Daland Segler)
Die ZDF-Talkshow “Maybritt Illner” mit dem Thema “Alles oder nichts – wird Deutschland jetzt Weltmeister?” (zdf.de, Video, 65 Minuten). Daland Segler hat sich die Sendung angesehen und findet: “Auf dem Lerchenberg herrscht blanker Opportunismus.” Siehe dazu auch “Das ZDF opfert auch Illner auf dem Fußball-Altar” (dwdl.de, Uwe Mantel).

2. “Ein Recht auf Information”
(nzz.ch, Annegret Mathari)
Unterstützung für Radios in Krisengebieten, so in der Zentralafrikanischen Republik: “‘Wir informieren über Fakten, machen jedoch weder Analysen noch Kommentare’, sagt Chefredaktor Jean-Claude Ali im Gespräch.”

3. “Das Web-Erfolgsrezept der Verschwörungstheoretiker vom Kopp-Verlag”
(meedia.de, Stefan Winterbauer)
Stefan Winterbauer schaut sich Artikel an auf der Website des Kopp-Verlags.

4. “‘Bin ich schwul?’, fragt Ruedi M. den Esoterik-Experten der Glückspost – und erhält eine Antwort, die einen Shitstorm auslöst”
(watson.ch, Simon Jacoby)
In der “Glückspost” antwortet ein “PSI-Experte” auf die Frage “Bin ich schwul?”.

5. “Der Rassist in uns”
(zdf.de, Video, 74:14 Minuten)
39 Personen nehmen teil an einem Experiment, das versucht, Blauäugige und Braunäugige gegeneinander auszuspielen. Siehe dazu auch “Die Arier” (zdf.de, Video, 91:55 Minuten).

6. “Flug MH370 spurlos aus den Nachrichten verschwunden”
(der-postillon.com)

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