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“Bild” zieht mit “Pleite-Griechen” in den Wahlkampf

Der “Bild”-Zeitung ist heute eine geniale Verknüpfung gelungen: auf der einen Seite eines der Lieblingsthemen der vergangenen Wochen (Martin-Schulz-Kritik), auf der anderen eines der Lieblingsthemen der vergangenen Jahre (Griechenland-Kritik-Bashing). In dieser Geschichte hat die Redaktion beide zusammengebracht:

Fangen wir bei Martin Schulz an. Seit bekannt ist, dass Schulz als SPD-Kanzlerkandidat bei der kommenden Bundestagswahl antreten will, schaut die “Bild”-Redaktion ganz genau, was bei den Sozialdemokraten und ihrem neuen Spitzenmann so alles schiefläuft. Natürlich ist es journalistisch völlig richtig, einen neuen Kandidaten genauer zu beobachten. Und es gibt auch mal positive Geschichte über Schulz — gerade erst veröffentlichte “Bild” Auszüge aus seiner Biografie. Vor allem aber geht es in Berichten über ihn um Ärger, Fehler, Zweifel.

Die Redaktion thematisierte gleich die “erste Wahlkampf-Panne”:

Sie dokumentierte Kritik von Experten …


… oder politischen Gegnern:

'

Wenn Informationen von der SPD-Website verschwanden, schrieb “Bild” darüber:

Oder wenn es von irgendwo Rügenärger für Schulz gegeben hat:


Die “Bild”-Mitarbeiter zweifelten an Schulz’ Wahlkampfthema …

… schrieben über das schwache Abschneiden der SPD bei der Wahl im Saarland, als wäre es seine Niederlage, obwohl Martin Schulz dort gar nicht zur Wahl stand …

… und entdeckten selbst bei großen Erfolgen etwas Negatives:

Und wenn nicht mal der gute, alte Fußball …

… dabei helfen kann, die aktuell hohen SPD-Umfragewerte nach unten zu bugsieren, dann muss ein neues Thema her; eines, auf das der durchschnittliche “Bild”-Leser direkt mit Schaum vor dem Mund reagiert — die “Pleite-Griechen”:

Diese Griechen-SPD-Geschichte von heute wirkt ein wenig wie die Fortsetzung der SPD-Griechen-Geschichte von Montag, als “Bild” das sozialdemokratisch geführte Nordrhein-Westfalen mit Griechenland und all den damit verknüpften Problemen in Verbindung brachte:

Die neue These der schulzwilligen “Pleite-Griechen” basiert auf Aussagen von FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff (“‘Wer Schulz für die Wahl am meisten die Daumen drückt, ist klar: Griechenlands Ministerpräsident Alexis Tsipras'”), CSU-Politiker Markus Söder (“Schließlich stehe Schulz ‘für Geldtransfers ohne Reformen zulasten des deutschen Steuerzahlers'”) sowie einem EU-Abgeordneten der griechischen Syriza, der lediglich sagt, dass es “mit einer Koalition aus SPD, Grünen und Linken” beim Thema Griechenland “weniger um ständige Bestrafungen gehen” würde.

Aus den Aussagen zweier Deutscher und eines Griechen schließt “Bild” auf ein ganzes Volk und kramt dafür das grässlichen Wort “Pleite-Griechen” raus. Wie schon vor Jahren, als dieser Begriff bereits diffamierend und stigmatisierend und spaltend war, ist er auch heute noch diffamierend und stigmatisierend und spaltend.

Kein Schlagwort symbolisiert die “Bild”-Hetzkampagne gegen Griechenland und gegen die Griechen so sehr wie “Pleite-Griechen”. Als “Bild”-Reporter Paul Ronzheimer zum Beispiel im April 2010 durch Athen lief und mit Geldscheinen wedelte, verkündete “Bild” hämisch:

Als klar war, dass in Griechenland das Geld knapp wird, schlug “Bild” vor:

Als “Bild” von Angela Merkel eine Volksabstimmung über die Griechenlandhilfen forderte, schlug das Blatt schon mal zwei Antwortmöglichkeiten auf einem “Stimmzettel” vor: „JA, schmeißt ihnen weiter die Kohle hinterher!“ und „NEIN, keinen Cent mehr für die Pleite-Griechen, nehmt ihnen den Euro weg!“:

Das verallgemeinernde, verächtliche, populistische “Pleite-Griechen” wurde zur gängigen “Bild”-Vokabel:





Dank dieser jahrelangen Konditionierung der eigenen Leserschaft, bei der ein einfaches “Pleite-Griechen” direkt ein zorniges Grummeln in der Magengegend auslösen dürfte, kann “Bild” diese Wut nun mit nur einer Schlagzeile auf neue Feindbilder projizieren.

Nachtrag, 8. April: In ihrer heutigen Ausgabe macht “Bild” direkt weiter mit dem ätzenden “Pleite-Griechen”:

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Irre: Bekiffte EU-Huren retten Pleite-Griechen

Jaha, so kennt man sie, die Europäische Union: Erlässt völlig “irre” Verordnungen, damit die Pleite-Griechen, die alten Penner, weiter wie verrückt Schulden machen können, auf unsere Kosten, kennt man auch.

Aus dem Plan, die Berechnung der Wirtschaftsleistungen der europäischen Länder zu harmonisieren und internationalen Standards anzupassen, macht “Bild” ein Stück, das die rassistischen Ressentiments der eigenen Mitarbeiter und der Leser bedient und weiter befördert. Dabei geht es in keiner Weise um eine Sonderregelung für die EU-Krisenländer.

Soweit, so “Bild”. Aber Brüssel-Korrespondent Dirk Hoeren hat noch mehr getrickst, um zu seiner irren Schlagzeile zu kommen. Er behauptet:

EU-Krisenländer wie Griechenland und Italien können ab 1. September ihre Schuldenstände mit einem Trick drastisch senken. Dann werden auch Einkünfte aus Betrug, Schwarzarbeit, Prostitution und der Kauf von Drogen in der Wirtschafts-Statistik erfasst!

Schuldenabbau durch Kriminalität — wie schräg ist das denn?

Der Statistik-Trick geht auf eine neue EU-Verordnung zum EU-“System Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnungen” zurück (BILD berichtete). Danach werden in der Wirtschaftsleistung bisher nicht erfasste Bereiche künftig berücksichtigt:

* Prostitution zählt dann als “Dienstleistung”.
* Betrug, illegale Geschäfte, Schwarzarbeit sind “Produktionstätigkeiten”.
* Drogenkauf fällt unter “Individualkonsum”.

Nur: Das ist alles gar nicht neu. Illegal erwirtschaftetes Geld soll längst in die Berechnung der Wirtschaftsleistung eingehen.

Schon in den bislang geltenden Grundlagen (Stand 2003) heißt es:

Diese Tätigkeiten sind auch dann einzubeziehen, wenn sie illegal ausgeübt werden oder den Steuer-, Sozialversicherungs-, Statistik- oder anderen
Behörden verborgen bleiben.

Und:

Illegale wirtschaftliche Vorgänge sind nur dann Transaktionen, wenn alle beteiligten Einheiten an ihnen freiwillig teilnehmen. Beim illegalen Kauf, Verkauf oder Tausch von Drogen oder Diebesgut handelt es sich daher um Transaktionen, bei Diebstahl dagegen nicht.

Dirk Hoeren schreibt über diese Unterscheidung spitz: “Das nennt man wohl EU-Logik.” Okay, nennen wir es halt EU-Logik. Es ist dann halt nur keine neue EU-Logik.

Die EU hat ihre Mitgliedsländer nur gerade daran erinnert, diese Regeln auch entsprechend anzuwenden. In Deutschland zum Beispiel ist das nach Auskunft des Statistischen Bundesamtes bisher nicht der Fall. Posten wie der Handel mit Drogen oder der Schmuggel von Tabak fehlten bislang in der Berechnung des Bruttoinlandsproduktes. Prostitution dagegen ist darin enthalten (sie ist ja auch nicht illegal).

Das Bundesamt schätzt, dass die Einberechnung der illegalen Aktivitäten das deutsche Bruttoinlandsprodukt nur minimal steigern werde, vielleicht um einen Zehntelprozentpunkt. Europaweit soll es aber viel mehr sein — schreibt jedenfalls Dirk Hoeren:

(…) am 1. September gibt es einen gewaltigen Pusch [sic!]. Dann wächst die Wirtschaftsleistung in der gesamten EU auf einen Schlag um rd. 2,4 % — aber nur auf dem Papier. Denn künftig werden — und das ist kein vorweggenommener Aprilscherz — auch Einnahmen aus Verbrechen und der Prostitution in der EU-Wirtschaftsstatistik berücksichtigt.

Aha, naja, klar: Andere Völker sind halt viel krimineller als die Deutschen, auch das weiß man ja als “Bild”-Macher und -Leser.

Nur dass die 2,4 Prozent, auf die die Wachstumssteigerung tatsächlich geschätzt wird, gar nicht durch die Einnahmen aus Verbrechen und Prostitution zustande kommen. Der weitaus größte Teil (1,8 Prozent) des, äh, “Puschs” entsteht dadurch, dass in Zukunft erstmals Forschung und Entwicklung als Teil des Bruttoinlandsprodukt mitgezählt werden. Das ist die tatsächliche große Umstellung, die jetzt ansteht.

Kann Griechenland also, wie “Bild”-Hetzperte Hoeren meint, aufgrund einer “irren EU-Verordnung” mit Drogen und Sex seine Schulden senken? Nun: Wie es aussieht, sind “Prostitution” und “Drogen” in Griechenland längst Bestandteil der Berechnung der privaten Konsumausgaben, also Teil des Bruttoinlandsproduktes:

Irre. In der “Bild”-Logik ist das aber natürlich eine schlechte Nachricht, weil es bedeutet, dass “die Griechen” dann ihre Schulden gar nicht mehr weiter mit Sex und Drogen senken können.

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Pleite-Griechen loben Hetz-Reporter

Paul Ronzheimer ist der “Pleite-Griechen”-Beauftragte von “Bild”. Er “gab den Pleite-Griechen die Drachmen zurück”, beklagte, dass griechische Medien “mächtig Stimmung gegen Berlin” machten, und wurde für seine Griechenland-Berichterstattung mit dem “Herbert Quandt Medien-Preis” ausgezeichnet.

Schon früh hatte Ronzheimer “die Anti-Stimmung vieler Griechen zu spüren” bekommen, aber jetzt ist alles anders:

Ich, der BILD-Reporter, bin seit Ausbruch der Krise vor fast zwei Jahren insgesamt mehrere Monate im Land unterwegs gewesen, schrieb Klartext über die Zustände. BILD wurde fast täglich zum Thema in den griechischen Medien, im populären TV-Talk von Tatiana Stefanidou (Marktanteil 20 %) war ich 45 Minuten lang Gast. Zu Beginn der Krise wurde BILD mit Hass überzogen – heute bekommen wir Zustimmung!

Es folgen sechs überwiegend positive Zuschriften, die Ronzheimer von Griechen bekommen hat.

Oder in den Worten von Paul Ronzheimer:

Lesen Sie, was die Pleite-Griechen jetzt dem BILD-Reporter schreiben.

Die Kommentatoren bei Bild.de waren offenbar nicht ganz so begeistert von Ronzheimers Arbeit:

bild ist das letzte schmierfinkenblatt! bild lügt, betrügt, betreibt propaganda, schürt ängste und stimmungen, erpresst, und... wahrscheinlich wurde falsch übersetzt, anders ist für mich, diese positive Beurteilung der "BILD", nicht ganz vorstellbar. Was liegt auf der Treppe und Lügt......? na klar die Bild. Ich lese den Spiegel,Bild, natürlich den Kicker , und Janes D... mehr... STOP-die dumme Propaganda gegen die Griechen ! Bild = Das größte Lügenblatt überhaupt. Populistisch, christlich, vernunftsbeleidigend!

Aber “Bild” wäre nicht “Bild”, wenn nicht auch beim Abfeiern der eigenen Arbeit noch etwas schief gegangen wäre:

"Krieg mit den Brandstiftern von BILD" lautete diese Schlagzeile

Das stimmte so offenbar nicht, wie Bild.de überraschend klarstellte:

"Die Propaganda von BILD wirkt nicht", heißt es in dieser Überschrift. Anmerkung der Red: Durch eine Bild-Verwechslung stand ursprünglich eine falsche Übersetzung "Krieg mit den Brandstiftern von BILD" unter dem Foto. Dieses Zitat kommt in einem anderen Text über die BILD-Berichterstattung vor.

Mehr zu Paul Ronzheimers TV-Auftritt:

Mit Dank auch an Dimitrios P., Tobias P., Stephan U. und Paul Z.

“Bild” wird leider verfälschen, verfälschen, verfälschen

Ende vergangener Woche konnte die “Bild”-Redaktion einen alten Bekannten präsentieren, ein “Schreckgespenst”, immer gut für große Aufregung und Blutdruckerhöhung bei den Leserinnen und Lesern:

Er war DAS Schreckgespenst der Griechenland-Krise, Frauenschwarm (polierte Glatze, muskulös, enge Hemden, dickes Motorrad) und Finanzminister der radikal-linken Syriza-Regierung auf dem Höhepunkt der Schuldenkrise im Jahr 2015.

Gemeint ist: Yanis Varoufakis. Und der jagt den deutschen Steuerzahlern laut “Bild” gleich wieder einen Riesenschreck ein:

Screenshot Bild.de - Schock-Aussage von Ex-Minister Varoufakis kurz vor Merkel-Besuch in Athen - Die Deutschen werden leider zahlen, zahlen, zahlen

Buh!

Dieses Zitat, das Bild.de am Donnerstagabend auf der Startseite veröffentlichte, und die “Bild”-Zeitung in leicht abgeänderter Form …

Ausriss Bild-Zeitung - Griechenlands Ex-Finanzminister Varoufakis - Deutsche Arbeiter werden zahlen und zahlen und zahlen

… am Freitag im Blatt druckte, steht höchstens noch im losen Zusammenhang mit dem, was Varoufakis tatsächlich gesagt hat. Die linke Bewegung DiEM25, deren Gründer Varoufakis ist, hat auf ihrer Website die drei Fragen, die “Bild” geschickt hatte, und Varoufakis’ Antworten darauf in voller Länge veröffentlicht. Dort liest sich das alles etwas anders:

BILD: Will we ever get our money back?

Yanis Varoufakis: If you are one of the German or Greek oligarchs who benefitted immensely from the Greek state’s bailout, you have already received gargantuan returns – and you will receive even more in the future. Alas, if you a German or a Greek worker or middleclass person, you will be paying, and paying and paying…

(Hervorhebungen im Original, hier auch als deutsche Übersetzung lesbar.)

Anders als die “Bild”-Redaktion es darstellt, geht es Yanis Varoufakis offensichtlich nicht um einen vermeintlichen Konflikt zwischen den zahlenden Deutschen und den kassierenden Griechen, sondern, plakativ gesagt, um Oben gegen Unten – die deutschen oder griechischen Oligarchen, die Profiteure, auf der einen Seite und die deutschen oder griechischen Arbeiter und Mitglieder der Mittelschicht, die Zahlenden, auf der anderen.

Die Griechen, die laut Varoufakis ebenfalls “zahlen und zahlen und zahlen” werden, hat “Bild” einfach rausgestrichen. Das wörtliche Zitat, wie es auf der Bild.de-Startseite erschienen ist, ist eine Erfindung der “Bild”-Redaktion.

Im Text zitieren Peter Tiede und Liana Spyropoulou zwar etwas originalgetreuer, aber auch dort fehlten die zahlenden Griechen gänzlich:

Und heute?

Rechnet er knallhart ab und prophezeit den “deutschen Arbeitern und Mittelständlern” gegenüber BILD in Athen: “Sie werden leider zahlen und zahlen und zahlen …”

Profiteure der Krise: “Deutsche oder griechische Oligarche”, die laut Varoufakis “immens vom Rettungspaket des griechischen Staates profitiert haben” – und in Zukunft noch weiter profitieren werden.

Wir haben bei “Bild” nachgefragt, warum das Varoufakis-Zitat derart verfälscht wiedergegeben wird. Ein Sprecher antwortete uns:

Wir haben bei BILD nicht das vollständige Wortlautinterview mit Herrn Varoufakis veröffentlicht, sondern aus diesem insbesondere seine konkrete Antwort auf die Frage, ob wir (Deutsche) unser Geld wiederbekommen werden, in den Mittelpunkt des Beitrages gestellt.

Dabei wurde in der ursprünglichen Fassung des Artikels ein Zitat von Herrn Varoufakis nicht vollständig wiedergegeben. Er sprach nicht nur von deutschen Arbeitern und Mittelschichtlern, die “leider zahlen und zahlen und zahlen”, sondern von deutschen und griechischen. Wir haben dies inzwischen für unsere Leser transparent präzisiert.

Inzwischen befindet sich unter dem Bild.de-Artikel eine entsprechende “Anmerkung der Redaktion”. Die Überschrift lautet nun nicht mehr “‘Die Deutschen werden leider zahlen und zahlen und zahlen …'”, sondern “Deutsche Arbeiter werden ‘leider zahlen und zahlen und zahlen …'”. Und im Text steht jetzt:

Und heute?

Rechnet er knallhart ab und prophezeit: “Wenn Sie ein deutscher oder griechischer Arbeiter oder Mittelschichtler sind, werden Sie leider zahlen und zahlen und zahlen …”

Dass die “Bild”-Redaktion reagiert und transparent korrigiert, ist gut, dürfte aber herzlich wenig bringen. Zahlreiche Medien haben das falsche Varoufakis-Zitat längst abgeschrieben: n-tv.de, “Focus Online”, Merkur.de, das Mitglieder-Magazin der AfD, das Rechtsaußen-Verschwörungsblatt “Compact”. Und auch in den Sozialen Medien wurde der Bild.de-Artikel mit der falschen Überschrift kräftig rumgereicht, unter anderem vom Werteunion-Vorsitzenden Max Otte, von AfD-Politiker Stefan Wirtz und in der Facebook-Gruppe “Dr Hans-Georg Maaßen für Kanzler”.


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In unserem Buch “Ohne Rücksicht auf Verluste” schreiben wir in einem Kapitel über die Feindbilder, die “Bild” seit Jahrzehnten kreiert und bedient – von den 68er-Studenten über die Wölfe bis zu den Geflüchteten. Und es geht auch um die Griechen und deren früheren Finanzminister Yanis Varoufakis. Hier ein Auszug:

“EURE neue griechische Regierung ist dreist, unverschämt und tritt auf wie eine Horde von ungehobelten und manierlosen Pennern. Dieses Pack repräsentiert Griechenland, weil die Mehrheit Eures Volkes diese Leute gewählt hat !” So beginnt ein Brief, der im März 2015 ohne Absender, aber ordentlich frankiert mit 62 Cent, im Briefkasten eines griechischen Restaurants in Düsseldorf landet:

In der Sonne liegen ist doch viel bequemer, insbesondere wenn andere dafür aufkommen … So geht es nicht !! Wir werden, solange diese Regierung derart schäbig, insbesondere fleißige und sparsame Europäer und Deutsche verunglimpft und beleidigt, ganz sicher keine griechischen Waren mehr kaufen, sondern auch Euren Laden ab sofort nicht mehr betreten !! Verkauft doch Eure Waren besser nicht mehr an die “Scheißdeutschen”, sondern macht Euch auf zurück in Euer korruptes, stinkendfaules und total unfähiges Drecksgriechenland

Und als letzten, fett gedruckten Satz: “Griechenland NEIN DANKE !!!!!!!!!”

Als sie den Brief gelesen habe, sei sie geschockt und verängstigt gewesen, erzählt die Restaurantbetreiberin später “Spiegel Online”: Sie habe sich gefragt, was als Nächstes komme. Stehe bald jemand vor der Tür und bedrohe sie, wenn sie abends das Lokal verlasse?

In seinem Brief greift der anonyme Verfasser jene Vorwürfe auf, die von den “Bild”-Medien in den Wochen zuvor nahezu täglich wiederholt wurden. Am 26. Februar 2015 etwa druckt “Bild” das Wort “NEIN” – quer über die gesamte Breite der Seite 2 der Bundesausgabe.1 Darunter die Forderung oder vielmehr der Befehl: “Keine weiteren Milliarden für die gierigen Griechen!” In einem Kommentar daneben schreibt Julian Reichelt, seinerzeit Chef von Bild.de, zu der Verlängerung der Finanzhilfen für Griechenland:

Was am Freitag im Deutschen Bundestag geschehen wird, mag man eigentlich keinem vernünftigen Menschen mehr erklären. Zusammengefasst: Wir überweisen weiter Milliarden nach Griechenland dafür, dass man uns ALLE bisher gebrochenen Versprechen (z. B. Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung) NOCH MAL verspricht.

Wir kaufen Griechenland also im wahrsten Sinne des Wortes seine alten Reformlügen mit neuem Geld ab. Und das, obwohl inzwischen JEDER weiß, dass wir unser Geld niemals wiedersehen werden.

Sind wenigstens die griechischen Politiker, die uns ihr Versprechen geben, glaubwürdiger als ihre Vorgänger?

NEIN!

Dazu startet “Bild” eine “große Mitmach-Aktion”: Man solle die “NEIN”-Seite hochhalten, ein Selfie damit machen und an die Redaktion schicken. So könne und solle man zeigen, dass man “auch gegen weitere Milliarden-Hilfen für die Griechen” sei.

Solche Lesermobilisierungsaktionen setzt die “Bild”-Zeitung schon seit ihren frühen Jahren immer wieder ein, vor allem gegen ihre Gegner. “Durch Appelle an die Lesermeinung fordert die Redaktion politische Willensbekundungen ihrer Leser heraus, die – obwohl demokratisch verbrämt – bisweilen undemokratische Formen annehmen”, schreibt Peter Jordan 1970. So startet “Bild” etwa nach dem Mauerbau 1961 eine Leserbrief-Aktion gegen jene westdeutschen Theaterintendanten, die weiterhin Stücke des bekennenden Marxisten Bertolt Brecht spielten (“Millionen verfluchen diesen Mann”2). “Diese zur Volksabstimmung erhobene Aktion” sei “in wüste Beschimpfungen” ausgeartet, schreibt Jordan. “Bild” sei eben sehr bemüht gewesen, “die ohnehin bewegte deutsche Öffentlichkeit weiter aufzustacheln”.3

Um die bewegte deutsche Öffentlichkeit des Jahres 2015 aufzustacheln, beginnt “Bild” im Frühjahr damit, die Griechen – die währenddessen durch die Sparvorgaben massenhaft in die Armut getrieben werden – als “Raffke-Griechen” und “Griechen-Raffkes” zu bezeichnen. Damit wird der von “Bild” in den Jahren zuvor eifrig verwendete Begriff der “Pleite-Griechen” abgelöst, denn jetzt haben sie ja Geld: “unser Geld”! Die neu gewählte griechische Regierung nennt “Bild” “Radikalos-Regierung” oder “Griechos Radikalos”, aus Finanzminister Varoufakis machen sie wahlweise Finanzminister “Varoutricksis”, den “Krawall-Griechen” oder “Griechenlands Radikalo-Naked-Bike-Rider”. (Ein “Naked Bike” ist einfach ein Motorrad ohne Verkleidung, für “Bild” weckt es aber offenbar aufregend-düstere Assoziationen.) Der damalige Politik-Chef Béla Anda etwa schreibt in seinem “Politik-Briefng”:

Wie lederbejackte Rüpel-Rocker röhren Griechenlands Neo-Premier und sein Posterboy-Finanzminister seit ihrem mit platten Parolen erzielten Wahlsieg durch Brüssel. Ihr Gesetz ist die Straße. Hier sind sie (politisch) groß geworden. Hier ist ihre Hood. Deren Unterstützung wollen die Kawa-Naked-Biker (zumindest Varoufakis hat eine) nicht verlieren.

Vor allem auf Varoufakis, den neuen, linken Finanzminister, schießen sich die “Bild”-Medien ein. Sie engagieren beispielsweise eine Grafologin, die seine Handschrift untersucht und darin “Pathos und Geltungsbedürfnis” feststellt; die Schrift wirke “selbstgefällig” und gehe merkwürdigerweise im “Schlusszug wieder scharf nach links”, das wirke, “als würde er sich selbst wieder durchstreichen, als würde er unbewusst das zuerst Gesagte wieder zurücknehmen”.

Wenig später ist “Bild” maßgeblich an einer bizarren Mittelfinger-Diskussion beteiligt, die sich tagelang hinzieht und weltweit für verwundertes Kopfschütteln sorgt. Im Kern geht es um ein Video, in dem Varoufakis, wie “Bild” entrüstet schreibt, “uns den Mittelfinger” zeige. Tatsächlich muss man die Geste im Kontext sehen: Das Video ist mehrere Jahre alt, Varoufakis zu dieser Zeit noch gar kein Minister und die Geste zur Illustration eines hypothetischen Szenarios gedacht, in dem Varoufakis den deutschen Banken den Finger gezeigt hätte. Eine ebenso komplizierte wie belanglose Geschichte, die in den “Bild”-Medien auf die Nachricht reduziert wird, Varoufakis habe den Mittelfinger “gen Deutschland” gereckt:

Keine Krawatte, der Kragen seines Sakkos hochgestellt, Hände in den Hosentaschen: So zeigen die meisten Fotos Yanis Varoufakis. […] Mit einer drastischen Geste – dem gestreckten Mittelfinger – zeigte er in der Vergangenheit auf Deutschland!

Die Diffamierungskampagne – die bis heute immer mal wieder aufflammt – beschränkt sich aber nicht bloß auf die Politiker Griechenlands, sondern trifft immer wieder auch die Griechen als gesamtes Volk. Seit Beginn der “Pleite-Griechen”-Berichterstattung werden “Bild”-Attacken häufig so formuliert, dass sie sich auf alle Griechen beziehen: “So verbrennen die Griechen die schönen Euros!”4 “Wer soll den Griechen noch glauben?” “Keine Gnade mit den Griechen!” Michalis Pantelouris, Journalist und Sohn eines Griechen, schreibt schon 2010:

Es wird das Bild gemalt von einer Nation, die in fauler Gier anstatt zu arbeiten lieber die EU ausgenommen hat und jetzt überversorgt und fett am Strand liegt, während in Deutschland hart gearbeitet wird, um ihnen das Geld hinterher zu werfen. Natürlich braucht man keinen Nobelpreis, um zu erkennen, dass es so nicht stimmt. Man braucht gerade mal ein Gehirn.

Aber auch: ein Mindestmaß an Informationen, um sich ein realistisches Bild machen zu können. Doch wie bei den Studenten der 68er, den Wölfen und anderen Feinden ersetzt “Bild” bei den Griechen Fakten durch Gefühle. In einer Untersuchung der Griechenland-Berichterstattung deutscher Medien kommt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung in der Hans-Böckler-Stiftung 2016 zu dem Ergebnis:

“Bild” berichtete in 81,6 Prozent der Artikel und damit am stärksten negativ über die griechische Regierung, setzte am intensivsten auf Negativismus, war im geringsten Umfang ausgleichend zwischen verschiedenen Positionen, setzte gezielt Akteure mit negativen Positionen gegenüber der Regierung Griechenlands als Zitatgeber ein und stimmte dann in Artikeln am stärksten mit diesen überein. Die Reformagenda wurde zudem bei der Boulevardzeitung “Bild” im geringsten Umfang thematisiert. Es wurde sich nur auf sehr wenige Reformziele konzentriert, wie z. B. die Einführung einer Großvermögenssteuer, die Reform des Rentensystems oder eine Mehrwertsteuerreform. 73 spezifische Reformen wurden hingegen komplett ausgelassen, soviel wie bei keinem anderen Medium.

Ende Februar 2015 ist die Berichterstattung auch im Bundestag ein Thema. Axel Schäfer, damals stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion, hält die (von ihm durchgestrichene) “NEIN”-Seite aus der “Bild”-Zeitung zu Beginn seiner Rede hoch und sagt unter Applaus:

Wir sind hier sicherlich in einer Reihe von Punkten unterschiedlicher Auffassung. Das ist auch gut so, dass wir das diskutieren. Aber in einem Punkt sollten wir uns hier alle […] einig sein: Wir unterstützen keine Kampagnen gegen andere Länder. Wir unterstützen das nicht!

“Die ‘Bild’ spricht von den gierigen Griechen”, fügt er später in einem Interview hinzu, “aber wir beleidigen niemals ein Land. Wir gegen die – das gibt es nur im Fußball …”

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“Pleite-Iren”? Wer schreibt denn sowas?

Der Vater einer Braut hat zur Hochzeitsfeier seiner Tochter die Bundeskanzlerin eingeladen, und nun konnte Angela Merkel leider nicht persönlich vorbeikommen, sie ließ aber immerhin eine Grußkarte an das Hochzeitspaar schicken und wünschte Braut und Bräutigam alles Gute. Da der Bräutigam 2012, also während der Wirtschaftskrise in Irland, zu einer Gruppe irischer Fußballfans zählte, die bei der Europameisterschaft in Polen und der Ukraine mit einem Banner mit der Aufschrift “Angela Merkel thinks we’re at work” rumlief, ist das alles auch eine Geschichte für die “Bild”-Medien.

In “Bild am Sonntag” und bei Bild.de leiten sie den Artikel so ein:

Wirtschaftskrise, Immobilienblase, Arbeitslosigkeit und Schuldenlast. Im Sommer 2012 war Irland am Boden, das Land musste EU-Hilfen beantragen, die Einwohner wurden als ­Pleite-Iren verspottet.

Wer ist denn bitte so bescheuert und “verspottet” die Einwohner eines ganzen Landes, das bereits “am Boden” liegt, pauschal als “Pleite-Iren”?

Na, wer wohl?

Screenshot Bild.de - EU und IWF auf Rettungs-Mission in Dublin - Wie viele Euro-Milliarden bekommen die Pleite-Iren? Finanzminister deutet Einlenken an
Screenshot Bild.de - Bild.de zu Besuch bei den Pleite-Iren! Wer die Krise in Irland sucht, muss in die Geisterdörfer fahren. So nennen sie hier unbewohnte Siedlungen in den Vororten von Dublin.
Screenshot Bild.de - Die Pleite-Iren wollen rund 90 Milliarden aus dem Euro-Rettungsfonds beantragen. Voraussetzung dafür sind aber drakonische Sparmaßnahmen ähnlich wie in Griechenland.
Screenshot Bild.de - Immer neue Nachrichten von den Pleite-Iren. In Dublin geht es um die Feinheiten: Welche Bedingungen muss Irland erfüllen, um an die etwa 90 Milliarden Euro EU-Geld zu kommen.
Screenshot Bild.de - Botschafter Mulhall - Irland wird die Milliarden zurückzahlen! Die Pleite-Iren wollen sich 85 Milliarden Euro aus dem Rettungsfonds pumpen. Botschafter Mulhall verspricht: Wir zahlen die Milliarden zurück!

Und dann wären da natürlich noch die vielen, vielen Artikel zu den “Pleite-Griechen”.

Mit Dank an Tihomir V. für den Hinweis!

Die AfD-Gärtner der “Bild”-Zeitung wundern sich über die Frucht-Ernte

Liest man heute den Kommentar von Tanit Koch zur Bundestagswahl und den 12,6 Prozent, die die AfD bekommen hat, könnte man fast meinen, dass die “Bild”-Chefredakteurin in den vergangenen Monaten durchgehend im Urlaub war und nichts davon mitbekommen hat, was in ihrem Blatt so passiert ist.

Ausriss Bild-Zeitung - Überschrift des Koch-Kommentars - Die Früchte der Angst

Koch schreibt:

Für Anstand steht das A in AfD nicht. Dennoch wurde sie gewählt — weil die regierenden Parteien, weil die Kanzlerin Vertrauen verspielt haben. (…)

Angela Merkel ist es nicht gelungen, einer verunsicherten Bevölkerung die Sorge vor Kriminalität und Islamisierung zu nehmen.

Die Angst davor gab es lange vor der Flüchtlingskrise. Doch man war sich zu fein dafür, sie zu adressieren. Nun hat die AfD die Früchte dieser Angst geerntet.

Es mag stimmen, dass ein Grund für die AfD-Stärke die Schwäche der “regierenden Parteien” ist. Es mag stimmen, dass Angela Merkel Sorgen nicht schmälern konnte. Was aber auch stimmt, und was Tanit Koch nicht mit einer Silbe erwähnt: Die “Bild”-Zeitung hat “die Sorge vor Kriminalität und Islamisierung” stetig bedient. Um im Bilde zu bleiben: Die fauligen Bäume und dornigen Sträucher, von denen die AfD “die Früchte der Angst” ernten konnte, haben unter anderem Tanit Koch und ihr Team ausgesät, sie haben sie immer wieder gegossen und gepflegt.

Da war zum Beispiel das “Bild”-Wahlprogramm:

Ausriss Bild-Titelseite - Das große BILD-Wahlprogramm - Was sich endlich ändern muss - Rente! Steuern! Sicherheit!

Am 17. Juli, also gut zwei Monate vor der Bundestagswahl, veröffentlichte die Redaktion fast auf einer kompletten Doppelseite eine Sammlung aus 25 “ES KANN DOCH NICHT SEIN”-Punkten:

Ausriss Bild - Übersicht zur Doppelseite mit verschiedenen Wahlprogrammpunkten

Nur ein Beispiel:

Ausriss Bild-Zeitung - Forderung der Bild zu Asyl/Integration - Es kann doch nicht sein, dass Asylsuchende und Zuwanderer sich nicht nach unseren Regeln richten. Darum gilt in Deutschland ein Burka-Verbot. Frauen und deren Ehemänner, die sich dem Widersetzen, werden mit Bußgeld belegt. Handelt es sich um Touristen, müssen sie umgehend ausreisen. Ein umfassendes Ausweisungsgesetz regelt zudem, welche Straftaten zum Verlust des Aufenthaltsrechts führen. Fortgesetzter Sozialbetrug führt zur Beendigung eines Asylverfahrens.

Schon die Entscheidung für diesen Wahlkampfpunkt hat nichts mit Aufklärung zu tun, nichts mit dem Nehmen von Sorgen, sondern ist das reine Bedienen von Sorgen durch ein Scheinproblem. Abgesehen von dem Detail, dass es in der Regel nicht um Burkas, sondern um Niqabs geht, betrifft dies wohl wie viele Menschen in Deutschland? Auf der Sonnenallee in Berlin-Neukölln sicher ein paar mehr. In der Fußgängerzone in Görlitz vermutlich deutlich weniger. Sind es insgesamt im ganzen Land überhaupt mehr als 1000 Niqab-Trägerinnen? Dank “Bild” sieht es für mehrere Millionen Menschen wenige Wochen vor der Wahl so aus, als gehöre das Thema Burka/Niqab zu den 25 dringendsten der Bundesrepublik.

Dass ein Teil dieser Leute dann an den Laternen AfD-Plakate hängen sieht, auf denen steht “‘Burkas?’ Wir steh’n auf Bikinis.”, und sich denkt “Och, joar, könnte man vielleicht wählen” — völlig abwegig ist das nicht.

Diese Burka-Forderung, dieses ganze “Bild”-Wahlprogramm voller AfD-Positionen war komplett unnötig. Ja, man kann das machen, wenn man ganz rechten Positionen eine Plattform geben, Ressentiment schüren und ein bisschen zündeln will. Aber man muss es nicht. Und vor allem muss man sich dann nicht einen Tag nach der Wahl verblüfft zeigen über 12,6 Prozent. Bei der AfD waren sie im Juli jedenfalls hellauf begeistert von der kostenlosen Wahlwerbung in der immer noch auflagenstärksten Tageszeitung Deutschlands:

Tweet der AfD Bund - Hallo Bild, nahezu alles hier findet sich im AfD-Wahlprogramm
Tweet der AfD Berlin - So schnell kann es gehen: Das Bild-Wahlprogramm liest wie das der AfD. Gut gemacht
Tweet von Uwe Junge - Endlich! Die BILD als Wahlkampfblatt für die AfD! Unser Programm in BILD veröffentlicht!

Das “Bild”-Wahlprogramm war nur ein kleiner Baustein der Berichterstattung, die Uwe Junge, Alexander Gauland, Alice Weidel und all den anderen in die Hände gespielt hat. Seit Jahren — auch schon lange vor Gründung der AfD — trägt die Redaktion dazu bei, dass Positionen wie die der rechtesten Partei im kommenden Bundestag millionenfach an Kiosken liegen. Und häufig basieren die empörten und empörenden Schlagzeilen auch noch auf falschen Fakten. Da war beispielsweise der von einem AfD-Sympathisanten erfundene falsche Flüchtlings-“Sex-Mob”, den “Bild” willfährig aufgriff. Die sechsfach falsche Meldung, dass in Deutschland “aus Rücksicht auf Muslime die christlichen Wurzeln des Weihnachtsfestes unterschlagen” würden. Die falsche Geschichte, dass Politiker forderten, dass Christen “im Weihnachts-Gottesdienst muslimische Lieder singen” sollen. Die falsche Information, dass Flüchtlinge in Hamburg problemlos schwarzfahren dürften. Oder das falsche Gerücht, dass Sanitäter des Roten Kreuzes wegen Asylbewerbern nun Schutzwesten anhätten. “Bild” schreibt gegen Muslime, gegen Roma, gegen Griechen, gegen Ausländer, noch mal gegen Muslime, ein weiteres Mal gegen Muslime, gegen Migranten, gegen Muslime. Es sei auch noch mal an den hasserfüllten Kommentar von Nicolaus Fest erinnert, der einst Kulturchef bei “Bild” und bis September 2014 stellvertretender Chefredakteur beim Schwesternblatt “Bild am Sonntag” war und der gestern als Direktkandidat der AfD im Berliner Bezirk Charlottenburg-Wilmersdorf nicht den Einzug in den Bundestag schaffte.

Am 17. Juli dann also das “Bild”-Wahlprogramm. Und auch danach ging es weiter mit der AfD-Förderung durch das Boulevardblatt. Mats Schönauer hat sich bei “Übermedien” durch die vergangenen zwei “Bild”-Monate gewühlt. So sahen die Titelseiten und Überschriften aus:

Collage mit Bild-Schlagzeilen - Mitten in Deutschland Burka-Frau verprügelt Dessous-Verkäuferin - Krankenkassen machen Minus Flüchtlinge kosten 20 Millionen im Monat - Asylbetrug So leicht ist es in Deutschland abzukassieren - Die große Abschiebe-Lüge - 387 Abschiebungen in letzter Minute gestoppt - Das hat der Islam mit Terror zu tun - So viele Flüchtlinge haben keinen Schulabschluss - Und wieder ein Frauenmörder der längst abgeschoben sein müsste - Joggerin vergewaltigt Warum wurde der Täter nicht abgeschoben? - Die Strafakte der abgeschobenen Afghanen - So spaltet die Flüchtlingskrise unser Land

Ich glaube nicht, dass die “Bild”-Redaktion ein Haufen von AfD-Wählern ist. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass Julian Reichelt und Tanit Koch und die meisten anderen “Bild”-Mitarbeiter in ihren Kommentaren öffentlich gegen diese Partei anschreiben und in der Wahlkabine heimlich Kreuze bei ihr machen. Und trotzdem ist die “Bild”-Zeitung ein AfD-Blatt. Mit ihren gewählten Schwerpunkten, mit den Zuspitzungen auf den Titelseiten, mit den verwendeten Begriffen in Überschriften haben Reichelt und Koch und viele ihrer Kollegen die Gesprächsthemen in Büromittagspausen, in Bauwägen und an analogen wie digitalen Stammtischen geprägt. Über die “Burka-Frau” wurde dort diskutiert. Man regte sich über die Bedrohung der Rot-Kreuz-Sanitäter auf. War wütend über schwarzfahrende Flüchtlinge. “Bild” hat nicht direkt für die AfD geworben. “Bild” hat aber den öffentlichen Diskurs im Sinne der AfD vorgegeben.

Tanit Koch und ihre Redaktion titeln heute:

Titelseite der Bild-Zeitung - Der Rechts-Rumms

“Bild” hat kräftig mitgerummst.

Bild.de-Urlaubern fällt falscher Fleischfresser-Koala auf den Kopf

Planen Sie eine Reise nach Australien? Dann legen Sie am besten ein paar Gabeln bereit, die sie sich vor Ort in die Haare stecken können, und eine Extra-Tube Zahnpasta, um sie sich nach Ankunft hinter die Ohren zu schmieren. Denn nur so können Sie sich ordentlich vor fleischfressenden Freifall-Koalas schützen — jedenfalls wenn man den großen Fehler macht, auf Bild.de zu hören, und die Reisetipps des Portals konsequent weiterdenkt.

Doch der Reihe nach. Bild.de präsentierte gestern Abend “99 Fettnäpfchen, die Urlauber vermeiden sollten”, eine lange Liste mit Hinweisen zu verschiedenen Reisezielen auf der ganzen Welt:

99 Fettnäpfchen, die Urlauber kennen sollten - Hier müssen Sie in Schlappen aufs WC

In Frankreich solle man etwa “nach dem Dessert keinen Wein mehr trinken”. In Griechenland solle man die Menschen nicht als “Pleite-Griechen” beschimpfen solle man die “Menschen am Telefon an ihrer Stimme erkennen”. Und in Taiwan solle man “am Neujahrstag nicht putzen”.

Zu Australien gibt Bild.de fünf Tipps. Nummer eins: Man solle “Koalas nicht mit dropbears verwechseln”:

In Australien sollten Sie Koalas nicht mit dropbears verwechseln - Garantiert: Planen Sie eine Reise nach Australien, werden Sie mindestens ein Dutzend Bekannte fragen, ob Sie nicht Angst vor den Killerspinnen und Riesenschlangen haben. Dabei ist die größte Gefahr ein ganz andere: Uninformierte Touristen verwechseln goldige, harmlose und zuckersüße Koalas mit den fleischfressenden dropbears, die sich aus Eukalyptusbäumen herabstürzen. Erkundigen Sie sich stets vor Ort über das lokale Risiko!

Wie man möglichen Angriffen durch die “fleischfressenden dropbears” vorbeugen kann? Laut “Wikipedia” sollen die eingangs erwähnten Mittel helfen:

Es werden verschiedene Methoden vorgeschlagen, um Drop Bears abzuschrecken. Dazu gehört, sich Gabeln in die Haare zu stecken, sich Vegemite oder Zahnpasta hinter die Ohren zu schmieren, auf sich selber zu urinieren oder nur Englisch mit australischem Akzent zu sprechen.

Bei “Wikipedia” steht allerdings auch:

Ein Dropbear oder Drop Bear (wörtliche Übersetzung “Fall-Bär”) ist ein fiktives australisches Beuteltier. (…) Geschichten über Angriffe werden erzählt, um Touristen zu erschrecken.

Für Ihren nächsten Besuch bei Bild.de hätten wir auch noch eine Reisewarnung einen Tipp:

Bei Bild.de sollten Sie Journalismus nicht mit dem Reinfallen auf Witze verwechseln - Garantiert: Planen Sie einen Besuch bei Bild.de, werden Sie mindestens ein Dutzend Bekannte fragen, ob Sie nicht Probleme mit all den üblen Kampagnen des Portals oder mit dem Veröffentlichen von bei Facebook geklauten Fotos verstorbener Menschen haben. Dabei ist die größte Gefahr eine ganz andere: Uninformierte Bild.de-Redakteure verwechseln lustige Gruselgeschichten aus Down Under mit der Realität. Erkundigen Sie sich stets bei BILDblog über das aktuelle Risiko!

Mit Dank an Marcel H. für den Hinweis!

Nachtrag, 16:07 Uhr: Bild.de hat in der Zwischenzeit reagiert und lässt die “Dropbears” nun nur noch “mit einem Augenzwinkern” auf “uninformierte Touristen” fallen:

Besucher sollten sich vor Ort stets über das lokale Risiko erkunden, empfiehlt der Autor mit einem Augenzwinkern (Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes war die Ironie nicht direkt erkennbar. Wir bitten um Entschuldigung).

Bei Schwarzarbeit macht den Griechen keiner was vor

Die Griechen mal wieder:


(morgenpost.de)


(„Bild“-Titelseite, heute)

Die Deutschen dagegen:


(„Spiegel Online“)


(„Berliner Zeitung“)

Der Grund für die Überschriften von den fleißigen Deutschen und den schludrigen Griechen: Das Institut für Angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) schätzt jedes Jahr den Anteil der Schwarzarbeit am Bruttoinlandsprodukt der OSZE-Länder (von „Weltmeister“, wie die Morgenpost schreibt, kann daher sowieso keine Rede sein). Heute ist die Prognose für 2016 erschienen und, was soll man sagen, die Zahlen sprechen für sich — und gegen Griechenland:

Deutsche Presse-Agentur:

Negativ-Spitzenreiter ist Griechenland mit einem Wert von 22 Prozent — fast jeder fünfte Euro, der dort erwirtschaftet wird, entstammt also der Schattenwirtschaft. Grund: Dort gelte Schwarzarbeit in der Bevölkerung als deutlich unproblematischer als in Deutschland, sagen die Experten.

„Spiegel Online“:

Negativ-Spitzenreiter ist Griechenland mit einem Wert von 22 Prozent – fast jeder fünfte Euro, der dort erwirtschaftet wird, entstammt also der Schattenwirtschaft. Der Grund: Dort gelte Schwarzarbeit in der Bevölkerung als deutlich unproblematischer als in Deutschland, sagen die Experten.

„Bild“:

Am größten ist der Schwarzarbeit-Anteil mit 22% am BIP in Griechenland.

„Berliner Morgenpost“:

Die Griechen zählen zu den negativen Spitzenreitern in der Schattenwirtschaft, dicht gefolgt von Italien, Spanien oder Portugal. Illegale Beschäftigung macht hier zwischen 17 und 22 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus.

Daran ist grundsätzlich nichts falsch. Allerdings: Es gibt auch Zahlen, die für die Griechen sprechen. Denn sie sind nicht nur bei der Schwarzarbeit Spitzenreiter — sondern auch bei deren Bekämpfung.

2004 hatte Schwarzarbeit noch einen Anteil von 28,1% am BIP. Seitdem ist sie — mit Ausnahme von 2009 und 2010 — kontinuierlich gesunken. Insgesamt um 6,1 Prozentpunkte. Darüber berichtet aber keines der erwähnten Medien. Und das, obwohl das Institut extra eine verständliche Grafik angefertigt hat:

Weil sie so gut versteckt war? Naja:

Eventuell liegt es daran, dass die Nachricht so gut zu der insbesondere von der „Bild“-Zeitung immer wieder erzählten Geschichte der faulen Griechen passt.

Und vielleicht auch daran, dass man die Studie dafür hätte lesen müssen. Dann wäre den Journalisten vielleicht sogar aufgefallen, dass eine Formulierung der dpa-Meldung, die sie übernommen haben, falsch ist: 22% Anteil am BIP ist nicht „fast jeder fünfte Euro“. 22% sind mehr als jeder fünfte, nämlich fast jeder vierte Euro.

Korrektur, 4. Februar: Einige Leser haben uns darauf hingewiesen, dass die Formulierung “fast jeder fünfte Euro” doch richtig ist. Denn die 22% beziehen sich nicht auf den Anteil der Schattenwirtschaft ​am​ BIP, sondern ​im Verhältnis zum​ BIP. Wenn zu den 100% BIP noch 22% Schwarzarbeit hinzukommen, dann ist sozusagen die Gesamtwirtschaftsleistung 122% — und davon sind 22% fast ein Fünftel. Wir bitten um Entschuldigung und danken Richard und Christoph für den Hinweis.

Lobschummelei bei Bild.de

Bei Bild.de platzen sie gerade fast vor Stolz:

Günter Wallraff hat dem “SZ Magazin” für die aktuelle Ausgabe ein großes Interview gegeben (kostenpflichtig). Darin erzählt der Investigativjournalist nicht nur, dass er geplant hatte, sich für einen ehemaligen US-Soldaten als “IS”-Geisel eintauschen zu lassen, sondern auch über sein Verhältnis zur “Bild”-Zeitung.

Er habe neulich per Zufall “den Artikel eines jungen Kollegen entdeckt”, der ihm gefallen habe, sagt Wallraff im Laufe des Gesprächs. Es geht um einen Text von “Bild”-Reporter Daniel Cremer, der unter falschem Namen an einem sogenannten “Entschwulungskurs” in den USA teilgenommen und darüber berichtet hat.

Wallraffs Aussage zitiert Bild.de so:

Jubel in der Redaktion:

Großes Lob von Günter Wallraff (73) — für BILD!

Das Problem dabei: Bild.de hat einen nicht ganz unwesentlichen Teil von Wallraffs Aussage weggelassen (von uns gefettet):

Der hätte eine reißerische Kolportage daraus machen können, aber seine Reportage war einfühlsam und überzeugend, und er hat die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen respektiert, was ansonsten ja nicht gerade Bild-typisch ist. Diese Selbsterfahrung hätte genauso in der Zeit oder der Süddeutschen erscheinen können. Ich bin immer wieder froh, wenn ich in meiner Grundhaltung irritiert werde.

Auch vor und nach dieser Stelle singt “Bild”-Kritiker Wallraff kein Loblied auf das Boulevardblatt. Mit freundlicher Genehmigung des “SZ Magazins” zitieren wir hier (ganz ohne Kürzungen) die Passagen, in denen sich Günter Wallraff über die “Bild”-Zeitung äußerst:

Sie klingen andererseits immer wieder so versöhnlich. Gibt es jetzt bald Frieden mit dem Springer-Verlag?
Nachdem ich die Bild-Zeitung mit einem gemeingefährlichen Triebtäter verglichen hatte, rief mich deren Chefredakteur Kai Diekmann an und rechtfertigte sich, dass Bild nicht mehr so sei wie damals, als ich den Aufmacher veröffentlichte. Ich hatte den Eindruck, der will etwas ändern. Vielleicht ist aus dem Boulevard-Heroin inzwischen Methadon geworden. Früher war das Blatt ja mit Hetze gegen Ausländer, Linke und Minderheiten jeder Art durchtränkt. Seitdem gab es gab Wellenbewegungen, gelegentlich waren da Chefredakteure, die etwas weniger sensationsgierig, politisch etwas weniger rechts ausgerichtet waren. Dann produzierte Bild etwas weniger Hass, etwas weniger Frauenverachtung, etwas weniger Minderheitenhetze und dergleichen. Die Bild ist heute vorsichtiger geworden, das liegt sicher auch am Zeitgeist, der vulgären Sexismus oder dumpfen Rassismus nicht besonders mag.

Wie finden Sie die Berichterstattung der Bild-Zeitung über Griechenland?
Das war systematische Hetze mit Schlagzeilen wie: “Verkauft doch eure Inseln, ihr Pleite-Griechen und die Akropolis gleich mit!” Ich kaufe die Bild ja nicht, aber in Zügen oder Restaurants liegt sie manchmal rum. Da habe ich neulich zu meiner Überraschung den Artikel eines jungen Kollegen entdeckt. Der Autor bekennt sich als schwul und hat sich in den USA undercover in eine dieser obskuren Selbsthilfegruppen begeben, die Homosexualität “heilen” wollen.

Jetzt beschäftigt sogar die Bild-Zeitung Wallraff-Schüler?
Der hätte eine reißerische Kolportage daraus machen können, aber seine Reportage war einfühlsam und überzeugend, und er hat die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen respektiert, was ansonsten ja nicht gerade Bild-typisch ist. Diese Selbsterfahrung hätte genauso in der Zeit oder der Süddeutschen erscheinen können. Ich bin immer wieder froh, wenn ich in meiner Grundhaltung irritiert werde. Ich brauche Irritationen.

Die Wandlungsfähigkeit des Bild-Chefs Kai Diekmann dürfte Ihnen doch gefallen. Der tritt mal mit, mal ohne Bart auf, mal im Anzug und mal im Kapuzenpulli.
Die Auflage von Bild ist den letzten Jahren gewaltig eingebrochen. Vielleicht ist seine äußerliche Verwandlung ja Ausdruck für den Versuch einer Neuorientierung. Ich habe Bild schon vor einiger Zeit zum Ansporn attestiert: Es gibt sehr wohl eine Sorte von Triebtätern, die noch therapierbar ist. Das müssen sie aber erst unter Beweis stellen.

Nachtrag, 20.23 Uhr: Bild.de gibt das Zitat jetzt doch vollständig wieder und schreibt unter dem Artikel:

*Das Zitat wurde nachträglich ergänzt, nachdem es in einer vorherigen Version nicht vollständig wiedergegeben war.

Wer Hass sät

“Bild” hat also beschlossen, noch ein wenig im Mittelalter zu verweilen.

So viel offener Hass war noch nie in unserem Land! Und wer Hass sät, wird Gewalt ernten. (…) BILD reicht es jetzt: Wir stellen die Hetzer an den Pranger!


(Alle Unkenntlichmachungen von uns.)

So präsentiert “Bild” heute knapp 40 Kommentare von Facebook (ganz prangermäßig natürlich samt Fotos und Namen der Verfasser). Zum Beispiel von Marco W.:

Verpisst euch aus Deutschland

Oder von Waldemar B.:

An die Wand,mit dem Dreckspack.

Oder von von Silvio B.:

Sind wir nicht alle ein bisschen Nazi

Dazu erklärte “Bild”-Chef Kai Diekmann heute:

Man kriegt Angst, wenn man sich dieser Tage die Nachrichten anschaut. Eine Politikerin, die sich für Flüchtlinge einsetzt in Köln, wird einfach abgestochen, niedergestochen. Da gibt es Demonstrationen, da laufen Leute rum mit selbstgebastelten Galgen, an denen Politiker hängen. Und das alles hat angefangen mit diesen Hass-Posts, mit diesen Hass-Tweets in den sozialen Medien. Und da gilt einfach, wir sehen es jetzt: Wer Hass sät, der wird Gewalt ernten. Das können wir nicht zulassen, da müssen wir „Halt, Stopp!“ rufen. Da wird ein Klima erzeugt, was wir nicht wollen. Und deshalb ist es richtig, diese Leute, die glauben, hier mit ihrem Gesicht diesen Hass, diesen Rassismus verbreiten zu müssen – die müssen wir an den Pranger stellen.

Die eigentliche Frage lässt er allerdings unbeantwortet: Warum „Bild“ die Hetzer an den Pranger stellt. Was soll das bewirken? Dass die 40 Abgebildeten jetzt stellvertretend für all die Dumpfnasen sozial geächtet, von ihrer Familie verstoßen und von ihrem Boss gefeuert werden? Oder dass sich die rechtschaffenden Leser dazu aufgefordert fühlen, die Sache selbst in die Hand zu nehmen?

Der Medienanwalt Christian Solmecke hat die Aktion heute stark kritisiert. In einer Pressemitteilung schreibt er, „Bild“ hätte die Fotos und Nachnamen verpixeln müssen:

Unabhängig davon welche Straftat möglicherweise durch ein Bürger begangen wurde, gilt immer noch die Unschuldsvermutung. Dieses Prinzip gehört zu den fundamentalen Grundlagen unseres Rechtsstaates und wird durch einen solchen undifferenzierten Internetpranger mit Füßen getreten. Hinzukommt, dass die Verfolgung von Straftaten ausschließlich den zuständigen Behörden zukommt. Wer die Namen potentieller Straftäter veröffentlicht, verurteilt diese, bevor die Strafverfolgungsbehörden überhaupt Ermittlungen aufgenommen haben. Dies widerspricht unserem Rechtssystem und greift tief in die Grundrechte der einzeln aufgeführten Personen ein.

Gerade diejenigen, „die zwar moralisch verwerfliche Kommentare von sich geben, jedoch die Grenze der Strafbarkeit noch nicht erreichen“, würden „besonders stark in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt“, schreibt Solmecke. Das Gleiche gelte für jene, die einen ähnlichen Namen tragen „und durch die Berichterstattung nun mit rechtswidrigen Äußerungen in Verbindung gebracht werden“.

Beim Presserat sind schon die ersten Beschwerden eingegangen, was in den Springer-Chefetagen freilich nur für eines sorgte:

Aber zurück zu den Hetzern, also denen bei Facebook.

Angefangen habe alles „mit diesen Hass-Posts, mit diesen Hass-Tweets in den sozialen Medien“, sagt Kai Diekmann. Aber das ist nicht ganz richtig.

Ab ins Arbeitslager, und die Alte gleich mit !!!

Garnicht erst reinlassen diesen Abshaum
raus aus der EU und die Grenzen wieder dicht !!!

Die Familie sofort abschieben, meine Steuern sind mir zu Schade für solche Menschen, der wird sonst sein Leben lang auf Kosten der anderen leben. Kein Wunder, wenn die Deutschen immer mehr nach rechts rucken, so kann es nicht weitergehn!!!

Diese Hass-Botschaften sind nicht bei Facebook oder Twitter veröffentlicht worden, sondern in der Kommentarspalte von Bild.de. Und sie waren auch nicht der Anfang, sondern eine Reaktion – auf diesen Artikel:

Dass die beiden in Wirklichkeit Deutsche sind, haben die „Bild“-Medien damals natürlich verschwiegen. Dort war nur von „Roma“ die Rede.

Und dieses Pack füttert der Steuerzahler durch, sofort dort hin wo sie hin gehören.
Sehe es auch so, dass später nur krumme Dinger gedreht werden. Haben doch genug von den Romas in Deutschland Der größte Teil ist wie die oben genannte Sippe. Ein Kind nach dem anderen kriegen. Geld kassieren und nicht arbeiten.

Viele solcher Hass-Posts kamen nicht aus dem Nichts. Sie kamen, weil „Bild“ sie provoziert hat.

Das ist unser D E U T S C H L A N D!!!
Wir, das Volk sollte mitbestimmen dürfen, wen wir hier reinlassen oder nicht!
Ich möchte nicht, mit einer S&W Cal .357 schlafen, bzw. jeden Tag draussen rum laufen müssen,
aus Angst wegen ein paar Cent ausgeraubt zu werden!
Aber, ich denke, das ist so gewollt mit der Unterwanderung anderer Völker in Deutschland.
Siehe I. und II.WK!

Ich bin nur noch traurig. Haben diese Richter keine Verantwortung oder Gespür für das deutsche Volk.
Wer hier schreib es gibt keine Menschen erster od. zweiter Klasse gibt, hat eigentlich recht. Mitlerweile komme ich mir, als hier geborener,also echter Inländer, schon vor wie in der dritten Klasse.

[…] jetzt müssen wir noch Rumänen und Bulgaren, die arbeitsscheu sind unterstützen. Für einen Normalverdiener mit Kindern ist es doch jetzt schonj uninteressant in die Arbeit zu gehen. […] Aber für Asylanten und sonstige haben wir scheinbar genug Geld. Armes Deutschland.

Diese Kommentare sind erschienen, weil „Bild“ geschrieben hatte:


Dabei war das nur ein winziger Teil der Wahrheit. Das Urteil bezog sich nämlich nicht nur auf Rumänen und Bulgaren, sondern auf alle EU-Bürger, die in Deutschland leben und keinen Job finden, völlig unabhängig davon, aus welchem EU-Land sie kommen.

Nächstes Beispiel.

Solche Dreckspatzen sollte man verrecken lassen!!!!!!!

Großes Schiff. Care-Paket für die Reise, Bundeswehr“reisebegleiter“ mit genügend Waffen im Anschlag und gute Heimreise. Ganz einfach.
Wer tatsächlich vor Krieg und Tot fliehen MÜSSTE, benimmt sich nicht so , sondern würde vor Dankbarkeit den ganzen Tag arbeiten und fleißig deutsch lernen, um sich möglichst schnell in die Kultur und Gesellschaft einzubringen und anzupassen…!

Gleich eine Injektion aufziehen mit Fentanyl und Dormicum dazu noch ein bißchen Lidocain und fertig..

All das sind Reaktionen auf den „Bild“-Artikel, in dem behauptet wird, Rettungssanitäter in Bautzen müssten jetzt Schutzwesten tragen – „aus Angst vor Attacken im Asyl-Hotel“. Was überhaupt nicht stimmt.

Nächstes Beispiel.

Der deutsche Steuerzahler blecht dafür, dass brutale Ausländer in Deutschland sicher leben können, muss aber damit rechnen, von ihnen verprügelt zu werden!

Ah, nee. Das stammt von „Bild“ selbst.

Diese hier aber …

bekomme ein immer größeren Hass auf den rückständigen sch**** Islam, und das ist auch gut so. Lange lebe PEGIDA. Und Gauck, du Urmel aus dem Eis, gehe dahin wo die Baumwollpflücker leben….over and out.

WIE BESCHEUERT UND VERRÄTERISCH GEBEN SICH DIESE ISLAM-ARSCHKRIECHER NOCH BEI DER ABSCHAFFUNG UNSERER KULTUR UND UNSERER WERTE?!

Und genau darum bin ich dabei, genau darum werde ich im Neuen Jahr weiter argumentieren, mich streiten, mit linkem PACK anlegen, demonstrieren, zum N.A.S.I gemacht, und ich werde es aushalten, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Und der Gemeinde noch ein schönes Weihnachtsfest !

… sind ebenfalls Reaktionen auf einen zurechtgebogenen „Bild“-Artikel, in dem das Blatt behauptete, Politiker würden „fordern“, dass im christlichen Weihnachtsgottesdienst muslimische Lieder gesungen werden.

Eine Idee, die in Wahrheit von „Bild“ kam, nicht von den Politikern.

Es gibt unzählige solcher Beispiele: Islam-Rabatt, Weihnachtsmarktverbot, Sonne-Mond-und-Sterne-Fest, Schnitzelkrieg, Moslem-Feiertag, Sarrazin, Ehrenmorde, Roma, Griechen, kriminelle Ausländer und so weiter und so weiter. Seit Jahren verschweigen die „Bild“-Medien bei diesen Themen entscheidende Tatsachen, sie verdrehen die Fakten zu knalligen Schlagzeilen, sie tricksen und lügen, sie heizen die Stimmung an, sie säen den Hass, über den sie sich heute empören.

Oder anders:

Mit Dank auch an Saskia K., Geesje R., Thomas R., Christian B. und bluspot.

Siehe auch:

Wie „Bild“ Ausländerfeindlichkeit fördert
Wie „Bild“ den Hass gegen Flüchtlinge schürt
„BILD lässt Vorurteile wachsen“

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