Suchergebnisse für ‘Ausländer’

Wachhund “taz”, Shopping mit Silke und Holger, Philosophia Nonsensis

1. taz ist “Wachhund der Öffentlichkeit”
(blogs.taz.de, Jony Eisenberg)
Die “taz” hatte nach dem Einzug der AfD in den Bundestag zu den Hintergründen der AfD-Abgeordneten und ihren Mitarbeitern recherchiert. Dagegen war ein mittlerweile ehemaliger Bundestagsmitarbeiter juristisch vorgegangen, dessen rechtsradikale Vergangenheit von der “taz” aufgedeckt worden war. Nachdem die “taz” in erster Instanz unterlag, kündigte das Oberlandesgericht nun an, ihr recht zu geben. Eine Entscheidung von herausragender Bedeutung für die Berichterstattung über die AfD und deren Bundestagesmitarbeiter, wie “taz”-Jurist Jony Eisenberg anmerkt.

2. Newsrooms: Notwendig oder nicht?
(politik-kommunikation.de, Kathi Preppner)
Parteien wollen gerne die Kontrolle über ihre öffentliche Wahrnehmung haben. Im Social-Media-Zeitalter liegt es nahe, eigene Medienkanäle zu schaffen und diese direkt zu bespielen. Manche Parteien haben dazu sogenannte “Newsrooms” eingerichtet, in denen sie an der journalistischen Aufarbeitung ihrer Botschaften basteln. “politik & kommunikation” hat sich bei den großen Parteien umgehört, wie sie in Sachen Kommunikation und Medienarbeit verfahren.

3. Provokant gefragt
(deutschlandfunk.de, Susanne Lettenbauer, Audio: 5:56 Minuten)
Der österreichische Milliardär und Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz ist auch Medienunternehmer und steckt direkt beziehungsweise indirekt hinter dem österreichischer Privatfernsehsender ServusTV und der Rechercheplattform “Addendum”. Mateschitz fiel in der Vergangenheit durch rechtspopulistische Äußerungen auf. Ist “Addendum” deshalb eine Art “Breitbart der Alpen”? Eher nicht, findet Susanne Lettenbauer im Deutschlandfunk.

4. “Philosphia Perennis” veröffentlicht irreführende Liste von Fällen, bei denen angeblich Ausländer Personen vor Züge stießen
(correctiv.org, Philip Steeg)
“Correctiv” hat einen Artikel des rechten Blogs “Philosophia Perennis” mit einer Liste “ausländischer Gleisschubser” auf seine Wahrhaftigkeit untersucht. Das Ergebnis: “Bei etwa der Hälfte waren die Täter entweder unbekannt oder deutsche Staatsbürger. Die Behauptung, dass ausschließlich Ausländer an den Delikten beteiligt seien, stimmt nicht.”

5. Rezo-Style als neues YouTube-Genre: Zerstörungsversuche vor den Wahlen in Österreich
(netzpolitik.org, Leonhard Dobusch)
Das Video “Die Zerstörung der CDU” des Youtubers Rezo war ein sensationeller Erfolg (16 Millionen Aufrufe), den nun auch andere wiederholen wollen: Anlässlich der bevorstehenden Parlamentswahlen in Österreich gehen gleich mehrere Youtuber mit ähnlichen Videos an den Start. Die Abrufzahlen sind derzeit eher bescheiden und ein Einfluss auf das Wahlergebnis erscheint unwahrscheinlich. Laut Leonhard Dobusch können diese und ähnliche Videos im Rezo-Style dennoch als “Indiz für eine breitere Politisierung von YouTube” gelten.

6. Silke und Holger kaufen sich eine Zeitung
(neues-deutschland.de, Tim Wolff)
Die DuMont-Mediengruppe hat ihren Berliner Verlag mitsamt Druckerei und “Berliner Zeitung” verkauft. Neue Eigentümer sind Silke und Holger Friedrich, ein in der Medienbranche bislang weitgehend unbekanntes Unternehmerpaar. Ex-“Titanic”-Chef Tim Wolff hat sich einige Äußerungen des medienunerfahrenen Pärchens angeschaut. Sein Befund: “Nein, hysterisch wird im Angesicht von Silke und Holger niemand, denn sie sind ein hervorragendes Beispiel dafür, was die beiden Deutschlands und die Weltläufte hervorgebracht haben: Menschen, die pathologisch beliebig Wörter von schwammiger Bedeutung aneinanderreihen und das Ergebnis mit so etwas wie »Haltung« verwechseln.”
Zusätzlicher Hörtipp: Silke und Holger Friedrich im ausführlichen Interview bei radioeins (radioeins.de, Jörg Wagner & Daniel Bouhs, Audio: 1:10:09 Stunden).

Bild  

Rechte Straftaten? Nicht in “Bild”

In den ersten drei Monaten dieses Jahres gab es in Hessen 115 Fälle von Straf- und Gewalttaten im sogenannten Phänomenbereich der politisch motivierten Gewalt – rechts; im Phänomenbereich der politisch motivierten Gewalt – links waren es von Januar bis März 52 Fälle. Das geht aus zwei Antworten des hessischen Innenministeriums (PDF und PDF) auf Kleine Anfragen der SPD-Fraktion hervor.

Vergleicht man die Zahlen zu linken und rechten Straftaten, gab es also mehr als doppelt so viele “Straf- und Gewalttaten mit rassistischem, antisemitischem, rechtsextremistischem und/oder ausländerfeindlichen Hintergrund”. Und was landet in der Frankfurter “Bild”-Ausgabe in der Überschrift?

Ausriss Bild-Zeitung - 52 linke Straftaten bis April in Hessen

Die rechten Straftaten erwähnt die Redaktion nicht mit einem Wort. Die komplette Meldung im Blatt lautet:

2018 gab’s in Hessen 227 Fälle linker Kriminalität, darunter 20 Gewaltdelikte. 2017 waren es noch 183 Fälle (20 Gewalttaten). In den ersten drei Monaten zählt das Innenministerium bereits 52 Fälle, darunter fünf Gewaltdelikte.

In 34 Fällen war Frankfurt der Tatort. Dahinter: Fulda (7) Wiesbaden (2).

30 Tatverdächtige wurden ermittelt, davon waren zehn weiblich. Bei den Gewalttaten handelt es sich überwiegend um Angriffe auf Polizeibeamte bei Demonstrationen.

Der Vollständigkeit halber: 2018 gab’s in Hessen 603 Fälle rechter Kriminalität, darunter 27 Gewaltdelikte. 2017 waren es 602 Fälle (18 Gewalttaten).

Mit Dank an @jnfrhlch für den Hinweis!

Nachtrag, 27. August: Vor rund zwei Wochen hatte die Frankfurter “Bild”-Redaktion doch auch über die rechten Straftaten berichtet — ohne dabei die linken Straftaten zu erwähnen. Das haben wir bei unserer Recherche übersehen, wofür wir um Entschuldigung bitten möchten.

Auch bei Bild.de sind diese Zahlen erschienen. Über dem Artikel steht:

115 POLITISCH MOTIVIERTE TATEN IN DREI MONATEN — Die Liste der Schande

… was nicht so wirklich stimmt, schließlich waren es in den drei Monaten Januar, Februar und März 115 rechte und 52 linke, insgesamt also 167 politisch motivierte Straftaten in Hessen.

Bild.de liefert rechten Hetzern aufgewärmtes abgelaufenes Futter

Manchmal kommt es vor, dass 90 Tage alte Football-Ergebnisse in der gedruckten “Bild” landen, und das ist dann ganz amüsant, aber auch nicht weiter schlimm. Das hier ist hingegen schlimm:

Screenshot Bild.de - Irrer Einbürgerungsplan - Deutscher Pass trotz Scharia-Ehe - Veröffentlichungsdatum: 20. August 2019

Der Artikel zum angeblichen “IRREN EINBÜGERUNGSPLAN” der Bundesregierung von “Bild”-Parlamentskorrespondent Franz Solms-Laubach soll gestern erschienen sein, so steht es bei Bild.de. Genau derselbe Text, Wort für Wort, ist bereits am 6. Mai dieses Jahres in der gedruckten “Bild” und bei Bild.de erschienen. Er war damals schon zumindest irreführend, wie Patrick Gensing beim ARD-“Faktenfinder” erklärt. Heute ist er schlicht falsch.

Solms-Laubach schreibt, dass Justizministerin Katarina Barley (die inzwischen gar nicht mehr Justizministerin ist — der Artikel ist eben völlig veraltet) sich gegen Horst Seehofer und dessen Innenministerium durchgesetzt habe:

Ein Leben mit zwei oder drei Ehefrauen? Für die Bundesregierung soll das kein Hindernis sein, Ausländern die deutsche Staatsangehörigkeit zu verleihen. Und das, obwohl die Vielehe in Deutschland eigentlich strafbar ist!

Unfassbar: Das Bundesinnenministerium (BMI) konnte sich mit dem Plan, Ausländern in Mehrehe die Einbürgerung in Deutschland zu versagen, NICHT gegen das Bundesjustizministerium (BMJV) durchsetzen!

Tatsächlich sollte eine Mehrehe laut Bundesregierung durchaus ein “Hindernis sein, Ausländern die deutsche Staatsangehörigkeit zu verleihen.” Man habe in dem Gesetzentwurf, um den es geht, allerdings andere Aspekte, die im Koalitionsvertrag vereinbart waren, vorgezogen und den zur Mehrehe zurückgestellt, erklärte das Bundesjustizministerium damals. Er sollte später aber angegangen werden.

Der Bundestag verabschiedete im Juni eine Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes. Darin ist auch geregelt, dass jemand, der in einer Mehrehe lebt, nicht eingebürgert werden kann. Diese Änderung ist inzwischen in Kraft. Und der Aufregertext von Franz Solms-Laubach damit völlig überholt — was nicht weiter tragisch wäre, wenn er noch auf den 6. Mai datiert wäre. Nun wirkt es allerdings so, als sei all das, was der “Bild”-Parlamentskorrespondent vor sich hinschnaubt, der Stand von gestern.

Dazu trägt auch Ralf Schuler bei, der bei “Bild” das Parlamentsbüro leitet. Er verbreitete gestern bei Twitter den aufgewärmten abgelaufenen Bild.de-Artikel, als wüsste er nicht, dass dieser längst nicht mehr aktuell ist:

Screenshot eines Tweets von Ralf Schuler - Deutscher Pass trotz Scharia-Ehe

Unter Schulers Tweet entlud sich die Wut der Wütenden:

Unglaublich!

Genau das ist mit “Unterwerfung” gemeint.

Gesetzte aus dem Irrenhaus.

Die falsche, weil überholte “Bild”-Berichterstattung ist auch für rechte Scharfmacher und Hetzer ein gefundenes Fressen:




In den Kommentaren wütet der Mob. Und niemanden interessiert es, dass die Überschrift “Deutscher Pass trotz Scharia-Ehe” exakt das Gegenteil von dem darstellt, was in Deutschland heute Gesetz ist. Aber warum sollte es das auch? Die “Bild”-Redaktion interessiert es ja auch nicht.

Gesehen bei @PatrickGensing.

Causa Kollegah, Wahl-Wortwelten, EU-Zwinkersmiley Sonneborn

1. Kollegah mahnt unsere Undercover-Recherche zum “Alpha Mentoring” ab, aber wir lassen den Artikel online
(buzzfeed.com, Daniel Drepper & Paul Schwenn & Johann Voigt)
Vor wenigen Tagen veröffentlichten “BuzzFeed News” und “Vice” eine Recherche über das sogenannte “Alpha Mentoring” des Rappers Kollegah und seiner Geschäftspartner von “Baulig Consulting”. Diese reagierten mit einer Flut von — für die Empfänger kostspieligen — Abmahnungen und nahmen dabei auch Seiten ins Visier, die den Beitrag verlinkt hatten. Das Autorenteam berichtet über den jüngsten Stand und die erhobenen Vorwürfe. Und das liest sich trotz aller Traurigkeit ganz lustig: “Die Anwälte schreiben, wir würden die Baulig Consulting und ihren Geschäftsführer abwerten wollen, in dem wir schreiben, er würde wie das Klischeebild von Wall-Street-Brokern mit dicken Uhren und Philipp Plein-Hemden herumlaufen, aber Hundetrainerinnen aus Kulmbach und Creußen beraten. Baulig besitze gar keine Philipp Plein-Hemden, schreiben die Anwälte. Zudem bestreiten sie, dass die von uns zitierte Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz die zitierten Aussagen tatsächlich getroffen hat.” “BuzzFeeds” Antwort auf die erhobenen Vorwürfe: “Es gibt ein Foto von Ende Juni 2019, in dem Andreas Baulig ein Philipp Plein-Polohemd trägt. Mit den Hundetrainerinnen werben die Bauligs selbst auf ihrer Webseite und das Zitat hat uns die Verbraucherzentrale per E-Mail geschickt.”

2. Ausländer sind Ausländer sind Ausländer…?
(spiegel.de, Ferda Ataman)
Ferda Ataman schreibt in ihrer Kolumne über eine immer wieder auftauchende Frage in der Kriminalitätsberichterstattung: In welchen Fällen soll die Herkunft des Täters genannt werden beziehungsweise ist eine derartige Nennung überhaupt nötig? Ataman kommt zu dem Schluss: “Ich behaupte mal, dass die genetisch oder kulturell bedingte Kriminalitätsneigung primitiver Quatsch ist. Wissenschaftlich ist sie jedenfalls nicht haltbar. Die andere Schlussfolgerung hieße, dass wir über das gescheiterte Integrationsvermögen der Aufnahmegesellschaft reden müssen. Dass bei uns soziale Ausgrenzung, bürokratische Hürden, Diskriminierung, ein geschlossenes Bildungssystem und so weiter dazu führen, dass bestimmte Gruppen eher kriminell werden. Das ist keine Entschuldigung, sondern eine Tatsache. Sie gehört zur “vollständigen Wahrheit”.”

3. Wortwelten der Wahlprogramme
(uni-potsdam.de, Peer Trilcke)
Anlässlich der bevorstehenden brandenburgischen Landtagswahl hat sich Peer Trilcke von der Uni Potsdam die Parteiprogramme angesehen: Worüber sprechen die Parteien besonders häufig? Was sind ihre Schlüsselwörter? Trilckes Analyse ist nicht nur äußerst aufschlussreich, sondern auch toll aufbereitet. Es lohnt sich unbedingt einen Blick auf seine Poster mit den Ergebnissen (PDF) zu werfen.

4. Widerstand gegen Umbau der Kultur- zur Klassikwelle
(deutschlandfunk.de, Ludger Fittkau, Audio: 4:40 Minuten)
Der Hessische Rundfunk (hr) will das bisherige Kulturradio hr2 in einen Klassik-Sender umbauen, doch das Vorhaben trifft auf Widerstand. Mittlerweile gibt es sogar eine Online-Pettion für den Erhalt des hr2 in seiner jetzigen Form. Auf der Petitionsseite gibt es Pro- und Contra-Stimmen und mittlerweile weit über 1.000 Kommentare.


5. Presserechtsanwälte ändern ihre Strategien
(ndr.de, Daniel Bouhs)
Die Otto-Brenner-Stiftung hat eine Studie zu “präventiven Anwaltsstrategien gegenüber Medien” veröffentlicht: “Wenn Sie das schreiben, verklage ich Sie!” (PDF). Durch Drohschreiben, die im Anwaltsjargon “presserechtlichen Informationsschreiben” heißen, soll Berichterstattung bereits im Vorfeld unterbunden werden. Die Autoren der Studie würden vor einer “schleichenden Erosion der Pressefreiheit” warnen und sich wünschen, dass die öffentlich-rechtlichen Sender für investigative Beiträge das Haftungsrisiko übernehmen. 
Hörtipp: Daniel Bouhs hat sich mit einem der beiden Autoren der Studie unterhalten: Präventive Anwaltsstrategien gegen Medien: Interview mit Daniel Moßbrucker (daniel-bouhs.de, Audio: 19:51 Minuten)
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6. “Es ist so unfassbar, was gerade passiert”
(freitag.de, Okan Bellikli)
Im Interview mit dem “Freitag” spricht der Satiriker und Europaabgeordnete Martin Sonneborn über die ersten vier Wochen der neuen Legislaturperiode des EU-Parlaments, er erzählt, wie es ihm nach der Wahl Ursula von der Leyens geht (“eigentlich ganz gut”), und sagt, dass “Hinterzimmerdeals” nicht in den Parlamentsräumen, sondern in hochpreisigeren Hotelrestaurants ausgeknobelt werden.

“Bild” als medialer Arm der AfD, Totenhausmitteilung, Head of Wichtig

1. “Bild” agiert als medialer Arm der AfD
(tagesspiegel.de, Jupp Legrand)
Der “Tagesspiegel” hat sich mit Jupp Legrand von der Otto-Brenner-Stiftung über Erfreuliches und Ärgerliches in den Medien unterhalten. Ganz besonders hat uns sein folgendes Statement gefreut: “Weil “Bild” mal wieder eine Ausnahme von der Regel war (wie zuvor schon in der Berichterstattung über die Speisepläne zweier Kitas), braucht es weiterhin www.bildblog.de. Während die Zeitung sich unter der Schirmherrschaft von Kai D. (55) in die Mitte der Gesellschaft schrieb, agiert sie heute unter Julian R. (39) wie der mediale Arm der AfD. Wenn das Journalismus ist, falten gleichnamige Schmetterlinge auch Zitronen.”
(Wer es ähnlich wie Jupp Legrand sieht und uns bei unserer täglichen Arbeit unterstützen will, kann dies hier tun.)

2. “AfD verzerrt Bilanz zu Straftaten systematisch”
(zeit.de)
Medienwissenschaftler haben sämtliche 242 Pressemitteilungen der AfD zum Thema Kriminalität in Deutschland analysiert und mit den offiziellen Zahlen verglichen. Wenn die AfD die Nationalität von Tatverdächtigen nenne, seien es zu 95 Prozent Ausländer. Und bei den restlichen fünf Prozent werde oft damit argumentiert, dass die Tatverdächtigen einen Migrationshintergrund hätten, oder ihr Tatbeitrag werde heruntergespielt.

3. So sicher nicht
(golem.de, Moritz Tremmel & Sebastian Grüner)
Berichte über Sicherheitslücken seien oftmals problematisch, so die “Golem”-Autoren Moritz Tremmel und Sebastian Grüner, und das habe einen Grund: “Insbesondere Sicherheitsfirmen kontaktieren uns fast täglich mit Pressemeldungen und Berichten über angeblich extrem gefährliche Sicherheitslücken, welche die IT-Welt bedrohten. Bei näherem Hinsehen zeigt sich oft, dass die Berichte aufgebauscht und wichtige Details weggelassen wurden.”

4. Frauen im Teamhaus unerwünscht
(sueddeutsche.de, Elena Bruckner)
Gaming-Profis im E-Sport sind überwiegend männlich — mit allen daraus resultierenden negativen Folgen. Ende April hat sich daher eine Arbeitsgruppe “Gender Diversity im E-Sport” gebildet, die sich für mehr Gleichberechtigung und gegen Frauenfeindlichkeit und Diskriminierung einsetzt. Elena Bruckner berichtet über die Schwierigkeiten der Gaming- und E-Sport-Szene mit der Diversität.

5. Totenhausmitteilung: @DerSPIEGEL und Marie Sophie Hingst.
(twitter.com, Patrick Bahners)
Patrick Bahners antwortet auf Twitter auf die Stellungnahme des “Spiegel” zum Tod der Bloggerin Marie Sophie Hingst.
Weiterer Lesetipp: “Nicht jeder Journalist hat den psychologischen Blick” (deutschlandfunkkultur.de, Katja Bigalke und Martin Böttcher). Dort sagt der Medienethiker Christian Schicha unter anderem: “Personen, die in die Öffentlichkeit treten, müssen ihr Handeln auch vor der Öffentlichkeit legitimieren und sich auch kritische Fragen gefallen lassen.”

6. «Head of Wichtig» – das steckt wirklich hinter Jobtiteln
(tagesanzeiger.ch, Holger Alich)
Holger Alich hat sich die teilweise aufgeblähten englischen Berufsbezeichnungen angeschaut (zum Beispiel “Young Professional Officer” für Praktikant), die er wie folgt einteilt: “… die sinnvollen Titel, die es braucht, weil ein Beruf neu ist und es dafür noch keine Bezeichnung gibt. Die Angebertitel, die aus etwas Banalem etwas toll Klingendes machen, häufig durch eine englische Übersetzung. Und die kreativen Titel, mit denen ein Unternehmen zeigen will, wie es tickt.”

Stammtischjournalismus ohne Recherche

Nach den rassistisch motivierten Schüssen auf einen Eritreer im hessischen Wächtersbach, bei denen das Opfer lebensgefährlich verletzt wurde, haben “Bild”-Reporter die Stammkneipe des Täters im Nachbarort besucht, mit dem Wirt gesprochen und gleich mehrere Artikel veröffentlicht:

Ausriss Bild-Zeitung - Jetzt spricht der Wirt, bei dem der Rassist von Wächtersbach nach der Tat sein Bier trank - Er kam rein und sagte: Ich habe auf einen Asylanten geschossen
Screenshot Bild.de - Rassist feuert auf Eritreer - In meiner Kneipe prahlte er mit seinen Schüssen!
Screenshot Bild.de - Eritreer von Rassisten aus Auto angeschossen - Hier verbrachte Roland K. seine letzten Minuten - Wirt: Wir haben ihn nicht ernst genommen - BILD zu Besuch im Martinseck
(Alle Unkenntlichmachungen in diesem Beitrag durch uns.)

In dieser Kneipe soll Täter Roland K. mehrmals angekündigt haben, jemanden umbringen zu wollen, auch am Tattag, bevor er aus dem “Martinseck” loszog und auf den Eritreer schoss. Bei der Polizei meldete das niemand, auch nicht der Wirt, dem die “Bild”-Medien nun eine Menge Platz geben, sich zu rechtfertigen. Immerhin “kursieren Gerüchte”, er “würde die Tat dulden.”

Und so kann der Wirt erzählen, was für ein bunter Haufen das doch in seiner Kneipe so sei:

30 Prozent von Dirks Gästen sind Ausländer: “Ob meine Gäste schwarz oder grün sind, blonde Haare oder braune Locken haben, ist mir egal. Hauptsache, sie zahlen und pöbeln nicht.”

Und die Gäste, die zum türkischen Vorbesitzer gegangen sind, kämen ja auch weiter zu ihm:

Vor vier Jahren hat Dirk “Zum Martinseck” übernommen, von einem Türken: “30 Jahre war die Kneipe in türkischer Hand. Die Gäste von damals kommen heute noch.” Morgens kommen Rentner, Urlauber. Ab halb fünf Lkw-Fahrer, Bauarbeiter nach der Schicht. Krach gab’s noch nie: “Meinungsverschiedenheiten ja. Ich lasse jedem seine Meinung. Wenn es extrem wird, wird er rausgeschmissen.”

Das, was Roland K. gemacht hat, finde der Wirt auch “nicht gut”:

Er sagte zu BILD: “Ganz deutlich, ich bin kein Nazi. Ich verabscheue die Tat aufs Schärfste. Er hat einen unschuldigen Menschen fast umgebracht, das kann man nicht gut finden. Das ist das Allerletzte.”

Und “Nazi-Sprüche”? Nee, die hätte er nicht geduldet:

Wenn Roland K. hier war, war er eher ruhig: “Wir haben eigentlich nur über Essen geredet. Er war ja Metzger, hat das gelernt, ich hab auch ‘ne Metzgerlehre gemacht, das war unsere Basis. Roland fiel nie durch Nazi-Sprüche oder sowas auf, das hätte ich nicht geduldet.”

Mit dem Willen zu fünf Minuten Recherche hätten die “Bild”-Leute mal auf die öffentliche Facebook-Seite des Wirtes gucken können. Und dort hätten sie nach etwas scrollen — denn zugegeben: die Posts liegen schon einige Jahre zurück — entdecken können, dass der Wirt “Nazi-Sprüche” selbst verbreitet hat. Etwa diesen hier von der Neonazi-Partei NPD:

Screenshot eines Posts des Wirts - Jeder Mensch hat das Recht, seine Kultur und seine Identität zu verteidigen. Auch Deutsche!

Er macht auch ganz gern mal Stimmung gegen “die Fremden”:

Screenshot eines Posts des Wirts - Mama ich habe Hunger - Ich weiß mein Schatz, aber erst kommen die Fremden dran. - Wieso Mama? - Weil man uns beide sonst als Nazis bezeichnen würde.

Reichsbürgerhaft sei “für die BRD kein Platz mehr”:

Screenshot eines Posts des Wirts - Es gibt nur ein Deutschland - und da ist für die BRD kein Platz mehr

Zudem würden “immer mehr Ausländer hier angesiedelt”:

Screenshot eines Posts des Wirts - 300.000 Deutsche ohne Wohnung, darunter 30.000 Kinder! Doch die völlig verblödeten Gutmenschen in Deutschland stehen auf der Straße, in der U-Bahn, im Supermarkt und brüllen den letzten Rest ihres Verstandes heraus, dass immer mehr Ausländer hier angesiedelt werden sollen

Außerdem: “DEUTSCH SEIN IST KEIN VERBRECHEN!”:

Screenshot eines Posts des Wirts - 300.000 Deutsche ohne Wohnung, darunter 30.000 Kinder! Doch die völlig verblödeten Gutmenschen in Deutschland stehen auf der Straße, in der U-Bahn, im Supermarkt und brüllen den letzten Rest ihres Verstandes heraus, dass immer mehr Ausländer hier angesiedelt werden sollen

Und Angela Merkel und Joachim Gauck könnte man auch mal ganz gut aus dem Flugzeug “hinunterwefen”, dann “freut sich ganz Deutschland”:

Screenshot eines Posts des Wirts - Angela Merkel und Joachim Gauck fliegen über Deutschland. Sagt Gauck: Angela, wenn ich jetzt einen Fünfhunderter hinunterwerfe, freut sich ein Deutscher. Antwortet Merkel: Wenn aber ich zehn Hunderter hinunterwerfe, freuen sich zehn Deutsche! Plötzlich murmelt der Pilot: Wenn ich euch beide hinunterwerfe, freut sich ganz Deutschland

Natürlich können Menschen ihre Ansichten nach Jahren geändert haben (sollte das so sein, könnten sie allerdings auch alte NPD-Reichsbürger-die-Fremden-kriegen-alles-und-wir-nix-Posts von ihrer Facebook-Seite löschen). Es wäre jedenfalls etwas gewesen, mit dem die “Bild”-Reporter den Wirt hätten konfrontieren können, anstatt ihn unwidersprochen von seiner angeblichen Multikulti-Kneipe erzählen zu lassen. Hätte man mal vorher recherchiert.

Wann ist man für “Bild” ein “Deutscher”?

Es gibt Neues vom “Bild”-Verteidiger Ernst Elitz.

Screenshot BILD.de: Der BILD-Ombudsmann - Hass-Briefe an BILD

Nachdem BILD über eine mutmaßliche Vergewaltigung auf Mallorca berichtete, erhielt ich eine Vielzahl von Briefen, in denen sich Leser hasserfüllt darüber beschwerten, dass die Verdächtigen als “Deutsche” bezeichnet wurden — obwohl Namen und Aussehen auf einen Migrationshintergrund hindeuteten.

Meine Antwort: “Die Redaktion kann den Verdächtigen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft aberkennen.” Es ist nicht ihr Auftrag, die Herkunft von Menschen, über die sie berichtet, über möglichst viele Generationen zurückzuverfolgen. Wer einen deutschen Pass hat, ist ein Deutscher — auch wenn das nicht allen passt.

Für “Bild” zählt also nicht die Herkunft eines Menschen, sondern einzig und allein sein Pass?

Bullshit.

Erst vor gut einer Woche berichtete Bild.de über die mutmaßliche Vergewaltigung eines Mädchens in Herne:

Screenshot BILD.de:  Teenager (13, 14) sollen Mädchen (14) vergewaltigt haben - Das Opfer ließen sie bewusstlos in den Büschen liegen

Zu den Tatverdächtigen schrieb die Redaktion:

Die Tatverdächtigen sind libanesischer Herkunft, haben aber auch einen deutschen Pass.

Wenn nur der Pass zählt, warum dann erwähnen, dass sie “libanesischer Herkunft” sind? Und was heißt das überhaupt? Wie viele Generationen hat “Bild” diesmal zurückverfolgt?

Oder hier:

Screenshot BILD.de: Freund seiner Ex attackiert - Stalker rammt Mann Meser in Hals

H. , ein Deutscher mit kasachischer Herkunft, hatte in der Nacht zum Samstag seine Ex verfolgt, (…)

Oder hier:

Screenshot BILD.de: Artisten und Tänzerinnen ausgebeutet - Razzia in der Zirkus-Szene - Frauen sollen an Bordelle verkauft worden sein

Die Hauptbeschuldigten — ein Mann (51) aus Simbabwe und eine Deutsche (62) russischer Herkunft — wurden festgenommen.

Oder hier:

Sreenshot BILD.de: Überfall auf Villa in Sittensen - Millionär erschießt Räuber (16)

Bei dem Getöteten handelt es sich laut Polizei um einen 16-jährigen Intensivtäter. Der Deutsche albanischer Herkunft ist einschlägig bekannt.

Oder hier:

Screenshot BILD.de: 10 Millionen Dollar erzockt - Deutscher gewinnt weltgrößtes E-Sport-Turnier

Der Deutsche ist jetzt der Spieler mit den meisten Turnierpartien (202) und — allein mit Preisgeld-Einnahmen von mehr als 3,5 Millionen Dollar — der finanziell erfolgreichste E-Sportler überhaupt.

Ach, nee. Wenn es um etwas Positives geht, erwähnt “Bild” die Herkunft eines Menschen (in diesem Fall: Iran) in der Regel nicht. Dann zählt nur der Pass, dann sind sie einfach bloß: Deutsche. Dann sind sie welche von “uns”. Nur wenn sie vergewaltigen, rauben und morden, sind sie: Ausländer, die zufällig einen deutschen Pass haben.

Aber nochmal zurück zu Ernst Elitz, der ja darüber jammert, dass der “Bild”-Zeitung Hass entgegenschlage. Was Elitz natürlich nicht erwähnt und vermutlich nicht mal bemerkt: Tatsächlich hat sich die Redaktion das selbst eingebrockt. Denn der Grund für die ganze Aufregung ist ja, dass die Verdächtigen zwar Deutsche sind, nach der Meinung einiger Leserinnen und Leser aber nicht deutsch aussehen — wie zum Beispiel die Kommentare auf der “Bild”-Facebookseite zeigen:

Beitrag auf der Facebookseite von BILD: "Deutsche (18) auf Mallorca vergewaltigt: U-Haft für diese zwei Männer!" Auf dem Foto sind die beiden Verdächtigen zu sehen, nur mit einem Augenbalken unkenntlich gemacht. Den Rest ihrer Gesichter, ihre dunklen Haare, Bärte und Hautfarbe sind deutlich zu erkennen. Der Top-Kommentar unter dem Beitrag mit 2.700 Likes lautet: "Sehen ja sehr deutsch aus die beiden..."
(Augenbalken von “Bild”, alle anderen Unkenntlichmachungen von uns.)

Auch rechte Krawallschreiber wie “Tichys Einblick”, die Zweifel an der Deutschheit der Verdächtigen hegten, begründeten dies mit Fotos, die sie bei “Bild” gesehen hatten, auf denen sie “Südländer” zu erkennen glaubten.

Das konnten sie allerdings nur, weil “Bild” den Männern lediglich einen Augenbalken verpasst hatte, den Rest aber erkennbar ließ. Hätte die Redaktion die Verdächtigen — wie es auch die deutsche Rechtsprechung verlangt — komplett unkenntlich gemacht, wäre es womöglich gar nicht zu all dem Hass gekommen.

Aber eine Komplettverpixelung bekommen bei “Bild” ja traditionell nur Verdächtige, die nicht “südländisch” aussehen. Was wiederum die Frage aufwirft, ob “Bild” den Hass nicht sogar absichtlich geschürt hat. Der Frage sollte man mal nachgehen. Ernst Elitz, übernehmen Sie!

Wobei … lassen Sie’s. Die Antwort können wir uns eh schon denken.

Facebooks 2 Mio-Bußgeld, Straches Bester, Klöckners Nestlé-Video

1. Wegen Intransparenz bei rechtswidrigen Inhalten: Facebook soll zwei Millionen Euro Bußgeld zahlen
(netzpolitik.org, Alexander Fanta & Markus Beckedahl)
Das Justizministerium hat Facebook ein Bußgeld von zwei Millionen Euro auferlegt. Der Grund: Verstöße gegen das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Laut Pressemitteilung des Bundesamts für Justiz rüge man insbesondere, dass Facebooks Angaben zur Anzahl der eingegangenen Beschwerden über rechts­widrige Inhalte unvollständig seien. “Dadurch entsteht in der Öffentlichkeit über das Ausmaß rechtswidriger Inhalte und die Art und Weise, wie das soziale Netzwerk mit ihnen umgeht, ein verzerrtes Bild.”

2. Straches Bester muss gehen
(sueddeutsche.de, Oliver Das Gupta)
Bei der österreichischen “Kronen Zeitung” gibt es personelle Veränderungen, die wahrscheinlich auf das Ibiza-Video mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zurückgehen. In der Aufzeichnung hatte Strache alle Journalisten pauschal als “Huren” beschimpft, nur den ihm gewogenen “Kronen”-Online-Chef Richard Schmitt ausgenommen und ihn als “einer der besten Leute” gepriesen. Oliver Das Gupta kommentiert: “Diese Zuneigungsbekundung des Rechtspopulisten ist durchaus nachvollziehbar: Denn unter Schmitts Führung berichtete Krone.at verlässlich meinungsstark und bisweilen hetzerisch Themen über Ausländer, Flüchtlinge und den Islam — meist versehen mit einem Dreh, der FPÖ-Leuten genehm gewesen sein dürfte.”

3. ARD-Moderator ließ AfD-Mann mit Abstand meiste Redezeit – nun äußert sich “Hart aber fair”
(watson.de, Philip Buchen)
“Watson” hat die Redeanteile an der umstrittenen “Hart aber fair”-Sendung mit dem rechtspopulistischen AfD-Politiker Uwe Junge ausgewertet. Mit mehr als 15 Minuten Redezeit dominierte Junge den Talk. Die “Hart aber fair”-Redaktion erklärt dies mit einer “inhaltlich klaren 1:4-Konstellation”.

4. Wie Lokaljournalisten sich von Facebook coachen lassen
(deutschlandfunk.de, Jörg Wagner)
Lokalzeitungen haben es zu Zeiten des Medienwandels besonders schwer. Neuerdings finanziert Facebook lokaljournalistische Projekte mit Millionenbeiträgen. Medienjournalist Jörg Wagner war zu Besuch bei einem Seminar des “Facebook-Local-Accelerator-Programms” für 60 Teilnehmende aus 14 Verlagen, bei dem die Chatham House Rule galt.

5. Das Video geht klar
(taz.de, Peter Weissenburger)
Bei dem gemeinsamen Video der Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner und dem Nestlé-Chef habe es sich nicht um Schleichwerbung gehandelt, so die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB). Dass die Sache dennoch nicht ganz klar ist, erkennt man daran, dass die MABB mit den anderen Anstalten Leitlinien für ähnliche Fälle erarbeiten will.

6. n-tv entschuldigt sich für Neonazi im Programm
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Beim Nachrichtensender n-tv werden in der Sendung “Netzreporter” regelmäßig Tweets zu aktuellen Themen verlesen. In einem Beitrag über Seenotrettung wurde unkommentiert ein Tweet eines bekennenden und bekannten Neonazis eingeblendet und vorgelesen. “Übermedien” hat beim Sender nachgefragt, welches journalistische Grundverständnis dem zugrunde liegt.

“Bild” weiß kaum etwas und schreit: Alarm in “unserem Freibad”

Auf der “Bild”-Titelseite ist heute wieder Alarm:

Ausriss Bild-Titelseite - Deutschlands Chef-Bademeister klagt an - Das ist nicht mehr unser Freibad!

… was bei uns gleich mehrere Fragen aufwirft: Wer bildet das “Wir” in dieser Schlagzeile — wessen Freibad soll nicht mehr so sein, wie es mal war? Und wer ist das “Die” — wer soll es so zugerichtet haben, wie es laut “Bild” jetzt sein soll, mit “+++ Schlägereien +++ Pöbeleien +++ Messer +++ Tränengas +++ Polizei +++”? Es gibt aus unserer Sicht nicht viele Möglichkeiten, wie man die “Bild”-Schlagzeile von heute verstehen kann, und die erste, auf die wir kommen, ist: “Die Ausländer haben uns Deutschen unser Freibad kaputtgemacht!”

Auf der kompletten Seite, die die “Bild”-Redaktion zu dem Thema veröffentlicht hat, bietet sie erstaunlich wenig, was die These des veränderten Freibads belegen könnte.

Ausriss Bild-Zeitung - Früher war baden gehen irgendwie anders - Freibad-Report Sommer 2019

Der “Freibad-Report” startet schon komplett vage:

Planschen, Pommes rot-weiß und Schlange stehen am Sprungturm — die Freibadsaison läuft bei Temperaturen von über 39 Grad auf Hochtouren.

Doch in diesem Jahr scheint die Stimmung in vielen Freibädern Deutschlands auffällig aggressiv zu sein.

“scheint”? Das ist ernsthaft die Grundlage, auf die sich die “Bild”-Redaktion beruft, wenn sie schreit: “In deutschen Freibädern wird es immer schlimmer!”? Sie hat offenbar null belastbaren Zahlen, die belegen könnten, dass es wirklich gefährlicher geworden ist in den Freibädern. Jedenfalls nennt sie keine. Stattdessen geht es schwammig weiter:

Zahlreiche Badegäste berichten von unangenehmen Erlebnissen, die Polizei von spektakulären Einsätzen!

“zahlreiche” — sehr präzise!

Und auch Rainer Wendt, der Bundesvorsitzende einer Polizeigewerkschaft, der bei so einem Thema natürlich nicht fehlen darf, scheint keinerlei Ahnung zu haben, wie es genau aussieht, darf aber auch was sagen:

“Jeder versteht etwas anderes unter Spaß”, erklärt Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG).

“Der eine will mit seiner Familie in Ruhe baden, andere wollen Kräfte messen und laut Musik hören. Da ist Stress programmiert. Gefühlt gibt es immer mehr Polizeieinsätze in den Bädern.”

“Gefühlt” reicht also inzwischen als Maßstab (was übrigens bestens zum Wochenmagazin “Bild Politik” passt, bei dem laut “Bild”-Politikchef Nikolaus Blome der Grundsatz gelte: “Gefühle schaffen Fakten”).

“Bild” liefert in dem Text dann noch ein paar Vorkommnisse (“Pfefferspray”, “Belästigung”, “Messer-Attacke”, “Familien-Streit”, “Beißangriff”), die angeblich “zeigen: Das Miteinander im Freibad hat sich verändert.” Aber auch hier: Exakt keine Details dazu, dass es mehr und/oder heftiger geworden ist.

Bei den meisten dieser Beispiele nennt die Redaktion nicht die Nationalitäten der Personen, die dort für Randale gesorgt haben sollen. Bei manchen aber schon: ein Mann aus dem Iran, ein Jugendlicher aus Syrien, ein Jugendlicher aus Deutschland — wobei der Deutsche das Opfer des beißenden Syrers sein soll. Das ist dann vermutlich die Antwort auf unsere Fragen, wer das “Wir” und wer das “Die” sein sollen.

Neben dem Haupttext präsentiert “Bild” ein Gespräch mit “Deutschlands oberstem Bademeister”, dem Präsidenten des Bundesverbandes Deutscher Schwimmmeister Peter Harzheim. Allerdings klagt Harzheim gar nicht an, wie von “Bild” auf der Titelseite behauptet, dass das “nicht mehr unser Freibad” sei. Und er sagt auch nichts zu Schlägereien, Pöbeleien, Messern, Tränengas oder der Polizei. Stattdessen erzählt er, dass man immer häufiger geduzt werde, dass manche Freibadbesucher Mitarbeiterinnen des Bads nicht als Autoritätspersonen akzeptieren, und dass Leute immer wieder mit normaler langer Kleidung ins Wasser wollen (Burkinis oder UV-Kleidung seien für ihn hingegen völlig in Ordnung, so Harzheim, solange sie aus Schwimmtextilien bestehen). Also auch hier kein Hinweis darauf, dass an der “Bild”-Schlagzeile irgendetwas dran ist.

Der absurde Höhepunkt der “Bild”-Freibad-Seite ist aber sowieso der Besuch eines Reporters im Prinzenbad, Pardon, “im berüchtigten Prinzenbad”. Und wo, wenn nicht im berüchtigten Berlin-Kreuzberg, sollte “Bild” auf die Abgründe des deutschen Freibads stoßen?

Das Prinzenbad in Berlin-Kreuzberg ist wohl das berühmteste Freibad Deutschlands. Auf jeden Fall ist es das berüchtigtste. Immer wieder wird es Schauplatz von Krawallen. (…)

BILD verbrachte einen Tag im Prinzenbad während der Hitzewelle

… und hat wirklich nichts gefunden. (Möglichst unspektakuläre Reportagen von angeblich gefährlichen Orten sind sowieso eine Spezialität der “Bild”-Medien.)

Die schlimmsten Vorkommnisse:

7 Uhr: Bei Öffnung stehen rund 100 Menschen vor dem Tor. Darunter auch ein Security-Mann (25) und ein Siemens-Ingenieur (23), die vor ihrer Schicht ins Wasser wollen. Wenig später stehen sie im Wasser am Beckenrand und rauchen Zigaretten. Hinter ihnen ein Schild: “Rauchen verboten”.

7.30 Uhr: Die ersten Jugendlichen fangen an, am Ende des Beckens Arschbomben zu üben.

Und das heftigste Ereignis um 15:03 Uhr:

15.03 Uhr: 37 Grad. Die Security hält einen Mann aus Bulgarien fest. Er soll über den Zaun geklettert sein, ohne zu zahlen.

Hui!

Ansonsten: “Ein paar Oberschüler”, die sagen: “‘Dicker, heute wird Sonne böse, guck mal, wie blass ich bin, ja'”, drei Rentner, die “unter einem Sonnenschirm Rommé” spielen, zwei Polizisten, die “durch das Bad” laufen, aber “nur Präsenz” zeigen, zwei Männer, die sich küssen, was aber niemanden interessiert außer den “Bild”-Reporter, und ein Junge, der zu einem anderen sagt: “‘Walla, du bist der größte Hurensohn, wenn du noch einen Schluck nimmst'”, denn, so der Autor: “Bei der Hitze ist Wasser ein kostbares Gut.” Das Fazit des Besuchs:

Am Ende des Tages kamen 8300 Menschen. Ein guter Tag für das Prinzenbad. Keine Diebstähle, keine Krawalle.

Aber davon lassen sie sich bei “Bild” selbstverständlich nicht ihre Stimmungsmache vermiesen.

Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Zu Beginn der Grillsaison 2017 fragte Bild.de:

Schlagzeile Bild.de: Wie viel Fleisch muss ich pro Gast einplanen?

Die Antwort gab Fleischexperte Werner Braun: Zu beachten sei, …

welche Sorten Sie anbieten wollen: Stark marmoriertes Fleisch wie etwa ein Ribeye-Steak hat einen höheren Fettanteil und sättigt mehr als fettarme Teile wie beispielsweise ein Schweinefilet.

Empfehlung pro Person:

200 bis 220 Gramm

Zu Beginn der diesjährigen Grillsaison schreibt Bild.de:

Schlagzeile Bild.de: Faustformel verrät, wie viel Fleisch Sie einkaufen sollten

Zu Wort kommt Fleischexperte Werner Braun: Zu beachten sei, …

welche Sorten Sie anbieten wollen: Stark marmoriertes Fleisch wie etwa ein Rib-Eye-Steak hat einen höheren Fettanteil und sättigt mehr als fettarme Teile wie ein Schweinefilet.

Empfehlung pro Person:

300 bis 350 Gramm

Während er vor zwei Jahren also noch 200 bis 220 Gramm empfahl, sind es dieses Jahr schon 300 bis 350 Gramm. Das könnte natürlich damit zu tun haben, dass der “Experte” vom Fleischerverband Bayern kommt und hauptsächlich daran interessiert ist, viel Fleisch zu verkaufen. Aber vielleicht wollen Bild.de und der Fleischmann auch nur noch ein paar Reserven anhäufen, bevor uns die Ausländer auch noch unsere Würstchen wegnehmen:

Titelschlagzeile Bild vom 13. April: Chinesen kaufen unser Grill-Fleisch weg!

Mit Dank an Anton H.!

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