Archiv für Zeit Online

Auferstanden aus Ruinen

Nur weil der BFC Dynamo zu DDR-Zeiten mal Serienmeister war (1979 bis 1988 zehnmal in Folge), heißt das nicht, dass sein Erstrundengegner im diesjährigen DFB-Pokal, der 1. FC Kaiserslautern, auch aus der DDR stammt.

Oder was immer “Zeit Online” mit dieser Dachzeile ausdrücken wollte:

DDR: FCK im Schongang in die nächste Runde

Andererseits ist die Kunde von der Wiedervereinigung Deutschlands bekanntlich immer noch nicht soooo weit verbreitet.

Mit Dank an Ronald F.

Nachtrag, 22.30 Uhr: “Zeit Online” hat die Dachzeile in “DFB-Pokal” geändert.

Holzquadrat vor der Hütte

Wenn das mit der Globalisierung und der weltweiten Vernetzung so weitergehen soll, müssen wir uns dringend auf international gültige Standards einigen. mph und km/h, die Bezeichnung “billion” und “Milliarde” für den gleichen Zahlenwert, unterschiedliche Währungen — all das verwirrt die Menschen nur unnötig. Vor allem aber die Journalisten.

Im Blog “Grüne Geschäfte” auf “Zeit Online” werden sogenannte “Tiny Houses” vorgestellt, winzige Häuser, die nicht viel kosten und fast überall aufgestellt werden können.

Da hätten wir zum Beispiel dieses Modell:

Auf dem Foto links ist ein Haus von Tumbleweed zu sehen, 27 Quadratmeter für ca. 32.000 Euro (oder ca. 600 Euro für die Baupläne für Selbstbauer).

Oder dieses hier:

Jetzt will Tata billiges und kleines Wohnen anbieten. In nur einer Woche soll das etwa 65 Quadratmeter große Häuschen aufgestellt sein, die Wände sind aus Kokosnuss- oder Jutefasern.

Sieht man sich das “Foto links” genauer an, erscheinen 27 Quadratmeter etwas unwahrscheinlich:

Achtung: Kein Tata, sondern ein Tumbleweed House. Copyright: Tumbleweedhouses

Und 65 Quadratmeter erscheinen auch recht groß für so ein Kleinsthaus.

Tatsächlich ist das Haus von Tumbleweed mit “89 square feet” angegeben, das Haus von Tata mit “215 square foot”.

Und damit kommen wir zu den unterschiedlichen Maßeinheiten zurück: Will man eine Strecke von feet (Fuß) in Meter umrechnen, muss man den Wert durch 3,28 teilen. So erklären sich die Werte bei “Zeit Online” (89/3,28=27; 215/3,28=65).

Für eine Fläche muss man den Wert in square feet durch 10,76 (3,28×3,28 — “square” oder “zum Quadrat” eben) teilen, um den Quadratmeter-Wert zu erhalten. Die beiden Häuser sind demnach etwa 8,2 bzw. 20 Quadratmeter groß. Oder in dem Fall: klein.

Mit Dank an Lukas.

Nachtrag, 25. Juli: “Zeit Online” hat sich transparent korrigiert.

Interview-Promotion

Selten wurde in der breiten Öffentlichkeit soviel über richtiges Zitieren diskutiert wie heute. Der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis etwa musste gerade schmerzhaft erfahren, dass Anführungszeichen nicht ganz so bedeutungslos sind, wie ihr Spitzname “Gänsefüßchen” nahelegen könnte; andere prominente Politiker stolperten darüber, dass sie Aussagen anderer in ihren Promotionen als eigene ausgegeben haben.

Im Journalismus ist das alles anders, wie uns “Zeit Online” beweist, wo sich seit gestern folgende, relativ dramatische Überschrift findet:

ZDF-Sportchef: "Der Frauenfußball wird wieder von der Bildfläche verschwinden"

Die Anführungszeichen sind brav an ihrem Platz, und man kann “Zeit Online” auch nicht vorwerfen, sich die Aussagen des ZDF-Sportchefs Dieter Gruschwitz angeeignet zu haben. Eher…

…umgekehrt:

ZEIT ONLINE: Der Frauenfußball wird nach der WM in Deutschland also wieder von der Bildfläche verschwinden? Ihre Bundesligaspiele werden weiterhin wohl nicht im bundesweiten TV zu sehen sein und die Olympia-Qualifikation fürs kommende Jahr haben die Frauen verpasst.

Gruschwitz: Da haben Sie Recht. Schon bei den Olympischen Spielen in Peking 2008 waren die Frauenfußballspiele eine attraktive Programmware für uns. Aber auf dieser großen Bühne werden die deutschen Fußballerinnen in London 2012 nicht vertreten sein. Das Ausmaß des Olympia-Startverlusts wird in seinen vielschichtigen Auswirkungen von einigen noch gar nicht so richtig wahrgenommen.

Mit Dank an Jakob V.

Nachtrag, 17.15 Uhr. Der Interviewer sagt, im Gespräch habe Gruschwitz seine Aussage “Der Frauenfußball wird wieder von der Bildfläche verschwinden” wiederholt und gesagt, dass er sie teile.

El Contador pasa

Der spanische Radsport-Verband hat den dreimaligen Tour-de-France-Sieger Alberto Contador gestern vom Vorwurf des Dopings freigesprochen. Der Internationale Radsportverband und die Welt-Anti-Doping-Agentur sind entsetzt, Kommentatoren bezeichnen Spanien als “Paradies für Doper”.

Auch “Zeit Online” beklagt sich über die unverhohlene Intervention der spanischen Politik:

"Es gibt keinen juristischen Grund, Contador zu bestrafen", twitterte der spanische Ministerpräsident José Luiz Zapatero und nahm damit das Urteil des spanischen Radsportverbandes vorweg. Nachdem der Verband seinen Radfahrer gestern ohne erkennbare Argumente wieder fahren ließ, zwitscherte der Regierungschef: "Mein Junge ist wieder zurück auf der Strecke! Du bist mein Junge, Conty!"

Doch während die erste Botschaft tatsächlich vom offiziellen Twitter-Account der spanischen Regierung verschickt wurde, kann man Zapatero zumindest für das angebliche Lob seines “Jungen” keinen Vorwurf machen: Die Nachricht kam vom Fake-Account einer (englischsprachigen) Satire-Website. Die Betreiber tun noch nicht mal so, als sei der Account echt.

Mit Dank an Hendrik.

Nachtrag, 16.10 Uhr: “Zeit Online” hat den Artikel korrigiert und in den Kommentaren folgende Erklärung abgegeben:

Wir haben den Text um eine Zeile gekürzt, da der spanische Regierungschef zwar den ersten Text über seinen Accout getwittert hat, der zweite jedoch ein Fake war. Danke ans Bildblog für den Hinweis.

Das Rauschen im Hanfblätterwald

Dass die wilden 70er schon lange zurückliegen, erkennt man an einer Meldung der Deutschen Presseagentur dpa über die Pläne der Bundesregierung, verschreibungspflichtige Cannabis-Medikamente zuzulassen. Dort heißt es unter anderem:

Eigentlich ist Cannabis ein Rauschgift, das aus Hanfblättern gewonnen und meist als Haschisch oder Marihuana konsumiert wird.

Profikiffern dürfte angesichts dieser naiven Aussage der Kragen platzen — wenn sie nicht so lethargisch wären. Erstens ist Cannabis nämlich kein Rauschgift, sondern lediglich der wissenschaftliche Name der vielseitig einsetzbaren Pflanze Hanf. Zweitens werden Marihuana und Haschisch nicht aus Hanfblättern, sondern aus den Blüten bzw. ihrem THC-haltigen Harz gewonnen. Für Marihuana werden zwar auch die kleinen Blättchen über den Blüten der weiblichen Pflanze mitverarbeitet, doch das, was in der dpa-Meldung gemeint ist und was im Zusammenhang mit Cannabis überall abgebildet wird, hat abgesehen von einer abführenden überhaupt keine Wirkung.

Das hat sueddeutsche.de, “Zeit Online”, “Spiegel Online”, fr-online.de und viele mehr aber nicht daran gehindert, diesen Unfug weiterzuverbreiten. Wenigstens ftd.de und Bild.de haben den Joint gerochen und die betreffende Stelle einfach ausgelassen.

Mit Dank an Sara.

Nachtrag, 20.31 Uhr: Bei “Zeit Online” hat sich inzwischen das Bewusstsein erweitert und der Fehler ist korrigiert. Bei “Spiegel Online” wurden zwar wenigstens die wirkungslosen Hanfblätter geerntet, aber man hat immer noch nicht verstanden, dass Cannabis Hanf ist und nicht aus Hanf gewonnen wird:

Eigentlich ist Cannabis ein Rauschmittel, das aus Hanf gewonnen und meist als Haschisch oder Marihuana konsumiert wird.

Nachtrag, 19. August. dpa hat sich an einer Korrektur versucht, was allerdings nur halb gelungen ist. In einer neuen Fassung der Meldung heißt es nun:

Der Cannabis-Wirkstoff Tetrahydrocannabinol ist eigentlich ein Rauschgift, das vor allem aus den Blättern der Hanfpflanze gewonnen und meist als Haschisch oder Marihuana konsumiert wird.

Auf die “Berichtigung” macht dpa in einem “redaktionellen Hinweis” aufmerksam:

Im letzten Satz wurde klargestellt, dass der Wirkstoff Tetrahydrocannabinol das Rauschmittel darstellt und vor allem aus der Blüte gewonnen wird, nicht aus den großen Blättern.

“Wurde klargestellt” hier offenbar in der Bedeutung von “hätte klargestellt werden sollen”.

Extremistisches Symbolbild

Drei Jahre, nachdem der Bundesgerichtshof den Haftbefehl gegen den Soziologen Andrej Holm aufgehoben hatte, hat auch die Bundesanwaltschaft ihr Ermittlungsverfahren gegen den Wissenschaftler eingestellt.

Holm war vorgeworfen worden, Mitglied der “Militanten Gruppe” (mg) gewesen zu sein, die zahlreiche Brandanschläge verübt hatte. Nach vierjährigen Ermittlungen kam die Bundesanwaltschaft aber schließlich zu dem Schluss, dass Holms Kontakte zu einem Mitbeschuldigten und die bei ihm gefundenen Unterlagen auch in anderen, nicht strafrechtlichen Sachzusammenhängen stehen könnten.

Andrej Holm hat gleichsam schwarz auf weiß, dass er kein gewaltbereiter Extremist ist.

Und wie bebildert “Zeit Online” diese Nachricht? Mit einem Archivfoto vom 1. Mai 2009, das unbekannte Autonome bei einer Demonstration in Berlin zeigt:

Dem Soziologen Andrej H. wurde vorgeworfen, einer linksextremistischen Vereinigung anzugehören, die sich zu zahlreichen Brandanschlägen bekannt hat

Nachtrag, 19.30 Uhr: “Zeit Online” hat das Foto rausgenommen.

Symbolfoto: Haftnotizen am Arbeitsplatz

Auseinandersetzung: Wer sich mit seinem Arbeitgeber streitet und danach wochenlang nicht zur Arbeit geht, riskiert eine fristlose Kündigung

Eine Frau, die unglücklich aussieht. Ein Mann, der auf sein Handy fokussiert ist und an ihr vorbei schaut.

Es ist vielleicht nicht unbedingt das, was die großen Meister gemalt hätten, wenn man sie gebeten hätte, den Sachverhalt “Wer sich mit seinem Arbeitgeber streitet und danach wochenlang nicht zur Arbeit geht, riskiert eine fristlose Kündigung” auf die Leinwand zu bannen, aber es ist doch ein einigermaßen ausdrucksstarkes Bild, das “Zeit Online” nutzt, um die aktuelle Kolumne zum Arbeitsrecht zu illustrieren.

Wenn man allerdings weiß, wer die Leute da auf dem Foto sind, erscheint die Verwendung als Symbolbild vielleicht doch ein bisschen zynisch: Das Bild zeigt die Mutter und den Stiefvater von Amanda Knox, einer jungen Amerikanerin, die in Italien wegen Mordes angeklagt war, nach den Schlussplädoyers im Gericht. Am nächsten Tag wurde ihre Tochter zu 26 Jahren Haft verurteilt.

Mit Dank an Andreas P.

Nachtrag, 10.50 Uhr: Direkt heute Morgen hat “Zeit Online” das Foto der Eltern durch eines einer Arbeitsagentur ersetzt.

Blättern:  1 2 3