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Lachen, nicht denken

Jedes Jahr das gleiche Schauspiel: Kurz bevor die echten Nobelpreisträger bekannt gegeben werden, versammelt sich im Sanders-Theater der Harvard-Universität ein buntes Forscher-Völkchen, um die Skurrilitäten des Wissenschaftsbetriebs mit dem Ig-Nobel-Preis zu feiern. Gewürdigt werden wissenschaftliche Arbeiten, die “zuerst zum Lachen und dann zum Denken” anregen sollen.

Das mit dem Lachen scheint prima zu funktionieren: Kaum eine Redaktion lässt es sich entgehen, über die skurrilen Mischung aus BH und Gasmaske zu berichten, deren Schöpferin einen Ig-Nobel-Preis verliehen bekam. Mit dem Denken hapert es dann schon eher. So findet sich auf Bild.de diese Zusammenfassung einer Studie eines weiteren Preisträger-Teams:

Preis für Physik: Den Physikpreis verdienten ein US-Forscherteam. Katherine K. Whitcome (University of Cincinnati, USA), Daniel E. Lieberman (Harvard University, USA) und Liza J. Shapiro (University of Texas, USA) untersuchten, warum schwangere Frauen nicht umkippen. Sie fanden heraus, dass schwangere Frauen deshalb nicht vornüber fallen, weil sie einen Rückenwirbel mehr haben als Männer und deshalb biegsamer sind.

Das ist natürlich Unsinn. Schwangere Frauen haben so viele Wirbel wie nicht-schwangere, und die haben so viele Wirbel wie Männer. Der Lendenwirbel-Bereich ist bei Frauen lediglich etwas anders geformt, was die geehrten Forscher untersucht hatten. Ihre Ergebnisse waren schon kurz, nachdem sie im Jahr 2007 in der Zeitschrift Nature erschienen, auch in deutschen Medien korrekt wiedergegeben worden.

Wer aber den zusätzlichen Rückenwirbel lediglich den berüchtigten Englisch-Kenntnissen von Bild.de zuordnen will, irrt. Die selbe Behauptung findet sich auch im “Hamburger Abendblatt”, bei n-tv.de, in der “Netzeitung” und sogar in der “Ärztezeitung”, die sie allesamt aus einer Meldung der Nachrichtenagentur dpa von vergangener Woche übernommen haben.

Mit Dank an Maja I. für den sachdienlichen Hinweis.

Nachtrag, 7.10.2009, 12:18 Uhr: Das “Hamburger Abendblatt”, n-tv.de und die “Ärztezeitung” haben die entsprechende Passagen inzwischen ohne weiteren Kommentar korrigiert oder ganz gestrichen.

Wir haben bei der dpa angefragt, wie es zu diesem Fehler kommen konnte. Das dpa-Büro in New York schiebt die Verantwortung auf eine fehlerhafte Pressemitteilung, kann auf Nachfrage aber keinen solchen Text vorlegen. Auch beim Veranstalter ist eine solche Pressemitteilung unbekannt.

Nachtrag 2, 18:06 Uhr : Inzwischen hat auch die “Netzeitung” den Fehler entfernt.

Nachtrag 3, 20:30 Uhr: Die dpa hat ihre Quellen nochmals überprüft und festgestellt, dass der Fehler nicht aus einer Pressemitteilung stammt. Zusätzlich hat die Presseagentur auch eine Berichtigung ihrer Meldung veröffentlicht.

Die lustigen Neonazis von MV

In Mecklenburg-Vorpommern ist eine Neonazi-Kameradschaft verboten worden. Keine große Gruppe und auch keine wirklich große Sache, aber eben doch eine, die dem Innenminister des Landes Anlass zur Sorge gab. Die “Mecklenburgische Aktionsfront” verherrliche den Nationalsozialismus, äußere sich antisemitisch und rassistisch, heißt es dabei zur Begründung des Verbots. Dabei trugen die Mitglieder der “Aktionsfront” schon mal Transparente wie “Der Bombenholocaust lässt sich nicht widerlegen” öffentlich zur Schau. Innenminister Caffier findet dafür klare Worte: Er nennt dies “widerliche Umtriebe”.

Auf der — inzwischen abgeschalteten — Homepage der verbotenen Organisation fanden sich denn auch die entsprechend markigen Worte, die man aus solchen Reihen ja kennt:

Die 20-seitige Verbotsverfügung liest sich wie ein Ruhmesblatt und wird auf jeden Fall Eingang in die Geschichtsbücher des folgenden Staates finden. Alle ehemaligen Aktivisten sind aufgefordert, sich ihre langjährige Dienstzeit in den Reihen der M.A.F. bescheinigen zu lassen, da diese durchaus relevant für spätere Pensionsansprüche sowie Opferrenten für Verfolgte des BRD-Regimes sein werden.

Das mag man bewerten, wie man will. Die eigenartigste und fragwürdigste Einschätzung dessen leistet sich aber ganz sicher die “Netzeitung”: Sie bezeichnet die Reaktion der Neonazis als “gar nicht mal unwitzig”.

Und dass man staatlich verbotene Neonazis als “gar nicht mal unwitzig” bezeichnet, das lässt uns dann so sprachlos zurück, dass uns beim besten Willen kein witziger Abschluss-Satz mehr einfällt.

Mit Dank an Stefan B.!