Archiv für Bundeszentrale für politische Bildung

Bundeszentrale für politisches Halbwissen

Neulich haben wir in einem Artikel darauf hingewiesen, dass im Wahl-O-Mat für die kommenden Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen fälschlicherweise vom Solidaritätszuschlag statt vom Solidarpakt die Rede ist. Darauf reagierte die dafür verantwortliche “Bundeszentrale für politische Bildung” so:

Auf ihrer Facebookseite äußert sich die Bundeszentrale noch ausführlicher:

Die Thesen des Wahl-O-Mat entstehen in einer Redaktionssitzung (…). Wir haben mit der Redaktion gesprochen, die uns die Sache so erläutert hat:

“In der Tat bezieht sich die These nicht auf den Solidaritätszuschlag als Instrument. Da aber die Ergänzungsabgabe “Solidaritätszuschlag” auch eingeführt worden ist, um den “Aufbau Ost” zu finanzieren, steht er in der öffentlichen Debatte immer wieder stellvertretend für die besondere Unterstützung der ostdeutschen Bundesländer. Damit wird aber möglicherweise die Unterscheidung zwischen dem eigentlichen “Solidaritätszuschlag” und dem “Solidaritätspakt” (sic!) verdeckt, eine Unschärfe, die freilich auch in der politischen Diskussion zu finden ist (…). Wir sind uns über die Schwäche der These bewusst, haben lange darüber diskutiert, ob wir sie trotzdem aufnehmen sollten. Trotz ihrer Unschärfe spricht die These eine grundlegende Fragestellung an, die in den vergangenen Monaten insbesondere mit Verweis auf die Lage der Städte im Ruhrgebiet Schlagzeilen gemacht hat. Deswegen war es wichtig, das Thema mit einer These abzudecken. Die Parteien haben verstanden, welche Kontroverse angesprochen wird, und verweisen in ihren Begründungen auf den Solidarpakt.”

Ernsthaft? Weil Politiker es oft falsch sagen und weil der Solidaritätszuschlag irgendwann einmal für den Aufbau Ost eingeführt worden ist, kann einfach alles, was mit dem Aufbau Ost zu tun hat, Solidaritätszuschlag genannt werden?

Und die bpb legt sogar noch nach:

Und noch als kleine Ergänzung hierzu: Die genauen Erläuterungen von Solidarpakt (http://www.bpb.de/suche/?suchwort=Solidarpakt&suchen=Suchen) und Solidaritätszuschlag (http://www.bpb.de/suche/?suchwort=Solidarit%C3%A4tszuschlag&suchen=Suchen) findet man selbstverständlich bei der bpb!

Dumm nur, dass die “genaue Erläuterung” des Solidaritätszuschlags auf bpb.de auch einen dicken Fehler enthält:

Um die ungleichen Lebensverhältnisse in den neuen und alten Bundesländern nach der Wiedervereinigung anzugleichen (…), wurde vom 1. 1. 1995 an ein Zuschlag zur Lohn-, Einkommen- und Körperschaftsteuer von allen Steuerzahlern erhoben. Von der zu zahlenden Steuer wurden zuerst 7,5 % zusätzlich einbehalten, seit 1. 1. 1998 beträgt der “Soli” 5,5 %. Dieser Zuschlagssatz ist nicht befristet und wurde den neuen Bundesländern im Solidarpakt II bis 2019 zugesagt. Das Aufkommen (2008 rund 11 Mrd. Euro) steht dem Bund zu.

Noch einmal (seufz!): Solidaritätszuschlag und Solidarpakt sind zwei völlig verschiedene Paar Stiefel. Bis 2019 wurden den ostdeutschen Bundesländern im Solidarpakt II Hilfen im Zuge des Länderfinanzausgleiches zugesichert. Kein Cent davon stammt direkt aus den Einnahmen durch den Solidaritätszuschlag, denn “das Aufkommen steht” ja eben “dem Bund zu”. Zwar hat die “Bundeszentrale für politische Bildung” diese Fehlinformation aus der 4. Auflage des Duden Wirtschaft von A bis Z: Grundlagenwissen für Schule und Studium, Beruf und Alltag, aber der wird wiederum als Lizenzausgabe von der “Bundeszentrale für politische Bildung” verlegt.

Ein weiterer Kommentator auf der Facebookseite von bpb fasst die ganze Misere sehr treffend zusammen:

Was ich nach wie vor nicht verstehe: Wenn die Redaktion das Problem lang und breit diskutiert hat und sich darüber bewusst war, dass es eigentlich um die Mittel aus dem Solidarpakt geht und nicht um den Solidaritätszuschlag: Warum konnte man dann nicht einfach auch “Mittel aus dem Solidarpakt” statt “Solidaritätszuschlag” schreiben? Dann wäre es korrekt und v.a. auch weniger verwirrend, angesichts der Tatsache, dass die Parteien dann auf einmal vom “Solidarpakt” sprechen und nicht vom “Solidaritätszuschlag”. Dass diese “Unschärfe” (man könnte auch sagen: dieser Fehler) auch in der politischen Diskussion zu finden ist, kann doch nicht wirklich ein ernst gemeintes Argument dafür sein, dass die BpB diesen Fehler dann einfach übernimmt und ihm damit durch ihre eigene Glaubwürdigkeit noch weitere Autorität verleiht. Die BpB ist doch eigentlich genau dafür da, die Bürger auf solche falschen Unschärfen aufmerksam zu machen. Genau das nennt man ja politische Bildung. Jedenfalls steht als Aufgabenbeschreibung auf der BpB-Homepage u.a. auch: “Die Aufgabe der Bundeszentrale für politischen Bildung/bpb ist es, Verständnis für politische Sachverhalte zu fördern.” Und dieser Förderung wäre sicherlich mehr gedient, wenn man die oben diskutierte These anders (=korrekt) formuliert hätte.

Eine Antwort von der Bundeszentrale hat er allerdings keine mehr bekommen.

Unsinn über irgendeinen Soli (3)

Wir hatten das Thema jetzt schon zweimal, aber bis zur “Bundeszentrale für politische Bildung” bzw. zur “Landeszentrale für politische Bildung Nordrhein-Westfalen” scheint der Unterschied zwischen Solidaritätszuschlag und Solidarpakt noch nicht durchgedrungen zu sein. Naja, sie beschäftigen sich ja auch nur mit politischer Bildung:

Soli

These 30 des Wahl-O-Maten zur anstehenden Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, der beispielsweise auf “Spiegel Online” prominent verlinkt wird, lautet:

Der Solidaritätszuschlag soll auch für strukturschwache Regionen in Nordrhein-Westfalen verwendet werden.

Die sinnvollste Antwort ist hier wohl “These überspringen”, denn der Solidaritätszuschlag (=Soli) ist eine Bundessteuer, die direkt in den Bundeshaushalt fließt. Da der Solidaritätszuschlag schon lange nicht mehr ausschließlich für den Aufbau Ost verwendet wird, stellt sich auch nicht die Frage, ob er “auch für strukturschwache Regionen in Nordrhein-Westfalen verwendet werden” soll. Die These im Wahl-O-Mat bezieht sich wohl auf den Solidarpakt II, über den sich vor einigen Monaten mehrere Bürgermeister aus dem Ruhrgebiet beklagt hatten.

Scheint so, als sei der Soli das neue EU-Gericht.

Mit Dank an Thorsten H. und Ralf P.