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Stefanie Hertel: Liebe hat tausend Gesichter

Die “New York Times” genießt einen guten Ruf als Qualitätszeitung. Das bedeutet nicht, dass sie keine Fehler macht — aber auch bei ihren Fehlerkorrekturen ist die Zeitung sehr genau: so korrigierte sie in den letzten Jahren Fehler, die schon 48, 77 und sogar 112 Jahre zurücklagen.

Die Gemeinsamkeiten von “Bild” und “New York Times” sind überschaubar, gerade beim Umgang mit eigenen Fehlern. Das heißt nicht, dass “Bild” gar keine Fehler korrigiert, aber es kommt doch eher selten vor und führt mitunter zu bizarren Ergebnissen.

Jahrzehntealt ist der Fehler dann auch nicht, den “Bild” gestern korrigierte. Aber immerhin neuneinhalb Monate:

Korrektur: Am 23. September 2011 berichtete BILD unter der Überschrift "Zupfen statt blasen! Liebt Stefanie Hertel jetzt einen Gitarristen?" über den neuen Freund der Sängerin. In diesem Zusammenhang ist es leider zu einer Fotoverwechslung gekommen: Der damals abgebildete Gitarrist (Foto) ist nicht der neue Freund von Stefanie Hertel, sonder ein anderer Musiker aus ihrer Band. Wir bitten die Verwechslung zu entschuldigen. Die Redaktion

Mit Dank an Lisa H.

Zweierlei Maß sind voll

Die Axel Springer AG kämpft seit Jahren gegen eine “Kostenlos-Mentalität” im Internet.

Vor drei Jahren gehörte der Verlag zu den Unterzeichnern der sogenannten “Hamburger Erklärung”, in der es hieß:

Im Internet darf es keine rechtsfreien Zonen geben. Gesetzgeber und Regierung auf nationaler wie internationaler Ebene sollten die geistige Wertschöpfung von Urhebern und Werkmittlern besser schützen. Ungenehmigte Nutzung fremden geistigen Eigentums muss verboten bleiben.

In letzter Zeit trommelte Springer an vorderster Front für ein Leistungsschutzrecht, das schon das Zitieren kurzer Textpassagen im Internet kostenpflichtig machen soll.

* * *

Und damit zum Wetter: Am Wochenende gab es beinahe im gesamten Bundesgebiet Unwetter, die teils schwere Ausmaße ausnahmen. Der Deutsche Wetterdienst DWD zählte insgesamt mehr als 364.000 Blitze.

Bei wetterpool.de, einem nicht-kommerziellen Portal von Hobbymeteorologen, sah die Blitzkarte entsprechend beeindruckend aus:

Das dachten sich wohl auch die Leute von Bild.de, nahmen eine solche Blitzkarte, entfernten die Legende, zeichneten die deutschen Grenzen nach und stellten sie ins Internet:

Hier kracht es am Häufigsten — Der Blitzatlas

Das war offenbar nicht ganz mit dem Rausfeilen der Fahrgestellnummer bei einem gestohlenen Auto zu vergleichen, denn in der Bildunterschrift steht immerhin noch die (aus der Grafik retuschierte) Quelle:

Die Blitz-Karte von Wetterpool.de zeigt, wann und wo sich in Deutschland die Blitze entluden. Blau steht für Freitag, grün für Samstag, Gelb für die Nacht von Samstag auf Sonntag und Rot für den Sonntag

Andererseits haben uns die Betreiber von wetterpool.de geschrieben, das Vorgehen von Bild.de sei “weder erwünscht, noch erlaubt, geschweigedenn abgesprochen” gewesen.

Wir haben die Axel Springer AG, deren hundertprozentige Tochter Bild Digital für Bild.de verantwortlich ist, gestern Mittag mit diesen Vorwürfen konfrontiert. Falls sie zuträfen, wollten wir außerdem wissen, wie dieses Vorgehen mit der Haltung des Verlags in Sachen Urheberrecht im Internet vereinbaren ließe. Eine Antwort haben wir bisher nicht erhalten.

* * *

Noch eine bunte Meldung vom Sport: Seit der italienische Nationalstürmer Mario Balotelli nach seinem Tor zum 2:0 gegen Deutschland zum etwas unkonventionellen Jubel sein Trikot ausgezogen hatte, ist er die Hauptfigur eines sogenannten Mems, bei dem sein Foto digital in zahlreiche fremde Umgebungen verpflanzt wird.

Der Grafiker und Musiker Friedemann Weise veröffentlichte am Freitag diese Variante auf seiner Facebook-Seite:

Er war sehr überrascht, als er seine Bearbeitung gestern auf der Titelseite von “Bild” erblickte:

Nachtrag, 8. Juli: Bild.de hat die Blitzkarte von wetterpool.de entfernt. Friedemann Weise erklärte unterdessen bei Facebook, dass er lieber kein Geld von “Bild” möchte.

Was sich Leute alles einfallen lassen

“Bild am Sonntag” verbrachte neulich einen Nachmittag mit Heidi Klum. Im “exKLUMsiv”- Interview ereignet sich auch folgender Dialog:

Laufen Sie eigentlich, um abzunehmen?

Nein. Aber um fit zu bleiben. Nebenbei, so dünn bin ich nicht. Viele Zeitungen verkündeten sogar, ich sei schwanger, nur weil ich in einem engen Kleid ein Bäuchlein hatte. Und dann wird gerätselt, ob ich ein Höschen trage, nur weil ein Foto im Umlauf ist, das 100-prozentig retuschiert ist. Es ist schon seltsam, was sich Leute alles einfallen lassen, um Schlagzeilen zu haben!

Aus dem Gespräch geht leider nicht hervor, ob diese Passage als eine Art Gegendarstellung gedacht ist, oder ob die Leute bei “Bild am Sonntag” tatsächlich nicht gemerkt haben, was das für Leute waren, die sich für ihre Schlagzeilen was hatten einfallen lassen.

Die Unten-ohne-Debatte

Zur Erinnerung: Es waren die Leute von “Bild”!

Mit Dank an Dennis und Katharina Sch.

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Frau Volkszorn

Stephanie Bilges ist die Frau, die bei “Bild” fürs Nichtverstehen zuständig ist. Nun spricht vieles dafür, dass bei “Bild” eine Menge Leute arbeiten, die in dieser Disziplin Experten sind. Aber Frau Bilges (vormals: Jungholt) hat ihre ganze publizistische Karriere bei “Bild” auf dem Nichtverstehen und Nichtverstehenwollen aufgebaut. Ihre Kommentare sind flammende Plädoyers gegen Debatten und dagegen, sich mit Argumenten auseinanderzusetzen. Sie gibt dem Volkszorn eine zuverlässige Stimme außerhalb der Leserbriefseiten und ein Gesicht:

Stephanie Bilges

Ausländer und die Probleme, die sie Deutschen bereiten, sind eines ihrer Lieblingsthemen. Ihr Name steht über Artikeln, in denen “Bild” sogenannte “bittere Wahrheiten” darüber verbreitet.

Am vergangenen Donnerstag schrieb sie zum Thema Integration:

Jeder, der hier lebt, muss eine Chance bekommen – aber er hat die Pflicht, sie auch zu nutzen!

Ein sprachlich wie inhaltlich perfider Satz, denn eine Chance, die man nutzen muss, ist keine Chance, sondern ein Zwang.

Das ganze ideologische und rhetorische Lebenswerk der Stephanie Bilges hat sie selbst schon am 17. September 2010 zusammengefasst:

Seit Wochen diskutiert ganz Deutschland über misslungene Integration. Über Menschen, die unser Wertesystem ablehnen, den Rechtsstaat mit Füßen treten, aber nur allzu gern unsere Sozialleistungen in Anspruch nehmen.

Zeitgleich holt Innenminister de Maizière zwei neue Mitbürger ins Land: einen Syrer und einen Palästinenser, die unter Terrorverdacht in Guantánamo saßen.

Sie bekommen hier Wohnung, Sozialhilfe, Betreuer, Psychotherapie und sollen “ohne medialen Druck” leben dürfen.

Wie absurd ist das bitte?!

Es mag sein, dass den Männern Unrecht getan wurde. Es mag sein, dass sie hier sich gut einleben.

Aber was für ein Signal an uns Bürger sendet die Politik, wenn sie solchen Typen einen “Neuanfang” finanziert, während sie es nicht mal schafft, die hier lebenden Muslime zu integrieren?

Haben wir wirklich keine anderen Sorgen?

Es fällt schwer, diese Entscheidung zu begreifen. Und es zeigt sich einmal mehr, wie wenig die Politiker von unseren Sorgen und Ängsten verstehen.

Auf dieser doppelten Logik gründet regelmäßig ihre Empörung: Frau Bilges und das Volk verstehen etwas nicht. Und die Politiker verstehen das Volk nicht und nehmen keine Rücksicht auf deren fehlendes Verstehen und Verständnis.

Klar, dass sie Thilo Sarrazin als “unbequemen Querdenker” feiert:

Sarrazin hat – bei aller berechtigten Kritik – Millionen Menschen aus dem Herzen gesprochen. Weil er Missstände thematisierte, vor denen Politiker oft die Augen verschließen.

Statt ihn zu verteufeln, hätte die SPD das so drängende, wichtige Thema Integration noch verstärkter aufgreifen müssen.

Wie sie das “so drängende, wichtige Thema Integration” gern behandelt wissen möchte, erklärt Stephanie Bilges so:

Integration kann nur funktionieren, wenn muslimische Kinder an Schulen UNSERE freiheitlichen Werte kennenlernen und darauf Rücksicht nehmen. Nicht umgekehrt.

So einfach ist die Welt von Frau Bilges sortiert: Moslems auf der einen Seite, wir auf der anderen Seite. Der Islam auf der einen Seite, die Freiheit auf der anderen Seite. Ende der Debatte.

Unverfängliche Themen geht Bilges gar nicht erst an, aber anhand eines Beispiels, das wenigstens nicht Religion oder Strafrecht ist, kann man ihre Rhetoriktänze ganz gut durchleuchten. Im Mai 2011 schrieb sie über das Elterngeld, das sie für eine tolle Sache hält:

Jetzt passiert das, was so oft passiert bei uns: Das Elterngeld wird totgequatscht!

Der FDP-Generalsekretär will es abschaffen, Grüne und Linke nörgeln, es sei zu niedrig und ungerecht.

Blödsinn! In anderen Ländern funktioniert das Elterngeld auch seit vielen Jahren! Niemand würde in Schweden oder Finnland auf die Idee kommen, eine so wichtige familienpolitische Leistung einfach wieder abzuschaffen.

Nur bei uns müssen die Miesepeter und Bedenkenträger wieder alles schlechtmachen!

Finger weg vom Elterngeld – spart lieber woanders!

Haben Sie’s gemerkt? Neben der Forderung des damaligen FDP-Generalsekretärs Christian Lindner, das Elterngeld abzuschaffen, geht es am Rande auch Grüne und Linke, die “nörgeln, es sei zu niedrig und ungerecht”. Bilges ruft auch ihnen zu: “Finger weg vom Elterngeld – spart lieber woanders!”.

Sämtliche Kritik erklärt sie kurzerhand zu “Blödsinn”, weil das Elterngeld “in anderen Ländern” auch funktioniere — in ganz anderer Form vielleicht, aber für Details ist bei ihr kein Platz. Wenn sie schreibt, dass in Schweden oder Finnland “niemand auf die Idee kommen würde”, das Elterngeld wieder abzuschaffen, suggeriert sie gleichzeitig, dass es dort nicht einmal eine Debatte gibt. Und das ist das Beste für Frau Bilges überhaupt: das Fehlen einer Debatte.

Menschen, die nicht Bilges’ Meinung sind, sind automatisch “Miesepeter und Bedenkenträger” (oder “Miesmacher und Bedenkenträger”), und wenn ein Vorschlag, den sie gut findet, auch nur diskutiert wird, wirft sie den Andersdenkenden (in manchen Fällen auch: den Denkenden) direkt vor, “diese gute Idee gleich wieder kaputt zu reden”.

Bilges’ Kommentare gehen oft in direkte Appelle über, wenn sie dazu aufruft, jetzt bitte unbedingt und sofort etwas zu tun. Aktionismus ist ihr wichtiger als Besonnenheit: Lieber irgendwas tun, als erst mal verstehen wollen, was überhaupt Sache ist. Und Angst ist dabei immer ein guter Motor.

Auf dem Höhepunkt des medialen Schweinegrippe-Wahns schrieb sie:

Ein Virus, das Millionen Menschen weltweit in Panik versetzt. Schweinegrippe – unsere Angst hat einen neuen Namen.

Fast stündlich werden rund um den Globus neue Verdachtsfälle gemeldet!

Und wie geht Deutschland mit der Gefahr um?

Das Robert-Koch-Institut hat ein Lagezentrum eingerichtet. Die einzelnen Bundesländer schalten Hotlines. Ulla Schmidt verweist auf den Pandemie-Plan und sagt: “Wir sind gut vorbereitet.”

Sind wir das wirklich? […]

Das Letzte, was wir in der jetzigen Situation brauchen, ist Behörden-Hickhack und Kompetenz-Wirrwarr!

Wir brauchen Politiker, die handeln – und die die Sorgen der Menschen ernst nehmen.

Die Vorbereitung auf die Schweinegrippe mag Bilges hinterfragen, an anderen Stellen ist sie sich absolut sicher:

Fest steht: Auch das schärfste Waffengesetz hätte Winnenden nicht verhindert.

Nachdem ein Mann in Norwegen 77 Menschen getötet hatte, weil er eine “Islamisierung” Europas befürchtete, glaubte Bilges, einen “Sündenbock” gefunden zu haben:

Die “Islamfeindlichkeit” in Europa soll schuld sein. Die “wachsende Aggressivität” gegenüber Muslimen, die Art und Weise, wie bei uns über Integration diskutiert wird.

Mit Verlaub: Das ist Blödsinn!

Sie fügte hinzu:

Wenn wir beim Stichwort “Terror” heute instinktiv an radikale Muslime denken, hat das nichts mit Islamfeindlichkeit, sondern mit Erfahrung zu tun.

Im März 2010 erklärte Bilges:

Ich finde: Eine Frauenquote ist Blödsinn!

Sie beleidigt und diskriminiert uns, weil sie uns weismacht: Allein schafft ihr es eh nicht!

Es gibt viele Gründe, weshalb Frauen weniger erfolgreich sind als Männer:

Sie sind weniger aggressiv und verkaufen sich schlechter, aber sie sind auch oft hin- und hergerissen zwischen Job und Privatleben. Nicht selten ist die Liebe der erste große Stolperstein in der Karriere.

Und keine Quote der Welt würde diese Probleme lösen.

Dass Frau Bilges “weniger aggressiv” sein soll als ihre männlichen Kollegen, ließe sich höchstens damit erklären, dass die halt alle bei “Bild” arbeiten. Den schnarrenden Sechziger-Jahre-Tonfall hat sie jedenfalls voll drauf, wie sie vor der Bundestagswahl 2009 unter Beweis stellte:

Diese Wahl ist auch die letzte Ausfahrt vor einem Deutschland, das von Kommunisten mitgelenkt wird.

Einmal schrieb Bilges, es sei wichtig, “dass sich Richter und Gutachter künftig noch mehr ihrer Verantwortung bewusst sind”:

Dass sie Urteile fällen, die uns wirklich schützen.

Und nicht mit Mitleids-Gutachten neue Zeitbomben auf unsere Straßen schicken.

Ein anderes Mal:

Richter sprechen Urteile “im Namen des Volkes”. Damit ist viel Verantwortung verbunden.

Auch die Verantwortung, dass das Volk die Entscheidungen versteht.

Ihre Verantwortung als Journalistin scheint Bilges dabei ganz anders zu sehen: Ständig fragt Bilges “Wer schützt uns?” (14. Januar 2011, 11. März 2010), “Wer schützt uns vor solchen Richtern?” (BILDblog berichtete) oder “Wer versteht unsere Justiz?”, ohne auch nur den Versuch zu unternehmen, die Justiz überhaupt verstehen zu wollen. Lieber schreibt sie: “Dieses Urteil macht wütend!” oder “Dieses Urteil ist mehr als fragwürdig!”, so als sei es ihre Kernaufgabe als Journalistin, die (mutmaßliche) Meinung ihrer Leser auszusprechen, statt mit Fakten und Hintergründen zur Meinungsbildung beizutragen und dabei vielleicht auch zu erklären, zu verstehen versuchen, warum ein Gericht so urteilt, wie es geurteilt hat.

Fest steht: Die beiden Täter können nicht bestraft werden. Weil sie im juristischen Sinne eben wirklich noch Kinder sind.

Doch der Staat muss etwas tun, wenn immer mehr Kinder so ausrasten!

Muss die Strafmündigkeit irgendwann der Realität angepasst werden?

Knast schon ab 12 – das klingt radikal, vielleicht zu radikal.

Aber es geht darum, uns zu schützen – auch vor Kindern, die in Wahrheit längst keine Kinder mehr sind.

Ihre juristischen Grundsätze sind klar und direkt aus dem alten Testament übernommen: Wer selbst keine Gnade kannte, hat keine Gnade verdient, law and order, “Der Schutz der Bevölkerung hat Vorrang!”.

Bilges schreibt dann Sätze, wie sie ein Stammtischbruder oder der “Bild”-Intimus Til Schweiger kaum populistischer formulieren könnten:

Und wer sich genauer anschaut, welche Vorgaben die Richter für den Umgang mit Schwerverbrechern machen, der fragt sich schon, ob das Maß stimmt:

Da ist nämlich schon wieder von “intensiver Therapie”, “realistischer Entlassungsperspektive”, “familiären und sozialen Außenkontakten” die Rede.

Mit Verlaub! Von solchen Phrasen haben wir – und auch die Opfer! – endgültig die Nase voll.

Bilges bezieht sich immer wieder auf die einfachen Leute und den kleinen Mann von der Straße, auf “uns Bürger” und “ganz Deutschland”, doch am Ende bleibt oft genug unklar, ob sie dem Volk nun tatsächlich aufs Maul geschaut oder nicht doch eher dessen Leserbriefe vorformuliert hat:

Ganz Deutschland scheint in diesen Tagen nur ein Thema zu kennen: Karl-Theodor zu Guttenberg und seine Doktorarbeit.

Hat er geschummelt, getrickst und bei anderen abgeschrieben? Ist das Betrug? Ist so einer als Minister überhaupt noch tragbar?

Viele Deutsche sind der Meinung, wir hätten andere Probleme – sie haben recht!

Sicher hat Guttenbergs beinahe perfektes Image einen Kratzer erlitten. Er macht Fehler, wie andere Menschen auch. Und wenn die Vorwürfe stimmen, muss er den Titel natürlich abgeben.

Aber wer Guttenberg als Politiker beurteilt, darf nicht nur das schlampige Zitieren aus seiner Doktorarbeit heranziehen.

Zu bewerten sind auch Kompetenz, Pflichtbewusstsein und das große Engagement z. B. bei der Bundeswehrreform.

In Afghanistan sind gestern drei deutsche Soldaten gefallen.

Das sind die Probleme, um die es wirklich geht.

Man möchte nicht diskutieren müssen mit einer Frau, deren Argumentsarsenal sich im Wesentlichen auf die Formulierung “Mit Verlaub”, auf die Frage, ob wir keine anderen Probleme haben, auf ein rhetorisches mit den Armen in der Luft herumwedeln und auf eine unbeschränkte Zahl Ausrufezeichen beschränkt. Aber diskutieren will sie ja ohnehin nicht, sie will, dass sofort etwas getan wird, im Zweifel nicht das Richtige, Maßvolle oder das Vernünftige, sondern das, was Menschen verstehen können, ohne es verstehen zu müssen.

Mit ihrer Rhetorik trägt Bilges direkt zur Politik- und Justizverdrossenheit bei, über die die Medien seit Jahrzehnten berichten.

Fast jedes Thema lässt sich auf ein “wir hier unten, die da oben” herunterbrechen:

Wir zahlen Strafe, wenn wir 7 km/h zu schnell fahren oder bei der GEZ den Fernseher nicht anmelden.

Aber skrupellose Verbrecher können giftige Industriefette ins Tierfutter kippen!

Wenn jemand etwas von den Ängsten der Bürger versteht, dann Stephanie Bilges: Wenn sie diffuse Ängste aufgreift, benennt und als Argumente weiterverbreitet, ist sie der Katalysator dieser Ängste, die Wiederaufbereitungsanlage eines unbestimmten Unwohlseins. Statt zu versuchen, ihren Lesern die Angst durch den Einsatz von Fakten zumindest ein wenig zu nehmen, heizt sie deren Ängste weiter an.

Stephanie Bilges ist die Frau, die Franz Josef Wagner wie einen aufgeklärten, liberalen Freigeist erscheinen lässt.

Enttäuschte Liebe

Bei jedem Fußballturnier ist es das Gleiche. Solange die deutsche Mannschaft gewinnt, sieht es in “Bild” so aus:

“Bild”, 9. Juni:

“Bild am Sonntag”, 10. Juni:

“Bild am Sonntag”, 10. Juni:

Bild.de, 11. Juni:

“Bild”, 14. Juni:

Bild.de, 14. Juni:

Bild.de, 14. Juni:

“Bild”, 15. Juni:

Bild.de, 16. Juni:

Bild.de, 16. Juni:

Bild.de, 19. Juni:

“Bild”, 23. Juni:

Bild.de, 23. Juni:

Sobald die deutsche Mannschaft aber rausfliegt, sieht es plötzlich so aus:

“Bild”, 29. Juni:
Neuer: 4, Hummels: 5, Badstuber: 5, Boateng: 4, Lahm: 5, Khedira: 4, Schweinsteiger: 6, Kroos: 5, Özil: 5, Podolski: 6, Gomez: 6

Bild.de, 29. Juni:

Bild.de, 29. Juni:

Bild.de, 29. Juni:

Bild.de, 29. Juni:

Bild.de, 29. Juni:

Bild.de, 29. Juni:

“Bild am Sonntag”, 1. Juli:

Bemerkenswert – aber kaum überraschend – auch dieser Dreiklang:

Bild.de, 29. Juni:

Bild.de, ein paar Stunden später:

Bild.de, 30. Juni:

Außerdem ließ es sich “Bild” nicht nehmen, die “Memmen” in Einzelkritiken noch ein bisschen deutlicher niederzumachen:

Dass die Kritik weder etwas mit Fußball zu tun haben noch in irgendeiner Weise mit der vorherigen Berichterstattung übereinstimmen muss, dürfte jetzt auch nicht mehr groß überraschen. (Den Spruch über Mario Gomez hat “Bild” sich übrigens nicht mal selbst ausgedacht.)

Und wie das so ist bei Profifußballern: Wenn einem die Argumente blöden Sprüche ausgehen, kann man ja immer noch auf deren Millionen-Gehältern rumreiten:

Man mag es kaum glauben, wie sehr ein deutscher Nationalspieler verwöhnt wird. (…)

Es ist eine Kuschel-Welt, in der unsere Nationalspieler beim DFB leben.

Als die deutschen Fußballer sich vor ein paar Tagen im Mannschaftshotel “gemütlich auf die Couch” lümmelten und im eigenen Heimkino einen “großen Kinospaß in 3D” anschauten, fand Bild.de das übrigens noch “megacool”.

Aber da war die Mannschaft ja auch noch im Turnier.

Siehe auch:

Mit Dank auch an die vielen, vielen Hinweisgeber!

Auch als Orakel unbrauchbar

Die EM-Halbfinals 2012 sind vorbei, Deutschland ist (wieder einmal) gegen Italien ausgeschieden.

Das macht die großspurigen “Witze” mancher Boulevardmedien im Nachhinein natürlich noch ein bisschen peinlicher:

“Hamburger Morgenpost”, gestern:
11 Gründe, warum wir heute Abend Italien wegputzen: Pizza End-Statione

“Abendzeitung”, gestern:
Arrivederci, Italia!

Bild.de, gestern:
Wir wünschen schon jetzt eine gute Heimreise

Und erst letzten Samstag hatte “Bild” noch groß verkündet:
Uns stoppt keiner mehr!

Mit Dank auch an C.

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Der Mann, der in “Bild” das “Schwein” war

Es war eine der lustigen Schlagzeilen, für die Leute, die “Bild” lieben, “Bild” lieben:

Hat dieses Schwein einen Menschen ermordet?

Sie stand vor zwei Jahren in “Bild” (BILDblog berichtete). Die Polizei verdächtigte den Mann damals, gemeinsam mit seinem Lebensgefährten einen Bekannten auf einem Autobahnparkplatz erschossen zu haben. Das Foto war natürlich bei einem ganz anderen Anlass entstanden, war für “Bild” aber natürlich ein Geschenk.

Das Blatt schrieb dazu:

BILD erfuhr: Wahrscheinlich war es ein Mord im Homosexuellen-Milieu! Der Tatort ist in der Schwulenszene als Sex-Treffpunkt bekannt. Detlef S. war lange Vizechef der Deutschen Aids-Stiftung, ist Diplom-Sozialpädagoge. Nach Angaben der Fahnder ist die Beweislage gegen ihn und seinen Freund erdrückend.

Zehn Tage später wurden beide aus der Untersuchungshaft entlassen. Der Tatverdacht hatte sich nicht bestätigt (BILDblog berichtete).

Die mediale Hinrichtung durch “Bild” war nur ein kleines, furchtbares Detail in einer schrecklichen Geschichte, die die “Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung” jetzt aufgeschrieben hat:

Fachblatt für Geschmacklosigkeiten

Ein Mann hat offenbar versucht, auf verschiedenen Internetplattformen ein Auto zu verkaufen, das sich seiner Ansicht nach dadurch hervortat, dass es früher dem Fußballer Robert Enke gehört hatte, der sich im Jahr 2009 das Leben genommen hatte.

“Bild” kommentiert das heute so:

Geschmacklos! Auto-Verkäufer warb mit totem Enke
Man kann sich diesem Urteil natürlich anschließen — sollte dann andererseits dringend noch einmal daran erinnern, wie “Bild” vier Tage nach Enkes Tod bei Facebook für ihren Online-Auftritt geworben hatte (in dem damals u.a. viele Paparazzi-Fotos von der trauernden Witwe, unter anderem am Grab ihrer Tochter zu sehen waren):


Mit Dank an die vielen Hinweisgeber!

Für sie am Ball

Für diese Schlagzeile auf Bild.de gilt das gleiche wie für die Momente, in denen man unbekleidet vom eigenen Partner mit einer anderen Person im heimischen Schlafzimmer überrascht wird: Es ist nicht, wonach es aussieht.

Martin wollte Casillas-Freundin abschießen

Zum einen ist da der Vorwurf des “Abschießenwollens”, den Bild.de so beschreibt:

Vor dem Anstoß versuchte Marvin Martin (24) die spanische TV-Reporterin Sara Carbonero (28) abzuschießen.

Die Verlobte von Spaniens Torhüter Casillas moderierte gerade am Spielfeldrand, als Martin Maß nahm.

Warum er nur Auswechselspieler ist, bewies der Mittelfeldmann eindrucksvoll: Sein Schuss verfehlte die schöne Moderatorin.

Es bedarf schon einigen bösen Willens, in dieser Aktion Absicht zu erkennen — und nicht einfach ein verunglückte Volley-Annahme:

(Auch die Behauptung, Frau Carbonero habe “im letzten Moment zur Seite springen” können, dürfte angesichts des Videos leicht übertrieben wirken. Aber eine frontal getroffene Kamera ist offenbar nicht so spektakulär, wie eine beinahe getroffene “schöne Moderatorin”.)

Zum anderen lautete die Überschrift ursprünglich “Nasri wollte Casillas-Freundin abschießen”, weil die Sportexperten von “Bild” Marvin Martin zunächst für Samir Nasri gehalten hatten.

Nachdem einige Leser in den Kommentaren auf diese Verwechslung hingewiesen hatten, überarbeitete Bild.de unauffällig den gesamten Artikel — und sorgte dafür, dass die Kommentare unter dem Artikel nicht mehr angezeigt werden.

In der gedruckten “Bild” allerdings kann man die ursprüngliche Verwechslung noch in aller Pracht nachlesen:

Nasri wollte Casillas-Freundin abschießen

Mit Dank an Jan David Sch., Moritz S., Arno W., Thomas Sch. und S.K.

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Freibrief für unerlaubte Fotos von Unfallopfern?

Im Oktober 2005 kam eine 32-jährige schwangere Frau bei einem schweren Verkehrsunfall ums Leben, den sie nicht verschuldet hatte. Weil im Fahrzeug des Unfallverursachers der Musiker Max Mutzke saß, hielten Boulevardmedien wie “Bild” den Unfall für besonders relevant.

Zwei Tage nach dem Unfall suchte ein “Bild”-Mitarbeiter die Eltern der Verstorbenen auf und bat an der Haustür um Informationen über die Getötete und ein Foto von ihr. Die Eltern verweigerten jegliche Angaben und erklärten ausdrücklich, dass sie kein Foto
zur Verfügung stellen wollten und mit einer Veröffentlichung eines Fotos ihrer Tochter in “Bild” nicht einverstanden seien. “Bild” ignorierte dies und beschaffte sich von einem unbekannten Dritten ein Porträtfoto der jungen Frau und druckte es nebst diversen Einzelheiten aus dem Privatleben der Getöteten.

Für “Bild” eine nahezu alltägliche Geschichte.

Doch die Eltern der jungen Frau taten etwas, wozu die meisten Angehörigen in so einer Situation gar nicht in der Lage sind: sie gingen juristisch gegen “Bild” vor. Die Zeitung musste sich in einer Unterlassungserklärung verpflichten, das Foto nicht erneut zu verbreiten.

Zusätzlich forderten die Eltern Schadensersatz in Höhe von 15.000 Euro von der Axel Springer AG. Nach einem ursprünglichen Urteil des Landgerichts Berlin, das Springer zu einer Zahlung von 3.000 Euro und der Übernahme der Anwaltskosten der Eltern verurteilt hatte, ging der Fall durch die Instanzen, bis der Bundesgerichtshof im März den Schadensersatzanspruch der Eltern zurückwies: “Bild” habe weder die Persönlichkeitsrechte der Eltern noch die der verstorbenen Tochter verletzt, die Eltern hätten auch keinen Anspruch auf Zahlung einer angemessenen Lizenzgebühr.

Das Internetportal “Datenschutz Praxis” hat sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vorgenommen und kommt zu dem Schluss, sie sei “ein Freibrief für Zeitungen, Fotos von Unfallopfern auch dann risikolos veröffentlichen zu können, wenn die Angehörigen sich strikt gegen eine Veröffentlichung aussprechen”:

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