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SPD am Steuer, das wird teuer

Weil Griechenland, EHEC und die ständige Aberkennung von Doktortiteln auf Dauer langweilen, widmet sich “Bild” derzeit den vagen Plänen der Bundesregierung, die Steuern zu senken. Sogar einen Brief an die Bundesregierung sollten die Leser abschicken. (Mehr zu den Steuersenkungs-Versprechen von FDP und “Bild” bei den Nachdenkseiten.)

Die Ministerpräsidenten einiger Bundesländer sind von den Ideen eher weniger begeistert — und werden von “Bild” einigermaßen erwartbar als “Steuer-Nörgler” beschimpft.

Schon gestern Abend hatte Bild.de berichtet:

In vorderster Front kämpfen die CDU-Regierungschefs Reiner Haseloff (Sachsen.-Anhalt), Peter Müller (Saarland) und Christine Lieberknecht (Thüringen) Seite an Seite mit den SPD-Länderchefs Kurt Beck (Rheinland-Pfalz), Klaus Wowereit (Berlin) und Hannelore Kraft (Nordrhein-Westfalen).

“Keine Steuersenkung auf Pump” heißt ihre Parole. Kernargument: Erst müssen die Staatsschulden runter, nur dann gibt es wieder Spielraum für Entlastungen

Und wie das so aussieht, wenn CDU-Regierungschefs “Seite an Seite” mit SPD-Länderchefs kämpfen, verdeutlichen die Grafiker von Bild.de mit diesem Teaser-Bild, das gestern Abend auf der Startseite prangte:

Rebellion in den Ländern gegen Steuererleichterungen: Warum gönnen die uns die Kohle nicht?

Es zeigt ausschließlich die genannten SPD-Politiker.

Da ist es nur noch ein kleiner Schritt zu Ernst Elitz*, der heute in seiner Kolumne schreibt:

Die SPD tritt aufs Bremspedal. Sie will mal wieder die Besserverdienenden rösten. Steuern rauf statt runter, damit Geldverdienen keinen Spaß mehr macht.

*Ernst Elitz wird von “Bild” konsequent als “Gründungsintendant des Deutschlandradios” bezeichnet.

Mit Dank an Stephan K. und Marco G.

Presserat missbilligt Nutella-Geschmiere

(Diese Geschichte lag ein bisschen bei uns rum, ist aber immer noch gut.)

Anfang März erschien in der “Bild”-Zeitung ein erstaunlicher Hinweis “In eigener Sache”:

Am 08.01.2011 hatten wir im Rahmen eines Interviews mit Mats Hummels dessen Tätigkeit als Werbepartner und das von ihm beworbene Produkt in unangemessener Weise betont. Wir bedauern dies.

Das ist eine erstaunlich treffende Beschreibung für das “Nutella-Frühstück”, zu dem sich “Bild” Anfang Januar mit dem Dortmunder Bundesliga-Spieler Mats Hummels getroffen hatte. Der Brotaufstrich war in Wort und Bild groß in Szene gesetzt:

Die Bild.de-Version des Artikels ist Anfang März ebenfalls durch Hinweis “In eigener Sache” ersetzt worden.

Was war passiert? Nun, es könnte etwas damit zu tun haben, dass BILDblog sich beim Presserat über die Werbegeschichte beschwert hatte. Im Lauf des Verfahrens bekommt dann immer das Medium Gelegenheit zu Stellungnahme, und in diesem Fall fiel sie für “Bild”-Verhältnisse ungewöhnlich aus:

Die Rechtsabteilung der Axel Springer AG räumte ein, einen Fehler gemacht zu haben. Der Presserat fasst ihre Erklärung so zusammen:

Zwar sei der Begriff der sogenannten “Nutella-Boys” (…) in Sportkreisen und auch anderen Medien inzwischen allgemein verbreitet. (…) Dennoch hätte die penetrante Nennung des Produktnamens in BILD-(Ruhr) keineswegs erfolgen dürfen. Die Chefredaktion habe den Artikel umgehend moniert und mit den Kollegen besprochen. Leider sei zu diesem Zeitpunkt der Artikel bereits von BILD-Online übernommen worden.

Der Presserat sah in dem “Nutella-Interview” klar Schleichwerbung, wertete die Erklärung “in eigener Sache” aber zugunsten der Zeitung und sprach deshalb keine “Rüge”, sondern nur eine “Missbilligung” aus.

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Wer stoppt diesen Irrsinn?

Die Geschichte kennt mittlerweile jeder Opa: Als sie via Facebook zu ihrer Geburtstagsfeier einladen wollte, legte die damals 15-jährige Thessa aus Hamburg versehentlich eine “öffentliche Veranstaltung” an — und mehr als 14.000 Leute sagten zu. Obwohl ich Facebook recht intensiv nutze, hätte ich von der Einladung womöglich nie etwas mitbekommen, bis die Medien anfingen, darüber zu berichten. Und diese Berichte wiederum Verbreitung bei Facebook fanden.

Letztlich kamen rund 1.600 Besucher nach Hamburg-Bramfeld, wo ein privater Sicherheitsdienst, rund 100 Polizisten inklusive Reiterstaffel und etliche Kamerateams auf sie warteten. Es kam zu Sachbeschädigungen, elf Personen mussten in Polizeigewahrsam. Der Pressesprecher der Hamburger Polizei sagte dem NDR-Medienmagazin “Zapp”, die Polizei gehe davon aus, dass die intensive Medienberichterstattung “das Ganze etwas angeheizt” habe.

Seit diesem Vorfall zirkulieren angeblich vermehrt (absichtliche) Einladungen zu unangemeldeten Großveranstaltungen in sozialen Netzwerken — und die Medien, die nichts aus ihrer Handlangerschaft gelernt haben, trommeln fröhlich weiter dafür.

Das hässliche Gesicht von Facebook. Wer stoppt diesen Irrsinn?

So berichtete “Bild” in NRW gestern über den “Irrsinn”, der sich in Wuppertal ereignet hatte, als am vergangenen Freitag rund 800 Menschen zu einer per Facebook angekündigten Flashmobparty im Stadtteil Ronsdorf aufliefen. Direkt nach der Bilanz der Polizei (“41 Festnahmen, 16 Verletzte”), schreibt “Bild” bedeutungsschwer:

Und die nächste Party ist im Internet schon ausgerufen.

Und nicht nur im Internet, denn “Bild” nennt das genaue Datum, die genaue Uhrzeit und den genauen Ort für die geplante Party, sowie sicherheitshalber auch noch den Titel, unter dem man die Veranstaltung bei Facebook finden kann. Statt der 900 User, von denen “Bild” gestern schrieb, haben derzeit schon mehr als 1.600 ihr Kommen angekündigt.

Eine Sprecherin der Stadt Wuppertal bezeichnete die mediale Berichterstattung im Vorfeld als “kontraproduktiv”. Die Medien, zu denen nicht nur “Bild”, sondern auch Radio- und Fernsehstationen gehörten, würden “indirekt extreme Werbung” für die Veranstaltung machen, eine “zurückhaltendere Berichterstattung wäre wünschenswert”.

Doch auch heute berichtet “Bild” in der NRW-Ausgabe über die “Facebook-Party-Randale” in Wuppertal und zeigt dabei einen Screenshot von der Veranstaltungsseite auf Facebook, damit auch der dümmste User sichergehen kann, dass er nicht bei der falschen geplanten (inzwischen von der Stadt untersagten) Party zusagt.

Und wer nicht den weiten Weg nach Wuppertal auf sich nehmen will, für den hat “Bild” noch andere … äh: Veranstaltungstipps. Für zwei weitere geplante Flashmobs (von denen einer tendenziell eher harmlos ist) in Gelsenkirchen und Marl nennt die Zeitung die Termine und die genauen Veranstaltungsorte.

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Quelle: Rechtsfreier Raum

Ein junger Mann aus Duisburg, der sich über das Internet Zugriff auf die privaten Computer von Stars wie Lady Gaga, Justin Timberlake und Mariah Carey verschafft hatte, und sein Komplize standen gestern vor dem Duisburger Landgericht.

Die beiden Männer, die “Bild” wegen ihres geringen Alters “Bubi-Hacker” nennt, hatten sich unveröffentlichte Songs und private Fotos der Prominenten beschafft und teilweise teuer verkauft, die Sängerin Ke$ha damit auch erpresst. Dafür wurden die beiden zu 18 Monaten Haft auf Bewährung verurteilt.

Doch wie bebildert eine Zeitung wie “Bild” einen Artikel über zwei Kriminelle, die “sogar Nacktfotos geklaut” haben?

Natürlich mit einem geklauten Nacktfoto:

Dieses Privatfoto klauten die Bubi-Hacker von Teenie-Rockstar Kesha.

Bild, dpa  etc.

Die Medien sind krank

Wie wird aus einer interessanten Information eine Nachricht, die viele Medien und damit viele Menschen erreicht? Die Geschichte der Meldung, dass die Deutschen 2010 wieder häufiger krank feierten, die in dieser Woche durch die Medien ging, ist ein gutes Lehrstück.

1.

Immer am Anfang des Jahres gibt das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit eine große Tabelle mit Daten über die Entwicklung der Arbeitszeit in Deutschland heraus. Darin steht unter anderem, wie viele Überstunden die Arbeitnehmer gemacht haben und wie oft sie krank waren.

In diesem Jahr veröffentlicht das IAB die Zahlen am 20. Januar und erwähnt in einer Pressemitteilung unter anderem, dass der Krankenstand 2010 gegenüber dem Vorjahr leicht zugenommen habe. Die Agentur dapd berichtet, doch die Nachricht bleibt ohne größere Resonanz.

2.

Irgendwann später im Jahr ruft der “Bild”-Redakteur Stefan Ernst beim IAB an und fragt, ob man nicht irgendwelche exklusiven Daten für ihn habe. Das Institut verneint, weist aber auf die vielen interessanten Informationen auf der eigenen Internetseite hin. Ernst greift auf die Arbeitszeit-Tabelle zurück und macht aus den eigentlich längst bekannten Angaben über die Überstundenentwicklung einen Artikel, der am 14. Februar auf Seite 1 erscheint.

3.

Die Nachrichtenagenturen AFP, dpa und epd melden daraufhin unter Bezug auf “Bild” die IAB-Zahlen aus dem Januar über die Entwicklung der Überstunden. dpa ergänzt sie in einer weiteren Meldung am selben Tag um die IAB-Daten über den leicht erhöhten Krankenstand.

4.

Einige Monate vergehen. Eines Tages erinnert sich “Bild”-Mann Stefan Ernst bei der Suche nach einer aufregenden Wirtschaftsgeschichte für die Seite 1 offenbar an die alte IAB-Tabelle. Diesmal greift er sich ein anderes Detail heraus: die Angaben über den erhöhten Krankenstand. So meldet “Bild” am 14. Juni noch einmal, was das IAB bereits im Januar und dpa bereits im Februar gemeldet hat:

5.

Die Nachrichtenagentur dpa berichtet daraufhin eilig unter Bezug auf “Bild”, dass sich der Krankenstand laut IAB 2010 leicht erhöht habe. Autor der Meldung ist derselbe dpa-Mann, der dieselbe Nachricht schon vier Monate zuvor geschrieben hatte.

6.

Auf der Grundlage der dpa-Meldung verkaufen nun “Handelsblatt”, “taz”, “Berliner Zeitung”, “B.Z.”, “Spiegel Online” und viele andere als Neuigkeit, was das IAB gut fünf Monate zuvor veröffentlicht hat und was dpa vier Monate zuvor bereits einmal gemeldet hat.

Und wir lernen:

  • Nachrichten müssen in der “Bild”-Zeitung stehen, damit Nachrichtenagenturen sie wahrnehmen.
  • Wenn sie in der “Bild”-Zeitung stehen, sind sie für Nachrichtenagenturen immer ein Thema, selbst dann, wenn sie sie bereits Monate zuvor schon vermeldet haben.
  • Was Nachrichtenagenturen melden, ist für andere Medien eine Nachricht, selbst wenn es alt, bekannt oder falsch ist.

Falsch auch? Ja. Vermutlich hat der Krankenstand im vergangenen Jahr gar nicht zugenommen. Die IAB-Studie beruht auf Stichproben, die solche Schlüsse, wie sie das Institut und die Medien ziehen, gar nicht zulässt. Mehr dazu hier:

Mit anderer Leute Abrechnung Kasse machen

Am Donnerstag erschien in der Wochenzeitung “Die Zeit” ein großes Interview mit Jörg Kachelmann (BILDblog berichtete).

“Bild” zitierte am Freitag längere Passagen aus diesem Interview, wobei sich die Zeitung alle Mühe gibt, auf der Titelseite den Eindruck zu erwecken, selbst mit Kachelmann gesprochen zu haben:

1. Interview nach Freispruch: Kachelmann rechnet brutal ab! Mit seiner Ex-Geliebten - Mit der Justiz - Mit der Polizei - Mit der Presse

Besonders dreist war die Formulierung auf Bild.de:

Die ganze Abrechnung lesen Sie heute in BILD – die bekommen Sie entweder gedruckt am Kiosk oder bei iKIOSK zum Download.

Nein. Die “ganze Abrechnung” lesen Sie in der “Zeit” — und seit gestern bei “Zeit Online”.

Wie uns “Die Zeit” auf Anfrage sagte, ist sie “erfolgreich” juristisch gegen Bild.de vorgegangen. Demnach hat Bild.de eine Unterlassungserklärung abgegeben, auch der Satz “Die ganze Abrechnung lesen Sie heute in BILD” steht inzwischen nicht mehr online. Aber heute könnten Sie’s in “Bild” ja eh nicht mehr lesen.

Mit Dank auch an Petra O.

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Des Wahnsinns fette Beute

Es geht um Macht, Ehre und um schlimme Sex-Vorwürfe. Bei den Rechtswissenschaftlern der Bremer Uni ist heftiger Prof-Zoff ausgebrochen.

Das klingt doch schon mal nach den richtigen Zutaten für eine zünftige “Bild”-Geschichte. Und so berichtete das Blatt am Dienstag in Bremen groß über den “Irren Prof-Zoff an der Bremer Uni”.

Der Professor, der “schlimme Sex-Vorwürfe” gegen seine Kollegen erhob, saß da bereits seit zwei Wochen in der geschlossenen Psychiatrie des Zentralkrankenhauses Bremen-Ost.

Dort besuchte “Bild” ihn dann für die Mittwochsausgabe. Oder genauer: Die Zeitung tat so, als hätte sie ihn dort besucht. Der Klinikbetreiber erklärt dagegen, “definitiv” keine “Bild”-Reporter zu dem Patienten gelassen zu haben.

“Bild” zeigt den Mann in seinem Krankenzimmer, nennt ihn mit vollem Namen und und lässt ihn über eine “schier unglaubliche Mobbing-Kampagne” sprechen, die der offensichtlich schwer kranke Jurist gegen sich wittert. Dadurch, dass “Bild” den Professor ernst nimmt und ihm eine öffentliche Bühne bietet, die er sucht, vor der er selbst aber mutmaßlich geschützt werden sollte, sinken die Chancen, dass der Mann nach einer möglichen Genesung wieder in seinen Arbeitsalltag zurückkehren könnte. Kurzum: Für die geile Story nutzt “Bild” einen psychisch Kranken aus und geht das Risiko ein, dessen Ruf vollends zu zerstören.

Die “taz” berichtet heute in ihrer Nord-Ausgabe ausführlich über die Berichterstattung der “Bild”-Zeitung, die den kranken Professor zusätzlich “demontiert”:

“Nie mehr Springer. Nie mehr Burda.”

Jörg Kachelmann, vergangene Woche vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochener Wetterexperte und Ex-TV-Moderator, hat der “Zeit” ein langes Interview gegeben.

Es ist ein beeindruckendes, beklemmendes Gespräch (nachzulesen auf der Website des “Handelsblatts”), in dem Kachelmann mit sich selbst, vor allem aber mit den deutschen Medien und der Justiz in Baden-Württemberg hart ins Gericht geht.

In den Zeitungen stand viel Unsinn. Bild schrieb zum Beispiel: Kachelmanns Verteidiger schlug auf den Richtertisch. Das ist nicht wahr. Er schlug nicht. Er brüllte auch nicht. Die Geschichte vom brüllenden Verteidiger ist eine Erfindung durchgeknallter Medien. Die sagten sich wohl: Hui, der wird ja freigesprochen, jetzt fällt der Spannungsbogen unserer Geschichte aber ab, jetzt nehmen wir den Anwalt und bauschen ihn zum Krawallmacher auf! Und niemand korrigiert das dann, niemand berichtigt die Bild- Zeitung, obwohl alle anderen drinsitzen und auch sehen, dass er weder gebrüllt noch auf den Tisch geklopft hat, sondern jeder Journalist hält diese Falschmeldungen für einen passenden Beleg.

Kachelmann schildert seine surreal erscheinende, fast filmreife “Flucht” vor den Paparazzi: Im Auto seiner Verteidigerin wurde er aus dem Gerichtsgebäude gebracht, in dem er soeben freigesprochen worden war, über rote Ampeln verfolgt, ehe er sich durch Parkhäuser, Hinterhöfe und Großraumbüros schlug, um am Ende auf der Rückbank liegend, “die Beine im Fußraum, über meinem Kopf so eine Fitness-Gummimatte” der Presse-Meute zu entkommen.

DIE ZEIT: Über Sie weiß man ja schon alles.
Jörg Kachelmann: Ja, mich erpresst niemand mehr. Das ist fast schon beruhigend. Die anderen müssen noch immer Angst haben vor dem unheimlichen, strafenden Gott, der in der Inkarnation von Bunte, Bild oder sonst wem anruft und sagt: “Wir haben Fotos von Ihnen. Wir bringen die Bilder sowieso, aber schön wäre, Sie würden noch etwas dazu sagen.” Es gibt Bild- Journalisten, die glauben, dass sie Gott sind. Deswegen rufen die mich immer noch an, auch heute noch. Nie mehr Springer. Nie mehr Burda.

Von Kachelmanns Medienbeschimpfung findet sich – erwartungsgemäß – in der Kurzzusammenfassung des Interviews bei Bild.de: kein Wort.

Kachelmann im "Zeit"-Interview: "Ich habe Fehler gemacht, ich habe Frauen belogen"

Mit Dank auch an Daniel W.

Nachtrag, 22 Uhr: handelsblatt.com hat das Interview wieder offline genommen. Wir versuchen herauszufinden, ob nur vorübergehend.

Nachtrag, 13. Juni: Das Interview steht jetzt bei “Zeit Online” online.

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“1. Sex-Täter verurteilt!”

Endlich kann “Bild” mal wieder etwas Gutes aus dem Hause derer zu Guttenberg berichten:

Stephanie zu Guttenberg (34) und ihr engagierter Kampf gegen sexuellen Missbrauch von Kindern – jetzt ein großer Erfolg! Der erste Täter, den sie mit ihrer TV-Sendung “Tatort Internet” überführt hatte, stand Dienstag in München vor Gericht! Der Schlosser, der im Netz und auch bei einem Treffen Sex mit einer 13-Jährigen suchte, wurde verurteilt!

“Was für ein tolle Frau”, möchte man da fast ausrufen — wenn “Bild” das nicht wahrlich schon oft genug getan hätte.

Allein für ihren einmaligen Auftritt als Co-Moderatorin in der umstrittenen RTL2-Sendung “Tatort Internet” (die “Bild” unbeirrt als “Sendereihe von Stephanie zu Guttenberg” bezeichnet) hatte “Bild” die Gattin des damaligen Bundesverteidigungsministers mehrfach in den höchsten Tönen gefeiert. Nun ist einer der Männer, der in eine Falle der TV-Macher getappt war, wegen versuchten sexuellen Missbrauchs von Kindern vom Amtsgericht München zu drei Monaten Haft auf Bewährung und 1000 Euro Geldauflage verurteilt worden und “Bild” (für die eine Bewährungsstrafe sonst eigentlich “laufen lassen” bedeutet) feiert dies als persönlichen Triumph von Stephanie zu Guttenberg.

Die Freifrau darf natürlich sogleich selbst zu Wort kommen und so tun, als sei überhaupt erstmalig in der Geschichte der Menschheit
ein “Sex-Täter” (“Bild”) verurteilt worden:

Stephanie zu Guttenberg zu BILD: “Ich bin froh, dass endlich ein Richter den Mut findet, einen dieser Täter zu verurteilen. Die Justiz muss die Gesetze gegen Kinderschänder endlich härter anwenden!”

Was “Bild” lieber verschweigt, hat die “Süddeutschen Zeitung” aufgeschrieben:

Das Gericht vertrat dabei die Auffassung, der Mann sei von RTL2 ‘in eine Falle gelockt’ worden. Richter Andreas Forstner hielt dem 42-jährigen Schlosser zugute, dass er von dem TV-Team ‘vorgeführt worden’ war. Wenn die Polizei mit Lockvögeln arbeite, sagte der Vorsitzende, sei das schon grenzwertig. Das gelte für einen Sender, der seine Quoten aufbessern wolle, ganz besonders.

Mit Dank an Andreas G. und Axel Sch.

Bild  etc.

Aber der Hund ist verrückt, ja?

In ihrer gestrigen Münchner Regionalausgabe konnte “Bild” mit einer kleinen Sensationsmeldung aufwarten:

Neu entdeckt! Ein Lied von Mosi

So soll unser Mosi für immer unvergesslich bleiben: ​Im Internet ist jetzt drei Minuten lang die Original-Stimme des ermordeten Modezaren Rudolph Moshammer (†64) zu hören!

Wie “Bild” berichtet, habe der Münchner Musikproduzent und Komponist Gottfried Seidl-Carusa einen Schlager veröffentlicht, “der Jahre lang bei ihm in der Schublade schlummerte”.

Seidl-Carusa: “Wir haben den Dixie-Song zusammen vor elf Jahren in einem Tonstudio von Ambros Seelos aufgenommen. Ich habe gesungen, er seinen Text dazu gesprochen. ​Mosi war begeistert. ​Aber dann kam 2001 sein Grand Prix-Auftritt dazwischen und unser Liebeslied geriet leider völlig in Vergessenheit.”

Als BILD jetzt über das nachlassende Interesse der Münchner an ihrem einstigen Liebling berichtete, erinnerte sich sein Freund wieder an das unveröffentlichte Mosi-Lied und verewigte es auf seiner Homepage (www.​carusa-music.​de/​projekte).

Es spricht wenig dafür, dass sich Seidl-Carusa tatsächlich erst jetzt, nach einem “Bild”-Bericht an seinen Song mit der wiederkehrenden Zeile “Mein Hund Daisy ist so crazy” erinnert hat. Und wenn, dann muss er ihn zwischendurch mehrfach erfolgreich verdrängt haben:

Der Text, den er online gestellt hat, datiert vom Mai 2005. Im Internet (also auf Carusas Website), wo der Song laut “Bild” “jetzt” zu hören ist, steht er auch schon länger, im Google-Cache vom 3. April 2011 ist er jedenfalls schon vorhanden.

Außerdem hatte sich der Produzent und Komponist schon im Februar 2005, dreieinhalb Wochen nach Ermordung des Modeschöpfers, schon einmal an das Werk “erinnert”: Das bayerische Regionalprogramm von Sat.1 hatte damals über die wieder entdeckte Hunde-Hymne berichtet. Seidl-​​Carusa posierte damals im Tonstudio und kündigte an, das Lied zugunsten von Moshammers Verein “Licht für Obdachlose” veröffentlichen zu wollen. Anschließend erklärte die Sat.1-Moderatorin, der Song sei auch auf einer neuen DVD zum Andenken an Moshammer enthalten.

Sat.1 Bayern hat seinen Beitrag vom 7. Februar 2005 heute noch einmal online gestellt — um damit auf die aktuelle Berichterstattung zu reagieren, die längst weite Teile der deutschen Medienwelt erfasst hat.

Die folgende Auflistung ist sicher unvollständig:

dpa:

Moshammers Liebeslied an Hund “Daisy” aufgetaucht

dapd:

Moshammers Hymne auf Daisy – Bislang unbekanntes Lied vom verstorbenen Modezar Moshammer soll für Stimmung auf dem Oktoberfest sorgen

“Spiegel Online”:

Sechs Jahre nach dem Tod von “Modezar” Rudolph Moshammer schenkt der Münchner Musikproduzent und Komponist Gottfried Seidl-Carusa der Welt ein Lied. Nicht irgendein Lied. Es ist eine – bisher garantiert unveröffentlichte – musikalische Liebeserklärung Moshammers an seine Yorkshire-Hündin Daisy.

stern.de:

Mosi-Song aus Schublade gezaubert: Liebeslied an Hundedame Daisy. Vor sechs Jahren wurde der Münchner Modezar Rudolph Moshammer in seinem Haus ermordet. Jetzt ist ein bislang unbekanntes Lied von ihm aufgetaucht: eine Liebeserklärung an seinen Hund Daisy.

“Die Welt”:

Mehr als sechs Jahre nach seinem Tod ist ein Lied des exzentrischen Modeschöpfers Rudolph Moshammer aufgetaucht. Der Titel: “Mein Hund Daisy ist so crazy”. Der Münchner Musikproduzent Gottfried Seidl-Carusa hat den Song nach eigenen Angaben jahrelang in seiner Schublade gehabt. Nun hat er ihn auf seine Internetseite gestellt.

“Rheinische Post”:

Moshammer-Lied für “Daisy” aufgetaucht

“Focus Online”:

Modezar: Moshammer-Song "Mein Hund Daisy" aufgetaucht

abendblatt.de:

Musikalischer Nachlass: Neues Lied vom toten Modezar Moshammer im Internet zu hören. Ein Musikproduzent hat das Lied "Mein Hund Daisy ist so crazy", das er 2000 mit dem Modezar Rudolph Moshammer aufnahm nun veröffentlicht.

“Augsburger Allgemeine”:

Der "Verrückte-Daisy-Song". Komponist will mit Lied des verstorbenen Rudolph Moshammer einen Wiesnhit landen

n-tv.de:

"Mein Hund Daisy ist so crazy": Mosi-Liebeslied aufgetaucht

“Berliner Kurier”:

Gut sechs Jahre nach seinem Tod sorgt der exzentrische Modeschöpfer Rudolph Moshammer wieder für Furore: Mit dem Songtitel “Mein Hund Daisy ist so crazy” – einem Liebeslied an seinen Vierbeiner. Beim Münchner Musikproduzenten Gottfried Seidl-Carusa lag der Dixie-Song in der Schublade, nun hat er ihn auf seiner Internetseite veröffentlicht.

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