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Hautnah an den Stars

Die Welt ist voller Fragen: “Woher kommen wir?”, “Wohin gehen wir?”, “Hab ich das Bügeleisen angelassen?” und natürlich:

Warum trägt Robben eigentlich so enge Trikots?

Beim 6:1-Sieg der Bayern gegen Wolfsburg sei eines “wieder einmal” aufgefallen, so Bild.de:

das hautenge Trikot des Niederländers.

Alljährlich dürfen die Spieler zwischen verschiedenen Trikot-Schnitten wählen, bei Robben fällt die Wahl regelmäßig auf die körperbetonte Variante – sehr zur Freude seiner weiblichen Fans. Die wissen natürlich schon lange um das Geheimnis der hautengen Teile.

Und was ist das “Geheimnis”? Offenbar, dass das “hautenge Teil” besonders teuer ist, wie Bild.de detailliert erklärt:

Robbens kurzärmeliges Trikot, Modell “TechFit Limited Edition”, ist derzeit in Weiß für 149,95 Euro im Bayern-Fan-Shop erhältlich. Zum Vergleich: Ein normal geschnittenes Trikot kostet den Fan in Erwachsenen-Größe 79,95 Euro (kurzärmelig) bis 84,95 Euro (langärmelig).

Das dürfte neben den weiblichen Fans auch den Presserat interessieren, beantwortet aber immer noch nicht die Frage, warum Arjen Robben so enge Trikots trägt.

Aber keine Angst, das erklären die Servicejournalisten von Bild.de natürlich auch noch — auf ‘ne Art. Jedenfalls lassen sie dabei jemanden zu Wort kommen, der es wissen muss:

Was ist so besonders am “TechFit”-Modell?

“Das Gewebe ist hauteng geschnitten und sorgt für eine bessere Durchblutung der Muskulatur”, erklärte Adidas-Sprecher Oliver Brüggen “Bild am Sonntag”. Die enge Passform und die “TechFit mit Powerweb”-Technologie fördere durch Kompression die Körperwahrnehmung und erhöhe das Körperbewusstsein. Das bedeutet: Robbens Oberkörper bleibt nach dem Aufwärmen gut durchblutet, das Verletzungsrisiko sinkt. Dazu trägt er auf dem Platz körpernahe Funktionsunterwäsche. Die verstärkt den Effekt noch – den auf die Damen übrigens auch.

Und wenn die Damen das Dingen jetzt erwerben wollen, wissen sie auch, wo und zu welchem Preis.

Mit Dank an Pascal P., Christian G. und Mark G.

Amateure!

6:1 hat der FC Bayern München gestern gegen den VfL Wolfsburg im Halbfinale des DFB-Pokals gewonnen und damit fast das geschafft, worauf Bild.de im Vorfeld spekuliert hatte:

DAS WAREN DIE HÖCHSTEN POKALSIEGE ALLER ZEITEN: Knackt Bayern heute den Pokal-Tor-Rekord?

Na ja, fast:

Um den Torrekord im Pokal zu überbieten müssten die Bayern-Stürmer allerdings noch Mal eine Schippe drauflegen: Der liegt bei 17 Treffern – in einem Spiel! Die Stuttgarter Kickers trafen 1941 in der ersten Hauptrunde des DFB-Pokal-Vorgängerwettbewerbs, dem Tschammer-Pokal, durchschnittlich alle fünf Minuten ins Tor des VfB Knielingen.

Die Antwort auf die Überschrift lautete also von Anfang an: “Vermutlich eher nicht.”

Aber dann vielleicht was anderes:

Oder knackt der FC Bayern den Rekord für das torreichste Bundesliga-Duell im Pokal?

Das fand im Viertelfinale 1987 statt: Borussia Mönchengladbach schlug den KFC Uerdingen 9:2 – das Ergebnis, mit dem die Bayern zuletzt den Hamburger SV in der Bundesliga überrollten.

Den höchsten Halbfinal-Sieg in der Geschichte des Pokal-Wettbewerbs feierten ausgerechnet die Stadtrivalen der Bayern: 1860 München gewann 1942 gegen TuS Lipine mit 6:0.

Möglich gewesen wären natürlich auch noch die Torrekorde für ein Spiel an einem Dienstagabend, der auf ein gerades Datum fällt, ein Spiel zwischen einer Mannschaft aus einer Stadt mit sieben Buchstaben gegen eine aus einer Stadt mit neun oder für ein Spiel, bei dem die Redaktion von Bild.de zuvor gefragt hatte, ob Bayern heute den Pokal-Tor-Rekord knacken werde.

Bild.de hatte jedenfalls mehrere Listen zu den “torreichsten Duellen im DFB-Pokal” vorbereitet, unterteilt in die “höchsten Siege im DFB-Pokal”, die “höchsten Halbfinalsiege” und die “meisten Tore in Bundesliga-Duellen”:

Sieht soweit nicht weiter verdächtig aus, enthält aber zwei Fehler:

Das 1:8 vom 1. FC Köln gegen den VfB Stuttgart war kein “Bundesliga-Duell”, weil es die Kölner Amateure waren, die da gegen Stuttgart verloren.

Und das 6:1 der Stuttgarter gegen Frankfurt wird noch beeindruckender, wenn man weiß, dass es die Amateurmannschaft des VfB war, die die Eintracht da bezwang — also auch kein “Bundesliga-Duell”.

Mit Dank an Thomas B.

Überall Blut

Früher konnten Eltern ihren Kindern noch die Augen zuhalten, wenn in der “Tagesschau” Beiträge über den Bürgerkrieg in Jugoslawien, Anschläge der IRA oder ähnliche, mutmaßlich blutige Themen angesagt wurden. Heute surfen die Kinder im Internet rum und auch wenn die wenigsten von ihnen freiwillig auf Nachrichtenseiten gehen dürften, ist die Chance, auf verstörende (Bewegt-)Bilder zu stoßen, allgegenwärtig.

Nachdem es am Montag an der Ziellinie des Boston Marathons zu zwei Explosionen gekommen war, tauchten innerhalb kürzester Zeit im Internet Fotos und Videos auf, bei denen sich viele sicherlich die schützende Hand der Eltern zurückgewünscht haben — und das nicht nur bei Facebook, Twitter & Co. (vgl. “6 vor 9” von heute), sondern auch auf mehr oder weniger seriösen Nachrichtenseiten.

Bild.de zeigte (natürlich) Bilder, die mit “Blutüberströmt wird diese verletzte Frau in einem Rollstuhl zum Krankenwagen gefahren”, “Eine junge Frau wird vor Ort am Boden verarztet”, “Ein verletzter Mann liegt mit schmerzverzerrtem Gesicht auf einer Trage”, “Auch dieser schwer verletzte Mann muss im Rollstuhl zum Krankenwagen gebracht werden” und “Eine Frau mit einem verwundeten Bein wird auf eine Trage verlagert” einigermaßen treffend umschrieben sind. “Focus Online” präsentierte eine Bildergalerie unter der Überschrift “Terror auf der Ziellinie – Schreckens-Bilder aus Boston”, stern.de zeigte Fotos, auf denen “deutlich […] die Blutflecken zu erkennen” waren, oder sich Menschen “schreiend auf der Erde wälzen”, und “RP Online” betextete seine Bildergalerie durchaus treffend mit: “Diese Läuferin läuft weinend durch die Gegend” und “Überall waren Blutlachen zu sehen”. Auf amerikanischen Nachrichtenseiten waren mitunter noch heftigere Fotos zu sehen, noch mehr Blut — teils ohne jede Vorwarnung direkt auf der Startseite.

Auf sueddeutsche.de erschien gestern ein Artikel über die “Macht der Bilder”, in dem es heißt:

Egal, wer für den Anschlag verantwortlich ist, die Täter haben ein erschreckendes Gespür für die Symbolik eines Terroranschlags gezeigt. Nirgendwo waren mehr Kameras, nirgendwo haben mehr Menschen das Ereignis verfolgt. Und an keiner anderen Stelle wäre die unmittelbare Aufmerksamkeit höher gewesen, als an der Ziellinie. Jede Sekunde des Anschlags ist in zahllosen Clips aus allen nur denkbaren Einstellungen zu sehen. Jedes kleinste Detail wurde mit Smartphones festgehalten und hat sich innerhalb weniger Minuten auf der ganzen Welt verbreitet. Ungefiltert, nahezu in Echtzeit. Wer will, kann das Grauen mit all seinen Facetten ansehen. Und genau das ist es, was die Terroristen bezwecken.

Das ist sicher richtig.

Insofern ist es konsequent und lobenswert, dass sueddeutsche.de diesem und anderen Artikeln einen Kommentar hinzugefügt hat:

Im Zuge der Berichterstattung über den Anschlag in Boston verzichtet Süddeutsche.de bewusst auf die Veröffentlichung von Fotostrecken und Videos mit blutigen Bildern der Opfer. Uns ist bewusst, dass andere News-Seiten, auf die wir – nach sorgfältiger Prüfung – in unseren Texten verlinken, derartige Fotos möglicherweise zeigen. Wir glauben jedoch, dass in diesen Fällen der Informationsgehalt der verlinkten Artikel so hoch ist, dass Verweise dennoch gerechtfertigt sind.

Der schöne Sheen

Bild.de ist kaum noch zu bremsen:Charlie Sheen: So gei ist seine neue Serie!

Der Super-Macho ist zurück!

(…) “Anger Management” wurde dem Hollywoodstar auf den Leib geschrieben und legte einen Traumstart im amerikanischen Kabelfernsehen hin.

(…) “Two and a half Men” mit Ashton Kutcher floppte, “Anger Management” ist DER Hit!

Beim Fernsehmagazin “Quotenmeter.de” und in der Wikipedia liest sich das allerdings ein bisschen anders. Dort heißt es, während der neunten Staffel von “Two and a Half Men” (in der Kutcher sein Debüt gab), hätten pro Episode mindestens zehneinhalb Millionen Zuschauer eingeschaltet. In Staffel zehn sahen sogar bis zu 15 Millionen Menschen zu.

“Anger Management” hingegen, die neue Serie mit Charlie Sheen, legte für die Verhältnisse des US-Senders zwar tatsächlich einen Traumstart hin (etwa fünf Millionen Zuschauer), seit Beginn der zweiten Staffel befinden sich die Zuschauerzahlen aber “im freien Fall”:

Den Tiefpunkt markierte die vorletzte Folge am 14. Februar 2013, wo gerade mal 0,93 Millionen Menschen eine weitere Ausgabe von “Anger Management” einschalteten. Die neueste Episode der zweiten Staffel steigerte sich wieder leicht auf 1,04 Millionen Zuschauer. (…) Eine Million Zuschauer sind natürlich für die ambitionierte Sitcom desaströs.

Warum Bild.de die Serie trotzdem “so geil” findet und schreibt, sie sei “DER Hit”, erklärt sich von selbst, wenn man die Dachzeile des Artikels liest:"ANGER MANAGEMENT" EXKLUSIV AUF BILD MOVIES

“Anger Management” feiert Deutschlandpremiere – exklusiv auf BILD Movies in Kooperation mit Watchever.

(…) *BILD Movies ist ein Service der Watchever GmbH. Um diesen Service nutzen zu können, müssen Sie ein Abo abschliessen, wodurch Kosten von 8,99 EUR monatlich entstehen. Der Service ist die ersten 30 Tage kostenlos und monatlich kündbar.

Mit Dank an Tim.

“Spiegel”: Bild.de sieht doppelt

Beim “Spiegel” stehen womöglich bald wichtige Personalentscheidungen an, wie Bild.de gestern Abend unter Berufung auf seriösere Quellen berichtet:

“Der Spiegel” will sich von seinen beiden Chefredakteuren Georg Mascolo (48) und Mathias Müller von Blumencron (52) trennen. Das berichten übereinstimmend die WELT und das Hamburger Abendblatt .

Gleich zwei Quellen, so gründlich sind sie im Hause “Bild” selten! Und es sind sogar beide verlinkt.

Der Text bei der “Welt” (Axel Springer AG) ist von Kai-Hinrich Renner und beginnt so:

Dass es womöglich keine so fürchterlich gute Idee war, Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron zu gleichberechtigten Chefredakteuren des “Spiegels” zu machen, hätte der Geschäftsführung und den Gesellschaftern des Nachrichtenmagazins eigentlich schon im Februar 2011 auffallen können. Damals entschloss man sich, den beiden, die – vornehm ausgedrückt – nicht gerade beste Freunde sind, unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche zuzuteilen.

Der Text beim “Hamburger Abendblatt” (Axel Springer AG) ist von Kai-Hinrich Renner und beginnt so:

Dass es womöglich keine so fürchterlich gute Idee war, Georg Mascolo und Mathias Müller von Blumencron zu gleichberechtigten Chefredakteuren des “Spiegels” zu machen, hätte der Geschäftsführung und den Gesellschaftern des Nachrichtenmagazins eigentlich schon im Februar 2011 auffallen können. Damals entschloss man sich, den beiden, die – vornehm ausgedrückt – nicht gerade beste Freunde sind, unterschiedliche Zuständigkeitsbereiche zuzuteilen.

Dass “Welt” und “Abendblatt” “übereinstimmend” berichten, ist also keine wirkliche Überraschung. Es ist der gleiche Text.

Mit Dank an Franca.

Fluch der Akribik

Im Februar war das Kreuzfahrtschiff “Carnival Triumph” im Golf von Mexiko nach einem Brand navigierunfähig manövrierunfähig geworden und musste in einen US-Hafen geschleppt werden, während an Bord die Toiletten überliefen. Jetzt hat ein Sturm das Schiff im Hafen losgerissen und es wurde erneut beschädigt.

Und weil der Reederei Carnival auch die “Costa Concordia” gehört, die im Januar 2012 vor der italienischen Insel Giglio mit einem Felsen kollidiert war, fragt Bild.de jetzt:

LUXUSKREUZER "CARNIVAL TRIUMPH"-CRASH: Liegt ein Fluch über dieser Kreuzfahrtlinie?

Eine völlig nahe liegende Frage, angesichts der Fluch-Obsession der “Bild”-Redaktion.

Hier eine sicherlich unvollständige Zusammenstellung der letzten zwei Jahre:

11. März 2013:
HSV hämmert den Labbadia-Fluch weg

11. Februar 2013:
ROTFLUCH! Mainz-Bubi Parker fliegt im 7. Spiel zum zweiten Mal. KARNEVALS-FLUCH! Wenn es närrisch wird, kann Meier nicht gewinnen

8. Februar 2013:
Der Unfall-Fluch von Hoffenheim 2. Crash in fünf Monaten - Advincula mit rund 80 km/h gegen Baum

7. August 2012:

Fahnenträger-Fluch! 12 Jahre ohne Medaille

27. Juli 2012:

Als würde ein Fluch auf der Schauspielerfamilie [Lothar] liegen:

  • Susannes Vater Hanns Lothar wurde nur 37 Jahre alt. Er starb 1967 nach einer Nierenkolik. Lothar war ein Star der frühen TV-Jahre (“Flug in Gefahr”, 1964).
  • Susannes Halbbruder Marcel Werner (entstammt einer Affäre ihres Vaters) nahm sich 1986 das Leben, nur 34 Jahre alt.
  • Schauspielerin Jenny Gröllmann, die zweite Frau von Susanne Lothars Ehemann Ulrich Mühe, kämpfte jahrelang gegen den Krebs. Mit 59 starb Gröllmann 2006 in Berlin.
  • Im Jahr darauf erlag auch Ulrich Mühe seinem Krebsleiden, nur 54 Jahre alt.

20. Juli 2012:
Vettel hat den Deutschland-Fluch!

18. Mai 2012:

Der Fluch der Kennedys hört nie auf! FRAU VON BOBBY JR. (52) - SELBSTMORD IN DER GARTENLAUBE

5. April 2011:

Hat der Onassis-Fluch wieder zugeschlagen? Athina Onassis (26), letzte überlebende Erbin des milliardenschweren Onassis-Clans, erhielt jüngst eine Schreckensnachricht: Die Ex-Freundin ihres Mannes Doda (38) hat sich umgebracht.

Und hier weitere Flüche im BILDblog-Archiv.

“Bild” lässt Merkel keine Privatsphäre

Am Mittag veröffentlichte die Deutsche Presse Agentur (dpa) eine Meldung, wonach Bundeskanzlerin Angela Merkel “verärgert” sei über Fotos von ihr und ihrer Familie, die während ihres Oster-Urlaubs in Italien entstanden seien:

Alle Fotos seien ohne ihr Wissen entstanden und ohne ihre Billigung veröffentlicht worden, sagte Vize-Regierungssprecher Georg Streiter am Mittwoch in Berlin. “Das sind alles Fotos, die aus irgendwelchen Verstecken heraus gemacht worden sind (…) Sie können sich vorstellen, dass es nicht immer entspannt ist, wenn man irgendwo Urlaub macht und das Gefühl hat, aus jeder Ecke lugt ein Objektiv hervor.” Es sei bekannt, dass die Kanzlerin keine große Neigung zur Pose habe. Merkel war sowohl mit den Kindern und Enkelkindern ihres Mannes Joachim Sauer beim Wandern als auch im Badeanzug beim Schwimmen gezeigt worden.

Nachlesen können Sie das etwa bei “Spiegel Online”, “RP Online”, “Focus Online”, stern.de und im “Westen” (wo die Redaktion die erstaunliche Transferleistung erbracht hat, die Meldung mit einem der besagten Paparazzi-Fotos zu bebildern).

Nicht nachlesen können werden Sie das vermutlich auf Bild.de und in der morgigen “Bild”. Was natürlich mit der heutigen “Bild” zusammenhängen könnte:

Kanzlerin privat: Merkels geheimes Familien-Leben
(Kindergesichter im Original verpixelt, vollständige Anonymisierung von uns.)

Im Badeanzug zeigt “Bild” die Kanzlerin zwar nicht, aber auf der Seite 2 sind weitere fünf Fotos von Angela Merkel, die “wir” “so entspannt” “noch nie gesehen” haben:

SIE ist die meistfotografierte Frau Deutschlands.

Wenn SIE im Dienst ist. So gut wie nie gibt es dagegen Fotos, Berichte aus dem Privaten, aus Angela Merkels Familienleben.

Dabei hat sie eines. Sie zeigt es nur nicht gern her – wie ein gut gehütetes Geheimnis.

Wie gemein von ihr.

Der Kita-Krieg und die Ökofaschisten

Das Online-Gästebuch des Delingsdorfer Kindergartens war lange Zeit ein Ort des Friedens. Da bedankte sich “Miss Schmidt” herzlich für das “tolle Laternenfest”, und “Henrys Mama” zeigte sich “beeindruckt” von der großartigen “Cats-Aufführung”. Wie gesagt: ein Ort des Friedens. Doch dann kam der 26. März. Und mit ihm der “Kita-Krieg”.

Seitdem füllt sich das Gästebuch des Kindergartens plötzlich mit Einträgen, in denen Begriffe wie “Öko-Diktatur” vorkommen und “Kinderfeindlichkeit”, in denen von den “verschrobenen Vorstellungen” einiger “Gutmenschinnen” die Rede ist, von “Körperverletzung”, “dusseligem Ökogefasel” und “linksextremem Ökoterror”. Auch in vielen anderen Ecken des Internets wird auf das Kita-Personal eingedroschen. Die Erzieherinnen werden als “Ökofaschisten” beschimpft, als “hartherzige”, “kalte”, “machtgeile” und “hirnkranke” Frauen.

Ins Rollen gebracht wurde diese Empörungswelle von einem Artikel, der am Dienstag in der “Welt”, dem “Hamburger Abendblatt” und der “Berliner Morgenpost” erschienen ist. Darin berichten die Eltern eines vierjährigen Jungen aus Delingsdorf bei Hamburg, dass man ihnen den Kita-Platz gekündigt habe. Vorausgegangen war ein Streit mit der Kita-Leitung und dem Bürgermeister, weil die Eltern ihrem Sohn statt Butterbroten ein paar Kekse mit in die Kita gegeben hatten. Die Kita hatte dem Sohn die Kekse wieder mit nach Hause gegeben – versehen mit einem Zettel, auf dem stand: “Bitte denken Sie daran, dass wir ein zuckerarmer Kindergarten sind.” Die Eltern beschwerten sich beim Bürgermeister, es entwickelte sich ein Streit, und am Ende stand die Kündigung des Kita-Vertrages. So weit die etwas verkürzte Darstellung der Ereignisse.

Das “Hamburger Abendblatt” drückte es so aus:

Kita wirft Vierjährigen nach Streit um Kekse raus

Während in der Überschrift lediglich ein zeitlicher Zusammenhang festgestellt wird, klingt das im Artikel schon deutlich anders. Und in “Bild” erst recht:
Kita wird Kind (4) raus - Weil es Kekse in der Brotdose hatte

Dies ist die unglaubliche Geschichte über einen kleinen Jungen, seine Kita – und einen Butterkeks!

Thore (4) aus Delingsdorf bei Hamburg darf nicht mehr in den Kindergarten, weil seine Eltern das falsche Essen in die Brotdose packten! Die Gemeinde kündigte jetzt den Kita-Vertrag mit Thores Eltern. Aus wichtigem Grund, heißt es. Der wichtige Grund: Butterkekse!

Nun ist aus dem zeitlichen Zusammenhang also endgültig ein kausaler geworden. Auch im “Express” heißt es, der Junge müsse “alleine zu Hause spielen, weil seine Eltern Süßigkeiten in die Frühstücksdose gepackt hatten”. Laut “Hamburger Morgenpost” wurde er rausgeworfen, “nur weil er Süßigkeiten dabei hatte”.

Und schon ist es so weit:

Ganz Deutschland diskutiert über die unglaubliche Geschichte des kleinen Thore (4) aus Delingsdorf bei Hamburg.

“Ganz Deutschland” heißt bekanntlich: “Bild” und Bild.de. Und konkret sieht das so aus:

Der Irra Kita-Keks-Streit - Das sagen die BILD.de-Leser - "ist das ein Kindergarten oder eine Sekte?"

Bild.de, 27. März:Rausschmiss wegen Keksen in der Brotdose - "Erzieherinnen entlassen" oder "Fehlverhalten der Eltern"? - Die große Kita-Diskussion: Das sagen BILD.de-Leser

Bild.de, 27. März:Rechte in Kindertagesstätte -- Keks in der Kita - kann mein Kind dafür fliegen?

Bild.de, 28. März:Eltern oder Erzieher - Wer bestimmt, was Kinder in der Kita essen?

Bild.de, 28. März:6

Bild.de, 29. März:BILD.de fragt bei Eltern nach - Was halten SIE vom irren Kita-Keks-Streit?

“Bild”-Titelseite, 28. März:

Kita-Krieg! Eltern gegen Erzieher, Erzieher gegen Eltern - und die Leidtragenden sind die Kinder

Weil sich ihre Eltern beschwert hatten, dürfen Oda (3) und Thore (4) nicht mer in ihre Kitas. Was ist nur los in deutschen Kindergärten? Eltern und Erzieher berichten über den täglichen Kita-Krieg. Der große BILD-Report.

Das andere Beispiel, das “Bild” hier rausgekramt hat, betrifft übrigens einen Fall, der aus dem November 2012 stammt. Schon damals hatte “Bild” darüber berichtet. Und schon damals hatte der Trägerverein die Vorwürfe zurückgewiesen.

Was die “unglaubliche Geschichte des kleinen Thore” angeht, behauptet “Bild” auch in diesem Artikel, die Kita habe ihn rausgeworfen, weil er die Kekse dabeihatte. Auf shz.de, dem Internetauftritt des Schleswig-Holsteinischen Zeitungsverlags, kann man derweil eine ganz andere Version der Geschichte lesen. Dort heißt es:

Differenzen zwischen der Gemeinde und den Eltern von Thore gibt es bereits seit längerer Zeit. Karola und Christian [P.], beide berufstätig, prangern seit zwei Jahren vermeintliche Mängel in der Kindertagesstätte “Lütte Lüüd” an.

(…) Am 25. Januar kommt es dann zum Keks-Konflikt.

(…) Der Streit eskaliert. Schließlich nimmt sich der Jugend-, Sport- und Kulturausschuss des Themas an. “Um die Persönlichkeitsrechte der Eltern zu schützen, war die Sitzung zu diesem Punkt natürlich nicht öffentlich”, erklärt der Bürgermeister. Das habe er Karola und Christian [P.] verdeutlicht. Die Eltern empfinden den Hinweis als Rauswurf. “Wir wurden als Querulanten dargestellt und gingen”, sagt Christian [P.]. Er kritisiert das Vorgehen des Bürgermeisters, der lautstark und aggressiv agiert habe. Darüber habe er sich bei der Kommunalaufsicht beschwert.

Fünf Tage später liegt die Kündigung des Kindergartenplatzes zum 25. März auf dem Tisch, “aus wichtigem Grund”. Das Vertrauensverhältnis sei nachhaltig gestört, begründet das Amt Bargteheide-Land. Die Eltern sollten sich eine andere Einrichtung suchen.

Nach dem Aufschrei der Medien nahm der Bürgermeister auf einer eiligst einberufenen Pressekonferenz Stellung zur Entscheidung der Gemeinde:

“Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, Experten der Kreisverwaltung hinzugezogen”, sagt Bürgermeister Knudsen. Ihr Fazit sei gewesen, dass es dem Kindeswohl dienlicher sei, wenn Thore den Kindergarten verlasse. Der Bürgermeister: “Das Kind spürt den Konflikt, zumindest unter bewusst. Es spürt, dass seine Eltern diesen Kindergarten, in den es gehen soll, eigentlich ablehnen. Das schadet ihm mehr als ein Wechsel.”

Die Eltern legten Widerspruch gegen die Kündigung ein, doch der wurde zurückgewiesen. Schließlich suchten sie den Weg in die Medien.

In dieser Version der Geschichte ist also nicht der Keks der Grund für den Rausschmiss, sondern die Auseinandersetzung darüber – ein kleiner, aber bedeutender Unterschied. Denn in dieser Version geht der Konflikt von zwei Parteien aus. In der “Bild”-Version nur von einer.

Der Bürgermeister erklärte daher schon am Donnerstag, die Schlagzeilen der Boulevardmedien träfen nicht “den Kern der Wahrheit”. Auf shz.de heißt es:

[Bürgermeister Knudsen:] “Der Keks war nicht der Grund für die Kündigung.” Allerdings ist er sich nicht sicher, ob das noch irgendjemand hören möchte. Längst hat der Fall eine gewaltige Eigendynamik entwickelt. “Die Mitarbeiter des Kindergartens werden mittlerweile bedroht und als Öko-Faschisten bepöbelt.”

Das “Abendblatt” ruderte Mitte der Woche immerhin zurück und widmete dem “Machtwort” des Bürgermeisters einen eigenen Artikel. Für “Bild” hingegen sind diese Aussagen nicht der Rede wert. Ebenso wie die Stellungnahme der Elternvertreter, die mittlerweile herausgegeben wurde. Darin schreiben sie, sie seien “überrascht über die aktuelle Berichterstattung unseres Kindergartens”:

Wir sind sprachlos und auch ohnmächtig, da wir nicht wissen, wie wir auf diese Medienberichte reagieren sollen.

Fakt ist: Nein, hier wurde niemandem wegen einem Butterkeks gekündigt. Seit 2 Jahren gibt es Differenzen zwischen der Familie und dem Kindergarten.

(…) Auf die weiteren Vorwürfe können wir leider nicht eingehen. Das laufende Verfahren wird hier hoffentlich bald auch der Gegendarstellung Gehör verschaffen. Wir bitten Euch, die Medien sorgfältig zu prüfen. (…) Wir bedauern den Medienrummel, der auf den Kindergarten, den Erziehern und vor allem auf den kleinen Thore und seiner Familie hereinprasselt.

Die Eltern des Jungen haben sich unterdessen selbst mit einem Brief gemeldet. Laut shz.de heißt es darin:

Wir wurden von zwei Elternvertretern in Kenntnis gesetzt, dass nach dieser gewaltigen Presse-Lawine bezüglich der Kündigung des Betreuungsverhältnisses in der Kindertagesstätte Delingsdorf über die Betreuung unseres Sohnes Thore eine Welle von Hass auf die Gemeinde, die Kindertagesstätte und den Bürgermeister einschlägt. Wir distanzieren uns von diesem Hass und den Drohungen.

“Kein Bürger der Gemeinde” dürfe “darunter leiden oder bedroht werden”, zitiert shz.de die Eltern. “Zerstören Sie nicht den Dorffrieden und das Miteinander innerhalb der Gemeinde durch Androhungen und Hass.”

Doch “Bild” befindet sich immer noch im “Kita-Krieg” (der offenbar so etwas ist wie der inoffizielle Nachfolger des “Schnitzel-Krieges”). In einem Artikel über den “täglichen Kita-Ärger” empören sich in der heutigen Ausgabe erneut Eltern über die “Unverschämtheiten” in den deutschen Kindergärten. Und von “Thore (4) aus der Nähe von Hamburg” behauptet “Bild” immer noch, er sei “aus seiner ‘zuckerfreien’ Kita geworfen [worden], weil er Butterkekse in der Brotdose hatte”. Munition für die Kämpfer gegen den Ökoterror.

Der neueste Eintrag im Online-Gästebuch des Kindergartens (Stand heute Morgen) stammt übrigens von “Mama aus Delingsdorf”. Sie schreibt:

(…) Glaubt der Rest der Republik wirklich, dass ein ganzes Dorf seine Kinder in diesen Kindergarten geben würde, wenn die Umstände so wären, wie ihn manche Zeitungen beschreiben? Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man einer ganzen Gemeinde unterstellt, sich nicht für das Wohl seiner Kinder zu interessieren und bei der Kindergartenwahl keine Sorgfalt walten zu lassen. (…) Ich nehme das beinahe persönlich.

(…) Unser Sohn geht gern in diesen Kindergarten. Die Menschen dort haben Lob und Anerkennung verdient und nicht Schimpf und Schande!

Liebe Kommentatoren: Es ist nicht immer alles so, WIE es in der Zeitung steht, nur WEIL es in der Zeitung steht.

Mit Dank an Robert G. und Martin.

Nachtrag, 1. April: Zwei Stunden nach Erscheinen unseres Eintrags sind auch die Leute von Bild.de zurückgerudert – oder sagen wir: Sie haben die Richtung gewechselt. Unter der Überschrift “Jetzt rollt eine Wutwelle durch das Dorf” heißt es:

Auf der Homepage des Kindergartens ist ein heftiger Streit entbrannt. Eltern wettern gegen Eltern, Unbekannte gegen Dorfbewohner, von “Öko-Terror” und Machtdemonstration ist die Rede. “Einem kleinen Kind den Keks zu verweigern, ist widerlich”, schreibt jemand.

Dass diese “Wutwelle” erst aufgrund der Springer-Medien losgerollt ist, erwähnt Bild.de natürlich nicht. Und natürlich zitieren sie auch keine jener Beschimpfungen, die nur deshalb geschrieben wurden, weil deren Verfasser im Glauben standen, der alleinige Kündigungsgrund sei der Keks gewesen.

Immerhin rückt Bild.de jetzt von dieser falschen Darstellung ab — und stellt statt eines kausalen nur noch einen zeitlichen Zusammenhang fest:

Thore hatte Butterkekse in seiner Brotdose, die Kita legt aber Wert auf die “zuckerarme” Ernährung im Haus. In der Folge gab es Streit und die Gemeinde kündigte den Vertrag mit Thores Eltern.

Auf der Internetseite des Kindergartens ist derweil folgender Hinweis veröffentlicht worden:

Leider haben sich in den letzten Tagen viele Menschen dazu berufen gefühlt, dieses Gästebuch für Beleidigungen und Bedrohungen zu missbrauchen.

Da sich hieraus auch polizeiliche Ermittlungen ergeben haben, sehen wir uns leider gezwungen, das Gästebuch vorübergehend zu schliessen.

Macht kaputt, was Euch kaputt geht

ACHTUNG, BESCHISS!

schrie “Bild” vergangenen Donnerstag auf der Titelseite.

Den Grund dafür erklärte Bild.de so:ENDLICH DER BEWEIS! Hersteller lassen Geräte absichtlich altern

Gemeint ist die sogenannte “geplante Obsoleszenz” – eine Theorie, die seit über 80 Jahren immer mal wieder für Unruhe in den Medien sorgt. Sie besagt, Hersteller würden ihre Produkte bewusst so konstruieren, dass die nach einer bestimmten Zeit automatisch den Geist aufgeben – damit wir gezwungen werden, immer wieder neue Geräte zu kaufen. So richtig beweisen konnte das aber niemand. Bis jetzt.

Behauptet zumindest Bild.de:

Darüber hat sich jeder schon mal geärgert: Kaum ist die Garantie abgelaufen, geht das Elektro-Gerät kaputt! Wirklich nur Zufall?

Eine Studie im Auftrag der Grünen bestätigt endlich einen Verdacht: Dahinter steckt Methode, denn Hersteller bauen absichtlich Schwachstellen ein, damit Geräte weniger lange halten. Ob Fön, Drucker, Mixer oder Waschmaschine – Firmen tricksen ihre Kunden aus.

Das Gutachten für die Grünen im Bundestag (liegt BILD.de vor) untersucht die so genannte “geplante Obsoleszenz”, also den bewusst geplanten schnelleren Verfall von Produkten.

Darin heißt es: “Bauteile werden in der Produktentwicklung so gewählt, dass sie vorzeitig verschleißen oder als versteckte Schwachstelle einen frühzeitigen Schaden auslösen.”

Für Bild.de eine klare Sache: Das Gutachten liefert “endlich” den “Beweis” dafür, dass die Hersteller mit Methode “tricksen und abzocken”.

In der Print-Ausgabe las sich das allerdings ein bisschen anders. Schon der Teaser war für “Bild”-Verhältnisse ungewohnt zurückhaltend formuliert:

Eine Studie im Auftrag der Grünen stützt einen Verdacht vieler Verbraucher: Vor allem bei Elektro-Geräten planen die Hersteller angeblich immer häufiger den frühen Verschleiß der Produkte mit ein und verwenden “bewusst minderwertige Bauteile”.

Auch im Artikel gibt sich “Bild” eher kleinlaut. Das Gutachten “bestärke” die “böse Vermutung” der Verbraucher, heißt es vage. Von “Beweis” oder “Bestätigung” ist, anders als bei Bild.de, keine Rede. Und auch die angebliche Verschwörung der Hersteller wird im Print-Artikel allenfalls angedeutet.

Schaut man sich das Gutachten (PDF) genauer an, ist diese Zurückhaltung durchaus verständlich. Denn dort findet sich ein interessantes Detail, das weder in der gedruckten “Bild” noch auf Bild.de Erwähnung findet. Dafür aber beispielsweise auf “Spiegel Online”:

Auf hundert Seiten nennen die Autoren [des Gutachtens] Beispiele für vermeidbaren Verschleiß bei Geräten und sehen angesichts eines auf mehr als 100 Milliarden Euro geschätzten Schadens “umgehenden Handlungsbedarf”.

Das Ergebnis ist nicht überraschend, schließlich ist Co-Autor Stefan Schridde Initiator des Verbraucherportals “Murks? Nein Danke”, das sich gegen geplante Obsoleszenz einsetzt. Die Plattform wird im Gutachten mit einem eigenen Abschnitt gewürdigt, dort gesammelte Erfahrungen dienen als Quelle für viele Fallbeispiele. Ein unabhängiger Gutachter sieht anders aus.

Bei “Bild” taucht das Verbraucherportal “Murks? Nein Danke” hingegen nur an einer Stelle auf: in den Fotonachweisen.

Unerwähnt lässt das Blatt auch, dass die Autoren des Gutachtens selbst einräumen, dass “wirklicher Vorsatz […] nur sehr schwer nachweisbar” sei und nur im Einzelfall entschieden werden könne, ob ein bewusster Verschleiß vorliege (was im Übrigen auch die Stiftung Warentest so sieht). Völlig unter den Tisch fällt bei “Bild” und Bild.de außerdem folgende Passage des Gutachtens:

Nach Auskunft von Ingenieuren mit jahrzehntelanger Praxiserfahrung ist wirklich absichtlich geplanter, bewusst gewollter vorzeitiger Verschleiß von Produkten durch Einbau von Schwachstellen sehr selten. Vorsätzlich ein schlechtes Produkt zu entwickeln, sei grundsätzlich gegen das Arbeits- und Ingenieurethos.

Aber wenn es um das Berufsethos geht, ist man bei “Bild” und Bild.de ja ohnehin an der falschesten Adresse.

Mit Dank an Kartinho und Elias A.

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