Grauklötze staunen mit “Bild”

"In diesem Kasten steckt die Zukunft"In ihrer NRW-Ausgabe berichtet “Bild” heute über “riesige graue Klötze”, die plötzlich überall “im Revier” aufgestellt werden und meint, in ihnen stecke “die Zukunft” (siehe Ausriss).

Und so muss es wohl sein. Denn die Bauteile, die in den neuen Verteilerkästen der Telekom stecken sollen, könnten glatt aus dem Raumschiff Orion stammen.

So hat “Bild” beispielsweise einen “Oldie-Verbesserer”1) entdeckt…

"Oldie-Verbesserer -- Der Glasfaser-Veredler: Dort werden alte TV-Filmschätzchen dank Glasfaser-Veredler in beste HDTV-Qualität (LCD, Plasma) umgewandelt"

…ein “TV-Kanal-Depot”2), das “eine eigene Fernsehstation” sein soll…

"TV-Kanal-Depot -- Eine eigene Fernsehstation: Von hier können 100 Fernsehsender abgerufen werden"

…und — das hat uns am besten gefallen — “Blitz-Filme”3), die irgendwie dadurch “superschnell” und in “besserer Qualität” laufen sollen, dass “Steckdosenstrom” in “Niedrigstrom” umgewandelt werde:

"Blitz-Filme -- Der normale Steckdosenstrom (220 Volt) wird dank Umwandler in Niedrigstrom (48 volt) umgewandelt. Dadurch laufen Filme superschnell, bessere Qualität."

1) Der Glasfaseranschluss (“Bild”: “Glasfaser-Veredler”) kann “alte TV-Filmschätzchen” in Wahrheit nur in der Qualität weiterleiten, in der sie vorliegen und bei ihm ankommen. In der Regel ist das nicht in HDTV, sondern in normaler Fernsehqualität. Umwandeln kann der Kasten in der Hinsicht überhaupt nichts, wie uns ein Telekom-Sprecher bestätigt.

2) Keine Angst, auch hier bestätigt uns der Telekom-Sprecher, dass die Fernsehsender nach wie vor über eine Leitung übermittelt werden und nicht im Verteilerkasten warten.

3) Die Frage von BILDblog-Leser Sascha J., ob sein alter Fernseher zum “HD-Plasma-Gerät” werde, wenn er ihn mit 48 statt 220 Volt betreibe, müssen wir nach Rücksprache mit der Telekom leider mit nein beantworten. Der DSLAM arbeite zwar tatsächlich mit 48 Volt, das habe jedoch nichts mit der Qualität der Signale zu tun, sagte uns der Sprecher.

“Bild” kriegt ihr Butterfett weg

Am vergangenen Samstag freute sich berichtete “Bild”, dass der CSU-Politiker Edmund Stoiber (“kennt sich wie kaum ein anderer im EU-Paragraphen-Dschungel aus”) alsbald “den Bürokratie-Irrsinn in Brüssel stoppen” soll.

Und um den “Bürokratie-Irrsinn” zu illustrieren, hat “Bild” aus den zahllosen EU-Vorschriften ein paar ausgewählt und nennt “Gurken-Krümmungs-Verordnung”, “Hemdpflicht für Bauarbeiter”, “Seilbahngesetz”, “Anti-Diskriminierungsgesetz”, “Butterfettverordnung”, “Feuerzeugverordnung” sowie “Viehverkehrsverordnung”:

"Die absurdesten EU-Verordnungen"
Wie eine Stellungnahme der EU-Kommission zum “Bild”-Artikel heute deutlich macht, kann man vermutlich lange darüber streiten, wie “absurdest” (O-Ton “Bild”) bzw. “falsch” (O-Ton EU-Kommission) die ausgewählten “Bild”-Beispiele wirklich sind…

… außer vielleicht bei der “Butterfettverordnung”. Dazu heißt es in der EU-Mitteilung nämlich gewohnt launig:

Der bayerische Ministerpräsident wird sich beim Bürokratieabbau allerdings kaum auf das stürzen müssen, was BILD als “Die absurdesten EU-Verordnungen” auflistete. Denn die dort erwähnte Butterfettverordnung wurde bereits im April abgeschafft.

6 vor 9

Zeitung lesen macht Azubis schlau
(innovations-report.de)
Tägliches Zeitung lesen bildet und macht fit für den Berufsalltag. Das zeigt eine Studie der Universitäten Koblenz-Landau und Kaiserslautern.

“Er hat einfach nicht aufgehört”
(telepolis.de, Peter Mühlbauer)
Interview mit Johannes Eisenberg, dem Rechtsanwalt, der gegen den Freiherrn von Gravenreuth eine Gefängnisstrafe erwirkte.

Bild-TV: Springer plant Großeinstieg ins Web-Fernsehen
(jetzt.sueddeutsche.de, Simon Feldmer)
Als Mathias Döpfner noch um die Übernahme des TV-Konzerns Pro Sieben Sat 1 kämpfte, war er zu einigen Opfern bereit. Sogar auf ein TV-Format der hauseigenen Bild-Zeitung hätte der Vorstandschef des Zeitungshauses Axel Springer verzichtet, um zum mächtigen Fernsehveranstalter aufzusteigen. Bild TV auf Pro Sieben oder Sat 1 sollte es nicht geben. Döpfner wollte so die Sorge vor zu großer Meinungsmacht des Springer-Verlages zerstreuen. Es nutzte nichts. Das Pro Sieben-Geschäft scheiterte Anfang des Jahres 2006 am Widerstand des Bundeskartellamts. Bild TV gibt es jetzt trotzdem – im Internet.

Durchklatschen für Anne Will
(fernsehlexikon.de, Stefan)
“Machen Sie einfach der Anne Will ?ne schöne Sendung”

Mit Internetspielen gegen Ausländer
(taz.de, Max Hägler)
Kurz vor den Parlamentswahlen profiliert sich die national-konservative SVP durch Hetze gegen Ausländer. Mit einem Spiel, in dem ein Schafbock schwarze Schafe aus dem Land kickt.

.ch, der Verteilständer
(fuelhaas.com)
Bei uns in Basel scheint alles bereit zu sein.

“BamS” fand Frau, aber Quelle nicht

Unlängst war ja der Schauspieler Ben Becker in seiner Wohnung zusammengebrochen. Und gestern spekulierte die “Bild am Sonntag” über die Hintergründe des Zusammenbruchs, denn: “BILD am SONNTAG fand die Frau, die dem Schauspieler das Leben rettete” und zitierte die Frau (von der “BamS” als “Jessica von R.” anonymisiert) u.a. wie folgt:

“Ich habe mich fürchterlich über Bens Freundin Anne geärgert! In einer Zeitung stand, sie habe mich Abschaum genannt und ich hätte wohl Probleme mit Drogen. Ich habe keine solche Probleme!”

Das Dementi, das sich fast liest wie eine Gegendarstellung, steht auch auf Bild.de — und heute ganz ähnlich auch bei “Welt” bzw. “Berliner Morgenpost”, die wie die “BamS” zum Verlag Axel Springer gehören:

In einer Zeitung, so Jessica von R., habe gestanden, dass Anne Seidel sie “Abschaum” nannte und gesagt hätte, dass Jessica von R. wohl Probleme mit Drogen habe. Dies sei falsch.

Und nicht zuletzt wegen der absurden Konjunktivkonstruktion (In einer Zeitung … habe gestanden) stellt sich natürlich die Frage, welche Zeitung denn da wohl Beleidigung (“Abschaum”) und Verdächtigung (“Probleme mit Drogen”) in Umlauf gebracht hat, dass “BamS”, Bild.de, “Welt” und “MoPo” sie so ausdrücklich dementieren lassen.

Naja. So richtig stellt sich die Frage natürlich nicht. Die Zeitung mit dem “Abschaum”-Artikel gehört, wir ahnten es schon, wie “BamS”, Bild.de, “Welt” und “MoPo” ebenfalls zum Verlag Axel Springer und berichtet heute erneut über Ben Becker und Jessica von R., denn:

"Jetzt spricht seine Lebensretterin in BILD"

P.S.: Über irgendwelchen Abschaum in irgendwelchen Zeitungen spricht sie “in BILD” übrigens nicht.

Mit Dank an Holger E. für den Hinweis.

Allgemein  

Presserat rügt “Bild” für “irren” al-Masri

Der irre Deutsch-Libanese, der einen Supermarkt anzündete / Warum lassen wir uns von so einem terrorisieren?

Im Mai machte “Bild” Khaled al-Masri verächtlich, der vom amerikanischen Geheimdienst nach Afghanistan verschleppt, dort misshandelt und monatelang festgehalten worden sein soll. Für die Zeitung war er kein Opfer, sondern einer, der “als angebliches CIA-Folteropfer die Bundesregierung, Parlament und Öffentlichkeit terrorisierte”.

Der “Bild”-Artikel von Ulrike Brendlin und Hans-Jörg Vehlewald war in vielfacher Hinsicht schlimm (wir berichteten), auch der Presserat verurteilte ihn jetzt. Die Zeitung habe das Persönlichkeitsrecht “des offenkundig kranken al-Masri” verletzt und “in ehrverletzender Art und Weise” das Verhalten eines psychisch Kranken dargestellt. In Richtlinie 8.4 des Presskodex heißt es:

Körperliche und psychische Erkrankungen oder Schäden fallen grundsätzlich in die Geheimsphäre des Betroffenen. Mit Rücksicht auf ihn (…) soll die Presse in solchen Fällen (…) abwertende Bezeichnungen der Krankheit oder der Krankenanstalt, auch wenn sie im Volksmund anzutreffen sind, vermeiden.

“Bild” nannte al-Masri schon in der Überschrift “irre”.

Der “Bild”-Artikel verstößt laut Presserat auch gegen Ziffer 9 des Presskodex, die schlicht lautet:

Es widerspricht journalistischer Ethik, mit unangemessenen Darstellungen in Wort und Bild Menschen in ihrer Ehre zu verletzen.

Alle Rügen, die der Presserat 2002 bis 2006 gegen “Bild” ausgesprochen hat, haben wir hier dokumentiert.

6 vor 9

Literatur als Lebenslüge
(telepolis.de, Tom Appleton)
Unternehmer, die schreiben oder sagen, was ein bisschen Kohle bringt.

Blogger gegen die Bigotten
(spiegel.de, Marc Pitzke)
Schwule Schwulenhasser sind sein Ziel. Der Blogger Mike Rogers hat schon 33 Politiker geoutet, viele Karrieren gekippt, zuletzt US-Senator Craig – widerlegen konnte ihn noch keiner. Schon droht er die Veröffentlichung weiterer Namen an.

Ungeklärte Fragen um Blocher-TV
(tagesanzeiger.ch, Annetta Bundi)
Bundesrat Blocher gibt dem Schaffhauser Fernsehen jede Woche ein Interview, das über andere Kanäle weiterverbreitet wird. Eine heikle Sache.

Der Blätterwald im Sturmwind
(nzz.ch, ras.)
“Das klassische, nicht mit oberflächlichen Reizen operierende Informationsgeschäft droht an den Rand gedrängt zu werden.”

Journalisten bloggen
(dasmagazin.ch, Thomas Zaugg)
Journalisten und Blogger aller Länder tretet vor eure Haustür! Ein Aufruf.

focus.de setzt auf Verbraucher-Communities
(turi-2.blog.de, Video, 3:35 Minuten)
Jochen Wegner, Chefredakteur von Focus Online, zieht eine positive Bilanz des communityorientierten, neuen Focus.de-Auftritts und will die Nutzer künftig noch stärker einbinden: 2008 will Wegner mehrere Verbraucher-Communities bei Focus Online ausbauen, in denen sich die Nutzer über Erfahrungen mit Produkten, Dienstleistungen und Services austauschen können.

medienlese – der Wochenrückblick

Viel los in der Schweizer Medienszene zurzeit: Innert kaum einer Woche wurde der Namen einer Gratiszeitung enthüllt (Freitag – News), erschien eine neue Sonntagszeitung (Sonntag – Sonntag) und wird eine vor die Tür zugestellte Gratiszeitung erscheinen (Mittwoch – .ch).

Auch Politiker drängt es zu eigenen Medien. Nach dem Medienminister Moritz Leuenberger, der ein Blog schreibt, folgt nun Justizminister Christoph Blocher mit einem wöchentlichen TV-Update. Damit er nicht mit einer Kamera reden muss, wurde ihm mit Matthias Ackeret ein “Journalist” als Sidekick zur Verfügung gestellt. Matthias Ackeret ist Chefredaktor der Zeitschrift Persönlichhier eine wichtige Meldung aus dem Onlineportal persoenlich.com über ein von ihm geschriebenes Buch. Aber zurück zu Christoph Blocher und seinen nun wöchentlichen Videoblog-Folgen: Was auf den ersten Blick wie eine Homestory bei einem Rentner wirkt, entpuppt sich schnell als inhaltlich nicht uninteressanten Wochenrückblick aus der Sicht eines Ministers. Bei der aktuellen Fixierung der Schweizer Medien und Parteien auf diese eine Person sollten damit einige Zugriffe zu erreichen sein. Was fehlt, ist klar: das Podium. Dann könnten sich die Hände zwischendurch mal abstützen.

Read On…

“Bild” brät sich eine Bratwurst-Abzocke

Vorgestern war Fußball-Länderspiel in Köln. “Bild” war dabei und berichtet heute über eine ganz böse “Abzocke”:

"Abzocke! 15-Euro-Geldkarte für eine Bratwurst"

Im Kölner Stadion kann man die Bratwurst nämlich nicht bar bezahlen, sondern es “regiert ein Bezahl-System mit Namen ‘justpay'”, wie “Bild” schreibt. Das heißt, man muss sich eine Geldkarte mit 15 Euro Guthaben holen (inklusive zwei Euro Pfand). “Bild” behauptet:

Wer dort nur eine Wurst will, hat Pech gehabt: Eine Auszahlung des Restbetrags gibt es nicht.

Das ist Unsinn, wie sich auf der Internetseite von justpay nachlesen lässt (“Was mache ich nach Spielende mit der justpay-Karte?”):

Sie können sich an den rund 20 Entladestationen in den Kassen vor dem Stadion das Guthaben auszahlen lassen und die Karte mit nach Hause nehmen. (…) Sie können die Karte komplett zurückgeben. (…) Sie bekommen dann das komplette Guthaben und das Pfand erstattet.

Es ist unwahrscheinlich, dass “Bild” das nicht wusste. Denn erstens weiß “Bild” durchaus, dass man die Karte zurückgeben kann, wie sich aus dem Text ergibt (in der Online-Version der Geschichte wird sogar ein “Bild”-Mitarbeiter zitiert, der beobachtet haben will, dass man “bis zu 20 Minuten” fürs Karten-Pfand habe anstehen müssen).

Und zweitens hat “Bild” sich zwar mit einer justpay-Sprecherin über das System unterhalten, zitiert sie aber nur mit den Worten: “Es verkürzt die Wartezeit an den Ständen.” Uns gegenüber sagte dieselbe Sprecherin auf Nachfrage:

Natürlich habe ich mit der “Bild”-Zeitung auch darüber gesprochen, dass man sich das restliche Karten-Guthaben auszahlen lassen kann.

Mit Dank an Pierre B. für den sachdienlichen Hinweis.

Billige Empörung über teure Rundfunkgebühren

Heute veröffentlicht “Bild” Leserbriefe zum Urteil des Bundesverfassungsgerichtes über die Rundfunkgebühren von ARD und ZDF. Alle drei Autoren sind empört, einer schlägt die Umbenennung von ARD und ZDF in “Deutsche Selbstbedienungs-Anstalt” vor, nach Meinung eines anderen, den “Bild” besonders hervorgehoben hat, erfüllen die Gebühren den Straftatbestand der “Nötigung”.

Nun ja. Uns gibt das Gelegenheit, (etwas verspätet) die “Bild”-Berichterstattung zum Thema zu würdigen, die den Lesern eigentlich auch keine andere Wahl ließ, als sich zu empören.

Am Mittwoch berichtete “Bild”:

GEBÜHREN-URTEIL: ARD und ZDF werden teurer!

Karlsruhe — ARD und ZDF dürfen die Rundfunkgebühren künftig ohne politische Kontrolle festsetzen!

Das muss man auch erst einmal schaffen: Einen Satz aufzuschreiben, der so schlicht und sachlich daher kommt und zugleich so irreführend ist. Falsch ist vor allem das Wort “künftig” — denn das war bisher schon so. Das Bundesverfassungsgericht bestätigte nur frühere Urteile, nicht zuletzt das sogenannte “8. Rundfunk-Urteil” von 1994, in dem es hieß, dass die Gebühren staatsfern, also ohne politische Einflussnahme durch Landesregierungen und -Parlamente bestimmt werden müssen.

Überhaupt klingt “ohne politische Kontrolle” natürlich nach “ohne jede Kontrolle” — als dürften ARD und ZDF selbst entscheiden, wie viel Gebühren die Bürger zahlen müssen (so haben es offenbar auch die Leserbriefschreiber verstanden). Das ist aber nicht so: Die öffentlich-rechtlichen Sender dürfen zwar ihren Finanzbedarf anmelden, er wird aber von einer unabhängigen Kommission (KEF) fachlich überprüft. Regelmäßig zieht die KEF von dem, was die Sender gerne bekommen würden, einiges wieder ab.

Der “Bild”-Artikel endet mit den Worten:

Folgen hat das Urteil erst 2009. Dann werden die Rundfunkgebühren steigen. Die ARD verlangt 95 Cent pro Monat mehr, das ZDF 44 Cent und das Deutschlandradio rund 5 Cent.

Ja, schon. Nur sind diese Zahlen keine Folge des Gebührenurteils. Es sind die Beträge, die sich aus den Anmeldungen der Sender ergeben, die bereits vor Monaten öffentlich wurden.

Gestern legte “Bild” noch einmal nach, und zitierte den FDP-Medienpolitiker Hans-Joachim Otto mit der Prognose:

“Wenn der Rundfunkstaatsvertrag nicht schnell geändert wird, durchbrechen die Rundfunkgebühren schon bald die 20-Euro-Marke.”

Das war ein guter Satz für eine Schlagzeile (siehe Ausriss), zumindest das Wort “bald” hätte sich aber ganz gut relativieren lassen. Frühestens überschreiten die Rundfunkgebühren die 20-Euro-Marke nämlich nach Ablauf der kommenden Gebührenperiode: im Jahr 2013.

Mit Dank an Boris H., Carsten und Wolfgang für die Hinweise.

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