NZZ rezensiert «Blogwerk-Jahrbuch» Fluch des Blogreflexes?

Es hat funktioniert. Im letzten November hatten wir beschlossen, ein «Blogwerk Jahrbuch 2007» mit den besten Blogwerk-Beiträgen des vergangenen Jahres herauszugeben. Auf Papier, denn unsere Überlegung war: So besteht eine grössere Chance, dass auch Journalisten und Werber es lesen.

Vor Weihnachten haben wir es versandt; auf den Verteiler habe ich unbekannterweise auch Stefan Betschon, Ressortleiter «Medien und Informatik» bei der NZZ genommen. Und tatsächlich, schon nach drei Monaten hat er es gelesen und publiziert in der Ausgabe von gestern die Replik. (Das ist wohl der übliche Vorlauf bei der NZZ für alles, was nicht tagesaktuell ist; der Blogger-Artikel von Matthias Daum, für den ich Mitte Januar interviewt wurde und Anfang Februar die Zitate autorisiert habe, ist auch noch nicht erschienen. Ist allerdings nicht für das Medien-Ressort.)

Betschon nennt seine Betrachtungen originellerweise Web 2.0. Vom Leistungsdruck, dass diese Überschrift einen weiten Fokus verspricht, befreit sich der Autor sogleich mit etwas Ironiegeschwurbel, bei dem man nicht genau versteht, worauf er hinaus will, sowie etwas am unpassenden Ort angebrachtem Typografie-Detailwissen. Vielleicht kommt das ja in der gedruckten Zeitung gut. In der wird man im übrigen auch nicht abgelenkt dadurch, dass der Text durchbrochen ist von einem grossen, quadratischen Banner, das wechselweise für eine Fluglinie oder «Schnäppchen bei Neckermann» wirbt. (Ja, Blogwerk hat auch Banner, aber nicht in der Mitte des Lauftexts.)

Nach dem Geblinke geht’s aber endlich los mit dem Inhalt.
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6 vor 9

“Medien-Deutschland ist ein Planet der Schlaffen.”
(readers-edition.de, Felix Kubach)
Interview mit Peter Turi: “Mich wundert immer wieder, wie innovationsfeindlich die deutschen Medienmacher sind. Eine Basis für den relativen Erfolg von Turi2 ist sicher, dass die bestehenden Branchendienste so unglaublich schlafmützig und innovationsfeindlich sind.”

Zur künftigen Entwicklung der Mediengesellschaft
(connectedmarketing.de, Martin Oetting)
“Und diese Entwicklung ist die folgende: Die Anzahl der relevanten Gatekeeper steigt radikal und stetig steigend an. Punkt. Wer das verstanden hat, wird sich von nichts mehr schocken lassen.”

Blogs: Eine Art Schule der Demokratie
(dw-world.de, Alfred Hackensberger)
Nordafrikas Blogger nutzen das Internet als Plattform für unabhängige Berichterstattung und kontroverse Debatten, die in der politischen Öffentlichkeit der autoritär regierten Staaten oft ausgeblendet werden.

“Falsche Umfrageergebnisse: Eine Sensation, die keine war”
(zoomer.de, Christoph von Marschall)
Meinungsumfrage ist nicht gleich Meinungsumfrage. Unser USA-Korrespondent mahnt zu mehr Sorgfalt, wenn es um die Herkunft und die Interpretation von Zahlen geht. Jüngstes Beispiel: Barack Obama soll plötzlich ganz miserable Umfragewerte haben…

Weblogreichweiten der deutschen TV-Sender
(metaroll.de)
“This is so beta. Use at own risk. Avoid prolonged use.”

Feuchtes Delta der Venus
(nzz.ch, Stefan Zweifel)
Charlotte Roches pornografischer Bestseller «Feuchtgebiete» ist nur ein Pseudo-Tabubruch. Sprachlich markiert das Buch den Nullpunkt der Pop-Generation.

Hauptsache “Privat-Porno”

Bild.de verbreitet heute über Lindsay Lohan und einen “Privat-Porno” weiter, was eigentlich die britische “Sun” über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet. Auf der Start-Seite. Und groß.

"Video: Wegen Privat-Porno -- Lindsay Logan beschimpft ihren Ex"

Das Dumme daran: Was die “Sun” heute unter Berufung auf eine anonyme Quelle über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet, kann so nicht stimmen. Schließlich hatte das berüchtigte AOL-Paparazziblog TMZ.com bereits am vergangenen Freitag enthüllt, dass die Frau auf dem “Privat-Porno” gar nicht Lindsay Lohan ist.

Aber wen kümmern schon solche Details, solange Bild.de doch über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” einfach nur weiterverbreitet, was die “Sun” über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” verbreitet.

Mit Dank an Rene R. und Daniel N. für den sachdienlichen Hinweis zu Lindsay Lohan und dem “Privat-Porno”.

Nachtrag, 26.3.2008: Auch der gedruckten “Bild” ist die “Sun”-Behauptungen über Lindsay Lohan und den “Privat-Porno” heute eine Meldung wert. Ganze drei (!) Mal taucht darin das für “Bild” sonst eher unbekannte Wort “angeblich” auf. Die Info, dass der “Privat-Porno” bekanntermaßen gar nicht Lindsay Lohan zeigt, sucht man hingegen auch in der gedruckten “Bild” vergebens.

Allgemein  

Heute anonym XVI

Vor einem Monat erst hatten wir an dieser Stelle gefragt, wie blöd man eigentlich sein müsse, einen Artikel mit einem Foto zu bebildern, bei dem man sich die Mühe gemacht hat, die darauf abgebildeten Personen unkenntlich zu machen, auf derselben Seite weiter unten aber dasselbe Foto ohne jede Verpixelung zu zeigen, verlinkt mit einem früheren Artikel, auf dem alle Beteiligten natürlich ebenfalls in schöner Klarheit zu erkennen sind.

Nun, einen Monat später, gibt Bild.de eine eigenwillige Antwort: Blöd genug nämlich, um es wieder zu tun (siehe Ausriss, roter Balken von uns).

Mit Dank an Katrin E., Philipp S., Konstantin M., Michael M., Gerhard M., Ekkehard V., Oliver D., Marcus H., Marc A., Chrstoph H., Christian H., Michael S., Stefan W., Heiko und Martin.

Nachtrag, 12.32 Uhr: Bild.de hat prompt reagiert – und, ähm, kurzerhand auch die Verpixelung im Artikel entfernt.

6 vor 9

User Generated Propaganda
(zuender.zeit.de, Carsten Lißmann)
Auf Youtube wurden in dieser Woche mehr als 2000 Filme über die Tibet-Krise hochgeladen. Eine Video-Schlacht um die Meinungshoheit. Wer will da wen beeinflussen?

Medien räumen Fehler in Tibet-Berichten ein
(20min.ch)
Nach Kritik aus China haben mehrere Medien Fehler bei der Berichterstattung über Tibet eingeräumt. Die privaten deutschen Fernsehsender n-tv und RTL bedauerten, Bilder in einen falschen Zusammenhang gestellt zu haben.

Web 2.0
(nzz.ch, S. B.)
“Ein langweiliger Titel? Keineswegs. Ironisch gemeint, schillernd, anspielungsreich, ein Zitat aus der allerneuesten Ausgabe des Lexikons der Gemeinplätze, ist dies der beste Titel für einen Text, der von nichts handelt.”

Out of Print
(newyorker.com, Eric Alterman)
The death and life of the American newspaper.

“Sie sind Abschaum!”
(spiegel.de, Video, 1:47 Minuten)
Seal im Gespräch mit Paparazzi.

Populärgeschichte
(watchberlin.de, Oliver Gehrs, Video, 4:23 Minuten)
Spiegel-Wochenkritiker Oliver Gehrs in der Krise: Jene Ausgaben, die er empfohlen hat, sind von den Kioskkäufern kaum gekauft worden – jene Ausgaben aber, die er verrissen hat, finden reissenden Absatz.

“Bild” und Schill — ein Lehrstück

Es ist Feiertag, heute erscheint keine “Bild”-Zeitung, und wir nutzen die Gelegenheit, eine alte Geschichte zu erzählen.

Von Null auf fast 20 Prozent: Wie hat Schill das geschafft?

Es ist die Geschichte, wie “Bild” den umstrittenen Hamburger Amtsrichter Ronald Schill zum Hoffnungsträger hochschrieb, der mit seiner Partei bei der Bürgerschaftswahl 2001 schließlich fast 20 Prozent der Stimmen bekam. Und es ist die Geschichte von der außerordentlichen Nähe eines “Bild”-Redakteurs zu Schill und seinen Leuten.

Claus F.

Sehr geehrter Herr Strunz,

vor sechs Wochen, am 10. Februar 2008, haben Sie in Ihrer “Bild am Sonntag”-Rubrik “Der Chefredakteur antwortet” den Brief einer Leserin dokumentiert. Sie hatte beim Sonntagsrätsel 100 Euro gewonnen, sich aber darüber beschwert, dass als Ortsangabe “Burgfrieden” statt “Burgrieden” angegeben war. Die Überschrift lautete: “Das war ein F zu viel, Herr Strunz!”

Und Sie boten der Leserin und ihrer Familie als Wiedergutmachung nicht nur ein Essen an (“Wenn wir einen geeigneten Termin finden, bin ich gern dabei — und gebe (mindestens) einen aus…”), sondern antworteten:

Wenn schon das Einfache nicht richtig ist, so die nahe liegende Frage, stimmt dann denn das Schwierigere?

Wir pflegen in dieser Zeitung einen sehr offenen Umgang mit Fehlern. In der Rubrik “Korrekturen” werden sie richtiggestellt. Wir wollen, dass uns unsere Leserinnen und Leser vertrauen, auch weil wir zu unseren Fehlern stehen. Nichts wird vertuscht oder verheimlicht.

Vergangene Woche stand ein größerer Artikel über die neuen Sat.1 Nachrichten in Ihrer Zeitung. Die Zahl der Fs darin stimmt, dafür war einiges andere falsch. Vor allem behauptete das Stück, erst einmal habe es ein Sender gewagt, seine Nachrichten parallel zur 20-Uhr-“Tagesschau” zu senden, dabei haben es schon mehrere versucht — und RTL 2 tut es immer noch.

Leider haben wir heute die Korrektur dieses Fehlers nicht in der “Bild am Sonntag” gefunden, was nicht nur unser Vertrauen in Ihre Zeitung weiter beeinträchtigt (damit ist es, unter uns gesagt, ohnehin nicht so weit her), sondern auch unser Vertrauen in Sie und Ihre Aufrichtigkeit. Konkret gefragt (und das wäre natürlich auch schon eine passende Überschrift, wenn Sie diese Frage mal in Ihrer Kolumne beantworten wollen): “Lügen Sie Ihre Leser an, Herr Strunz?”

Über eine offene Antwort würden wir uns freuen, und keine Sorge: Wir müssen deshalb nicht zusammen essen gehen.

Mit freundlichen Grüßen
etc.

Germany’s Next Toplessmodel (5)

Jetzt ist es also vorbei mit Germany’s Next Toplessmodel (wir berichteten): Am vergangenen Donnerstag (und damit bereits eine Woche früher als – wie “Bild” behauptet hatte – “BILD erfuhr”) musste Kandidatin Aline die ProSieben-Show verlassen. Dafür, dass “angeblich (…) die Nacktfotos der Hauptgrund” gewesen seien, wie “Bild” behauptet hatte, lassen sich in der Sendung selbst keinerlei Indizien finden.*

Ebenfalls kein Hinweis findet sich in der Show auch zu den “bitteren Tränen”, mit denen Bild.de Alines Ausscheiden illustriert:

Was aber vielleicht kein Wunder ist, denn es handelt sich dabei um ein Symbolfoto. Aline sah zu diesem Zeitpunkt längst so aus:


Immerhin: “Bild” zitiert sie im Nachhinein mit den Worten: “Ich gehe trotzdem meinen Weg!” Und wohin der führt, hat “Bild” in Großbuchstaben schon mal oben drüber geschrieben:

NACKT-MODEL ALINE (20)

So heißen in “Bild” Frauen wie Kader Loth, Djamila Rowe, “BILD-Girl Claudia”, “Sarah Jane, das neue Boxen-Luder” und Micaela Schäfer.

*) Bild.de beantwortet die fettgedruckte Frage, ob “die Entscheidung auch was mit dem Nacktfoto-Skandal der vergangenen Tage zu tun” habe, übrigens wie folgt: “Die Topmodel-Kandidatin hatte sich für das Männermagazin ‘Penthouse’ schon vor einem Jahr in erotischen Posen gezeigt. Diese Bilder tauchten kürzlich wieder auf und sorgten für mächtig Wirbel…” [Hier endet die Bild.de-Meldung.]

medienlese – der Wochenrückblick

Flirtsprüche, Brummkreisel, Körpergerüche, Puff beim RBB.

“Ich trink Ouzo – was machst du so?” – Spiegel Online, das erfolgreichste Medienportal Deutschlands, glänzte mit den “Top Ten der schlechtesten Flirtsprüche“. Zwei Tage später auf 20 Minuten, dem erfolgreichsten Medienportal der Schweiz: “Die acht schlechtesten Anmachsprüche“. Urheber: “Eine Umfrage unter 4500 Usern des Onlinedienstes spin.de”.

Korrespondenten des ZDF kritisierten ihren Sender. Frankreich-Korrespondent Alexander Sobeck: “Seit sich der Präsident benimmt wie ein rasender Brummkreisel, bin ich froh, wenn ich in einem Beitrag über sein Privatleben fünf Halbsätze Politik unterbringe”. Balkan-Korrespondent Klaus Prömpers hingegen, der sich mal bei der F.A.Z. des Fernsehens wähnte, fühlt sich nun immer mehr wie bei der Bild-Zeitung. Als Beispiel führt er diesen Arbeitsvorschlag an: “Mach mal was über die Wahl in Bulgarien – aber ohne die Politiker. Die kennt ja sowieso kein Mensch.”
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6 vor 9

Unsere Jobs werden revolutioniert
(jungle-world.com, Burkhard Schröder)
Der Berliner Verlag führt zurzeit ein pädagogisch wertvolles Lehrstück in Sachen Kapitalismus auf. Der Eintritt ist für die Öffentlichkeit frei.

Warum noch in der Zeitung werben?
(perlentaucher.de, Robin Meyer-Lucht)
In Frankreich mehren sich die Stimmen, die Zeitungen für ein Auslaufmodell der digitalen Revolution halten. Denn dank Alternativen im Internet ist die Werbewirtschaft nicht mehr auf die Presse angewiesen.

“Massenkompatible Verramschung”
(fr-online.de, Robin Meyer-Lucht)
Linke-Chef Lothar Bisky warnt davor, dass ARD und ZDF in Bedeutungslosigkeit fallen.

Ein Kommentar zum Kommentar
(blog.handelsblatt.de/indiskretion, Thomas Knüwer)
Derzeit diskutiert die Weblog-Gemeinde über das Thema Kommentar. Diejenigen, denen es genehm wäre, sehen gar das Ende freier Kommentare. Tja, das hätten die wohl gerne.

Tibet? Kein Treffer.
(taz.de, Ben Schwan)
Die chinesische Regierung hat – wie andere Zensurstaaten auch – die Internet-Kontrolle perfektioniert. Tauchen subversive Berichte auf, werden populäre Websites wie YouTube kurzerhand abgeklemmt.

Jim Cramer: “Bear Stearns is Fine!”
(youtube.com, Video, 1:34 Minuten)
“Don’t move your money from Bear, that’s just being silly! Don’t be silly!”

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