Kollateralschaden einer “BamS”-Recherche

Im März war gegen zwei “BamS”-Reporter ein Strafbefehl wegen Nötigung in Höhe von je 15 Tagessätzen à 50 Euro erlassen worden. Die “BamS”-Reporter hatten dagegen Einspruch eingelegt. (Wir berichteten.) Heute kam der Fall vors Amtsgericht Osnabrück.

  • Von BILDblog-Reporter Nicolas Schweers

Im Auftrag der “Bild am Sonntag” waren die Reporter Matthias Niehues und Jürgen Damsch am 16. November vergangenen Jahres im niedersächsischen Melle, um einen inzwischen verurteilten Pädophilen zu “interviewen”.

Die beiden waren offenbar gerade dabei, das Haus des “Sex-Täters” zu fotografieren, als dort der 40-jährige Gemeindearbeiter Marco H. mit einem städtischen Kastenwagen vorbeifuhr. “Herr H. machte Anstalten, in die Einfahrt des Hauses einzubiegen, fuhr dann jedoch unvermittelt schnell weiter”, erklärte Damsch vor Gericht. Und weil Marco H. nach Aussage der “BamS”-Reporter dem tags zuvor auf RTL gezeigten Pädophilen geähnelt habe, seien sie ihm mit dem Auto gefolgt – und fotografierten ihn im Vorbeifahren. Dass H. an einer Bushaltestelle anhielt, um dort den Abfalleimer zu entleeren, wurde von den Verfolgern jedoch offenbar fehlinterpretiert: In der Verhandlung sprachen sie von “bizarren Fahrmanövern” H.s und Versuchen, die beiden abzuschütteln, indem er “rechts blinkte und links fuhr”.

Laut H. sollen die beiden “BamS”-Reporter ihn aber später auf einer Landstraße überholt, ausgebremst und weitere Fotos von ihm geschossen haben. Die “BamS”-Reporter gaben dagegen an, H. habe angehalten, um mit ihnen zu sprechen. Schließlich, da sind sich alle einig, habe H. die Journalisten von ihrem Irrtum überzeugen können und sie für weitere Recherchen an die Pressestelle der Gemeinde verwiesen.

Anschließend hatte Marco H. (“Diese Schweinerei kann ich mir doch nicht gefallen lassen!”) nach Rücksprache mit seinem Vorgesetzten Anzeige erstattet – und das Amtsgericht Osnabrück einen Strafbefehl gegen Niehues und Damsch erlassen. Darin jedoch sehen die beiden, wie sie heute vor Gericht angaben, eine Kampagne der Stadt, um eine freie Berichterstattung zu unterdrücken. Nicht nur, so Niehues, sei die Polizei “nicht an einer Klärung interessiert”, auch habe man sie angewiesen, Bilder zu löschen. Und H. habe den “dreifach vorbestraften Kinderschänder” wohl ohnehin schützen wollen. Schließlich habe der Pädophile, wie sie später erfahren hätten, die Ablenkung durch H. genutzt, um seine Sachen zu packen und wegzufahren. Vorwürfe, über die im Saal nur milde gelächelt wurde.

Bei der Frage, ob die “BamS”-Reporter mit ihrem BMW die gesamte Landstraße blockierten oder nur die rechte Spur, stand letztlich Aussage gegen Aussage. Und weil der Tatbestand der Nötigung nicht zweifelfrei nachgewiesen werden konnte, entschied die Richterin nun, das Verfahren gegen den Fahrzeugführer Niehues gegen Auflage (250 Euro an eine Kinderhilfsorganisation) und gegen den Beifahrer Damsch ohne Auflagen einzustellen.

Damit bleibt das Verfahren für die Reporter zwar ohne weitere Konsequenzen, und auch die erste Strafzahlung von 15 Tagessätzen zu 50 Euro sind die beiden los. Doch den erhofften Freispruch gab es auch nach eineinhalb Stunden nicht. Das Verfahrung wurde lediglich eingestellt. “Massiver Aufwand wegen einer Lappalie”, kommentierte Niehues’ Anwalt. Und Damschs Rechtsbeistand wünschte seinem Klienten noch einen schönen Resturlaub. Schließlich sei dieser ja nur wegen des Prozesses extra aus Berlin angereist.

Halbwahrheiten über Sterbehilfe in der Schweiz

Anlässlich der Sterbehilfe, die der ehemalige Hamburger Justizsenator Roger Kusch Anfang vergangener Woche einer Rentnerin leistete, berichtete “Bild” am Samstag in einer großen Titelgeschichte über “Die Wahrheit über Sterbehilfe in Deutschland”.

Im Artikel ging es jedoch auch um Sterbehilfe in der Schweiz:

Wie unsagbar grausam AKTIVE Sterbehilfe sein kann, zeigt der Fall einer unheilbar kranken Krebspatientin († 43) aus Deutschland. Die Frau war 2007 in die Schweiz gereist, um sich dort legal von der Sterbehilfe-Organisation “Dignitas” beim Sterben helfen zu lassen. Doch das Gift wirkte nicht richtig! Als die Frau im Sterbezimmer den Todes-Cocktail trank, schrie sie laut vor Schmerzen “Ich verbrenne! Ich verbrenne!” und lief violett an. Erst nach 38 Minuten Höllenqualen stellte ein Arzt den Tod fest.

Nun handelt es sich bei diesem Fall allerdings, anders als “Bild” schreibt, nicht um “AKTIVE Sterbehilfe”. Die ist auch in der Schweiz verboten. Vielmehr geht es hier um eine – in der Schweiz straflose – Form der Beihilfe zum Selbstmord. Dignitas hatte der Krebspatientin zwar offenbar den “Todes-Cocktail” besorgt, getrunken hat sie ihn aber selbst (wie sich ja auch aus der “Bild”-Schilderung ergibt).

Was allerdings den konkreten Ablauf angeht, existieren dazu zwei Versionen:

  • die von “Bild” geschilderte, die Anfang 2007 in der Schweizer “SonntagsZeitung” stand (und die “Bild” auch damals übernommen hatte)
  • und die des Dignitas-Chefs Ludwig A. Minelli: Zwar hätten zwei der vier anwesenden Zeugen den Tod der Krebspatientin so wie von “Bild” geschildert dargestellt, so Minelli zu uns. Die anderen beiden “Begleitpersonen” hätten Dignitas jedoch “mündlich und schriftlich versichert”, dass “die Schilderung der beiden haltlos” sei. Die Krebspatientin habe nicht gelitten und auch nicht “Ich verbrenne” geschrien. (Ähnlich war das auch schon Anfang 2007 beispielsweise in der “Berliner Zeitung” und bei “Spiegel Online” nachzulesen.)

Was stimmt, wissen wir ebenso wenig wie “Bild”. Nur hat sich “Bild” entschieden, eine der beiden Versionen als Tatsache zu präsentieren.

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Hans Dichand und seine ‘Krone’
(profil.at, Marianne Enigl und Christa Zöchling)
“Hans Dichand, Herausgeber der ‘Kronen Zeitung’, scheint der mächtigste Mann der Republik zu sein, jedenfalls glauben das die meisten Politiker. Dem designierten SPÖ-Chef Werner Faymann kann das nur recht sein.”

China hält die Hand davor
(vanity-care.de, Timo)
“Willkommen im Reich der Mitte der Medienzensur. Dass Journalisten einen schweren Stand haben in der Volksrepublik, war bekannt. Dass nicht alles gezeigt werden darf, was ein Team filmen möchte auch. Das ZDF lieferte nun ein Dokument [Video, 6:26 Minuten], wie es aussieht, wenn die Obrigkeit einschreitet. Und das live im Frühstücksfernsehen.” (Dazu: Von chinesischer Stasi festgehalten, tz-online.de)

“In Erinnerung bleiben – traurigerweise – die schlimmsten Ereignisse”
(persoenlich.com, David Vonplon)
Caspar Selg, langjähriger Chefredaktor der Sendung “Echo der Zeit“, gibt die Redaktionsleitung ab: “Die Geschwindigkeit hat sich im ganzen Geschäft enorm erhöht. Ein Korrespondent hat bei einem Ereignis früher zwei, vielleicht auch drei Beiträge geschrieben. Heute sind es fünf, sieben, neun. Erfuhr ein Korrespondent früher über ein Ereignis, reichte es, wenn er in der nächsten Primetime einen Beitrag brachte. Heute muss man sofort zu schreiben beginnen, kaum hat man vom Ereignis gehört.”

Fox News airs altered photos of NY Times reporters
(mediamatters.org)
Fox News verändert in einem Bericht über Journalisten der New York Times die Portraitbilder. Das heisst: macht aus kleinen Nasen grosse Nasen, aus weissen Zähnen gelbe Zähne, verändert den Haaransatz und baut Augenringe ein.

Mit dem ZDF auf Expedition in “Feuchtgebiete”
(welt.de, Antje Hildebrandt)
“In der Reihe ‘Sommernachtsfantasien’ versorgt das Zweite seine Zuschauer ab morgen mit ‘erotischen’ Betthupferln. Im Mittelpunkt steht in diesem Jahr die Lust der Frau. Mindestens ein Film schrammt jedoch haarscharf an der Grenze zur Pornografie vorbei. Gehören explizite Sexszenen jetzt auch schon zur Grundversorgung?”

Elvis und das Gegenteil
(informationarchitects.ch, Oliver Reichenstein)
“Fred, ein 14-jähriger Video-Blogger hat?s irgendwie geschafft, eine Fangemeinde von 45 Millionen Usern um sich zu scharen. Statt das Phänomen Fred zu analysieren und zu verstehen, versuchen die Vermarktungs- und Internet-Onkel den surrealen Triumph des Teenagers klein zu reden.”

Wochenrückblick Nr. 27

Der medienlese.com-Rückblick auf die Kalenderwoche 27: Intellektuelle top, Blocher-Film geprüft, Schnäppchen schlagen.

Attentat auf Wachs-Hitler (Bild Keystone)

Das Bild der Woche: Im neu eröffneten Madame Tussauds in Berlin sass ein Wachs-Hitler im nachgebauten Führerbunker. Bis ein erboster Besucher der Figur den Kopf abriss. Die Medien sind begeistert: Hitler-Attentat! Endlich geglückt! (Bild Keystone/Rainer Jensen)

Die Top 5 der Intellektuellen weltweit heissen Fethullah Gülen, Muhammad Yunus, Yusuf Al-Qaradawi, Orhan Pamuk und Aitzaz Ahsan. Das jedenfalls kommt raus, wenn das amerikanische Newsmagazin Foreign Policy seine Online-Leser befragt. 20min.ch fragte: “Fethullah wer? Im Westen ist der je nach Quelle 1938 oder 1941 geborene Türke weitgehend unbekannt. Als freischaffender Theologe setzt er sich in zahlreichen Büchern für eine Modernisierung des Islam und für Toleranz ein.” Die Abstimmung massgeblich beeinflusst haben soll die Erwähung dieser auf der Titelseite einer türkischen Zeitung.

Read On…

Bild.de unseriöser als “The Sun”

"Gift-Anschlag der al-Qaida? Britische Superspion im Koma"

So berichtet Bild.de seit gestern darüber, dass Alex Allan, Chefkoordinator der britischen Geheimdienste, im Koma liegt:

Sicherheits-Experten vermuten, dass er Opfer eines Gift-Anschlags von Russen oder des Terroristen-Netzwerks der al-Qaida geworden ist. (…)

Der Top-Sicherheitsexperte Chris Dobson: “Der plötzliche Zusammenbruch von Alex Allan erweckt Vermutungen, dass es einen Anschlag von ausländischen Geheimdiensten oder Terror-Gruppen gegeben haben könnte.”

Bild.de gibt zwar keine Quelle für diese Nachricht an, aber was dort steht, unterscheidet sich kaum von dem, was gestern in der britischen Boulevardzeitung “The Sun” stand. Und der “Top-Sicherheitsexperte” Dobson kommt offenbar ausschließlich in der “Sun” zu Wort.

Allerdings fehlt bei Bild.de etwas, das selbst die “Sun”, ein Blatt, das kaum für seine Seriosität bekannt ist, nicht verschweigt:

Doch führende Quellen aus Sicherheitskreisen sagen, man sei “so sicher, wie das zu diesem Zeitpunkt möglich ist”, dass Mr Allan nicht das Ziel eines Angriffs von Bin Ladens Handlangern geworden ist. Und sie behaupten, bislang sei “nichts Verdächtiges” gefunden worden.

Was Bild.de den Lesern unterschlägt, kann man noch deutlicher freilich auch in anderen Medien nachlesen. Und sogar auf deutsch.

Mit Dank an Jadawin für den sachdienlichen Hinweis.

Madame Tussauds nimmt “Bild” den Hitler weg

Weil im ersten Deutschen Wachsfigurenkabinett von Madame Tussauds, das morgen eröffnet, “Hitler in Berlin zur Schau gestellt” werde, sieht “Bild” sich mal wieder gezwungen, Hitler heute selbst zur Schau zu stellen und über eine “Empörung in ganz Deutschland” zu berichten:

Und Franz Josef Wagner schreibt an das “Kabinett von Madame Tussaud”:

Hitler als Showman – wie kann man das den ermordeten, misshandelten Millionen von toten Seelen erklären (…). Kommt alle zur Eröffnung, um zu kotzen.

Michel Friedman spricht laut “Bild” von der “Banalisierung eines der brutalsten Massenmörder der Menschheitsgeschichte.”

Anmerkung: Die obigen Ausrisse stellen lediglich eine sehr kleine und sehr unvollständige Auswahl an Hitler-Schlagzeilen aus “Bild”-Ausgaben der letzten zwei Jahre dar, die nicht mal ansatzweise Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

6 vor 9

Digitale Beduinen
(dasmagazin.ch, Peter Haffner)
“Wozu noch ins Büro gehen, wenn man dank drahtloser Technologie überall arbeiten kann? In San Francisco lässt sich die Zukunft der Arbeitswelt schon heute besichtigen.”

“Tagesthemen” zeigen einen Stripe zu viel unter den Stars
(spiegel.de, plö.)
“Viele Zuschauer trauten ihren Augen nicht: Keine zwei Wochen nach der rot-schwarz-goldenen Deutschlandfahne ist den ARD-‘Tagesthemen’ wieder ein Flaggen-Fauxpas passiert. Vor einem Beitrag zur neuen Berliner US-Botschaft zeigten sie neben Tom Buhrow die Stars and Stripes mit einem Streifen zu viel.”

Bill Gates geht und bleibt doch
(freitag.de, Mathias Mertens)
Nerdforschung: “Fragt man herum, was denn ein Nerd genau sei, dann gibt es, außer dass Bill Gates ein solcher sei, keine wirklich befriedigende Erklärung. Nerds sind irgendwie anders, heißt es, sie gehören nicht richtig dazu, sehen seltsam aus, verhalten sich noch seltsamer, haben abwegige Interessen und einen unverständlichen Humor. Vor allem aber beschäftigen sie sich mit Computern, die exakt dieselben Eigenschaften aufweisen.”

Was man den Online-Medien vorwirft
(netzeitung.de)
“Unglaubwürdig, oberflächlich, schnelllebig, Massenware – gegen solche Vorurteile kämpfen Online-Medien. Die Netzeitung hat Gegenargumente.”

Lieber Herr Dichand…
(taz.de, Christine Zeiner)
“Die österreichische ‘Kronen Zeitung’ schreibt Politiker hoch oder versenkt sie. Derzeit überbieten sich die Politiker mit Briefen an den Herausgeber.”

“Man vergibt mir nicht”
(sz-magazin.sueddeutsche.de, Andreas Burkert und Thomas Kistner)
“Morgen beginnt die Tour de France. Jörg Jaksche war ein Jahr wegen seiner Doping?-Beichte gesperrt, jetzt könnte er eigentlich wieder mitfahren. Aber im Radsport hassen sie ihn. Weil er die Wahrheit gesagt hat.”

Dreisatz mit x

"Der Finanzminister von der SPD ist Merkels neuer Liebling"

So viel ist mal klar: Kanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück sind ganz dicke miteinander. Die “verstehen sich blendend”, er ist ihr neuer “Herzbube” und “mancher CDU-Minister wird blass vor Neid”, wie “Bild” heute weiß.

Wer nun aber glaubt, die “Bild”-Autoren Nikolaus Blome, Hanno Kautz und Rolf Kleine hätten sich da nur irgendwas zusammen fantasiert, um in ihrer hochbrisanten großen Seite-2-Geschichte, nach der Steinbrück der “neue Liebling der ‘Chefin'” sei, Zeilen zu schinden (“…weil er redet wie Merkel!”, “…weil er denkt wie Merkel!”, “…weil er offen kämpft”), der hat sich verrechnet. Die drei “Bild”-Männer haben da auch handfeste Insiderinfos für. Zum Beispiel diese:

"Beide lieben Mathematik."

Das weiß außer Blome Kautz und Kleine keiner. Im Gegenteil. Die meisten glauben ja immer noch, Steinbrück möge trotz seines Jobs als Finanzminister gar kein Mathe. Und das bloß, weil er unter anderem deswegen in der Schule sitzen blieb und dem WDR offenbar gesagt hat: “Mathe und Altgriechisch, das war nix für mich.”

Mit Dank an Adrian C. für den sachdienlichen Hinweis.

“Bild” lässt Mark Medlock tief fallen

Mark Medlock, der letztjährige Gewinner von “Deutschland sucht den Superstar”, ist recht erfolgreich. Als Sänger wie als Schlagzeilenlieferant für die “Bild”-Zeitung. Wobei er im ersten Halbjahr dieses Jahres offenbar eher selten für die ganz großen Geschichten taugte.

Ende Juni jedoch konnte “Bild” über Medlock berichten, dass wegen Beleidigung gegen ihn ermittelt werde, weil er bei der Kofferkontrolle am Flughafen eine “Sicherheits-Mitarbeiterin bepöbelt” habe. Und vorgestern schrieb “Bild”, die Staatsanwaltschaft Berlin ermittele wegen “des Verdachts auf Körperverletzung” gegen Medlock, weil er in einer Sauna einen 52-Jährigen “blutig geschlagen” habe.

Gestern fand “Bild” Medlock dann sogar Titelseiten-würdig:

"Der tiefe Fall des Superstars Mark Medlock – Staatsanwalt ermittelt wegen sexueller Nötigung"

Und jetzt kommt auch noch raus: Die Berliner Justiz ermittelt in einem weiteren Fall (…). Das Opfer schildert den Tathergang so: “(…) Kurz darauf fasste [Medlock] mir von hinten mit der rechten Hand an meinen Penis. Er war dabei so energisch und ließ nicht los, dass ich ihn wegdrängen musste.”

Was “Bild” so groß und aufgeregt aufschreibt, klingt bei sueddeutsche.de schon wesentlich weniger dramatisch. Dort hat man, ebenso wie “Bild”, mit dem zuständigen Staatsanwalt gesprochen und zur Anzeige wegen sexueller Nötigung befragt, würdigt das jedoch ganz anders:

Auf sueddeutsche.de-Nachfrage formuliert der zuständige Berliner Staatsanwalt Michael Grunwald allerdings betont zurückhaltend: “Anzeigen kann jeder jeden. Es gilt die Unschuldsvermutung.”

Das klingt in der Tat zurückhaltend.

Zudem wurde die Anzeige wegen sexueller Nötigung, ebenso wie die wegen Körperverletzung, schon Ende letzten Jahres gestellt. “Bild” wusste also offenbar schon vor der Geschichte über die Körperverletzung davon, tut jedoch einen Tag später so, als wäre es eine Neuigkeit (“Und jetzt kommt auch noch raus”).

Und es ist durchaus fraglich, ob der Vorfall, wie ihn das “Opfer” in “Bild” schildert, überhaupt den Tatbestand der sexuellen Nötigung erfüllt. Nach unseren Informationen spricht jedenfalls vieles dafür, dass es wegen dieser Anzeige nicht zu einem Prozess kommt. Auch wenn “Bild” den Anwalt des vermeintlichen Opfers mit der gegenteiligen Annahme zitiert (“Wir gehen davon aus, dass es zu einem Prozess kommt”).

So gesehen taugt Medlock vielleicht doch nicht für die ganz großen Geschichten. Zumindest nicht an zwei Tagen hintereinander und nicht für eine Titelgeschichte am zweiten Tag – außer eben in “Bild”.*

Mit Dank an Christian K. für den Hinweis.

*) Beim Kölner Boulevard-Blatt “Express” sieht man das offenbar so ähnlich wie bei der “Bild”-Zeitung.

6 vor 9

Das Blatt vor dem Mund
(sueddeutsche.de, Marita Stocker)
“Denken wir, was Bild schreibt, oder schreibt Bild, was wir denken? Ob Pooth-Pleite, Fußball oder Hartz IV: Medienwissenschaftler Carsten Reinemann analysiert, wie ein Blatt Themen setzt und andere Medien folgen.”

Als ob nichts wäre
(nzz.ch, Marc Zitzmann)
Nicolas Sarkozy könnte dank Carla Bruni den Abschwung seiner Umfragewerte auffangen, umgekehrt erhält ihre Arbeit mehr Aufmerksamkeit denn je: “So übertrifft die Berichterstattung über das dritte Album des zur Sängerin gewordenen Models so ziemlich alles hierzulande Dagewesene – dabei wird die CD erst am 11. Juli veröffentlicht.”

News aus Nachbars Garten
(werbewoche.ch, Gerti Schön)
“Amerikas krisengeschüttelte Zeitungsverlage entdecken den ‘hyperlocal journalism’.”

“Kurt Beck hat keine Freunde”
(jetzt.sueddeutsche.de, Theresa Steinl)
Markus Beckedahl konstatiert, dass deutsche Politiker noch nicht im Internet angekommen sind: “Bei unseren Spitzenpolitikern ist der Running-Gag, dass jeder damit kokettiert, nicht den Rechner einschalten zu können.”

Ostschweizer Ignoranz
(fr-online.de, Klaus Kreimeier)
“Unmöglich zu sagen, wie viele Luftschlösser täglich im Internet gebaut, wie viele Seifenblasen in die Bloggosphäre gepustet werden. Ein Beispiel ist das World Blog Forum, das Mitte Juli in Bern stattfinden soll, jedoch – glaubt man dem düsteren Gemurmel des gewöhnlich gut informierten Don Alphonso auf Blogbar – wohl ein Hirngespinst bleiben wird, das sich allein dem Maulheldentum seiner Initiatoren verdankt.”

Zur Wiedervorlage an die Redaktion der Berliner Zeitung
(blogbar.de, Don Alphonso)
Der “gewöhnlich gut informierte Don Alphonso auf Blogbar” (Frankfurter Rundschau) stellt klar, dass eine Zeitung kein Parasit ist, sondern mit Anspruch und Mut “Menschen Informationen und Leitlinien für unsere Gesellschaft” liefert. Er fordert die Redaktion der Berliner Zeitung auf, “ihren nicht hinnehmbaren Investor in der Form zu enteignen, als dass man ohne ihn im Internet zeigt, was man kann.”

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