Ein “Anzeigenartikel” macht PR für PR

Man kennt das ja: Spätestens dann, wenn in Ressorts von Zeitungen Begriffe wie “Sonderbeilage”, “Sonderveröffentlichungen” oder “Verlagsbeilage” drüberstehen, begibt man sich fast zwangsweise in eine journalistische Grauzone. Für viele Verlage sind diese “Sonderveröffentlichungen” gut laufende Umsatzbringer, die man insbesondere in Zeiten der Krise gut gebrauchen kann. Ziemlich heimlich hat sich dabei etwas eingeschlichen, was weder nach den Maßgaben des Deutschen Presserates noch seines Gegenstücks, des Deutschen PR-Rates, statthaft ist: die Kopplung von Anzeigenschaltungen mit der Veröffentlichung von PR-Texten. Konkret: Selbstverständlich fragen Unternehmen bzw. deren Agenturen gerne mal, was es denn im Falle einer Anzeigenschaltung noch als kleine redaktionellen Dreingabe gäbe. Manchmal läuft das Spiel auch so, dass die Kunden bei Auftragsvergabe freudig mitteilen, man habe da auch noch einen kleinen Text vorbereitet und die Redaktion freue sich doch bestimmt darüber, etwas weniger Arbeit zu haben. Natürlich stehen solche Geschäfte in keiner Anzeigenpreisliste und natürlich  gibt es auf dem Papier keinen erkennbaren Zusammenhang zwischen Anzeigenschaltungen und redaktionellen Berichterstattung.

Wie so etwas dann in der Praxis funktioniert, sieht man ziemlich anschaulich an diesem Beispiel, bei dem einer der Akteure jemand ist, von dem man es eigentlich nicht erwartet: die “Frankfurter Allgemeine Zeitung”. Dort gibt es seit inzwischen über 300 Folgen eine Artikelserie zum schönen Thema “Qualifikation und Erfolg”, die unter der Rubrik “Unterricht/Weiterbildung/Seminare” läuft. Am 9. Mai informierte ein Artikel dort über die Vorzüge einer Ausbildung im PR-Bereich:

Man erfuhr in dem Artikel, dass “Öffentlichkeitsarbeit immer gefragter” werde und dass die “Arbeitschancen mit staatlichen Abschlüssen steigen” würden. Zu Wort kommt auch Ingo Reichardt, Chef eines gewissen “Communication College”, das auf der gegenüberliegenden Seite inseriert hat.

Er darf in den darauf folgenden Zeilen ausführlich dalegen, warum der Bedarf an PR-Fachleuten immer weiter steigt und man diesem Trend mit dem Erwerb eines so schönen Titels wie “Certified PR-Officer” (CPRO) begegnen könne.

Kurzum: Auf der linken Seite inseriert das “Communication College”, auf der rechten Seite erklärt der Geschäftsführer ebendieses Colleges, was an einem PR-Job so toll ist. Das ist rechtlich nicht zu beanstanden, merkwürdig ist es aber allemal.

Als Autor des Artikels firmiert Dr. Hans-Henning Kappel. Doch der räumt auf Anfrage des PR-Beraters Sascha Stoltenow ein, die Geschichte nicht selbst geschrieben zu haben — er verstehe von dem Thema so gut wie nichts. Die FAZ-Anzeigenabteilung allerdings konnte da helfen, mit einem vorgefertigten Text, den sie vom “Communication College” bekommen hatte und an den Autor weiterreichte.

So beginnt der Originaltext, der auch auf der Website des “Comunication College” zu finden ist, mit folgendem Absatz:

Sektglashalter, Hummerscherenknacker, Frühstücksdirektoren, Pressefritzen, PR-Trullas und PR-Fuzzies — PR-Profis müssen mit solchen Bezeichnungen leben — auch mit missgünstigen Bloggern.

In der FAZ heißt es:

Sektglashalter, Hummerscherenknacker, Frühstücksdirektoren, Pressefritzen, PR-Trullas und PR-Fuzzies — PR-Profis müssen mit solchen Bezeichnungen leben — auch mit missgünstigen Bloggern.

Auch der Rest der in der FAZ gedruckten Geschichte ist nahezu wortgetreu die Fassung, die das “Communication College” freundlicherweise zur Verfügung stellte.

Kappel übernahm die Texte, pappte sein Namensschildchen drauf — und fertig war der beinahe redaktionelle Beitrag der FAZ. Das räumt Kappel auch gegenüber dem “PR-Journal” ein.

Etwas Ehrenrühriges mag die FAZ hinter diesem Vorgehen nicht vermuten. Josef Krieg, Leiter der Unternehmenskommunikation, erläutert in einer offiziellen Stellungnahme:

Der Autor dieser Artikelserie Dr. Hans-Henning Kappel von der Johann-Wolfgang-Goethe Universität ist innerhalb des optisch abgegrenzten Anzeigenartikels klar und deutlich als Autor der Artikelserie erkennbar. Neben einer postalischen Anschrift sind auch Telefon, Telefax und Email-Adresse von ihm aufgeführt. Damit wird dem Leser unmissverständlich klar, dass es sich hier nicht um einen FAZ-Redakteur handelt. Auch die Optik dieser Veröffentlichungsreihe “Qualifikation & Erfolg” unterscheidet sich deutlich von Redaktionsteil hinsichtlich des Umbruches und der Typographie.

Man muss also davon ausgehen, dass ein Text, der nicht von einem FAZ-Redakteur stammt, automatisch möglicherweise ein PR-Text sein könnte? Und ein unterschiedlicher Umbruch und eine vom normalen Redaktionsstandard abweichende Typographie sind automatisch schon sichere Indikatoren dafür, dass es sich um einen PR-Beitrag handelt? Offen bleibt auch die Frage, warum ein Autor — selbst wenn er nicht FAZ-Redakteur ist — mit seinem Namen für eine Geschichte geradesteht, die eine nicht einmal schwach kaschierte 1:1-Übernahme eines Fremdtextes ist.

Und was ist eigentlich ein “Anzeigenartikel”?

Die naheliegendste Möglichkeit, den Leser nicht lange auf Rätseltour zu schicken, hat man inzwischen allerdings auch bei der FAZ erkannt:

Was bei dieser Artikelreihe “Qualifikation & Erfolg” sicherlich letztlich für die Klarheit gesorgt hätte, ist das fehlende Wort einer “Anzeigen-Sonderveröffentlichung” über der Seite. Diesen Hinweis wird es im Sinne der bei der FAZ praktizierten strikten Trennung zwischen Redaktions- und Anzeigenteil ab sofort geben.

Netzwerk Recherche

Am Montag hatten wir darüber berichtet, wie StudiVZ darauf reagiert, dass sich Medienvertreter in dem sozialen Netzwerk mit Fotos und Informationen über Jugendliche eindecken.

Logo der StudiVZ-Gruppe "Wenn ich tot bin, soll mein Bild nicht in die Bild-Zeitung!"Im Anschluss daran schrieben uns Leser, die fragten, wie sie einem solchen Bilderklau Vorschub leisten könnten (Korrektur von 16:19 Uhr: BILDblogger scheitert an der deutschen Sprache) einen solchen Bilderklau verhindern könnten. Eine richtige Antwort darauf hatten wir auch nicht, bis uns ein weiterer Leser schrieb, er habe gerade eine neue Gruppe bei StudiVZ gegründet: “Wenn ich tot bin, soll mein Bild nicht in die Bild-Zeitung!” Eine vielleicht etwas hilflose und symbolische Aktion, die aber immerhin auf das Problem aufmerksam macht.

Der folgende Tag allerdings zeigte, dass das Problem der Recherche in Sozialen Netzwerken kein “Bild”-spezifisches ist — und dass man nicht unbedingt tot sein muss, um unfreiwillig seine privaten Fotos in der Boulevardpresse wiederzufinden:

In Sankt Augustin hatte eine Schülerin offenbar einen Brandanschlag auf ihr Gymnasium geplant. Eine Mitschülerin stellte sich ihr in den Weg und wurde mit einem Messer verletzt. “Bild” berichtete am Dienstag groß über die “Heldin” und veröffentlichte dabei eine Kurz-Charakterisierung, die sich liest, als sei sie direkt aus dem Profil einen Sozialen Netzwerks zusammenkopiert:

Wer ist die hübsche Schülerin? Sie geht in die 11. Klasse und möchte später gerne in Paris studieren. Dennoch ist Ankes Lieblingsfach Englisch. Die begeisterte Tennis-Spielerin geht gerne shoppen, liest und reist viel. Raucher mag sie dagegen überhaupt nicht.

Auch der “Express” überrascht mit erstaunlichem Faktenwissen:

Ihr Opfer Janine, die davon träumt an der Sorbonne in Paris zu studieren, ist inzwischen in der Uni-Klinik notoperiert worden.

Beide Zeitungen haben nach eigenen Angaben den Namen der Verletzten geändert. Ihre Berichte sind mit Fotos des Mädchens garniert, auf denen das Gesicht verpixelt wurde. Es sieht ganz danach aus, dass sie aus dem Profil des Mädchens in einem Sozialen Netzwerk entnommen wurden. Auf Nachfrage erklärte SchuelerVZ, man prüfe gerade, ob die Fotos aus dem eigenen Angebot stammen.

Einen besonderen Einblick in den Arbeitsalltag von Boulevardjournalisten liefert ein Artikel in der “Rheinischen Post” (die in ihrer Printausgabe sogar den vollen Namen der 16-jährigen Tatverdächtigen angegeben hatte). Man meint, dem Autor Jürgen Stock seine Enttäuschung regelrecht anmerken zu können:

Alternativ hätte sie der “Rheinischen Post” kurz vor ihrem geplanten Amoklauf vielleicht auch einfach kurz ein paar biographische Notizen faxen können — das hätte Herrn Stock auch viel Zeit gespart.

Mit Dank auch an Falk E., Leonard E., Birgit H. und Fabian P.

Trankappenbomber

Sensations-Foto: Ein Stealth-Bomber vor der Schallmauer. Ein Stealth-B-2-Bomber kurz vor dem Erreichen der Schallmauer

Man will Bild.de ja nicht wirklich widersprechen:

Es ist ein aufsehenerregendes Foto: Ein dunkelgraues Ungetüm, das einem Fisch ähnelt, eingehüllt in eine neblige Wolke, donnert über die Wüste Kaliforniens bei Los Angeles. Das Bild zeigt einen Stealth B-2-Bomber kurz vor dem Erreichen der Schallmauer.

Lassen Sie sich nicht irritieren: Eine B-2 (Top Speed: High Subsonic) wird die Schallmauer nie erreichen — aber darum soll es auch gar nicht gehen.

Bild.de zeigt dieses Foto vermutlich, weil Agenturen und verschiedene britische Medien es in den letzten Tagen verbreitet hatten. Die “Daily Mail”, die unter den Ersten war, schreibt dazu:

[Das Bild] wurde passend zur Ankündigung verbesserter militärischer Software für die Flotte veröffentlicht und zeigt eine B-2, die während eines Flugs über Palmdale, nahe Los Angeles, eine hohe Unterschallgeschwindigkeit erreicht.

Auch das ist so nicht falsch. Tatsächlich hatte Semantic Designs, eine Firma, die an neuer Software für die B-2 arbeitet, das Bild selbst in seine Pressemitteilung eingebaut. Nur “veröffentlicht” hatten sie es damit nicht — allenfalls als Symbolfoto “wieder-veröffentlicht”. Das Bild selbst ist nämlich schon mindestens zwei Jahre alt.

Ungeachtet dieser Tatsache trat das Foto eine Reise durch die Medien dieser Welt an, zunehmend losgelöst von der eigentlichen Nachricht (neue Software für die B-2-Flotte). Aber es ist ja immer noch “ein aufsehenerregendes Foto” — und aktuell der zweitmeistgelesene “News”-Artikel bei Bild.de:

Meistgelesene News-Artikel: 01. Polizeipanne! Diese nette Omi ist die "Phantom-Killerin" 02. Sensations-Foto: Ein Stealth-Bomber vor der Schallmauer

Das zeigen die jetzt bestimmt öfter.

Mit Dank an Andreas B. und Sascha G.

Korruption, Zukunft, Twitter

1. Korruption bei Medienwächtern
(taz.de, Steffen Grimberg)
Steffen Grimberg berichtet über die Korruptionsaffäre bei der Bayrischen Landeszentrale für neue Medien. Es geht um Kredite, die der unter Schleichwerbeverdacht stehende Sender Camp TV an den ehemaligen Vorsitzenden des Medienrates Klaus Kopka gegeben haben soll.

2. Die Zukunft der New York Times
(niemanlab.org, Zachary M. Seward, Video 6:42)
Das Nieman Journalism Lab besucht die New York Times und berichtet in einer fünfteiligen Serie von der Zeitung der Zukunft. Im ersten Teil der Serie wird die Research & Development Abteilung besucht. Besonders bemerkenswert: Die Qualität des Kaffees.

3. Twitter ist kein Dschungel
(madial.blogspot.com, Mathias Vettiger)
Mathias Vettiger antwortet auf den im Schweizer Tagesanzeiger erschienenen Artikel “Die Banalität des Bloggens”. Der Artikel sei zu stark auf das vermeintliche Chaos und Banalitäten fixiert und vergesse darüber, die vielfältigen Möglichkeiten die Twitter biete.

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Schwachsinn, Medienanalyse, Subventionen

1. Unendlich viel Schwachsinn im Internet
(meedia.de, Felix Disselhoff)
Im Interview mit Felix Disselhoff spricht Wolf Schneider (ehemaliger Leiter der Henri-Nannen-Schule) über seine Versuche als Videoblogger. Als Blogger sieht er sich aber nicht, denn: “Das Wort Blogger ist für mich zu einem erheblichen Teil negativ besetzt.” Er habe allerdings “keine Ahnung wie ein Computer funktioniert”.

2. Niggemeiers Medienanalyse
(stefan-niggemeier.de, Stefan Niggemeier)
Stefan Niggemeier analysiert die aktuellen Mediendebatten im Netz und in der Presse. Er wirft dem SZ-Magazin mit dem Titel “Warum Zeitung?” Recherchefehler und Arroganz vor, untersucht die Debatte um die (vermeintliche) Versteigerung von Aufträgen beim Nordkurier und widerspricht Miriam Meckels aktuellem Artikel zur Lage des Journalismus. Die Trennlinie verlaufe nicht zwischen Print und Online, sondern zwischem guten und schlechten Journalismus.

3. Wirtschaftskrise bedroht Pressefreiheit
(faz.net, Video 2:17 Minuten)
Der ehemalige deutsche Verfassungsrichter Dieter Grimm möchte über staatliche Unterstützung für die Presse zumindest nachdenken, wenn diese ihre gesellschaftliche Funktion nicht mehr erfüllen könne. Er warnt aber vor “Inhaltssteuerung” durch Subventionen und sieht momentan auch noch kein Notwendigkeit in Deutschland.

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Journalisten, Blogs, Eigenwerbung

1. Faule, fette Journalisten
(blogbar.de, Don Alphonso)
Don Alphonso knöpft sich Journalisten vor, die sich “freuen, wenn es das ein oder andere Blog derbröselt”.  Die “Strukturprobleme der Blogs” würden nicht die “Strukturprobleme der Journalisten lösen”. Generell seien Journalisten “zu wenig meinungsfreudig (und) innovativ”, dafür aber risikoscheu, faul und fett.

2. Blogs und Stiftungen retten Journalismus nicht
(faz.net, Miriam Meckel)
Miriam Meckel, Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen, wirft Bloggern und Social Networks vor, nicht selber Inhalte zu erstellen. Neues sei lediglich eine “innovative Verlinkung von Altbekanntem”. Es reiche nicht aus, sich auf Bürgerjournalismus und wohlmeinde Stiftungen zu verlassen (wie Arianna Huffington vorschlägt), um Qualitätsjournalismus aufrechtzuerhalten.

3. Eigenwerbung der Privatsender nimmt zu
(taz.de, Wilfried Urbe)
Wem geht sie nicht auf die Nerven? Die Eigen-PR der TV-Sender mit ihrer “We love to entertain you” und “Mein RTL”-Rhetorik. RTL bestreitet mittlerweile eine Stunde pro Tag mit diesen Clips. Doch diese Clips seien “Schlüsselerfolgsfaktoren der Kommunikation und der Werbung”.

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Was Bilderdieben bei StudiVZ droht

Es ist längst Routine: Wenn irgendwo junge Leute sterben, gehen Journalisten ins Internet und suchen dort nach Bildern der Toten. Meist werden sie in sozialen Netzwerken fündig, wo die jungen Leute, als sie noch lebten, Fotos von sich hochgeladen haben — damit ihre Freunde diese sehen können, mutmaßlich nicht, damit diese posthum in die Öffentlichkeit gezerrt werden.

Zu den größten Sozialen Netzwerken in Deutschland gehört StudiVZ mit nach eigenen Angaben 13 Millionen angemeldeten Mitgliedern. Schon vor gut einem Jahr hatte die “taz” über die neue Praxis der Bildbeschaffung berichtet und geschrieben, dass “Bild” und StudiVZ “wie für einander gemacht” seien.

Die Pressestelle von StudiVZ ließ sich damals wie folgt zitieren:

Die journalistische Verwertung von Bildern aus StudiVZ ist nicht in unserem Interesse. Das steht auch eindeutig in unseren AGB. Wird dennoch ein Foto von einem unserer Nutzer zu diesem Zweck unautorisiert verwendet, so handelt es sich hierbei um eine Verletzung der Urheberrechte. Der Nutzer kann gegen das entsprechende Medium vorgehen.

Das ist natürlich ein bisschen schwierig, wenn der Nutzer tot ist. Und auch die Angehörigen von Tätern und Opfern haben nach einem Schicksalsschlag meist andere Prioritäten als juristisch gegen Medien vorzugehen, die widerrechtlich private Fotos veröffentlicht haben. Für die Medien von “Bild” über den “Stern” bis zu RTL scheint das Internet so praktischerweise tatsächlich das zu sein, was sie sonst gerne anklagen: ein rechtsfreier Raum.

Die Pflicht, dagegen zu kämpfen, hätten vor allem die Betreiber der Netzwerke. Man sollte annehmen, dass sie sogar ein Interesse daran hätten, schon aus Verantwortung ihren Nutzern gegenüber. Doch der Gedanke täuscht. Wie egal es StudiVZ ist, ob ihre Plattform auf Kosten der junge Leute zu einem Selbstbedienungsladen für bildhungrige Sensationsjournalisten wird, zeigt diese Chronologie des Versuchs, eine Auskunft von dem Unternehmen zu bekommen, das mehrheitlich zur Verlagsgruppe Holtzbrinck (“Zeit”, “Tagesspiegel”) gehört.

Am 15. April rief ich bei Dirk Hensen, Leiter der Unternehmenskommunikation bei studiVZ Ltd. an. Er bat mich, die Fragen schriftlich einzureichen.

Ich fragte ihn, bezogen auf das “taz”-Zitat:

Viele Menschen, die es betrifft, sind in den jeweiligen Situationen nicht in der Lage oder haben nicht die Kraft, sich dagegen zu wehren. Ist es nicht zynisch, die Verantwortung für die Einhaltung der Regeln auf diese Menschen zu schieben?

Eine andere Frage lautete:

Nach Einschätzung von Medienrechtsexperten sind die Betreiber der sozialen Netzwerke die einzigen, die verhindern können, dass es zur Regel wird, dass Medien sich auf diesem Weg private Fotos von Unfallopfern, Verdächtigen etc. besorgen. Ist sich StudiVZ dieser Verantwortung bewusst und wird entsprechend handeln?

Am 20. April fragte ich zum ersten Mal vorsichtig nach, bis wann mit einer Antwort zu rechnen sei. Hensen erklärte mir, da sich an der Rechtslage nichts geändert habe, sei die Stellungnahme aus der “taz” immer noch aktuell. Ich fragte (erst telefonisch, dann schriftlich) nach, ob StudiVZ dann nicht wenigstens seine Nutzer deutlich darauf hinweisen sollte, dass alles, was diese hochladen, im Zweifelsfall von den Medien ausgeschlachtet werden könnte.

In den nächsten Tagen ging bei StudiVZ niemand ans Telefon, am 28. April erklärte mir Herr Hensen, man müsse das weitere Vorgehen intern noch diskutieren, wolle sich aber bis zum Nachmittag des Folgetages melden. Ich rief immer mal wieder dort an, aber entweder ging niemand ran oder Herr Hensen war in einer Besprechung.

Am 7. Mai erreichte ich ihn endlich wieder. Er erklärte mir, eine Antwort-E-Mail sei bereits fertig vorbereitet, er habe bisher nur vergessen, diese auch abzuschicken, werde das aber sofort nachholen.

Eine Stunde später war es soweit: StudiVZ hatte es geschafft und sich zu einer wohlüberlegten Antwort auf unsere Fragen durchgerungen. Sie lautet in vollständiger Länge:

Hallo Herr Heinser,

das Statement, welches Sie bereits in Ihrer Mail verwendet haben hat aus unserer Sicht nach wie vor Gültigkeit.

“Die journalistische Verwertung von Bildern aus StudiVZ ist nicht in unserem Interesse. Das steht auch eindeutig in unseren AGB. Wird dennoch ein Foto von einem unserer Nutzer zu diesem Zweck unautorisiert verwendet, so handelt es sich hierbei um eine Verletzung der Urheberrechte. Der Nutzer kann gegen das entsprechende Medium vorgehen.”

Allerdings werden wir zukünftig die Verlage per Brief auf die Urheberrechtsverletzung hinweisen.

Vermutlich muss man das schon als Fortschritt bewerten — auch wenn anzunehmen ist, dass sich die Medien durch eine solche Ermahnung eher nicht beeindrucken lassen werden. Aber vielleicht kommt der Brief ja wenigstens zeitnah an.

Bild  

Ein Leserbriefschreiber, der ankommt

Jeden Tag wählt die “Bild”-Redaktion aus den vielen Leserbriefen, die sie bekommt, ein paar aus, die sie in der Zeitung veröffentlicht. Manche hält sie für so lesenswert, dass sie sie durch Fettdruck hervorhebt und den Absender sogar im Foto zeigt.

Am Donnerstag hatte “Bild” groß auf der Titelseite eine junge Frau gezeigt, die im Bundestagsbüro von SPD-Chef Franz Müntefering als wissenschaftliche Mitarbeiterin arbeitet. Sie sei “die neue Frau” in seinem Leben, “sein neues Glück”, nachdem seine Ehefrau Ankepetra im vergangenen Jahr an Krebs gestorben war. Müntefering hatte sich vorübergehend aus der Politik zurückgezogen, um sie in den letzten Monaten ihres Lebens zu pflegen.

Die Leser-Meinung, die “Bild” dazu auswählte und besonders hervorhob, liest sich so:

Das ist nicht nur erstaunlich gehässig, was das Privatleben des SPD-Vorsitzenden angeht. Die Formulierung am Schluss ist auch politisch verräterisch. So gesehen ist es keine Überraschung, was man herausfindet, wenn man ein bisschen recherchiert, wer Reinhart Jahnke ist. Er war im “Bündnis RECHTS” in Mecklenburg-Vorpommern aktiv, wurde 2005 Bundestagskandidat der NPD in Lübeck und sprach im selben Jahr bei einer von dem militanten Hamburger Neonazi Christian Worch organisierten Kundgebung in der Stadt. Nach internen Querelen verließ er den NPD-Kreisverband 2006.

Inzwischen scheint er einen größeren Teil seiner Zeit mit dem Schreiben von Leserbriefen und Kommentaren zu verbringen, und in der “Bild”-Zeitung hat er einen dankbaren Abnehmer gefunden. Die Häme über Müntefering und das System der “BRD” war der vierte Leserbrief von ihm, den “Bild” in weniger als drei Monaten veröffentlichte.

Mit Dank an Reinhard K.!

Obama, Guttenberg, Steinbrück

1. Obama unterhält die US-Journalisten
(thecaucus.blogs.nytimes.com, Ashley Parker)
Mit Spannung wurde der erste Auftritt Barack Obamas beim alljährlichen White House Correspondents Dinner erwartet. Und neben einer humorvollen Rede und einigen Seitenhieben auf die Presse, verprach er den anwesenden Journalisten Unterstützung in der Wirtschaftskrise.

2. Medienliebling zu Guttenberg
(cicero.de, Michael Spreng)
Michael Spreng, der exzellent bloggende ehemalige Bild-Chef und Stoiber-Wahlkampfmanager, analysiert den rasanten Aufstieg des neuen deutschen Wirtschaftsministers zu Guttenberg zum Liebling der Medien.

3.Schweizer Zeitung zeigt Steinbrück als Nazi
(welt.de, Video 1:52 Minuten)
Die Redaktion der WELT hat den Nazi-Skandal um Peer Steinbrück aufgegriffen und schlägt im Video kreativere Formen des Steinbrück-Bashings vor. Alkoholismus, Humorlosigkeit, Spiessigkeit und schlechte Bärte der Deutschen seien viel geeignetere Angriffspunkte.

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3sat  

Colin Powell und die Atombombe

Vorab: Natürlich weiß die Menschheit inzwischen, dass der Irak-Krieg 2003 auch deswegen zustande kam, weil die USA mit (formulieren wir es mal vorsichtig) nicht ganz richtigen Tatsachenbehauptungen der Welt glauben machen wollten, der Irak sei im Besitz ganz fürchterlicher Dinge (oder aber zumindest ganz kurz davor, sie zu besitzen).

3sat geht da allerdings noch ein Stück weiter: In einem Beitrag der Sendung “Kulturzeit”, der die These aufstellt, eine Weltregierung könne womöglich die Probleme des Planeten lösen, heißt es über den Auftritt des damaligen US-Außenministers Colin Powell vor der UNO:

Schamlos behauptete er, der Irak besitze abschussbereite Atomwaffen.

Damit soll die These des Beitrags untermauert werden, dass Organisationen wie die UNO “hemmungslos hinters Licht geführt” werden, um Kriege anzetteln zu können (nachzulesen u.a. auch bei 3sat.de).

Was 3sat ihm da unterstellt, hat Powell bei seiner Rede vor der UNO am 5. Februar 2003 aber dann doch nicht getan. Powell sprach lediglich davon, dass der damalige Diktator entschlossen sei, sich Atomwaffen zu besorgen und dass er bei der Entwicklung solcher Waffen anscheinend verhältnismäßig weit fortgeschritten sei. Vom Besitz “abschussbereiter Atomwaffen” war in Powells ganzer Rede vor der UNO nicht die Rede.

Mit Dank an Henryk G.

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