Archiv für April 27th, 2017

Axel Springer gibt sich neue alte Grundsätze

Wenn wir hier im BILDblog über “Bild” oder die “Welt” oder ein anderes Blatt aus dem Axel-Springer-Verlag schreiben, gibt es bei Facebook und Twitter häufiger mal Antworten wie “Ach, die müssen ja positiv über Israel schreiben” oder “Die Mitarbeiter haben doch eh in ihren Verträgen stehen, dass sie die USA loben müssen”.

Ganz so ist es nicht. Es gibt aber die sogenannten “Unternehmensgrundsätze” oder “Essentials” im Axel-Springer-Verlag. Diesen sind die Mitarbeiter, also auch die Redakteure und Journalisten, verpflichtet. Gestern wurden die “Grundsätze der Unternehmensführung” bei der Hauptversammlung des Konzern erneuert. Man habe sie “etwas grundsätzlicher formuliert, damit international nachvollziehbarer”, und sprachlich vereinfacht, sagte der Vorstandsvorsitzende Mathias Döpfner in seiner Rede (Videomitschnitt der Hauptversammlung, ab Minute 20:22).

Die Springer-“Unternehmensgrundsätze”, die Axel Springer 1967 eingeführt hat, wurden bereits mehrfach geändert. Nach der deutschen Wiedervereinigung zum Beispiel und nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 (die Döpfner in seiner Ansprache auf den “9. September” umdatierte). Die erneute Änderung sei vor allem eine Folge der Internationalisierung des Konzern. So sei beispielsweise die Passage zu Israel und dem jüdischen Volk geändert worden, weil die bisherige Version “nicht ganz plausibel für Kollegen” sein könnte, “die mit dem Holocaust entweder nichts zu tun haben oder ihn auf der Opferseite erlebt haben”.

Hier die Änderungen (PDF) im Überblick:

Bisherige Grundsätze Neue Grundsätze
Das unbedingte Eintreten für den freiheitlichen Rechtsstaat Deutschland als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft und die Förderung der Einigungsbemühungen der Völker Europas. Wir treten ein für Freiheit, Rechtsstaat, Demokratie und ein vereinigtes Europa.
Das Herbeiführen einer Aussöhnung zwischen Juden und Deutschen, hierzu gehört auch die Unterstützung der Lebensrechte des israelischen Volkes. Wir unterstützen das jüdische Volk und das Existenzrecht des Staates Israel.
Die Unterstützung des transatlantischen Bündnisses und die Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika. Wir zeigen unsere Solidarität in der freiheitlichen Wertegemeinschaft mit den Vereinigten Staaten von Amerika.
Die Verteidigung der freien sozialen Marktwirtschaft. Wir setzen uns für eine freie und soziale Marktwirtschaft ein.
Die Ablehnung jeglicher Art von politischem Totalitarismus. Wir lehnen politischen und religiösen Extremismus ab.

“Also Mädels, tut ihm den Gefallen”

In den USA, aber auch anderswo auf der Welt soll das sogenannte Stealthing ein neuer, grässlicher Trend sein: Beim eigentlich einvernehmlichen Sex zieht der Mann während des Geschlechtsverkehrs heimlich das Kondom von seinem Penis. Abgesehen von den damit verbundenen Risiken, wie sexuell übertragbaren Krankheiten und — wenn der Sexualpartner eine Frau ist — ungewollten Schwangerschaften, handelt es sich dabei um eine Form eines sexuellen Übergriffs. Rechtsexperten fordern, Gesetze anzupassen und Stealthing als Straftat zu behandeln. In der Schweiz wurde Anfang des Jahres ein Mann wegen Vergewaltigung verurteilt, nachdem er ohne vorherige Einwilligung der Frau beim Sex das Kondom abgelegt hat.

Bild.de hat am Dienstag auch über das Thema Stealthing berichtet. Die Redaktion macht schon in der Überschrift klar, was es davon hält:

Wenn Mann beim Verkehr unbemerkt das Gummi runterzieht - Gefährlicher Sex-Trend 'Stealthing'

Und auch der erste Satz des Artikels ist eindeutig:

Es ist dreist, hochgradig gefährlich — und ein Fall für die Gerichte!

Weil es in dem Text ja um Kondome, oder genauer: um Keine-Kondome, geht, hat Bild.de noch eine Packungsbeilage mit dem Titel “Infos Kondom-Anwendung” dazugelegt. Neben Hinweisen zur korrekten Größe (“nachmessen!”) und der richtigen Vorbereitung (“Wer das Verhüterli schon vorher ausgepackt bereitlegt, spart sich unnötigen Stress.”) gibt es da solche Tipps für die Bild.de-Leserinnen:

Mehr Druck - Spürt er mit dem Gummi nix mehr, kann das daran liegen, dass zu wenig Reibung entsteht. Helfen Sie ihm, indem Sie Ihre Beine enger zusammendrücken.

Und solche:

Mundgerecht - Über so eine Hilfe beim Überziehen freut ER sich besonders. Also Mädels, tut ihm den Gefallen.

Also wirklich, “Mädels” — jetzt stellt euch mal nicht so an und “tut ihm den Gefallen.” Das müsste doch mindestens Teil eures Rundum-sorglos-Paketes sein.

Auf die Idee muss man erstmal kommen: In einem Artikel, in dem es eigentlich um verachtenswerte Sex-Praktiken von Männern geht, Frauen Tipps zu geben, bei denen sie wie Liebesspiel-Dienstleister mit natürlicher Bringschuld wirken.

Mit Dank an Rinaldo S. und Torben für die Hinweise!

Foto-Klau, Brustvergrößerung, SnapNews

1. Woher stammen die Facebook-Bilder der AfD?
(ndr.de, Fiete Stegers)
Auf der Facebook-Seite der AfD gibt es für die aktuell 321.269 Nutzer, denen sie gefällt, immer wieder markige Partei-Botschaften, die auf Fotos gepackt wurden. Aber woher stammen diese Bilder, wenn sie gerade mal nicht Frauke Petry oder Alexander Gauland zeigen? Fiete Stegers hat einigen hinterherrecherchiert: “Für die Bebilderung bedient sich die Partei unter anderem bei ausländischen Fotografen, bei Wikipedia und auch mal bei der Deutschen Presseagentur (dpa). Einige dieser Fotografen sind verärgert und prüfen nach Hinweisen von ZAPP nun juristische Schritte.”

2. Medienfreiheit in Demokratien bedroht
(reporter-ohne-grenzen.de)
Die “Reporter ohne Grenzen” haben gestern ihre “Rangliste der Pressefreiheit” für das Jahr 2017 veröffentlicht und bieten in diesem ausführlichen Beitrag kompakte Überblicke zu den Arbeits- und Lebensbedingungen von Journalisten in vielen Ländern der Welt: von Polen über den Jemen und Burundi bis Nicaragua.

3. Wer bin ich?
(sueddeutsche.de, Katharina Riehl)
Der Printbranche geht es insgesamt nicht gut. Beim „Focus“ müssen jedoch besondere Umstände dazugekommen sein, denn es kriselt dort besonders: „Wahr ist aber auch, dass die Krisenmeldungen beim Focus noch ein bisschen häufiger sind als anderswo, die Zahlen noch ein bisschen schlechter — und dass das Heft publizistisch bei vielen aus der Wahrnehmung gerutscht ist.“ “SZ”-Autorin Katharina Riehl hat sich auf Ursachensuche gemacht.

4. Universität Leipzig bildet vorerst keine weiteren Journalisten aus
(flurfunk-dresden.de, Alexander Laboda)
Die Journalisten-Ausbildung an der Universität Leipzig stand schon länger in der Kritik, doch jetzt hat die Uni die Reißleine gezogen: Der Fakultätsrat verhängte am Dienstagnachmittag einen Immatrikulationsstopp. Grund dafür sind offenbar erhebliche Mängel bei der Qualität der Ausbildung und der Durchführung des Masterprogramms.

5. Spiegel Online, BILD & Co. NEU bei Snapchat Discover – Ich hab’s mir angesehen
(philippsteuer.de, Video, 6:47 Minuten)
Sie sind neugierig, wie sich „Spiegel Online“, „Bild“ & Co. neuerdings bei Snapchat präsentieren, haben die App aber nicht installiert? Dann lassen Sie sich von Philipp Steuer in einem kommentierten Video durch die neue bunte Snapchat-Medienwelt führen.

6. Und wieder grüßt der dicke Mops…
(radioszene.de, Wolf-Dieter Roth)
Immer wieder versuchen pfiffige Radiomacher, mit provokativen Aktionen ins Gespräch zu kommen. Der österreichische Radiosender “Kronehit” ist nun mit einer wenig originellen und geschmackvollen Idee um die Ecke gekommen und bietet eine Brustvergrößerung für Mutter und Tochter an. Ein Spiel mit dem einkalkulierten, ja vielleicht sogar erwünschten Shitstorm?