Archiv für September 28th, 2016

Krankgeschrieben

Gestern bei Bild.de:

Heute in “Bild”:

Die zwei dazugehörigen Artikel stammen vom selben Autoren-Duo. Bei Bild.de steht über Otto Retzer:

Anfang des Jahres ließ sich der Regisseur und Schauspieler operieren. “Ich war krank und bin wieder gesund”, sagt Retzer zu BILD.

Und in “Bild”:

TV-Legende Otto Retzer (71, “Ein Schloss am Wörthersee”, “Klinik unter Palmen”, “Das Traumhotel”) kämpft gegen den Krebs.

In beiden Texten — also auch in der Printversion mit ihrer “KREBS!”-Schlagzeile — sagt Retzer, dass der Tumor-Herd weg sei und es keine Metastasen gebe. Er brauche keine Chemotherapie, nur alle drei Monate müsse er zu einem Check.

Die Informationen, die den zwei Artikeln zugrund liegen, sind also fast identisch. Bei “Bild” hatten sie wohl einfach mehr Lust auf eine schockende Schlagzeile.

Wir drücken jedenfalls die Daumen, dass die Bild.de-Mitarbeiter mit ihrer Überschrift näher an der Wahrheit liegt.

“Focus Online” fällt auf Simpsons-Wiesn-Witz mit Schwarzenegger rein

Ein Mitarbeiter des Münchner Ausbildungsradiosenders “afk M94.5” hat bei seinem Streifzug übers Münchner Oktoberfest gestern Arnold Schwarzenegger entdeckt. Er machte ein Foto des früheren US-Gouverneurs, packte eine Sprechblase drauf und postete es bei Facebook:

Der Witz dahinter: Das Zitat, das “afk M94.5” Schwarzenegger in den Mund gelegt hat, ist eine Anspielung auf “Die Simpsons – Der Film”. In seiner Gastrolle als US-Präsident sagt der gezeichnete Arnold Schwarzenegger dort:

Die haben mich gewählt, um zu lenken, nicht, um zu denken.

Im englischen Original heißt es:

I was elected to lead, not to read.

Und daraus machte das Team von “afk M94.5” dann eben Schwarzeneggers fiktives Wiesn-Zitat “I’m not here to think, I’m here to drink!”

Auf den Facebook-Post wurden ein paar andere Redaktionen aufmerksam und fragten bei “afk M94.5” nach, was es mit dem Schwarzenegger-Zitat auf sich habe. Man sagte den Anrufern, dass es sich um einen Witz handele — Sache gegessen. “Focus Online” hat hingegen nicht bei “afk M94.5” angerufen. Und so tauchte im Oktoberfest-News-Ticker der Seite (ja, doch, den gibt es bei “Focus Online” tatsächlich) diese Meldung auf:

Arnold Schwarzenegger schaltet auf der Wiesn den Kopf aus

16.02 Uhr: Der Mann, der der “Terminator” war und den “Predator” getötet hat, hat dem Oktoberfest einen Besuch abgestattet: Arnold Schwarzenegger. Begleitet wurde er von seiner Freundin Heather Milligan und mehreren breitschultrigen Leibwächtern.

“I’m not here to think, I’m here to drink”, sagte der ehemalige Gouverneur des US-Bundesstaates Kalifornien laut Radio M94.5. Frei übersetzt: Schwarzeneggers Oberstübchen hat während des Wiesn-Besuchs Sendepause, Trinken und Feiern stehen im Vordergrund.

Nun hat “Focus Online” ja sowieso immer mal wieder Schwierigkeiten beim Dechiffrieren von Witzen. Und so machte “afk M94.5” die Mitarbeiter des Portals vorhin bei Facebook darauf aufmerksam, dass sie was falsch verstanden haben:

“Focus Online” hat inzwischen reagiert und die Passage mit dem ausgedachten Zitat gestrichen. Dass Arnold Schwarzenegger “auf der Wiesen den Kopf” ausschalte, steht aber weiterhin in der Überschrift.

Mit Dank an Florian für den Hinweis!

Propagandafeldzug, Todenhöfer, Adipositas

1. Daten-Leak aus Ministerium der Separatisten
(zdf.de, Arndt Ginzel & Christian Rohde)
Prorussische Separatisten, die Teile der Ostukraine beherrschen, führen im Auftrag von Moskauer Beratern einen Propagandafeldzug gegen die Regierung in Kiew und gegen den Westen. Dies ginge aus Tausenden E-Mails hervor, die “Frontal21” und der Wochenzeitung “Die Zeit” vorliegen würden. Die Berater würden offenbar zum Umfeld des Kremls oder zur Präsidialadministration von Wladimir Putin gehören. Dieser habe bisher immer bestritten, dass die Separatisten in der Ostukraine von Moskau instruiert würden. Dem Artikel beigefügt ist eine FAQ-Liste, in dem die Reporter zu verschiedenen Fragen Stellung beziehen, zum Beispiel zu dem womöglich aufkommenden Vorwurf, der Bericht sei einseitig: “Das Rechercheteam hat rund elf Gigabyte Daten aus der Ostukraine ausgewertet. Die Ergebnisse flossen in die aktuelle Berichterstattung. Die Autoren haben in der Vergangenheit genauso kritisch über die ukrainische Regierung in Kiew berichtet. Ebenso thematisierten Frontal21 und DIE ZEIT Affären westlicher Geheimdienste wie den NSA-Skandal.”

2. Ein Sammelsurium von Ungereimtheiten
(carta.info, Lars Hauch)
Jürgen Todenhöfer will im syrischen Aleppo einen syrischen Rebellenführer interviewt haben. Das Video erzielte in knapp zwei Tagen bereits mehr als 700.000 Aufrufe bei Facebook. Doch es gibt Zweifel an der Authentizität des vermeintlichen Scoops. Lars Hauch hat genau hingeschaut und derart viele Ungereimtheiten ausgemacht, dass er feststellt: Wer auch immer da mit Todenhöfer spricht, er ist kein Mitglied Jabhat al-Nusras.

3. BDZV-Kongress: Vorsicht: „Lügenpresse!“ – Ist etwas dran an der Kritik?
(wwwagner.tv, Audio, 44:51 Min.)
Auf dem “Zeitungskongress 2016” des “Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger” (BDZV) hat sich eine illustre Runde zum Gespräch über die Glaubwürdigkeitskrise der Medien zusammengefunden. 45 Minuten diskutieren dort zum Thema “Vorsicht: „Lügenpresse!“ – Ist etwas dran an der Kritik?”:
* Peter Pauls, Chefredakteur „Kölner Stadt-Anzeiger“
* Werner Josef Patzelt, Politikwissenschaftler, TU Dresden
* Peter Stefan Herbst, Chefredakteur „Saarbrücker Zeitung“, Moderation
* Dr. Alexander Gauland, Stellvertretender Sprecher Bundesvorstand AfD
* Nikolaus Blome, stv. Chefredakteur Politik und Wirtschaft, „Bild“ und bild.de
* Prof. Dr. Miriam Meckel, Chefredakteurin, „WirtschaftsWoche“

4. Wenn die Katze eines Promis stirbt, weiß es TMZ als Erstes
(sueddeutsche.de, Karoline Meta Beisel)
Das amerikanische Portal “TMZ” ist eine feste Institution in Sachen Klatsch und Tratsch. Seit beinahe elf Jahren lande das Klatschportal einen Scoop nach dem anderen. TMZ hätte als erstes Medium über die Scheidung von Britney Spears berichtet, über rassistische Entgleisungen des Schauspielers Mel Gibson, darüber, dass Rihanna von ihrem damaligen Partner Chris Brown geschlagen wurde, über den Tod der Schauspieler Britanny Murphy und Heath Ledger sowie über den des Sängers Prince. Doch oftmals sind die Informationen, die zu den entsprechenden Berichten führen, auf fragwürdige Weise erkauft. Die Society of Professional Journalists, die älteste Journalistenvereinigung der USA, verurteile diesen sogenannten “Scheckbuch-Journalismus”: Man wisse nie, ob ein Informant seine Geschichte nicht vielleicht aufbläst, um mehr Geld rauszuhandeln. Der TMZ-Chef Harvey Levin kann daran nichts Verwerfliches finden und sieht sein Portal als investigatives Medium: “Wir machen Geld mit diesen Geschichten. Warum sollten unsere Quellen dann nicht nach Geld fragen?”

5. Adipositas — Der Unterschied zwischen Realität und medialer Darstellung
(fettlogik.wordpress.com, erzaehlmirnix)
Bloggerin Erzaehlmirnix kritisiert, dass in den Medien fast ausschließlich schwer morbid adipöse Menschen gezeigt werden, wenn es um die Bebilderung von „Adipositas“ geht, obwohl diese nur eine kleine Minderheit der Adipösen stellen würden. Dies wirke sich nachteilig auf unser Verständnis von Adipositas und Fettleibigkeit aus. Und es halte womöglich Ärzte davor zurück, den Fakt offen zu benennen: “Wenn Adipositas auf diese Art zum Bild für ein Extrem gemacht wird, steigt natürlich auch die Schwelle, diese Bezeichnung zu verwenden. Das ist im Alltag natürlich egal, es geht ja nicht darum, in der Fußgängerzone besser Adipöse diskriminieren zu können (was dann bei der tatsächlichen Menge an Adipösen auch recht aufwendig wäre) aber es führt dazu, dass Ärzte und andere Fachleute sich ebenfalls zweimal überlegen werden, dem Patienten mit BMI 32 den Begriff „adipös“ mitzuteilen.”

6. Auseinandergelebt
(message-online.com, Dennis Reineck)
Verschiedene statistische Erhebungen bestätigen, dass immer weniger Jugendliche und junge Erwachsene klassische journalistische Medien nutzen. Dennis Reineck hat aus einer Studie fünf Nutzertypen herausgefiltert und beschreibt deren Verhalten in Sachen Mediennutzung. Er warnt jedoch davor, die Ergebnisse falsch zu interpretieren: “Die Vorliebe für Soft News und Unterhaltungsthemen ist nichts Typisches für diese Generation, wie die TV-Quoten von Fußball, Tatort und Hollywood-Blockbustern im Vergleich zu den Nachrichtensendungen beweisen. Und Bildungsgrade und -milieus spielen eine wichtige Rolle für Nutzungsweisen, wie in der Gesellschaft insgesamt. Die Altersgruppe sollte demnach auf keinen Fall über einen Kamm geschoren werden. Dazu sind die Unterschiede, vor allem zwischen studentischen und Ausbildungsmilieus, trotz einiger Gemeinsamkeiten zu groß.”