Archiv für August 2nd, 2016

Verfahrene Verbotsfantasien

Vergangenen Freitag war letzter Schultag in Bayern, und damit sind aktuell alle 16 Bundesländer in den Schulferien (wenn auch manche nur noch bis morgen). Also: Koffer packen, rein ins Auto und ab Richtung Süden brettern.

Doch dann diese Geschichte in “Bild”:

Bild.de berichtet ebenfalls:

Und bei “Focus Online” dieselbe Meldung:

Auslöser für die Artikel ist das oben zu sehende Schild an der Autobahn 8 bei Leonberg, auf Höhe einer Wanderbaustelle: ein rot durchgestrichener Schriftzug “Navigation” und darunter die Aufforderung, für die Weiterfahrt Richtung München und Stuttgart der normalen Verkehrsbeschilderung zu folgen.

Aufgestellt hat es das Regierungspräsidium Stuttgart. Denn es zeigte sich, dass Navigationsgeräte die Auto- und LKW-Fahrer am Autobahndreieck Leonberg fälschlicherweise immer wieder auffordern, auf die linke Spur zu wechseln, wenn sie nach München weiter wollen — obwohl alle drei Spuren nach München führen. Die Folge: einige riskante Manöver über eine durchgezogene Linie, die zum Teil zu Unfällen führten.

Die “Bild”-Medien schreiben dazu:

Blindes Vertrauen aufs Navi hat auf der A8 bei Leonberg schon mehrere Verkehrsunfälle verursacht. Jetzt hat das Regierungspräsidium die Nase voll. Die Behörde hat ein Navi-Verbot verhängt!

Doch bevor jetzt die deutsche Autofahrerlobby Schaum vor dem Mund bekommt (“Jetzt wollen die da oben auch noch bestimmen, ob ich mein Navi benutzen darf oder nicht?!”): Das mit dem “Navi-Verbot” stimmt gar nicht. Der Hinweis an der A8 ist lediglich ein Vorschlag.

Die “Stuttgarter Zeitung” hat nämlich mal beim Regierungspräsidium nachgefragt, was es mit dem neuen Schild auf sich hat:

“Das neue Schild ist kein offizielles Verkehrszeichen und auch kein Verbotsschild, es ist ein Hinweisschild, das die Autofahrer sensibiliseren soll”, sagte gestern Matthias Kreuzinger, vom Stuttgarter Regierungspräsidium.

Mit Dank an Lutz K. für den Hinweis!

Dirk Hoerens nächste halbe Hartz-Wahrheit über Ausländer

Die “Bild”-Medien scheinen ein neues Thema für sich entdeckt zu haben: die Hartz-IV-Ausländer. Denn nach seinem Artikel von gestern hat Chefzahlenleser Dirk Hoeren heute noch einmal in “Bild” und bei Bild.de nachgelegt — mit einer großen Titelgeschichte und einem “Bild-plus”-Artikel:

Die “neuen Zahlen”, auf die sich Hoeren bezieht, waren gestern auch schon bekannt. Sie stammen aus derselben Statistik der “Bundesagentur für Arbeit” (PDF), auf die sich sein Artikel von Montag stützt. Aber anstatt einmal umfassend zu berichten, machen “Bild” und Bild.de offenbar lieber eine Kampagne eine Serie aus der Veröffentlichung der Bundesagentur.

Und so findet man in Dirk Hoerens heutigem Text fast ausschließlich die gleichen Zahlen, die er gestern schon aufgeschrieben hat. Dafür sind diese jetzt aber mit einer politischen Forderung verknüpft:

CDU/CSU-Fraktionsvize Michael Fuchs (67) zu BILD: “Das Problem der hohen Hartz-IV-Quote von Flüchtlingen lässt sich nur durch Integration lösen. Dazu müssen die Flüchtlinge Deutsch lernen. Deshalb sollten die Hartz-Leistungen an den Integrationswillen gekoppelt werden. Wer sich nicht integrieren will, sollte weniger Hartz IV bekommen.”

Um zu zeigen, wie hoch die “Hartz-IV-Quoten” so sind, präsentieren die “Bild”-Medien diese Tabelle, aufgeschlüsselt nach 20 Herkunftsländern:

Für eine weitere Spalte war natürlich kein Platz: Für die Anzahl der Personen, die aus den jeweiligen Ländern stammen und die in Deutschland einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen. Auch die weist die “Bundesagentur für Arbeit” in ihrer Statistik aus.

Und da wir finden — da hat sich unsere Meinung seit gestern nicht geändert –, dass zum gesamten Bild der Geschichte eben mindestens auch diese Zahlen gehören, liefern wir sie Ihnen hier für die 31 Nationalitäten, die die Bundesagentur gesondert auflistet, nach:

Herkunftsland sv. Beschäftigte Hartz-IV-Empfänger
Afghanistan 17.747 35.892
Albanien 18.852 8570
Bosnien und Herzeg. 63.133 17.055
Bulgarien 88.080 73.088
Eritrea 3796 16.764
Estland 2316 749
Griechenland 130.906 46.485
Irak 17.708 64.712
Iran 16.615 21.769
Italien 243.160 70.911
Kosovo 49.843 27.146
Kroatien 134.366 16.150
Lettland 11.779 4911
Litauen 18.267 6746
Mazedonien 24.790 14.717
Nigeria 9890 8573
Pakistan 13.173 16.213
Polen 342.768 92.506
Portugal 58.049 11.374
Rumänien 237.498 60.084
Russische Föderation 70.104 37.413
Serbien 62.882 55.065
Slowakei 26.087 4560
Slowenien 10.381 1976
Somalia 2513 5160
Spanien 63.736 16.779
Syrien 17.896 242.391
Tschechische Republik 43.496 5466
Türkei 515.630 295.260
Ukraine 36.525 24.033
Ungarn 88.523 9488

(Stand: die aktuellsten verfügbaren Zahlen von April 2016)

Bei sieben Ländern (Afghanistan, Eritrea, Irak, Iran, Pakistan, Somalia, Syrien) ist die Zahl der Hartz-IV-Empfänger höher als die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, bei den anderen 24 ist es umgekehrt.

AfD-Stratege, Spiegelhistorie, Startseitengenerve

1. Ehemaliger “Welt”-Redakteur arbeitet für die AfD
(zeit.de)
Der nordrhein-westfälische AfD-Landeschef Marcus Pretzell hatte die ihm angebotenen Dienste noch abgelehnt, nun heuert der bei der “Welt” unter großem Getöse ausgeschiedene Journalist Günther Lachmann bei der AfD in Thüringen an.

2. IS: Bilder-Verbote wie in Frankreich?
(mdr.de, Patrick Eicke, Audio 2:05 Min.)
MDR-Autor Patrick Eicke hat bei deutschen Medienhäusern nachgefragt, wie diese mit der Veröffentlichung von Fotos von Attentätern umgehen.

3. Lutz Hachmeister: „Ich wollte dem Spiegel nicht schaden“
(wolfgangmichal.de)
Interview mit dem Hochschullehrer für Journalistik und langjährigem Leiter des Grimme-Instituts Lutz Hachmeister über seine 20-jährige Recherche zum “Netzwerk ehemaliger Nazis” im Nachrichtenmagazin “Der Spiegel”.

4. Kommunikation in der Krise
(wwwagner.tv, Jörg Wagner, Audio, 26:57 Min.)
Jörg Wagner hat mit dem Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit des Polizeipräsidiums München Marcus da Gloria Martins gesprochen. Dieser hatte während der Berichterstattung um den Münchner Amoklauf viel Lob für seine besonnene Art geerntet. In dem knapp halbstündigen Interview erfährt man Einiges über die Arbeit der Pressestelle eines Großpräsidiums mit tausenden von schriftlichen Presseanfragen pro Tag, über seine Einstellung zu Social Media und Krisenkommunikation.

5. Die Quote darf nicht zum alleinigen Impulsgeber werden.
(planet-interview.de, Adrian Arab)
Adrian Arab hat für “Planet Interview” die ARD-Vorsitzende und Intendantin des MDR Karola Wille befragt. Das Themenspektrum reicht von Mahnverfahren und Transparenz bis hin zu den vielen ARD-Mediatheken. Dem Interview angehängt ist eine Tabelle zur “Offenlegung der Intendanten-Gehälter auf den Websites der Rundfunkanstalten der ARD”.

6. Breaking News: Die Startseite wurde aktualisiert!
(uebermedien.de, Stefan Niggemeier)
Sie kennen die lästigen Einblendungen auf den Startseiten großer Medienseiten: “Wir haben neue Artikel für Sie. Möchten Sie jetzt die aktuelle Startseite laden?” Stefan Niggemeier widmet sich auf “Übermedien” den digitalen Plagegeistern und fragt einige Verantwortliche, warum sie von den lästigen Störbildern Gebrauch machen.