Archiv für Mai, 2013

Foxconn, Medienwächter, Giro d’Italia

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “Alle auf Apple”
(computerbase.de, Patrick Bellmer)
Der “Apple-Zulieferer” Foxconn: “Foxconn produziert für nahezu jedes namhafte Unternehmen der IT-Branche; Nokia, Sony, HP, Acer, Amazon, Dell, Intel, Microsoft, Nintendo und Toshiba sind nur einige der Namen derer, die es vorziehen, ihre Smartphones, Konsolen, Notebooks und andere Produkte unter umstrittenen Arbeitsbedingungen billig produzieren zu lassen. Das ist in vielen Teilen der Gesellschaft aber nicht einmal bekannt, da Medien es sich zur Aufgabe gemacht haben, bei jeder Meldung über Foxconn immer auch und nur Apple zu nennen.”

2. “Xbox One und die Sensorleiste Kinect als Wurzel des Bösen”
(stadt-bremerhaven.de, caschy)
Die Sensorleiste Kinect der Xbox One: “Diese Neuerungen können natürlich Schaden anrichten, wenn sie manipuliert werden. Aber diese Gefahr gibt es seit gefühlten 100 Jahren, denn mittlerweile hat jeder aktuelle Laptop eine Webcam verbaut, die durch Manipulation zu Big Brother werden könnte.”

3. “Rösler und Diekmann im Silicon Valley: Eine Bildbetrachtung”
(tilotimmermann.tumblr.com)
Tilo Timmermann schaut sich auf Bild.de und Welt.de zu sehende Fotos von Philipp Rösler an: “Die Bilder sind in ihrer Durchschaubarkeit ein erschreckend plattes Beispiel einer inszenierten Aktion.”

4. “In Diekmanns Armen”
(zeit.de, Daniel Erk)
Politiker und das Internet in den Medien: “Auch zwanzig Jahre nach der Einführung des Browsers gilt das Netz den hiesigen Politikern nicht einfach als Alltagsmedium, sondern immer noch als Ausweis einer metaphysischen Zukunftskompetenz.”

5. “Als starke Männer weinten”
(nzz.ch, Christoph Fisch)
Christoph Fisch erinnert an eine Etappe des Giro d’Italia im Jahr 1988: “In der Abfahrt musste ich erst die Bremsen von Hand enteisen. Zum Glück war es in der Höhe eine Schotterstrasse, auf der der Schnee nicht so schnell gefror wie auf Asphalt. Zuschauer und Mechaniker rannten hin und her, im Unwissen, ob das Rennen überhaupt noch im Gang war. Ein Carrera-Mechaniker trug diesen tollen Goretex-Ganzkörperanzug – was hätte ich dafür gegeben!” Siehe dazu auch “‘Die Linthebene brachte uns fast um'” (nzz.ch, cf.)

6. “Der große Fernsehblog-Test: Wie werd ich Medienwächter?”
(ulmen.tv, Peer Schader)

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Sah ein Kai ‘nen Rösler stehn

Treffen sich zwei Männer. Was anfängt wie ein schlechter Witz, ist auch einer — aber einer, der viel über das Verhältnis von Politik und “Bild”-Zeitung auszusagen scheint.

Überraschend herzlich nahmen sich Philipp Rösler, FDP-Vorsitzender, Wirtschaftsminister und Vizekanzler der Bundesrepublik Deutschland, und Kai Diekmann, Chefredakteur von “Bild”, Gesamtherausgeber der “Bild”-Gruppe und seit neuestem Doppelgänger von Russel Crowe in “Gladiator”, im Silicon Valley in die Arme.

Eine Begegnung, die Thorsten Denkler auf süddeutsche.de so kommentiert:

Das sind eigentlich zwei Positionen, die innige Umarmungen zumindest in der Öffentlichkeit ausschließen sollten, wenn beide nicht irgendwann einmal zusammen in irgendeinem Krieg gekämpft und sich gegenseitig mehrfach das Leben gerettet haben. Das würde fürwahr eine solche Umarmung anlässlich Röslers Besuch im Silicon Valley durchaus rechtfertigen. Doch derartige Harte-Kerls-Geschichten sind von beiden nicht überliefert.

Laura Himmelreich berichtete bei stern.de:

Philipp Rösler hat zahlreiche Gründe, Diekmann dankbar zu sein. Im Febraur dieses Jahres, lobpreiste die “Bild” den Wirtschaftsminister unter der Überschrift “Mr. Cool”: “So souverän hat in der Politik schon lange keiner mehr auf fiese Attacken reagiert … Cool, cooler, Rösler!” Flankiert wurde der Text mit einem fast ganzseitigen Foto von Rösler wie er dynamisch geht und sich lässig die Krawatte zurechtrückt. Nachdem Rösler im März wieder zum Parteichef gewählt wurde schrieb “Bild”: “Mr. Cool ganz happy”. Und auch in den letzten beiden Tagen ließ das Boulevardblatt keine Gelegenheit aus, um darauf hinzuweisen, dass Rösler der “Minister Cool” sei.

Philipp Rösler hört gerne Udo Jürgens und mag Filme mit Meg Ryan. Auf die Idee, dass er für “Coolness” steht, kam bisher nur die “Bild”-Zeitung. Fragt man “Bild”-Mitarbeiter, geben die zu, dass der Auftrag für positive Rösler-Artikel “von oben” komme. Denn für die “Bild” ist Rösler immer dann besonders “cool”, wenn er dem Axel Springer Verlag hilft.

Wir haben unsere Leser via Facebook und Twitter aufgefordert, passende Bildunterschriften einzureichen. Hier unsere Favoriten:

  • “Philip Rösler auf kalifornischem Flughafen von Grizzly attackiert!” (Jan B.)
  • “Herzliche Begrüßung: Philipp Rösler trifft seinen Gag-Schreiber.” (Lars)
  • “Nach der Trennung von Wulff: Diekmanns Neuer. (Kathy)
  • “Waschen & Rasieren Sie sich, dann klappt’s mit einem Job!” – “Danke für den Tip!” (David Sch.)
  • “Der Rubikon ist noch weit.” (Rafael S.)
  • “Vater holt vermissten Sohn aus dem Spielparadies ab.” (Freddi)

Ex-BILDblogger Daniel Erk hat auf Storify zusammengefasst, welche Folgen diese Umarmung in den Sozialen und den Online-Medien hatte:

Der Grafiker und Musiker Friedemann Weise hatte auf Facebook diese Erklärung parat, die wir mit seiner freundlichen Genehmigung zeigen:

Und als ob die Distanzlosigkeit seiner Umarmung mit Kai Diekmann nicht eindrucksvoll genug wäre, ließ sich Philipp Rösler in Kalifornien auch noch im Arm des Beauftragten für Regierungsbeziehungen der Axel Springer AG, Dietrich von Klaeden, fotografieren.

Sehen alle gleich aus (6)

Ein Mann mit einem rauschenden Vollbart? Klarer Fall:

Reinhold Messner (64), Extrem-Bergsteiger

Sehen alle gleich aus

Allerdings zeigt das Video nicht Reinhold Messner (der in Wahrheit auch 68 Jahre alt wäre) und auch nicht den Weihnachtsmann, sondern einen 51-jährigen Familienvater, der vor Gericht stand, weil er und seine Frau ihre Kinder lieber zuhause unterrichten statt in die Schule schicken wollten.

Inzwischen ist das Video mit der fehlerhaften Bauchbinde auch aus dem Artikel bei Bild.de verschwunden.

Mit Dank an Mathis und Gereon L.

Philipp Rösler, Kai Diekmann, 90elf

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “‘Bild’ liebt Mr. Cool”
(stern.de, Laura Himmelreich)
Ein Foto, auf dem sich Kai Diekmann und Philipp Rösler umarmen: “Das Foto der beiden Männer ist so befremdlich, weil es belegt, dass die ‘Bild’ jeden Anspruch aufgegeben hat, kritisch und distanziert über Politiker zu berichten und weil es zeigt, wie sich der Vize-Kanzler mit ein paar hübschen Schlagzeilen instrumentalisieren lässt.”

2. “Das Medienhaus mit den zwei Gesichtern”
(netzwertig.com, Martin Weigert)
Martin Weigert muss sich von Kai Diekmann auf ein Bier einladen lassen: “Es ist ironisch, dass Springer sich in Bezug auf die deutsche Netzpolitik verhält wie ein technophober, seinen Besitz um jeden Preis wahrender Greis, es sich aber bei dem Unternehmen gleichzeitig um den wahrscheinlich am wenigsten pessimistisch auf das Netz blickenden Großverlag des Landes überhaupt handelt. Die Springer-Manager und ihre Gefolgschaft scheinen mit dieser Schizophrenie gut leben zu können.”

3. “Die Akku-Revolution bleibt aus”
(heise.de, Matthias Gräbner)
Matthias Gräbner zweifelt daran, dass eine von vielen Medien gefeierte Erfindung der 18-jährigen Eesha Khare die Welt grundlegend verändern wird.

4. “‘Sabah’-Chefredakteur Karaalioglu: ‘Zschäpes Schweigen ist feige'”
(echo-online.de, Regine Herrmann)
Ein Interview mit “Sabah”-Chefredakteur Mikdat Karaalioglu zum NSU-Prozess: “Bevor der NSU aufgeflogen ist, haben auch wir so berichtet als sei klar gewesen, dass die Mordserie keinen politischen Hintergrund hat. Wir haben denselben Fehler gemacht wie die deutschen Medien: Wir haben die Opfer verdächtigt. Wir haben zu sehr den offiziellen Mitteilungen – zum Beispiel denen der Polizei – vertraut.”

5. “I Don’t Have the Stones to Be a Crime Reporter”
(vice.com, Emma Beals, englisch)
Emma Beals rekapituliert ihren Einsatz als Reporter bei einem Mordfall: “Standing outside the court, I couldn’t see what there was to learn from Tia’s death and Hazell’s sentencing, apart from the fact that throwing every beam of media attention on a devastated, grieving family isn’t something any decent human being should do.”

6. “Mehr als eine Randnotiz: 90elf wird eingestellt”
(achterbahn1894.blogspot.de)
Achterbahn1894 verabschiedet sich vom Fußballradio 90elf, das am 1. Juni eingestellt wird.

PLO-Chef & Bushido-Kumpel mit 6 Buchstaben

“Focus Online” musste heute folgende Gegendarstellung veröffentlichen:

Unter www.focus.de verbreiten Sie am 10.05.2013 unter der Überschrift “Bewährungsstrafe für Bushidos Freund” unter Bezugnahme auf die “Bild”-Zeitung, ich sei in einem Prozess, in dem ich mich “offenbar wegen Beihilfe bei einer Bedrohung aus dem Jahr 2010 vor Gericht verantworten” musste, zu einer “Bewährungsstrafe von vier Monaten” verurteilt worden.

Hierzu stelle ich fest: Ich wurde nicht verurteilt, sondern auf Antrag der Staatsanwaltschaft freigesprochen.

Berlin, den 14. Mai 2013

Arafat Abou-Chaker

Nun könnte man sagen: Schön blöd von der Agentur SpotOn, das einfach aus der “Bild”-Zeitung abzuschreiben. In diesem Fall müsste es aber heißen: Schön blöd, das falsch aus der “Bild”-Zeitung abzuschreiben. Die schrieb nämlich nicht, dass Arafat Abou-Chaker, der “Boss des Abou-Chaker-Clans”, zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, sondern sein Bruder Yasser.

Andererseits: Yasser, Arafat. Wer kann schon ahnen, dass das nicht mehr nur eine Person ist.

Das Killervideo von der Wursttheke

In einem Berliner Supermarkt ist gestern ein Mann erstochen worden.

Zum Glück war aber jemand mit einer Kamera in der Nähe und konnte die Aufnahmen, wie der Mann stirbt und wie Kunden und Angestellte Erste Hilfe leisten, zeitnah Bild.de zur Verfügung stellen.

Und so gibt es jetzt auf Bild.de ein Video aus diesem Supermarkt, und die Sprecherin schildert aus dem Off, was man sieht:

Beängstigende Bilder aus einem Supermarkt in Berlin-Gesundbrunnen vom Dienstagabend: Vor der Wursttheke liegt ein 82-jähriger Rentner auf den Fliesen — niedergestochen! Geschockt beobachtet die Wurstverkäuferin, wie Kunden und Angestellte Erste Hilfe leisten. Andere überwältigen den mutmaßlichen Täter, halten ihn fest. Zeugen berichten, der 30-Jährige soll unvermittelt auf den älteren Mann zugegangen sein und habe dann mehrmals auf ihn eingestochen. Für das Opfer kommt jede Hilfe zu spät, es stirbt noch am Tatort.

Immerhin: Die Köpfe der einzelnen Menschen, die helfen statt zu filmen, sind unscharf gemacht worden. Auch das Blut ist eher zu erahnen als zu sehen.

In der gedruckten “Bild”-Zeitung ist beides anders.

[via Absolut Obsolet]

Paul Ronzheimer, Renditen, Klimawandel

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1. “Mein dir deine Bildung!”
(pantelouris.de, Michalis Pantelouris)
Michalis Pantelouris analysiert den “Bild”-Artikel “So hat uns Zypern betrogen!”: “Offensichtlich hat sich Paul Ronzheimer bei seinem unermüdlichen Versuch BILD-Leser gegen Südeuropäer aufzuhetzen inzwischen davon verabschiedet, auch nur den Anschein erwecken zu wollen, so etwas wie Argumente, Fakten oder Logik zu verwenden. Er tippt einfach irgendetwas und schreibt seine Schlussfolgerung ohne Zusammenhang dazu.”

2. “Traumhafte Renditen für Zeitungsverlage”
(dradio.de, Stephan Karkowsky)
Medienökonom Frank Lobigs über die Renditen von Zeitungsverlagen: “Das sind Renditen, da können andere Unternehmen nur von träumen! Wenn Sie normale Großunternehmen nehmen, dann haben die eine Durchschnittsrendite von vier Prozent. Die Verlage liegen beim Dreifachen oder Vierfachen davon.”

3. “‘Zeitungspresse als Machtinstrument'”
(tagesspiegel.de, Bernhard Schulz)
Heute wird in Berlin die Sonderausstellung “Zwischen den Zeilen? Zeitungspresse als NS-Machtinstrument” eröffnet. “Mit dem heutigen Blick für die Vielfalt von Meldungen und Meinungen ist der Eindruck der Zeitungslandschaft im NS-Regime niederschmetternd. Die gleichen Parolen, die gleichen im Stakkato gehämmerten Phrasen, die gleiche Typographie, fette Überschriften und rote Balken, dazu idyllische Fotos von der Front, wo sich Landser eine Zigarettenpause gönnen oder ihr Nachtlager bereiten: ‘Kein Himmelbett kann damit konkurrieren’, so die Bildunterschrift.”

4. “Klimawandel: Skeptiker amtlich unerwünscht”
(heute.de, Reinhard Schlieker)
Reinhard Schlieker kommentiert die Broschüre “Und sie erwärmt sich doch” des Umweltbundesamts, die mit Journalisten und Wissenschaftlern, “die einen menschengemachten Klimawandel für nicht erwiesen halten”, abrechne: “Die Publikation des Bundesamtes kann beim unbefangenen Leser den Eindruck erwecken, man habe es bei diesen Journalisten und Buchautoren mit vorsätzlichen Fälschern zu tun, die fremdgesteuert sind und von irgendwelchen Lobbyisten bezahlt werden.”

5. “Den Eltern den Job erklären”
(vocer.org, Steffi Fetz und Lisa Altmeier)
Die Aktion #erklärsmama bemüht sich, Kommunikationsberufe verständlich zu machen: “Teilweise kapieren die Menschen selbst nicht, was sie arbeiten. Wie sollen es dann die Eltern verstehen?”

6. “Blut, Miniröcke, Jargon. Wie man Szenetexte fabriziert”
(blog.tagesanzeiger.ch, Constantin Seibt)

Spiegel Online, Star-Koch, Aspirin

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1. “Der Run auf Baby Aspirin”
(pharmama.ch)
“Schlucken Sie jeden Tag eine Baby-Aspirin!”, empfiehlt “Bild” in der Titelgeschichte vom 18. Mai 2013: “Um es kurz zu machen: NICHT jeder kann und soll Aspirin einfach nehmen. Auch wenn es nur 75mg sind oder 100mg.”

2. “Wie die Deutschlands Medien einen Star-Koch erfinden – und die Welt darauf hereinfällt”
(gotorio.squarespace.com, Thomas Knüwer)
Wie Medien einen Koch zum “Star-Koch” machen: “Nein, Miki Nozawa war kein Star-Koch. Sein Tod war sinnlos. Doch nachträglich ist er aufgestiegen in die Riege der Ducasse und Bocuse, hat die Großen und Schönen der Welt bekocht. Und er dient als traurige Demonstration dafür, dass Journalisten heute nur noch hechelnde Windhunde auf dem Rennkurs namens ‘Boulevard’ sind.”

3. “ich habe adgefiltert”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Felix Schwenzel antwortet auf ein Plädoyer gegen Werbeblocker von “Spiegel-Online”-Mitarbeiter Frank Patalong: “die verachtung die patalong einem teil seiner leser an den kopf wirft ist nicht nur für ihn typisch. was die leser wollen, entscheidet im verlagswesen immer noch der gesetzgeber und die verlagsleitung. keiner der beteiligten verlage hat meines wissen jemals bei seinen lesern nachgefragt welche art von werbung sie aktzeptabel finden. ausser der taz bittet kein verlag um spenden oder finanzielle unterstützung. kein verlag bietet eine werbe- und trackerfreie webversion seiner seiten für abonnenten oder unterstützer.” Siehe dazu auch “Warum wir AdBlocker nutzen” (chriszim.com, 13. Mai).

4. “Viktor Orbán verbittet sich deutsche Einmischung”
(welt.de, Boris Kálnoky)
Für Boris Kálnoky ist die von “Spiegel Online” angefachte Debatte über Äußerungen von Viktor Orbán (“Orbán wirft Merkel Nazi-Methoden vor”) “ein Musterbeispiel dafür, wie aus an sich harmlosen Aussagen ein medialer Sturm angefacht werden kann”.

5. “Es wäre irreführend zu behaupten, Spiegel-Online werfe dem Europäischen Rat Nazi-Methoden vor”
(beim-wort-genommen.de, Jonas Schaible)
Und auch Jonas Schaible beschäftigt sich mit Artikeln und Überschriften von “Spiegel Online” (“Europas Regierungschefs wollen Lissabon-Vertrag aushebeln”): “Es ist also richtig und verdienstvoll, die geplanten Änderungen (oder eher: Nicht-Änderungen) groß zum Thema zu machen. Aber im Titel zu suggerieren, hier würde wieder einmal Recht gebrochen, ist falsch.”

6. “Cartoon-Journalismus aus Taiwan”
(sueddeutsche.de, Kai Strittmatter)
Hintergründe über Nma.tv, das mit rund 500 Mitarbeitern Nachrichten als Comics darstellt: “Einige der Videos wurden Kult, und man darf annehmen, dass sie den Erfolg nicht ihrer Ernsthaftigkeit verdanken, sondern der bizarren, oft surrealen Überzeichnung der Ereignisse, wobei sich die Produzenten weder von Scham noch von Geschmack bremsen lassen.”

Jan Delays große Liebe

Die SpannerReporter der “Bild am Sonntag” haben ein neues Jagdrevier entdeckt — und lassen ihre Leser jetzt in einer großen Titelgeschichte daran teilhaben:Auf Twitter verraten Prominente, was sie anziehen, ausziehen, wen sie lieben, hassen etc. Twitter ist das moderne Schlüsselloch. Wir erklären Ihnen, wie Sie durchblicken

Den “BamS”-Redakteuren selbst hat die ganze Durchsschlüssellochblickerei aber offenbar ein wenig die Sicht getrübt. Denn über Jan Delay heißt es:JAN DELAY, 37, Musiker, twitter seit 2009. Er ist wohl der beste Absolvent der Hamburger-Hip-Hop-Schule. Bestnoten haben auch seine Tweets verdient. Ein guter Mix aus Beruflichem, Persönlichem und Bewertungen seiner großen Liebe, dem HSV.

Wir wissen zwar nicht, welchen Twitter-Account sich die Autoren da angeguckt haben, aber der Jan Delay, den wir kennen, ist ein großer Fan von Werder Bremen.

Siehe auch: Reaktion von Jan Delay (Facebook)

Mit Dank an Philipp.

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Multipler Journalismus

Eine Reporterin der “Welt” hat vor zwei Jahren einen erotischen Selbstversuch gestartet: Sie ist zu einer Tantra-Massage gegangen. Darüber hat sie dann im Mai 2011 in der “Welt” geschrieben.

Gestern ist erneut ein Tantra-Massagen-Selbstversuch-Artikel der Reporterin erschienen. Diesmal aber in der “Bild”-Zeitung:Ist Tantra eigentlich auch gut für Frauen? - Geht es um Erleuchtung? Um Sex? Um beides? Ein Selbstversuch

Hier mal ein kleiner Vergleich:

“Welt”, 6. Mai 2011 “Bild”, 17. Mai 2013
Von Frau zu Frau – Unsere Autorin hat die tantrische Yoni-Massage in Berlin getestet Ist Tantra eigentlich auch gut für Frauen? Geht es um Erleuchtung? Um Sex? Um beides? Ein Selbstversuch
Die blonden Haare umspielen ihr Gesicht, sie atmet tief ein, das über ihre Brust zusammen geknotete curryfarbene Seidentuch bedeckt ihren zierlichen Körper. Blonde lange Haare umspielen ihr Gesicht, ein über ihre Brust zusammengeknotetes curryfarbenes Seidentuch bedeckt ihren zierlichen Körper.

Wir stehen im “Grünen Zimmer”. Goldene Seidentücher hängen an den gras-grünen Wänden. Ich stecke 200 Euro in eine perlenbestickte Schmuckdose (…).

Sie führt mich rüber ins „Grüne Zimmer“. Ich stecke 200 Euro in eine perlenbestickte Schmuckdose.

Tracy sagt mir, ich solle mich hinlegen, auf eine weich gepolsterte Matte, die von orange-roten Tüchern bedeckt ist. Sie spricht einen starken amerikanischen Akzent. Im Hintergrund dudelt Meditationsmusik, das Zimmer ist warm, Ölflaschen liegen in gläsernen Schüsseln, die gefüllt sind mit heißem Wasser. Durch den Rauch eines Räucherstäbchens blinzele ich hoch zu Tracy. „Leg dich hin“, sagt sie sanft. Die weich gepolsterte Matte ist von orange-roten Tüchern bedeckt. Im Hintergrund dudelt Meditationsmusik, das Zimmer ist warm, Ölflaschen liegen in gläsernen Schüsseln, die mit heißem Wasser gefüllt sind. Durch den Rauch eines Räucherstäbchens blinzele ich hoch zu Tracy.

Sie hat ihr Tuch abgelegt und ist nackt, so wie ich auch. Sie schenkt mir ein Lächeln. Ihre Hand liegt zwischen meinen Brüsten als sie sagt: “Viel Spaß auf deiner Reise.”

Sie hat ihr Tuch abgelegt – sie ist NACKT. Auch mein Tuch ist futsch – mit geschickten Händen hat sie es entknotet. Zwei Mädels, nackt auf einer Matte – also doch eine Art Puff? Vor meinem inneren Auge sehe ich den lockigen Tantra-Chef schon an die Tür klopfen und fragen, ob er hier richtig ist zum Rohrverlegen. Oh Gott, bitte nicht! Doch dann lächelt Tracy mich beruhigend an, legt ihre Hände zwischen meine Brüste und sagt, „Viel Spaß auf deiner Reise.“
Sie massiert mich mit dem heißen Öl, reibt meine Zehen, schüttelt meine Arme aus und krault meinen Kopf. Sie massiert mich mit dem heißen Öl, reibt meine Zehen, schüttelt meine Arme aus und krault meinen Kopf.
Schon setzt sich Tracy im Schneidersitz zwischen meine Beine, das Gesicht mir zugewandt. Meine Beine legt sie über ihre und ich bin ihren Berührungen ausgeliefert. Plötzlich steht Tracy auf, um sich im Schneidersitz zwischen meine gespreizten Beine zu setzen. HOPPLA! Sie schaut mich an. Ich liege auf dem Rücken, sie nimmt behutsam meine Beine und legt sie über ihre. Breitbeinig liegend bin ich ihren Berührungen ausgeliefert.

Wie es sich nach einem Orgasmus gehört, nicke ich ein. Tracy weckt mich nach 15 Minuten und schickt mich unter die Dusche. Das Bad ist in warmes Licht getaucht, hinten in der Sonne funkelt der Fernsehturm. Ich blicke in den Spiegel und sehe entspannt aus.

Wie es sich nach einem Orgasmus gehört, nicke ich ein. Tracy weckt mich nach 15 Minuten, schickt mich unter die Dusche. Das Bad ist in warmes Licht getaucht, hinten in der Sonne funkelt der Fernsehturm. Entspannt bin ich, aber auch irgendwie erschöpft.
Ich frage sie, was denn für sie der Unterschied zur Prostitution sei. Tracy reißt ihre braunen Augen auf: “Jeder der zu uns kommt sucht eine tiefe Erfahrung. Sonst könnte man ja auch für 100 Euro in ein Bordell gehen.” Beim Abschied frage ich Tracy, was denn der Unterschied zwischen so einer Massage und Prostitution sei. Sie sagt: „Jeder, der zu uns kommt, sucht eine tiefe Erfahrung. Sonst könnte man ja auch für 100 Euro in ein Bordell gehen.“

Ein Orgasmus, zwei Artikel — Reporterbefriedigung deluxe.

Mit Dank an Marcus B., Ron und Sascha S.

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