Archiv für Mai, 2013

Falsches Topmodel gewählt (2)

Wahrsager auf Rummelplätzen, die Wettervorhersage im Fernsehen, Fußballtipprunden im Kollegenkreis — die Welt ist voller deutlicher Hinweise, warum man gut beraten ist, nicht über Ereignisse zu reden, die erst noch eintreten werden.

Dennoch sind Journalisten manchmal nicht davon abzuhalten, darüber zu schreiben, wie die Welt aussehen könnte oder müsste: 2011 hatte “Bild” den falschen Sieger von “Deutschland sucht den Superstar” vorausgesagt, kurz darauf vertat sich die “B.Z.” bei der Prognose der Siegerin von “Germany’s Next Topmodel”.

Gestern Abend lehnte sich dann Bild.de aus dem Fenster:

DER KLUM-CODE:
Warum Luise heute Heidis "Topmodel" werden muss

Im Artikel stand dann aber doch nur, warum Luise die Siegerin sein “könnte” — mit der gleichen Hingabe und “Logik” vorgetragen, mit der Analysten den Ausgang von Wahlen und Fußballfans den von Spielen bereits im Vorfeld erklären können.

Zum Beispiel so:

BILD.de meint: Nachdem sich 2011 und 2012 Blondinen durchgesetzt haben, ist es wieder an der Zeit für eine brünette Schönheit.

Immerhin damit lag Bild.de richtig — denn gewonnen hat am Ende die ebenfalls brünette Kandidatin Lovelyn. Luise wurde Dritte.

Mit Dank an Bernhard W.

Peter Frankenfeld, Servicejournalismus, DDR

6 vor 9

Um 6 Minuten vor 9 Uhr erscheinen hier montags bis freitags handverlesene Links zu lesenswerten Geschichten aus alten und neuen Medien. Tipps gerne bis 8 Uhr an [email protected].

1. “jakob augstein hat das verkaufen verlernt”
(wirres.net, Felix Schwenzel)
Felix Schwenzel bemerkt, dass Leute im Internet sehr wohl Geld ausgeben und das nicht etwa “verlernt” haben, wie Jakob Augstein glaubt: “das problem sind die verlage die für einzelartikel im online-einzelverkauf meinen mehrere euro abrufen zu können, die selten faire und niedrigschwellige abo-pakete anbieten und oft die gleichen absurden kündigungsfristen und abo-bedingungen anbieten wie bei ihren print-pendants.”

2. “Wie? So.”
(theeuropean.de, Stefan Gärtner)
Stefan Gärtner über die “permanente Gängelung durch die freie Servicepresse”: “Journalismus, wie er ist, zielt auf Einverständnis, und indem er dem Publikum die Fragen unterschiebt, die es für seine ureigenen halten soll, oder Antworten gibt auf solche, die nie gestellt worden sind, sorgt er dafür, dass die Fähigkeit, Fragen überhaupt noch zu formulieren, verloren geht.”

3. “Ja, wir schreiben vor!”
(cicero.de, Petra Sorge)
Petra Sorge bekennt: “Ja, so läuft es: Journalisten schreiben ihre Berichte vor.”

4. “Die vierte Machtlosigkeit”
(blogs.faz.net/wost, Katrin Rönicke)
Journalismus in der DDR: “Journalisten hatten in der DDR vor allem die Aufgabe, Weiterleiter der Weisungen der Partei zu sein.”

5. “Entertainer von der rauen Berliner Sorte”
(dradio.de, Beatrix Novy)
Beatrix Novy erinnert an den heute vor 100 Jahren geborenen Peter Frankenfeld. Siehe dazu seine Wetteransage von 1973 (youtube.com, Video, 2:45 Minuten).

6. “Updates to the Newspeak Dictionary, 2013”
(mcsweeneys.net, Michael Levy, englisch)
Neue Wörter für neue Situationen.

Justin Timberlakes größtes Geheimnis

Auch wenn Sie kein Twitter-Nutzer sind, kommen Sie an dem Internetdienst kaum vorbei: Bei Fußballübertragungen im Fernsehen lesen die Moderatoren vor, was dieser oder jener User über das Spiel geschrieben habe, und Medien wie Bild.de geben sich größte Mühe, möglichst viel von dem zu dokumentieren, was täglich auf Twitter los ist.

Zum Beispiel jetzt, als Justin Timberlake im Weißen Haus zu Gast war:

Was macht R&B-Superstar Justin Timberlake (32), wenn er zu Gast bei Barack Obama (51) ist? Handyvergleich! Ein Fotograf hielt fest, wie der Sänger dem US-Präsidenten etwas auf seinem Smartphone zeigte. Obama fand das offenbar so cool, dass er es jetzt mit seinen 32 Millionen Twitter-Followern teilte.

Auf-re-gend! Wird aber noch besser:

Der Sänger freute sich mächtig über die große Ehre, auf einem Foto mit dem Präsidenten zu sein. Er kommentierte das Bild bei Twitter: “Was auf Justin Timberlakes Handy drauf ist, könnte sehr gut das größte Geheimnis im Weißen Haus sein.”

Diese Behauptung widerlegen die Internet-Experten von Bild.de gleich selbst, indem sie den angeblichen Dialog zwischen Obama und Timberlake in den Artikel eingebunden haben:

Denn, siehe da: Die Antwort kam vom Twitter-Account @JTfansite, einer … nun ja: Fansite, nicht von Justin Timberlake selbst. Der twittert unter dem verifizierten Account @jtimberlake und hat sich bisher noch nicht zu seinem Besuch im Weißen Haus geäußert.

Mit Dank an Martin R. und Christian W.

Nachtrag, 31. Mai, 14.15 Uhr: Bild.de hat den Artikel gerade überarbeitet und um diesen Hinweis ergänzt:

PS: Liebe Leser, ursprünglich haben wir an dieser Stelle berichtet, Justin Timberlake habe das Foto selbst kommentiert. Tatsächlich wurde der Kommentar von einem Fan-Account geschrieben, wie einige von Ihnen bemerkt und in der Community kritisiert haben. Vielen Dank dafür!

Der öffentliche Tod einer “Nymphomanin”

Anfang Dezember 2012 wurde eine 47-jährige Frau tot in ihrem Bett aufgefunden. Die Frau war nicht das, was man gemeinhin als “prominent” bezeichnet, Hinweise auf Fremdverschulden gab es keine — dennoch berichteten “Bild” und Bild.de groß über den Fall:

Wie starb Nymphomanin ***?

Ein bisschen prominent war die Frau laut “Bild” nämlich schon:

Sonnenbrille, Kette, tiefes Dekolleté – und ein verruchtes Lächeln: Wir sehen […] († 47), die Frau, die im Frühjahr als “Nymphomanin von München” Schlagzeilen machte.

Damals schloss sie einen Discjockey (43) in ihrer Wohnung ein, wollte immer wieder Sex mit ihm – bis der Mann aus ihrem Bett auf den Balkon floh, die Polizei rief.

JETZT IST DIE FRAU TOT.

Ihr letzter Liebhaber (31, ein Nachbar) wachte am Freitag gegen 6.30 Uhr neben ihrem leblosen Körper auf.

Er versuchte noch Mund-zu-Mund-Beatmung, rief den Notarzt. Dieser konnte aber nichts mehr tun.

Fremdverschulden schließt die Polizei aus. Doch wie starb […]? Kann Dauer-Sex die Ursache sein?

Ein Leser sah in der Berichterstattung einen Verstoß gegen den Pressekodex, da sie massiv Opfer- und Persönlichkeitsrechte verletze, und beschwerte sich über Bild.de beim Deutschen Presserat. Es bestehe kein öffentliches Interesse an der Veröffentlichung des Fotos der Frau.

Die Rechtsabteilung der BILD digital GmbH & Co. KG sah das wieder mal anders: Die Betroffene habe in den vergangenen Monaten häufig mit ihrer Nymphomanie für Aufstehen gesorgt und sei bundesweit Thema in den Medien gewesen. Sie sei erstmals aufgefallen, weil sie einen ihrer Liebhaber im April 2012 acht Mal zum Liebesakt getrieben habe, bis dieser auf den Balkon geflohen sei, um die Polizei zu rufen. Über den “ausgesprochen kuriosen Fall” hätten damals zahlreiche Medien berichtet, darunter auch “Bild”, die sich auf die entsprechende Pressemitteilung der Polizei bezogen habe. Obwohl die Redaktion auch damals im Besitz eines Fotos der Betroffenen gewesen sei, habe sie sich bewusst gegen eine Veröffentlichung dieses Fotos entschieden.

Das stimmt. Die Berichterstattung von “Bild” sah im April 2012 so aus:

Nymphomanin* lockte Discjockey in Sex-Falle

Die Zeitung hatte ihren Lesern damals sogar erklärt, was so eine “Nymphomanin” überhaupt ist:

* Bezeichnung für eine Frau mit übermäßigem Verlangen nach Geschlechtsverkehr

Danach habe sich noch ein weiterer Vorfall ereignet, über den wieder zahlreiche Medien aus der gesamten Republik berichtet hätten: Die Betroffene habe einen Mann eineinhalb Tage lang eingesperrt, ihm das Handy abgenommen und ihn zum Geschlechtsverkehr gezwungen. Auch hier habe “Bild” wieder bewusst auf die Veröffentlichung des Fotos verzichtet.

Erst als die Betroffene in Folge ihres Rauschmittelkonsums gestorben sei, hätten “Bild” und Bild.de das Foto nach sorgsamer Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Verstorbenen und dem öffentlichen lnteresse veröffentlicht.

Die Rechtsabteilung baute sich zu diesem Zweck ein argumentatives Perpetuum Mobile: Zum Zeitpunkt ihres Todes sei die Betroffene nämlich bereits durch ihre monatelange exzessive Sexsucht in der Öffentlichkeit bekannt gewesen. Aufgrund der aufsehenerregenden Vorgeschichte habe ein hohes Interesse der Öffentlichkeit bestanden, zu erfahren, was aus der Betroffenen geworden sei.

Die Frau sei auf dem Foto* aufgrund einer Sonnenbrille nicht für Außenstehende erkennbar, ihr Name sei immer abgekürzt worden. Im Text habe die Redaktion nicht abwertend berichtet, weil Drogenkonsum und Sexsucht mit einer Krankheit zu tun haben könnten.

Vielleicht nicht “abwertend”, aber so:

In der Bar, so berichtet ein Bekannter, trinken die beiden ein paar Bier, zwei Wodka und etwas Wein. Auch “weißes Zeug” sollen sie geschnupft haben.

Dann nimmt […] den Heizungsmonteur mit nach Hause. Doch anders als sonst geht es nicht gleich zur Sache. Stattdessen sitzen die beiden zusammen und reden – und plötzlich schläft die Blondine ein.

Der Beschwerdeausschuss des Deutschen Presserats sah in der Berichterstattung von Bild.de einen Verstoß gegen Ziffer 8 des Pressekodex.

Die Betroffene sei durch die Angaben zu ihrer Person und das Foto für einen großen Personenkreis erkennbar geworden. Für das Verständnis des Unfallgeschehens sei das Wissen um die Identität des Opfers in der Regel unerheblich. Über den Todesfall hätte daher nur in vollständig anonymisierter Form berichtet werden dürfen, da es sich weder um ein Ereignis von zeitgeschichtlicher Bedeutung gehandelt habe, noch besondere Begleitumstände vorgelegen hätten. Vielmehr habe die Redaktion über Ereignisse aus der lntimsphäre berichtet, deren Schutz von besonderer Bedeutung sei.

Einstimmig sprach der Ausschuss eine öffentliche Rüge aus und bat die Redaktion darum, die Rüge “zeitnah zu veröffentlichen und in dem Online-Beitrag eine Anonymisierung vorzunehmen”.

Bild.de kam dieser Bitte nach, wies auf die Rüge hin und ersetzte den Vor- und den abgekürzten Nachnamen der Verstorbenen an den meisten Stellen der Berichterstattung.

*) Übrigens haben auch die Münchener Boulevardzeitung “tz” und diverse ausländische Medien das Foto verwendet. Die “Daily Mail” gibt als Quelle “BILD-Zeitung/privat” an.

Woolwich, Warren Buffett, Konformität

6 vor 9

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1. “Medien verbreiten Mörder-Video”
(ndr.de, Video, 5 Minuten)
Pro und Contra zur Veröffentlichung des Amateurvideos nach dem Mordanschlag im Londoner Stadtteil Woolwich. Siehe dazu auch “Blut garantiert Öffentlichkeit” (cicero.de, Alexander Kissler).

2. “Schluss mit kostenlos”
(freitag.de, Jakob Augstein)
“Freitag”-Verleger Jakob Augstein wünscht dem neuen Bezahlmodell von “Bild” im Netz Erfolg. “Wenn Journalismus eine Zukunft haben soll, muss der Leser zahlen. Aber der Leser hat im Netz das Zahlen für Inhalte verlernt.”

3. “Prof. Norbert Bolz über ein ‘echt attraktives Angebot’ der BILD-Zeitung”
(carta.info, Peter Ruhenstroth-Bauer)
Auch Medienwissenschaftler Norbert Bolz lobt “das echt attraktive Angebot”, das “viele Interessenten finden” wird. “Prof. Norbert Bolz ist für die Macher der Springer-Medien kein Fremder: Mal wird er dort als ‘Medienwissenschaftler’, mal als ‘profiliertester Kenner der Medienwissenschaft’ dann wieder als ‘Medienphilosoph’ apostrophiert. Im ARD-Beitrag urteilte er jedoch über die BILD-Online-Bezahlschranke nicht als BILD-Autor, als Referent im ‘Salon’ des Axel Springer Verlags oder als ‘Welt’-Interviewpartner. Hier wurde der unabhängige Medienwissenschaftler befragt.”

4. “Der Einfluss der Eliten auf deutsche Journalisten und Medien”
(ruhrbarone.de, Michael Voregger)
Michael Voregger befragt Uwe Krüger zu seiner Doktorarbeit über die Nähe von Journalisten zur Elite: “Je näher sie den Machthabern und Entscheidern kommen, desto weiter entfernen sie sich von Kritik und Kontrolle. Die Nähe ist meist erkauft mit Konformität.”

5. “Since Twitter hasn’t built a correction feature, here are 3 things journalists can do instead”
(poynter.org, Craig Silverman, englisch)
Craig Silverman glaubt nicht mehr daran, dass Twitter eine Korrekturfunktion bauen wird: “We should instead focus our energies on three areas that will help address the core issue at hand: the spread of misinformation on social networks.”

6. “Warrens Warnung”
(medienspiegel.ch, Edgar Schuler)
80 Zeitungen besitzt Investor Warren Buffett inzwischen teilweise oder ganz. “Die Hoffnung, die Warren Buffett der gedruckten Zeitung scheinbar verleiht, kann man also durchaus auch als Warnung sehen: Nur zum Schnäppchenpreis lohnt die Investition in eine Zeitung. Und auch dann wohl höchstens vorübergehend.”

Bild  

“Endlösungs”-Parolen

Lange keinen Nazi-Skandal mehr gehabt?

“Bild” hat da was für Sie:

Blockupy wirbt mit NS-Ausdruck

Der “Skandal um Blockupy!” sieht dabei angeblich so aus:

Das linke Kapitalismus-Kritikbündnis bedient sich rechter “Endlösungs”-Parolen, nennt unseren Flughafen einen Ort der “Deportation”, wo Menschen nach “Nationalität und Verwertbarkeit sortiert” werden. Verkehrsminister Florian Rentsch ist entsetzt.

Sie wollen aufrütteln und sind dabei übers Ziel hinausgeschossen: Ja, am Flughafen werden viele illegal ins Land Eingereiste und eingeschleuste Wirtschaftsflüchtlinge von den Behörden wieder in ihre Heimatländer zurückgeflogen.

Doch Blockupy vergleicht das rechtsstaatliche Abschieben der Illegalen mit der Deportation von Millionen Juden durch die Nationalsozialisten in Konzentrationslager während des Holocausts.

Tatsächlich bezeichnet die Blockupy-Bewegung auf ihrer Website Frankfurt als “zentrale[n] Knotenpunkt des rassistischen Grenz- und Abschieberegimes der EU”, doch daran scheint sich “Bild” gar nicht zu stören.

Konkret geht es um ein Wort, das in der Aktionsbeschreibung selbst gar nicht vorkommt, sondern nur auf den Plakaten zu lesen ist:

Hessens Verkehrsminister Florian Rentsch (38, FDP), der auch Mitglied der Deutsch-Israelischen Gesellschaft ist: “Man kann sich dafür nur schämen, dass der Begriff ‘Deportation’ so geschichtsvergessen verwendet wird. Dass sich die Linken der Ausdrucksweise des NS-Regimes bedienen, ist ein Skandal.”

Nun ist es nicht so, dass der Begriff “Deportation” ausschließlich von Vertretern des NS-Regimes und von Linken verwendet wird: Auch Medien wie die “Welt”, das “Handelsblatt” oder die DPA verwenden ihn synonym zu “Abschiebung”, was auch der Duden vorschlägt.

Zum anderen bedeutet “deportation” im Englischen schlicht “Abschiebung”, die auf dem Plakat enthaltene Formulierung “Blockupy deportation airport” könnte man also mit etwas weniger bösem Willen auch schlicht als international gehaltene Aufforderung verstehen, einen “Abschiebeflughafen” zu besetzen.

Wir haben deshalb beim Hessischen Ministerium für Wirtschaft, Verkehr und Landesentwicklung nachgefragt, ob Minister Florian Rentsch eigentlich um den Kontext gewusst habe, in dem das Wort “Deportation” bzw. “deportation” steht.

Die Antwort des Sprechers Marco Krause fiel wie folgt aus:

Die Verwendung des Wortes “Deportation” wird in diesem Kontext nicht weniger verantwortungslos dadurch, dass zwei englische Wörter auf dem Plakat stehen. Hier sollten offensichtlich Assoziationen geweckt werden, die entschieden zurückgewiesen werden müssen. Die Plakatmacher haben das sensible Wort offenbar bewusst gewählt, um einseitig Stimmung zu machen. Dies ist geschmacklos gegenüber den Opfern und geschichtsvergessen. Eine Entschuldigung und die Entfernung der Plakate ist das Mindeste, was von den Verantwortlichen verlangt werden kann.

Unsere Frage, ob sich Herr Rentsch vor dem Hintergrund, dass es hier offensichtlich um den englischen Begriff ging, erneut so äußern würde, erschien der Pressestelle als “Suggestivfrage”, schließlich sei es nicht offensichtlich, dass es hier um einen englischen Begriff ging. Herr Rentsch halte die Kritik zu dem Plakat aufrecht, denn das Plakat “spricht leider für sich und spielt mit dem Begriff ‘Deportation’ im Gesamtkontext völlig verantwortungslos”.

Die Verwendung des Begriffs “Deportation” in anderen Medien würde der Minister aber nicht kritisieren, weil diese Medien “anders als das Plakat den Begriff ‘Deportation’ im Gesamtkontext nicht verantwortungslos verwenden”.

Die Antwort des Pressesprechers schließt mit einem bemerkenswerten Satz:

Ich gehe davon aus, dass Sie diese Anfrage parallel an die BILD-Zeitung richten und stelle daher unsere Antworten auf Ihre Anfrage auch der BILD als Quelle des Artikels zur Verfügung.

Mit Dank an Marcus, Martin und Egal.

GNTM, Eins­like, NZZ-Paywall

6 vor 9

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1. ” Brust raus, Bauch rein, Hirn aus”
(haz.de, Imre Grimm)
Imre Grimm schreibt über “Germany’s Next Topmodel”: “Stellen wir uns kurz vor, es gäbe eine Fernsehshow, die Jungs erklärt, wie Männer zu sein haben. Vorne steht zum Beispiel Ralf Moeller und schreit: ‘Breitbeinig! Geh’ breitbeinig!’, und die jungen Kandidaten gehen so breitbeinig, als wären sie eben auf einer texanischen Ranch vom Pferd gestiegen.”

2. “Bei der Wahrheit bleiben”
(spiegel.de/spiegel/spiegelblog, Sven Becker)
Sven Becker antwortet auf den Blogeintrag von Sexarbeiterin Carmen: “Auf viele Leser muss der Eintrag so wirken, als ob ich die Wahrheit gebogen hätte, um an eine bessere Geschichte zu kommen. Das weise ich zurück.”

3. “Der SPIEGEL und die hohe Kunst des Tendenzjournalismus”
(internet-law.de, Thomas Stadler)
Auch Thomas Stadler widmet sich der “Spiegel”-Titelgeschichte über Prostitution: “Eine seriöse Berichterstattung hätte vielmehr darauf hinweisen müssen, dass der Gesetzgeber die Regelungen zur Zwangsprostitution 2005 deutlich verschärft hat. Es kann also wahrlich keine Rede davon sein, dass der Staat Frauenhandel und Prostitution fördert. Das Gegenteil ist vielmehr richtig. Der Gesetzgeber hat die Regelungen zu Zwangsprostitution und Frauenhandel deutlich verschärft.”

4. “Die andere Parallelgesellschaft”
(taz.de, Daniel Bax)
“Zwischen 1 und 3 Prozent liegt, je nach Schätzung, der Anteil von Journalisten mit Migrationshintergrund in deutschen Medien”, schreibt Daniel Bax. “Dass bei der ‘Zeit’ heute mehr migrantische Journalisten arbeiten als früher, dient nicht nur der Imagepolitur. Es habe die Atmosphäre im Haus deutlich verändert, glaubt Redaktionschef Ulrich, die internen Diskussionen verliefen nun anders.” Siehe dazu auch ein Interview mit Sheila Mysorekar.

5. “Eine Zahl zieht Kreise”
(medienwoche.ch, Nick Lüthi)
“Schweizer lehnen Paywalls ab”, schreibt Wuv.de zu kursierenden Abozahlen der NZZ-Paywall: “Die apodiktische Aussage zur Zahlungsbereitschaft im Netz fusst auf einer einzigen Zahl und auf einer abenteuerlichen Interpretation derselben. Dumm nur, dass die knackige Schlagzeile mit der Realität nichts zu tun hat.”

6. “Ein Jugendfilter für die ARD”
(stefan-niggemeier.de)
Nach fünf Jahren Entwicklungsarbeit präsentiert die ARD den Mediathek-Bestandteil Einslike: “Der Gedanke, dass die­ses unsor­tierte Pro­gramm­ge­röll als ‘Eins­like’ eine Anlauf­stelle für das furcht­bar ver­misste junge Publi­kum der ARD wer­den könnte: Ich würde ihn welt­fremd nen­nen.”

WordPress, Sexarbeit, Béla Réthy

6 vor 9

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1. “Wenn, dann schreibt über meine politische Arbeit…”
(courtisane.de)
Sexarbeiterin Carmen trifft sich mit einem “Spiegel”-Reporter. Nach Erscheinen des Artikels notiert sie ihre Sicht.

2. “Angelina Jolie, Brustkrebs und ein Berichterstattungs-Tsunami”
(medien-doktor.de, Marcus Anhäuser)
Die Flut von Berichten zur Brustoperation von Angelina Jolie: “Die Frage ist naiv, aber wäre es vorstellbar gewesen, wenn es statt seitenweiser Berichterstattung über mehrere Tage (vom 14. Mai bis zum 23. Mai mit einem Stern-Titelbild) nur eine 20 Zeilen-Kurzmeldung auf den Promiseiten dieser Welt gegeben hätte? (…) Eher vereinzelt wird darauf verwiesen, das der chirurgische Eingriff Probleme bereiten kann (ein Aspekt, den auch Jolie nicht anspricht), und so gut wie gar nicht wird deutlich gemacht, dass auch nach der Amputation nach wie vor die Möglichkeit besteht, an Brustkrebs zu erkranken.”

3. “Wie ein kleines Blogsystem die Medienwelt auf den Kopf stellte”
(netzwertig.com, Jürgen Vielmeier)
Jürgen Vielmeier würdigt die Blogsoftware WordPress, gegründet vom damals 19-jährigen Matt Mullenweg. “Einfache Leute konnten plötzlich Medien machen, und sie taten es, zu Tausenden.”

4. “Kurier: Immer näher dran”
(ankommen.nordbayerischer-kurier.de, Joachim Braun)
Joachim Braun, Chefredakteur des “Nordbayerischen Kuriers”, trifft zwei Leser seiner Zeitung.

5. “Béla Réthy, sagen Sie jetzt nichts!”
(joca.me)
Der TV-Live-Kommentar des Champions-League-Finales zwischen Dortmund und Bayern in der Abschrift von Jörgen Camrath (PDF-Datei).

6. “Astrophysiker entdeckt gigantisches schwarzes Loch da, wo eigentlich sein Sexleben sein sollte”
(salaminews.at)

Bild.de gibt Hulk Hogan, was er braucht

Die meisten Unfälle passieren bekanntlich im Haushalt. Das hat nun offenbar auch Wrestling-Star Hulk Hogan am eigenen Körper erfahren müssen: Wie Bild.de unter Berufung auf eine kanadische Nachrichtenseite berichtet, musste Hogan am gestrigen Sonntag in Florida ins Krankenhaus, weil ihm ein Heizkörper (“radiator”) explodiert war.

Aber nicht nur das:

Und was macht so ein echter Haudegen, wenn seine Hand mit erdbeergroßen Brandblasen übersät ist? Na klar, er twittert Fotos davon, unterlegt mit lustigen Kommentaren. “Gerade ist ein Heizkörper in meiner Hand explodiert. Autsch.”, zwitscherte Hogan fröhlich noch aus dem Krankenhaus.

Später postete er sogar noch weitere Ekel-Fotos von seiner verbrannten Pfote und hielt seine Follower sogar darüber auf dem Laufenden, als ein Arzt ihn versorgte. Nachdem die Aufregung um das Sex-Tape mit der Ex-Frau seines ehemals besten Freundes so langsam abzuklingen scheint, braucht Hogan offenbar dringend Publicity.

Aber bitte zukünftig nicht mehr mit SOLCHEN Ekel-Fotos!

Die Empörung von Bild.de wäre ein klein wenig glaubwürdiger, wenn Bild.de diese “Ekel-Fotos” nicht direkt von Hogans Twitter-Account in den Artikel eingebunden hätte.

Mit Dank an Ronald F.

Blog-Marketing, Terrorbotschaften, E-Bikes

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1. “Die @Welt, wie es ihr gefällt”
(mediensalat.info, Ralf Marder)
Ein Artikel auf Welt.de verwechselt, welchem Sportler (Lindsey Vonn, Roger Federer, Rafael Nadal) was gefällt auf Facebook.

2. “Das London-Video in der Tagesschau”
(blog.tagesschau.de, Kai Gniffke)
Kai Gniffke erklärt in fünf Punkten, warum die ARD-Tagesschau “eine kurze Sequenz” aus dem mit einem Mobiltelfon aufgenommenen Video zeigte, das in Folge des Mordanschlags in London am 22. Mai 2013 aufgezeichnet wurde.

3. “Zu Diensten, Herr Mörder”
(medienblog.blog.nzz.ch, Rainer Stadler)
Rainer Stadler schreibt zum gleichen Video: “Laut Berichten sollen sie die Passanten aufgefordert haben, die Kameras zu zücken. Für die Terroristen ging die Rechnung auf. Sie haben sich innert Kürze die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit verschafft und ihrer Terrorbotschaft mit radikalen Bildern eine hohe Durchschlagskraft verschafft. Die Tat zehrt von der Propaganda, der Verbreitung von Angst und Schrecken. Zahlreiche Medien dienten ihnen als rückgratlose Gehilfen.”

4. “Teuflisches Angebot”
(zuspieler.de, Sebastian Wenzel)
Via die Blog-Marketing-Agentur Hallimash sucht der Verlag Franckh-Kosmos Blogger, die gegen Geld ein Gesellschaftsspiel besprechen. “Wer im Internet nach ‘Dice Devils’ und ‘Hallimash’ sucht, findet schnell Blogs, die bei der Aktion mitgemacht haben. Wir haben auf diesem Weg zwölf Seiten entdeckt, die über das Spiel berichtet haben. Darunter sind vor allem Blogger, die sonst eher nicht über Spiele berichten.”

5. “Todesfalle E-Bike”
(porcupine.ch, Iwan Schenker)
Ein Bericht über eine Vervierfachung der tödlichen Unfälle mit E-Bikes in der Schweiz (von 2 auf 8): “Fakt ist, dass bei einer korrekten Betrachtung der Zahlen und insbesondere unter Berücksichtigung aller relevanten Zahlen aus statistischer Sicht kein signifikanter Anstieg der Anzahl E-Bike-Unfälle nachgewiesen werden kann, weder mit noch ohne Todesopfer.”

6. “Die Berichterstattung der Rösler-Reise – ein Armutszeugnis”
(handelsblatt.com, Video, 1:58 Minuten)
Jessica Springfeld findet die Berichterstattung über die Silicon-Valley-Reise von Wirtschaftsminister Philipp Rösler “lächerlich” und “ein Armutszeugnis”: “Es sind keine peinlichen Möchtegern-Fotos, die uns erreichen. Röslers lockere Art wirkt authentisch, eher entspannt. Und die mitgeflogenen Startup-Gründer bestätigen: Die Reise war ein voller Erfolg.”

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